HermaphrodL Antonio Panormita ANTONII PANORMITAE HERMAPHRODITUS. Lateinisch nach der Ausgabe von C. Fr. Forberg (Coburg 1824), nebst einer deutschen metrischen Übersetzung und der deutschen Übersetzung der APOPHORETA VON C. FR. FORBERG Besorgt und herausgegeben von FR. WOLFF-UNTEREICHEN Mit einem sexualwissenschaftlichen Kommentar von Dr. ALFRED KIND LEIPZIG 1908 ADOLF WEIGEL PRIVATDRUCK P 7 Alle Rechte vorbehalten. Dieser Privatdruck ist in einer einmaligen Auflage von 520 numerierten Exemplaren nur für wissenschaft- lich interessierte Subskribenten gedruckt. Davon sind No. 1-20 auf echtem Japanpapier abgezogen EXEMPLAR NO-B )gle VORBEMERKUNG DES ÜBERSETZERS. Forbergs Ausgabe des „Hermaphroditus" mit seinen gelehrten Anmerkungen und den „Apophoreta", welche ich hier in Neudruck und Übersetzung dem kleinen Kreise der Subskribenten darbiete, gilt bei allen denen, die das Werk wirklich kennen, als eine Musterleistung deutschen Gelehrtenfleißes, denn es behandelt als das erste und einzige Werk ein Thema, das in den Schriften fast aller antiker Autoren — und ihrer Nachahmer, der Humanisten — eine allzu große Rolle spielt, um übersehen werden zu können. Hätte es sich darum gehandelt, den Vertretern der Philologie und der Altertumswissenschaft das seltene Buch wieder zugänglich zu machen, so würde ein unveränderter Abdruck des Originales ge- nügen. Aber das, was Forberg in seinem eleganten Latein er- örterte, interessiert heute weite Kreise von akademisch Gebildeten, Forscher auf fast allen Gebieten der Natur- und Geisteswissen- schaften, denen das Lateinische durchaus nicht so geläufig ist, wie es den humanistisch geschulten Zeitgenossen des Koburger Kanzleirats war. So beschloß ich, den Text des »Hermaphroditus" von Antonio Panormita, als denjenigen Teil des Buches, der den wenigsten zugänglich ist, ungekürzt im lateinischen Original ab- zudrucken und ihn zu Nutz und Frommen aller Nicht -Philologen IX Digitized by Google mit einer deutschen Obersetzung zu versehen. Für den er- läuternden Teil, die „Apophoreta", schien mir eine Obersetzung zu genügen. Die Originaltexte der Stellen, die Forberg hier kommentiert, hat ein jeder Philologe zur Hand, die betreffenden Hinweise sind von einem Fachgelehrten mit Rücksicht auf die modernen, kritischen Textausgaben revidiert und in dem .Index Scriptorum" registriert worden. Wie das ganze Buch keine Unterhaltungslektüre ist und sein will, so macht auch meine Obersetzung auf poetische Schönheit und Formvollendung keinen Anspruch. Sie soll nur das Original des Beccadelli, dessen Dichtertalent keineswegs über allen Zweifel erhaben ist, getreu wiedergeben. Daß* es hierbei ohne Harten nicht abgeht, weiß jeder, der andere Obersetzungen in antiken Vers- maßen mit kritischem Auge prüft, zur Genüge. Meines Wissens gibt es nur einen Dichter, dessen deutsche Disticha — keine Übersetzungen — man mit ungetrübtem Genuß lesen kann, und dieser eine war ein — Schwede, Karl Gustaf von Brinkman (1764—1847). Die Neueren haben, bei all ihrem Streben nach Formschönheit, längst darauf verzichtet, sich in antikem Gewände zu drapieren. Bei den Zitaten aus alten Schriftstellern habe ich Öfters auf die bereits vorhandenen deutschen Obersetzungen (von Voß, Berg, Siebold, Stahr u. a.) zurückgegriffen, wenn diese genau waren und das besagten, was Forberg belegen wollte. Noch öfter war ich freilich genötigt, die Dinge ein wenig deutlicher zu bezeichnen und die vorhandenen Obersetzungen demgemäß abzuändern. Wäh- rend in zusammenhängenden, besonders in erzählenden Texten anstößige Ausdrücke leicht gemildert oder gar umschrieben werden können, ist ein ähnliches Verfahren in herausgerissenen Zitaten, zumal wenn die metrische Form gegeben ist, nur auf Kosten der Deutlichkeit möglich. Wollte und könnte ich mit derselben Gewissenhaftigkeit wie der fleißige Forberg hier alles Material zusammentragen, das sich auf Antonio Beccadelli und seine Dichtungen bezieht, so würde das Buch zu einem unförmlichen und unhandlichen Bande an- schwellen. Es genüge daher, auf die Werke von Voigt, Wieder- X uigmz d by Oooglc belebung des klassischen Altertums, auf Vittori o Rossi, Storia della letteratura nel Quattrocento, auf die Abhandlung von F. Ramorino, Contributi alla storia biografica e critica del Panor- mita, besonders aber auf die interessanten Studi sul Panormita e sul Valla, von L Barozzi und R. Sabbadini, Florenz 1891, hinzuweisen. Geschrieben in der Walpurgisnacht 1908. FR. WOLFF-UNTEREICHEN. XI ANTONII PANORMITAE HERMAP HR OD1TUS. PRIMUS IN GERMANIA EDID1T ET APOPHORETA ADJECIT FR1DER. CAROL. FORBERG JUS. C O B U R G I 8U MT1BUS MEVSELIORVM. 1824 VORREDE DES HERAUSGEBERS. Der „Hermaphroditus", das berühmte Werk des Antonio Panor- mita, von ihm etwa um das Jahr 1410 verfaßt, 1 wurde vollständig erst beinahe vier Jahrhunderte später aus Handschriften von [dem gelehrten Bibliographen] Abbe Barthelemy Mercier de Saint - Leger im Jahre 1791, ohne Nennung seines Namens, herausgegeben. Aus dieser Mercier'schen Ausgabe, 2 deren wenige Exemplare 3 längst vergriffen sind, den Hermaphroditus von neuem herauszugeben, schien mir der Mühe wert; doch konnte ich es nicht über mich gewinnen, einen bloßen Neudruck der Pariser Ausgabe, die teils mehr, teils weniger enthält als ich wünschte, zu veranstalten. Was ich in dieser neuen Ausgabe bieten will, ist folgendes: Ich habe erstens die Epigramme mit Nummern versehen, um Zitate und Hinweise zu erleichtern. Zweitens habe ich zahllose Druck- und Interpunktionsfehler, die Mercier nicht bemerkt hatte, sorgsam verbessert Drittens habe ich besondere Mühe darauf verwendet, in den Anmerkungen die verschiedenen Lesarten zu- i In den Jahren 1422 bis 1425, nach Barozzi e Sabbadini, Studl sul Panormita e sul Valla (Anm. d. Obersetzers). * Der Titel lautet: Quinque illustrium poltarum, Ant. Panormltae, Ramusii Ariminensis, Padfid Maximl Asculani, Jo. Joviani Pontani, Jo. Secundi Hagiensis, Lusus in Venerem, partim ex codidbus manu scriptis nunc prlmum ediö. Parislis prostat ad Pistrinum in vico suavi (chez Molini, rue Mignon) MDCCXCI. in 8°. > Nur 500 Exemplare, nach Ebert, Bibliographisches Lexikon, No. 12524. XV Digitized by Google sammenzustellen, und zwar aus einer Handschrift in Koburg, 4 aus 4 Ich fand diese Handschrift in der meiner Obhut unterstellten Bibliothek des Herzogs von Sachsen -Koburg, unbeachtet und von Staub bedeckt. Es Ist ein Pergamentkodex in Quartformat, aus dem XV. Jahrhundert, mit sauberer Schrift, bestehend aus 17 Blatt, von denen die letzten drei leer sind. Er enthält das II. Buch des Hermaphrodltus vollständig und den letzten Vers des I. Buches; wahrend das Übrige von der ruchlosen Hand eines Unbekannten abgerissen ist. Zusammengebunden ist dieses Bruchstück mit einer größeren Anzahl anderer Schriften, alle auf Papier, und zwar I. auf Bl. 18 — 33: Priapeia, vgl. Bibliotheca critica Sebodlana 1820 , 841—844, 1039—1042; II. auf Bl. 34—35: einige Frag- mente aus Aeschines, Demades, Demosthenes und Plutarch in lateinischer Über- setzung; III. auf Bl. 36 — 42: die Rede Heliogabals an die Huren, mit der Über- schrift: oratio Eliogabali per D. Leonardum Aretinum ex Graeco in Latinum translata incipit. Ich gebe hier den Anfang der Rede wieder: .Eine unglaubliche Begierde ergreift mich, Kriegsgenossinnen, und heftige Gluten fühle ich in mir sich regen, wenn ich mich von eurer Menge umringt, von allen Selten fest- gedrängt sehe, denn wenn mir schon beim Anblick der einen oder der andern von euch warm wurde, wie viele Flammen der Lüste, meint ihr wohl, brennen jetzt in mir, da ich so viele von Begierde feurige und mich zur Umarmung herausfordernde Augen, so viele freche Blicke, so viele nackte Busen und sich herausfordernd anbietende Brüste vor mir sehe? Aber ich will noch ein Weilchen an mich halten und werde jetzt, während ich einige Worte an euch richte, ganz gegen meine Gewohnheit, meiner Begierde Zügel anlegen. Meine Rede wird euch auch nicht unangenehm sein, noch Dinge betreffen, die eurem Berufe fern liegen, vor allem aber werdet ihr euch nicht darüber wundern, daß ich euch als Kriegsgenossinnen anrede, denn jeder Liebhaber ist in der Tat ein Soldat* . . . und nun zum Schluß: .Liegt eurer Aufgabe mit frohem Mute ob und wartet nicht, bis man euch anredet, sondern drängt euch auf, setzt alle albeme und unpassende Scham beiseite, lauft umher auf Gassen und Straßen, Märkten und Plätzen, In den Theatern, ja, sogar in den Tempeln der unsterblichen Götter, nehmt, raubt und verführt zu jeder Zelt die Leute jedes Standes und jedes Alters, vor allem aber die Jünglinge. So wie es der Freigebigkeit des Kaisers ansteht, in den blutigen Kämpfen des Mars Kränze auszusetzen zur Belohnung für tapfere Männer, welche Stadtmauern und Wälle erstürmt, römische Bürger gerettet und Schiffe gekapert haben, so soll auch jede von euch, die in diesem Heere Cupidos hervorragende Taten der Ausschweifung verrichtet hat, ansehnliche Geschenke zur Belohnung haben. Ich habe gesprochen." Zu dieser Rede, deren voll- ständiger Text sich in den Ausgaben der Kaiserblographicn des Joa. Bapt. Egnatius (Aldus 1516, 1519 usw.) findet, vgl. die Stelle bei Lampridius, Helio- gabalus, Kap. 26: .Er ließ alle Freudenmädchen vom Zirkus, vom Theater, vom Stadium, aus den Bädern und von allen anderen Orten in ein öffentliches Ge- bäude bringen, hielt daselbst an sie, wie ein Feldherr an das versammelte Heer, eine Anrede, nannte sie Mitstreiterinnen und unterhielt sich mit ihnen über die XVI der von Bartolom«) Cesani im Jahre 1553 in Venedig ver- verschiedenen Stellungen und Lagen bei der Wollust*; IV. Bl. 42 — 43: das Büchlein des Magister Wigüelmus de Brissia von dem Gedächtnis und der Er- innerung; V. Bl. 57—116 (die dazwischen liegenden Blatter sind leer): eine Chronik der römischen Kaiser und Papste bis zum Jahre 1447; VI. Bl. 117: ein römisches Kalendarium; VII. Bl. 127: der Anfang einer unvollendeten Chronik; VIII. Bl. 128: zwei Briefe Virgils, von denen der eine, an den Kaiser Augustus, verstümmelt, bereits von P. van Maaswyk, S. 1308, Heyne IV, 194, und in der Bipontlner Ausgabe II, 47 herausgegeben ist, während der andere, vollständig er- haltene, an Maecenas, aus dieser Handschrift von mir zuerst in der Bibliotheca Critica Sebodiana 1820, 67 veröffentlicht wurde. Der geneigte Leser möge selber urteilen, ob die nachstehende Probe die Eleganz und den Liebreiz des virgilla- nischen Stiles oder nicht vielmehr den Versuch eines wenig glücklichen Nach- ahmers erkennen läßt: .Virgilius Mecenati salutem dicit. Ruf f um Pompejum libertum tuum novelle vidi. Herl enim ad me venit hora intempesta, librum poposdt, instat, jubet, voll Neminem vidi quaestorem indecentlus. Ne poscas rego. Medius fidius ipsum remltto, quam primum lectum cultumque, fortassis inopinum. Varum nostrum valentem sdto: saepe ad nos venit, loquitur nobis- cum, pransltat, nonnunquam lectitat Vir comis est. Varo sine me Cayete moram duxit. Tu velim Flaccum turbes, Homerum reddat: sat tenuit. Phllel- phum recondliet: suus est Vale*; IX. Bl. 128 — 130: 12 Epitaphia zum Lobe Ciceros, von ebenso vielen Dichtern; sie finden sich in Petri Pithoel Epigram- mata et Poematla vetera, S. 74—75, unter die einzelnen Autoren verteilt Unsere Handschrift enthält außerdem noch das Epitaphium aus Ovids Tristien III, 3, 73—76; X. Bl. 135—138: einiges aus der Grammatik; XL Bl. 139—140: die Carmina Sibylllna, lat; XII. Bl. 140— 141: von unglücklichen Gelehrten und Feldherren; XIII. BL 142: poetische Lobrede auf Lodovico Casella: den Rat und die Stütze des Herzogs Borso wahrscheinlich von Lodovico Carbone verfaßt; XIV. BL 143 — 156: Auszüge aus den Schriften des Ovidlus, Augustinus, Gregorius Magnus, Hieronymus, Origines, Augustinus, Gregorius Nazlanzenus und Beda; XV. Bl. 156—159: einige histo- rische und grammatische Anmerkungen; XVI. B1.163 — 175: Rede auf den römischen Kaiser Friedrich HL, vor Borso, Herzog von Ferrara, Im Jahre 1469 zu Ferrara von Lodovico Carbone gehalten. Der Schluß lautet: (Ich bitte darum) .daß man mein Haupt mit dem Dichterlorbeer schmücke, nach welchem ich mit so vielen Mühen stets gestrebt habe. Seit vierzehn Jahren schon unterrichte ich die Jugend öffentlich In meinem viel besuchten Hörsaal, fast zweihundert Reden und an zehntausend Verse habe ich verfaßt und alle mit eigenem Munde vor- getragen, alle berühmten Männer, welche In meinem Vaterlande gestorben sind, habe ich mit Leichenreden gefeiert, fast allen jungen Frauen aus den angesehenen Familien habe Ich die Hochzeltsrede gehalten. Wenn aber trotzdem meine Ver- dienste nicht hinreichend groß erscheinen, wirst du mich wenigstens als Borsos // XVII anstalteten Ausgabe der Werke des Panormita, 5 aus dem II. Teil Lobredner nicht verschmähen*; XVII. Bl. 179 — 238: mehreres in Poesie und Prosa von demselben Lod. Carbone, von dem Borsctti in seiner Historia alml Ferrariae gymnasii, II, 38 sagt: .Lodovico Carbone, von Ferrara. Da er für einen der beredtesten und gelehrtesten Redner und Poeten galt, und es auch wirklich war, auch die lateinische und griechische Literatur ausgezeichnet gut kannte, wurde er auf einen Beschluß des Paolo Costabili und der .Savli' im Jahre 1456 auf den Lehrstuhl der Rhetorik und Poesie berufen. In dieser Stellung wirkte er als einer der besten Lehrer, mit Arbeiten Überhäuft, bis zum Jahre 1465, wo er sich, mit Zustimmung der Reformatoren unseres Gymnasiums, nach Bologna begab, um dort Vorlesungen zu halten, die man ihm reich honorierte. Zu uns zurückgekehrt, starb er bald darauf. Er schrieb ein Werk de elocutione oratoria, Grabreden auf Borso, Herzog von Ferrara und andere berühmte Männer, lateinische Gedichte und anderes. Er wurde von Lilio Gregorio Giraldi im zweiten Dialog der Poeten seiner Zeit, sowie von anderen gefeiert. Er übersetzte auch die Rede des Kardinals Bessarion an die Fürsten Italiens, mit der er sie zum Kriege gegen die Türken aufforderte, und diese Übersetzung widmete er dem Borso von Este'; XVIII. BI. 241— 242: über die Würden und Ämter der Alten; XIX. BL 243—244: eine Rede (des Lod. Carbone) an den römischen Papst; XX. BL 245—250: ein Buch über die Tugendlehre und die Flucht vor dem Laster; XXI. Bl. 251—262: Lod. Carbones Grabrede auf den er- lauchten Bertoldo von Este, Feldherrn der Venezianer, der im pcloponnesischen Kriege im Kampfe gegen die Türken, im Jahre 1463, gefallen war; XXII. Bl. 264 bis 273: Regeln der Metrik. 6 Der Titel lautet: Antonii Bononiae Beccatelli cognomento Panhormitae epistolarum libri V. Eiusdem orationes II. Carmina praeterea quaedam, quae ex multls ab eo scriptls adhuc colligi potuere. Cum privilegio. Veneüis MDLIII. in 4°. Titel, Biographie des Antonio, aus den Elogien des Paolo Giovio, Index der Briefe und 135 Bl. Text. Die Gedichte hat der Herausgeber mit einer Vor- rede versehen: .Die Gedichte, welche hier folgen, sind von Antonio Panormita bereite in seinen Jünglingsjahren geschrieben worden. Wenn wir doch auch diejenigen, welche er im späteren Alter, in gereifterem Stile verfaßt hat, haben könnten! Doch verzweifeln wir nicht daran, sie noch einmal aufzufinden. In- dessen kann man ihn aus diesen, hier vorliegenden Proben seines Geistes und seiner Muse leichUich kennen und schätzen lernen, und man wird einsehen, daß er nicht ohne Verdienst von Gioviano Pontano, Tito Strozzi und anderen edlen Dichtern des öftern gepriesen wurde.' Dieses nicht leicht aufzufindende Buch, das ich durch die besondere Güte des Herrn Joh. Gottfr. Eichhorn, die Zierde der Georgia Augusta und des gesamten gelehrten Deutschlands, aus der Göttinger Bibliothek In liberaler Welse zur Benutzung erhalten habe, wie ich dankbar be- kenne, enthält 13 Gedichte aus dem I. Buche des Hermaphrodltus (in meiner Ausgabe: 1, 10, II, 21. 22 , 23 , 24, 27, 30 , 31, 32 , 37, 41) und 19 aus dem II. Buche (1, 5, 12, 14, 15, 16, 21, 22, 23, 25, 26, 27, 28, 31, 32, 33, 34, 35, 36); XVIII Digitized by Google der Carmina illustrium poetarum Italorum, Florenz 1719, 8 Bände, 8 aus Angelo Maria Bandinis Catalogus codicum latinorum biblio- thecae Mediceae-Laurentianae, 7 sowie aus anderen Autoren, die gelegentlich diesen oder jenen Vers des Hermaphroditus citieren, — soweit sie mir bekannt geworden sind. Mit Hilfe dieses Apparates habe ich es unternommen, die richtige oder wahrscheinlichste Lesung festzustellen. Viertens habe ich Parallelstellen aus klassi- schen Autoren, die unserm Dichter vorgeschwebt zu haben scheinen, überall in Fußnoten beigesetzt, denn ich wollte den Leser bei schwierigeren Stellen nicht ohne Hilfe lassen. Schließlich ging mein Bestreben dahin, ohne alle Prüderie — die in Künsten und Wissenschaften, in allen ernsten Dingen, in einer dem täglichen Verkehr fremden Sprache ganz überflüssig ist — offen und ver- ständlich die ungewöhnlicheren Arten der Wollust und geschlecht- liche Dinge überhaupt zu behandeln, da ich bemerkt hatte, daß Obszönitäten von den Kommentatoren und den Lexikographen fast stets entweder ganz übergangen oder so erklärt werden, daß doch fällt es auf den ersten Blick auf, daß der Pariser Ausgabe eine ganz andere Rezension zugrunde gelegen hat als der Venezianischen. Auch ist der Venezia- nische Text etwas purgiert und sorgfaltiger bearbeitet, was entweder auf eine spätere Revision des Autors selber oder auf eine strengere Moralkritik von selten des italienischen Herausgebers schließen läßt. Vielleicht auch auf beides. « Dieser Band enthält: Buch I, Epigramm 21, 22, 41; Buch II, 1, 22 , 33; Anhang 2, 8. 7 In seinem Werke hat Bandini die Titel aller Epigramme des Hermaphroditus aufgeführt, ferner zwei vollständige Epigramme (I, 43; II, 38), das erste Distichon von I, 42 und den ersten und letzten Vers von II, 1. An dieser Stelle habe ich dankbar der Herren Joh. Aug. Reuß und Joh. Qottfr. Ludw. Kosegarten zu ge- denken. Der erstere hat sich mir nicht nur sehr gefällig erwiesen, als Ich den Florentiner Druck von der Göttinger Bibliothek erbat, sondern hat außerdem die nicht geringe Mühe auf sich genommen, die Stellen, welche sich im II. Bande des Bandini, S. 106 — 112, auf den Hermaphroditus beziehen, für mich mit eigener Hand zu exzerpieren; der letztere hat mir das ebendort befindliche Exemplar des Bandini ebenfalls eigenhändig abgeschrieben und mir in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt. Verschiedene andere Herren Gelehrte haben meine Studien durch erwiesene Gefälligkeiten, durch Exzerpte und durch Aufmunterungen unterstützt Auch nicht an einen einzigen habe ich mich vergebens mit Fragen gewendet. All diesen trefflichen Männern bin ich zu Dank verpflichtet und ich würde mich freuen, wenn es mir vergönnt wäre, ihnen meine Dankbarkelt durch Gegendienste zu beweisen. //. XIX die Wißbegierde des Lesers, der der Sache auf den Grund geben will, unbefriedigt bleibt, — wenn nicht gar derart, daß durch die Erklärung die Stelle einen ganz anderen als den ursprünglichen Sinn bekommt. Aber, wie es zu geschehen pflegt, die Ausführung meines Vorhabens verzögerte sich bald, wie ich den obszönen Stellen in den alten Autoren Schritt für Schritt nachspürte und dabei merkte, wie das Material zu solch einer Fülle anwuchs, daß es gar nicht mehr in dem engen Raum der Anmerkungen untergebracht werden konnte. Ich glaube daher den richtigen Ausweg gefunden zu haben, wenn ich diese ganze Masse vom „Hermaphroditus* getrennt halte und sie, gewissermaßen als Apophoreta, d. h. als Nachtisch, folgen lasse. Alles, was ich da aufgetischt habe, habe ich zur Genüge mit Zitaten aus den klassischen Autoren belegt, und zwar so, daß ich überall die Beweisstellen im Wortlaut ausgeschrieben habe, weil nichts un- bequemer ist, als wenn der Leser immer wieder aufstehen muß, um Bücher nachzuschlagen, die er sehr oft nicht einmal zur Hand hat. Ich habe fast stets davon abgesehen, Anderer Meinungen und Auslegungen zu widerlegen, denn ich bin keineswegs zum Rezensenten besonders veranlagt, und wenn den großen Philologen, ohne deren Vorarbeiten ich überhaupt nichts zustande gebracht hätte, einmal etwas Menschliches passiert ist, weil sie andere Zwecke als ich verfolgten oder weil sie der Ekel vor den schmutzigen Dingen übermannte, so wäre es Unrecht, dies mit knabenhafter Oberhebung aufzudecken, und noch größeres Un- recht, sie tölpelhaft auszulachen. Zu untersuchen, wo in geschlechtlichen Dingen, im Tun und im Geschehenlassen, die Ehrbarkeit aufhört und die Schande anfängt, das würde zu weit führen. Ich überlasse es dem unparteiischen und unverdorbenen Urteil meiner Leser; nur mögen sich die Richter hüten, daß sie sich nicht ein allgemein gehaltenes Ver- dammungsurteil über Dinge zuschulden kommen lassen, die bloß unter bestimmten Umständen, zu bestimmter Zeit, an bestimmtem Ort und zu bestimmtem Zweck Tadel verdienen. Ich wollte auf diese Streitfragen nicht eingehen, weil ich im täglichen Leben häufig die Erfahrung gemacht habe, daß, selbst wenn verständige Leute ein allgemeines Urteil über Sittliches und Unsittliches ab- XX UIQIIIZ60 Dy geben, ihre Meinung immer so herauskommt, daß irgend etwas Übertriebenes, Unpassendes oder Verdrehtes darinnen steckt Daher kommt es, daß ein Mensch, je tiefere Einsicht er besitzt, desto milder, gemäßigter und nachsichtiger alles Menschliche hin- nimmt, desto leichter geneigt ist zu verzeihen, während anderer- seits, je mehr einer in den Vorurteilen der großen Masse be- fangen ist, er desto schneller zu verdammen bereit ist, desto drohender mit großen Worten um sich wirft, desto härter gegen seine Zeitgenossen eifert. Geh nun, mein Büchlein, und versuche dein Schicksal. Du brauchst vor den neuen Catonen, wenn sie vielleicht aus dem Himmel fallen, nicht zu erschrecken. Wisse, daß du Leute finden wirst, die dich öffentlich mit gerunzelter Stirn verdammen, aber hernach im geheimen, wenn sie ihre Heuchlermaske abgelegt haben — dich gierig lesen werden. Koburg, im Juni des Jahres unserer Zeitrechnung, 1824. FRIEDRICH CARL FORBERG. XXI Digitized by Google VORREDE DES PARISER HERAUSGEBERS. Antonio, als Dichter vom Kaiser Sigismund mit dem Lorbeer gekrönt, Rechtsgelehrter und Ritter, aus dem Geschlechte der Beccadelli von Bologna, wurde im Jahre 1393 zu Palermo in Sizilien geboren, und ist daher unter dem Namen Panormita be- kannt geworden; er starb am 6. Januar 1471, im Alter von 77 Jahren. Ober ihn siehe, außer Jovius, den Elogia Sicula des Hieronymus Ragusa, der Biblioteca Napoletana von Nie. Tuppo und dem Dictionnaire historique et critique von P. Bayle, Antonio Mongitore, De scriptoribus Siculis I, S. 55, und Jac Gaddi, De scriptoribus non ecclesiasticis, Lugd., per Joan. Petr. Chancel, 1649, fol. t II, S. 128, vor allen aber Apostolo Zeno, Dissertazioni Vos- siane, Venezia, per Gio. Bart. Albrizzi, 1752, in 4°, I, S. 305, eine sehr gelehrte Abhandlung über sein Leben und seine veröffent- lichten und unveröffentlichten Schriften. Sehr berühmt sind Panor- mitas Vier Bücher von den Aussprüchen und Taten Alfonsos, Königs beider Sizilien und von Aragonien, dessen geheimer Archivar er war; sie sind mehrfach gedruckt worden. Panormita soll für dieses Werk von Alfonso ein Geschenk von tausend Goldstücken empfangen haben, wie Giov. Gioviano Pontano (de liberalitate, Kap. 29, Werke, Bd. I, S. 328) erzählt; derselbe Autor hat auch einen Dialog unter dem Titel Antonius zum Lobe Panor- XXIII mitas verfaßt (II, 1196 ff.)- Des Letzteren Briefe in fünf Büchern sowie zwei Reden an die Ligurier und an König Alfonso und seine Gedichte erschienen in Venedig 1553 in 4°. Zwei andere Reden an die Einwohner von Gaeta und an die Venezianer, über den Frieden, stehen bei Barthol. Facius, de rebus gestis Alphonsi, Lugduni 1560, in 4°, Hb. III, S. 103 und Hb. IX, S. 259. Andere Briefe von ihm finden sich in dem Werke Regis Ferdinandi et aliorum epistolae ac orationes utriusque militiae 1586, in 8°. Die Rede, welche er bei der Krönung Friedrichs III. i. J. 1452 in Rom gehalten hat, ist in Frehers Scriptores Germaniae, Teil III, zu An- fang, aus der alten Venezianischen Ausgabe wieder abgedruckt. Seine Gedichte, die er unter dem Titel „Hermaphroditus" sammelte, die selbst Poggio wegen ihrer Laszivität mißbilligte und die auf dem Konzil zu Konstanz verdammt wurden, waren dem Cosimo dei Medici, dem »Vater des Vaterlandes" gewidmet und sind bisher in mehreren Handschriften in den Schränken der Biblio- theken verborgen gewesen, so in der Mediceo Laurenziana in Florenz, in der Ambrosiana in Mailand, in der Famesiana 1 in Neapel, in der Königlichen Bibliothek in Paris usw. Sie werden in dieser Ausgabe zum ersten Male an das Licht der Öffentlich- keit gebracht Gegen dieses laszive Buch erhoben Francesco Filelfo, Lorenzo Valla, Antonio da Rhö und Mariano von Volterra Protest, letzterer in einem Gedichte, welches sich handschriftlich in der Bibliothek des Apostolo Zeno in Venedig fand. Natürlich predigten auch die berühmtesten Kanzelredner jener Zeit, wie Bernardino von Siena und Roberto da Lecce heftig dagegen. Lorenzo Valla erzählt in der Invectiva in Facium, II, S. 543, der Baseler Ausgabe, 1540, von Panormita: «Wenigstens zweimal ist er in italienischen Städten in effigie verbrannt worden: zuerst ist er in Ferrara, während der Papst der Synode beiwohnte, das zweite Mal in Mailand unter großem Zulauf von Schaulustigen aus allerlei Volk unter dem Symbol eines Bildes verbrannt worden. Das dritte Mal soll er — wie ich hoffe — selber verbrannt werden." 1 Jetzt der Biblioteca Nazionale, daselbst einverleibt (Anmerkung des Übersetzers). XXIV Digitized by Google Er selbst verfaßte für sich, schon dem Tode nahe, das folgende Epitaphium: Sucht, Pieriden, wen andern, der anstimme Klagen der Liebe, Sucht einen, welcher den Ruhm mächtiger Könige sing'. Mich will der Vater, der Höchste, der Menschen Erzeuger und Heiland Zu sich berufen und weist himmlischen Wohnsitz mir an. xxv STIMMEN ÜBER DEN „HERMAPHRODITUS". I VON SEITEN DES VERFASSERS. Aus einem Briefe des Antonio Panormita an Bartolomeo (Capra), Erzbischof (von Mailand), S. 38 und 39 der Briefe in der Ausgabe Venedig 1553. Ich komme nun auf unsern Freund Lamola zurück. Er bittet mich brieflich, und zwar in deinem Namen, ich möge dir nächster Tage einmal meinen Hermaphroditus schicken; er behauptet, du habest eine unglaubliche Begierde, diesen zu sehen und meine Verse durchzulesen. Wenn ich auch zuerst Bedenken trug, da es eine ziemlich schlüpfrige Geschichte und ein Werk aus meiner Jünglingszeit ist, entschloß ich mich doch später aus gutem Grunde, es dir auf deinen Wunsch so zuzusenden wie es ist, damit, wenn du durch irgend etwas deiner Moral und deinem Lebensalter Widerstrebendes beleidigt würdest, du dir dies selber zuschreiben mögest, der du das Buch von mir gefordert hast, nicht mir, der ich es dich sehen lasse, um deinem Wunsche ent- gegenzukommen. Ich schicke dir also meinen Hermaphroditus, ein Büchlein, das zwar schlüpfrig ist, aber von jener Laszivität, von der uns die größten Redner, die erhabensten Dichter, die ernstesten Philosophen, schließlich sogar enthaltsame Männer und gute Christen das Beispiel gegeben haben. Natürlich ziemt es XXVII Digitized by Google dem frommen Dichter selber, keusch zu sein, daS es auch seine Verse seien, ist nicht nötig; du bist ein gebildeter Mann und weißt das recht gut. Wollte ich also hierüber mich dir gegen- über weitläufiger auslassen, so hieße das, wie man zu sagen pflegt, „die Minerva belehren". Darin aber mußt du ohne Falsch und in aller Freundschaft mit mir verfahren: wenn du Anderen etwas über mein Buch zu sagen hast, bringe dasselbe auch bei mir an, damit ich daraus entnehmen und mir einprägen kann, was nach deinem umfassenden und scharfen Urteil von mir zu erwarten sei (1427). Aus einem Briefe an Cambio (Zambeccari), ebendaselbst S. 48. Ein Vers des Herrn aphroditus heißt: 1 — vor unwissendem Volk birgt sich des Pegasus Quell. Glaube mir, es kann kein einziger ein Dichter werden, wenn er nicht fromm und einfältigen Herzens ist. Wenn wir auch in der Jugend gescherzt und gelumpt haben, so werden manche Jugendsünden mit dem ersten Barte abgenommen. Aus einem Briefe an Guarino, ebendaselbst S. 75—76. Wenn ich auch vernommen hatte, daß mein Hermaphroditus von mehreren Seiten günstig aufgenommen und sehr gelobt worden war, überlegte ich mir doch, daß diese Urteile, wie ich zur Genüge wußte, wohl teils auf ein übermäßiges Wohl- wollen gegen mich, teils mehr auf die Neuheit als die Gediegen- heit der Sache zurückzuführen seien. Aber da ich erfahre, daß du, solch ein redlicher, wahrheitliebender und offenherziger Mann, der gewissermaßen den Verstand auf den Handflächen trägt, von mir und meinem Büchlein dieselbe Meinung habest, kann ich nicht nur gar nicht erst überlegen, sondern — ich will meine Schwäche eingestehen — ich gebe mich ganz der Freude hin, um so mehr, als du mir bisher durch kein Band der Freund- schaft oder näheren Bekanntschaft verbunden warst. Ich meine » Buch II, Epigramm XXVII, 6. XXVIII auch nicht, daß dein Urteil in dieser Sache durch die Neuheit beeinflußt sei, da doch einem klugen und angesehenen Manne nichts neu, wunderbar oder dem menschlichen Geiste und Fleiße unerreichbar vorzukommen pflegt Darum wünsche ich mir von Herzen Glück und schmeichle mir geradezu, lieber Guarino, und zwar nicht unbedachtsam: das höchste Lob ist's doch, meiner Treu, von hochgepriesenen und erprobten Männern mit besonderen Lobsprüchen erhoben zu werden. Trefflich weiß derjenige andere zu loben, der selber von Jugend auf Lob genossen, dem nie etwas Niedriges, Verachtetes oder Gemeines Vergnügen bereitet hat. O, wie glücklich ist mein Herrn aphroditus, der solch einen stimm- begabten Lobtrompeter in dir erhalten hat O, wie glücklich bist du, schlüpfriges Büchlein, daran; nun bist du vor den Pfeilen der Neidbammel und des Pöbels noch sicherer als hinter dem sieben- fachen Schilde des Ajax, denn dich schützt Guarinos Ansehen. Aber, obgleich die Meinung, die du von mir hast, mich freut, fürchte ich doch, daß sie über das Maß hinausgehe, daß du mich höher einschätzest als ich wert bin. Denn, bei dem unsterblichen Gotte, wenn ich mich selbst erkennen will, wie kann denn ein vom Rechtsstudiuni in Anspruch genommener und von tausend anderen Geschäften beinahe aufgeriebener Mensch eines so groß- artigen Rühmens würdig sein? Wie richtig sagt Junius Juvenalis: Könnte sich anders entfalten der Geist, als wenn um die Dichtkunst Nur er bemüht ist? (VII, 63.) Deshalb bitte ich dich, lieber Guarino, halte Maß, denn wenn man schon in allen Dingen maßvoll verfahren muß, so muß man es, meine ich, am meisten, wenn es gilt, jemanden zu loben. Solon von Athen, den man für einen der sieben Weisen hält, schuf ein Gesetz gegen die Betrüger, nach welchem derjenige, der einen andern durch das Lob irgend jemandes hintergangen hatte, sich strafbar machte. Es wird daher, wie ich meine, auch Leute geben, die dich vor den Richter zitieren lassen, wenn sie behaupten und nachweisen können, daß du sie irregeführt hast. Daher handelst du sicherer und bedachtsamer, wenn du dich solcher Lobsprüche ganz enthältst. Wenn dich aber deine an- XXIX geborene Güte und jene unglaubliche Zuneigung, die du zu allen Studierenden, besonders aber zu Dichtern hast, so drangt, daß du nicht widerstehen kannst, dann sei sparsamer im Loben, daß dich niemand nach dem Gesetze des Solon belange, und vernachlässige auch nicht jene weise Lehre, die zu Delphi an geweihter Statte mit goldenen Lettern geschrieben stand: Nichts im Übermaß. Dem Giovanni Lamola aber, diesem gelehrten und wohlerzogenen Manne, diesem Musterschüler aus dem Gymnasium des Guarino, bin ich Dank, ja den größten Dank schuldig, deswegen, weil er ohne mein Wissen dir meinen Hermaphroditus geschickt und aus freien Stücken meine Partei ergriffen hat Denn als ich mich anschickte, dir das Buch zu zeigen, kam mir der rührige Mann schon zuvor. Schließlich bitte ich dich recht sehr und instandigst, daß du das Büchlein, das ich bei den Mahlzeiten im Scherz niederschrieb, durchsehen, verbessern und, wo es schlecht ge- drechselt ist, nachfeilen mögest Denn wenn ich erfahre, daß ich dir in irgend einem Teile mißfallen habe, will ich nicht daran zweifeln, daß ich im übrigen deinen Beifall gefunden habe. Brief an Poggio, Antwort auf Poggios Brief (siehe unter IL), eben- daselbst Bl. 79 ff. Deine Briefe, welche, nach meiner Meinung, besonders gut jenen alten und gediegenen Charakter der römischen Beredsam- keit wiedergeben, sind mir, wie du gewünscht hast, zugestellt worden. Ich hätte sie, wenn sie auch anonym gewesen waren, schon an ihrer eigenartigen Eleganz als von dir herrührend er- kannt. Deine Briefe haben nämlich ich weiß nicht was Erhabenes, Sanftes, Pikantes, Üppiges und Bedeutendes, und zwar in so merkbarem Grade, daß jemand, der daran zweifeln wollte, ob sie von dir stammen, außer dir niemanden finden würde, dem er sie zuschreiben könnte. Sie haben mich also ergötzt und mir Freude bereitet, sowohl wegen anderer Ursachen als auch hauptsachlich, weil du mir mitteilst, mein Werkchen sei dir nicht unangenehm gewesen und auch von dem nicht unberühmten Dichter Antonio Loschi gelobt und gebilligt worden, wozu ich mir und meinem Büchlein viel Glück wünschen muß: mir, der ich diese glaub- xxx würdigsten Lobredner gefunden habe, die infolge ihrer ungemeinen Beredsamkeit den Blitz aus den Wolken schleudern und, wenn sie wollten, sogar den Thersites oder irgend einen Menschen aus der Hefe des Volkes durch ihr glänzendes Lob berühmt machen können; dem Büchlein, weil es schließlich in die Hände hoch- gelahrter Männer gefallen ist, von denen ich sicher war, daß sie durchaus nicht an seiner Schlüpfrigkeit Anstoß nehmen würden, da sie ja sehr viele gelehrte, ernste und fromme Männer kennen, Griechen und Landsleute, die dergleichen öfter geschrieben haben, und die noch jetzt den Catullus, den Albius Tibullus, Propertius, Junius Juvenalis, M Valerius Martialis und in erster Linie den Virgil und Ovid in Händen haben, hervorragende Dichter und Lateiner, welche öfters so schamlose und schändlich zu sagende Worte vorbringen, daß man nicht weiß, ob sie besser auf die Schaubühne oder in das Bordell passen. Und ich, Leutseligster, finde, daß so viele große Redner, so viele große Männer sich an dieser Art des Studiums ergötzt und sich darin geübt haben, daß ich, meiner Treu, kaum einen wüßte, der nicht Vergnügen daran gefunden hätte. Denn selbst der erste unter den Philosophen, Plato, der zwar kein Christ, dem aber Gott nicht unbekannt war, der sogar nur einem Gotte diente und die anderen Engel oder Dämonen nannte, hat bekanntlich Verse und recht leichtfertige, auf die Knaben 1 Aster, Alexis und Phaedrus, ebenso über Dio von Syracus gemacht, und überhaupt existieren von ihm nur zärtliche und verliebte Gedichte, von denen ich nur das nach- stehende an dieser Stelle anführen will, obgleich es etwas üppiger ist, wie Gellius sagt, und ziemlich frei aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzt Höre, was für ein allerliebster Dichter Plato ist, höre ihm einmal zu, sage ich, dem allerliebsten Dichter Plato: 2 Wenn mit halboffnem Munde ich Den lieben Knaben küssen will 1 Apuleius, Apol., Kap. 10. 2 Das Gedicht findet sich bei Gellius (XIX, 11) und Macrobius (Saturn. II, 2). von woher Scaliger es in die Catalecta aufgenommen hat. Auch Burmann II gibt es in seiner Anthologie (I, 668) wieder. XXXI Und seines Atems Blütenduft Den offnen Pfad der Lippen führ', Dann wagt sich meine Seele krank Und liebeswund zur Lippe hin, Erspähen möcht' in seinem Mund Sie eine Zugangsöffnung sich, Und durch des Knaben Lippenpaar So weich sucht sie den Übergang. Ein Sprung und drüben wäre sie. Ja, ließ' ich einen Augenblick Die eng vereinten Lippen los, So würd', von Liebesglut erregt, Sie, mich verlassend, zu ihm fliehn. Doch welch ein Wunder war geschehn: Mir selber wär gestorben ich Und in dem Knaben lebt' ich fort. Es gibt wohl niemanden, der den Solon, einen der sieben Weisen, einen strengen Mann und wahren Philosophen, nicht kennte; und dennoch ist's offenkundig, daß auch er in ähnlicher Weise schlüpfrige Verse 1 gedichtet hat Dasselbe weiß man auch von dem Zyniker Diogenes, dem Stoiker Zeno, dem Lakedämonier Teios, dem Kai Ii machos, und ganz besonders von der Lesbierin Sappho, von welcher Gedichte — auch in lateinischer Ober- setzung — existieren, die an den Sizilianer Phaon, ihren Ge- liebten gerichtet sind, so unzüchtig, so lüstern und doch so fein und elegant, daß sie jedem Leser, und wäre er Nestor oder Priamus, Sinnenkitzel erregen. Wirklich steht ja, wie Horaz in seiner Dichtkunst sagt, den Dichtern und Malern stets die Frei- heit zu, was ihnen beliebt, zu wagen. Wenn sie aber das laszive Genre wählen, müssen sie sich nach jener sehr wahren Regel richten, welche Catullus 2 gegeben hat: Denn keusch soll sich der fromme Dichter halten, Er — die Liederchen brauchen dieses gar nicht, 1 Vgl. Apuleius, Apol., Kap. 9. * Catullus XVI. XXXII Digitized by Google Die dann eigentlich Salz und Saft gewinnen, Wenn sie kosen so leicht, die losen Buhler, Und den Reiz der Sinne erregen können. Was auch Valerius Martialis 1 sehr gewählt und zugleich witzig in diesen Worten ausdrückt: diese Büchlein Können aber, wie Männer ihren Frauen Ohne die Mentula gar nicht gefallen. Ich also stütze mich auf das Beispiel so vieler Männer, wache über den Lehren der Vorfahren und bestrebe mich schließlich, etwas zu schaffen, was in seiner Art vollkommen sei, möge auch ein gewisser Oddo, 2 den ich nicht kenne, aus der untersten Hefe des Volkes, der außer seinem Gehirn nichts Verrücktes an und in sich hat, jedenfalls ein bösartiger und schlechtes denkender Mensch, räsonnieren, ich müsse wohl gar keine Scham haben, weil meine Verse wollüstig und verbuhlt seien, gleichsam als wüßte ich, wie alles andere Gute, auch dieses nicht, daß solcherlei Verse um so angenehmer sind, mit je weniger Strenge sie gedichtet sind, und für desto unschuldiger zu halten, je offenherziger sie sind. Wenn er hierin meinem Zeugnis nicht genügend traut, so kann er doch dem Philosophen von Madaura, jenem hochangesehenen Manne, seine Zustimmung nicht versagen, der nicht ohne Eleganz schreibt: 3 .Piatos Verse sind um so keuscher, je schmuckloser sie sich geben. Denn wer Böses tut, heuchelt und versteckt sich; wer aber scherzt, handelt frei und offen.* Und es ist sicher höchst lächerlich, diejenigen schamlos zu nennen, welche schmutzige Ausdrücke da gebrauchen, wo es die Sache erfordert Selbst- verständlich müssen die Mediziner, wenn sie häßliche Krankheiten heilen, wenn sie bei den Schamteilen Medikamente anwenden wollen, sich unanständiger Worte dazu bedienen. Kann man ihnen deswegen einen unanständigen Lebenswandel vorwerfen? Wir wissen, daß der Dichter Voconius die Tugend der größten 1 Buch I, Epigramm XXXV. * Siehe Hermaphroditus, Buch I, Epigramm XVIII und Buch II, Epigramm XI. * Apuleius, Apol., Kap. 11. m xxxm Digitized by Google Keuschheit besessen hat, und dennoch bezeugt jene Inschrift, welche der Kaiser Hadrian auf sein Grabmal setzte: Lüstern war er im Vers, schamhaft jedoch war sein Sinn, — daß auch er sich in gleicher Schlüpfrigkeit des Ausdrucks geübt habe. Ferner, wer will es bestreiten, daß Annaeus Seneca Christum gekannt habe, der Freund des Apostels Paulus gewesen und in die Liste der Heiligen versetzt worden ist? Im übrigen hat er aber, wenn wir dem Plinius Secundus 2 etwas Glauben schenken, nicht nur Ernstes, sondern auch Witze und Satiren geschrieben. Außerdem blüht zu dieser unserer Zeit ein ebenso enthaltsamer als beredter Priester, 3 dessen Predigten ich oft beigewohnt habe, und wenn ich nicht ganz und gar taub bin, habe ich ihn manchmal vor zahlreichem versammelten Volke in solchen un- geschminkten und schamlosen Wendungen herausfahren hören, daß ich nicht einmal glaubte, mich auf dem Markte, geschweige denn in der Kirche zu befinden. Würdest du den nun wohl für einen Schandkerl halten, weil er schändliche Dinge schändlich, d. h. mit häßlichen Worten züchtigt? Gewiß nicht, meiner Seel\ Ich aber habe, wenn du das nicht weißt, dasselbe im Sinne und in der Absicht, und es macht keinen Unterschied, wenn ich meine Meinung scherzend und lachend sage. Denn daß wir das auch tun können, haben uns unsere Vorfahren, wie ich schon sagte, gezeigt, denn sie, und zwar insgesamt, haben diese Regel beständig befolgt Wenn nämlich den Denkmälern der alten Schriftsteller Glauben zu schenken ist, so hat ein jeder, den man durchliest, ein Beispiel entweder von lasziver Materie oder von lasziver Materie und lasziven Ausdrücken zugleich ge- geben; von ihnen allen will ich nur sehr wenige der unseren auf- führen/ Wollte ich die einzelnen ausführlich abhandeln, so müßte ich einen neuen »Orestes" 6 zusammenschreiben »auch schon am 1 Apuleius, Apol., Kap. 11. * Epist V, 3. a Giovanni Capistrano P] (Anm. d. Übersetzers). « Nämlich Lateiner; griechisch verstand Antonio nicht. * Juvenalis I, 5, 6. XXXIV Digitized by Google Rücken beschrieben und dennoch immer nicht endend'. Soll ich mich daher, um mich der Worte des Plinius 1 zu bedienen, scheuen, oder ziemt sich für mich nicht genug, was sich für M. Tull. Cicero ziemte, für C. Calvus, Pollio, M. Messala und Hortensias , M. Brutus, L. Sulla und Scaevola, Servius Sulpitius, Varro, Torquatus und seine Familie, C. Memmius, Lentulus, Gaetulicus, Virginius Rufus, Cornelius Nepos und schließlich für Plinius selbst und — bald hätte ich sie übergangen — für Ennius und Accius, und, wenn so viele Beispiele aus dem Bürgerstande nicht genügen, für den göttlichen Julius, die Kaiser Augustus, Nerva, Tiberius und die fast unzählbaren anderen? Auch ich, der ich mich auf das Beispiel und das Ansehen so vieler und so hervorragender Männer stützen kann, habe keinen Grund, mich dessen zu schämen, daß ich in meinen Liedern gescherzt, gespielt und gelacht habe, da ich doch weifi, wie man Ärger und Schwer- mut auf diese Weise besänftigen kann. Ja, der Geist wird durch solche Dichtungen auf wunderbare Weise aufgeheitert, erquickt und zu größeren Dingen angespornt. Allerdings müssen Epi- gramme, weil sie kurz sind, scharfsinnig abgefaßt sein und weil wir mit ihnen kämpfen, nicht in massenhaften Schlägen, sondern in feinen Stichen, kann auch jemand, der keine Muße hat, sie verfassen, wohingegen ernste Gedichte wegen ihrer Länge und ihres künstlichen Gewebes nur von einem Dichter in Angriff ge- nommen werden können, welcher die nötige Muße und eine sichere Lebensstellung hat. Daher kann ich mich auch, selbst wenn ich es noch so sehr wünschte, für jetzt durchaus nicht mit ernsten Dingen beschäftigen. Ich bin nämlich von tausend und abertausend Geschäften in Anspruch genommen, denen ich mich jetzt unter keinen Umständen entziehen kann. Wenn ich ihnen aber einmal, was Gott gebe, entschlüpfen kann Will ich vollenden, was lange Jahrhunderte soll überdauern; Und vor dem Untergang sei immer mein Name bewahrt. Aber was sage ich dir dieses alles, der du so empfindest wie ich selber, und der du mit deiner hohen Bildung mir gern er- ■ Epist. V, 3. ///« XXXV Digitized by Google laubst, daß ich, aber mit so vielen und so großen Männern, auf Irrwegen gehe. Denn während ich mir weder aus Oddo, noch aus dem übrigen Pöbel so viel mache, daß ich auf ihre Schmähungen ihnen selbst antworte, halte ich es für geraten, mich dir zu empfehlen, nämlich bei dir hochgelahrtem Manne, der du die Dummheit des Pöbels genug kennen gelernt hast, beklage ich mich über die Meinung, besonders über die falsche, die er von mir und meinen Sitten hat Aber es ist schon genug und über- genug davon. — Aus Bologna, in Eile (1426). IL POGGIO FIORENTINO. Brief an Antonio Panorraita (Epistolae Panormitae, Ven. 1553, Bl. 79. Bandini Catalogus codicum Latinorum bibliothecae Mediceae Laurentianae, Teil II, S. 109. Poggii Opera, curante Thoma Aucupario, Argentinae 1513, S. 61. In der Pariser Ausgabe des Hermaphroditus, S. 22—23). Poggio entbietet dem Sizilianer Antonio Panormita seinen Gruß. Der junge Giovanni Lamola, wie ich vernommen habe, ebenso gelehrt als lernbegierig, brachte uns dein Büchlein Epi- gramme, welches du Hermaphroditus betitelst, ein kurzweiliges Werk und voller Ergötzlichkeit. Nachdem es zuerst der sehr be- rühmte Antonio Loschi gelesen und den Geist sowohl als die Eleganz deines Stiles mit vielen Worten lobend hervorgehoben hatte — denn es ist ein sehr amüsantes Buch — , schickte er es mir zur Lektüre. Und ich habe, weiß Gott, meine Freude gehabt an der Mannigfaltigkeit des Inhalts und der Eleganz der Verse, und zugleich mußte ich staunen, wie du solche schamlose und unschickliche Dinge so lieblich und in guter Ordnung sagst, und wie du so viele kleine Schweinereien vorführst, so daß sie nicht erzählt, sondern auf der Bühne dargestellt zu sein scheinen, auch nicht zum Scherze erdichtet sind, wie ich meine, 1 sondern für 1 Warum raelast du's denn so, mein Lieber? XXXVI wahr gehalten werden können. Ich muß daher deine Kunst, die Anmut der Lieder, die Scherze und Pointen loben, nnd sage dir, für meinen bescheidenen Teil, Dank, der du die lateinischen Musen, welche schon allzulange geschlafen haben, vom Schlummer aufweckst Indessen, bei der Achtung, welche wir dem Publikum schuldig sind, möchte ich dich dringend um eines bitten und er- suchen: daß du nämlich für die Zukunft etwas ernstere Dinge vornimmst. Denn das, was du bisher herausgegeben hast, kann man teils deinem Alter, teils der zügellosen Neigung zum Scherz zugute halten. So hat ja auch Virgil als Jüngling mit den pria- pischen Dichtungen seinen Scherz getrieben und viele andere außer ihm, welche nach übermütigen Versen ihre Zeit auf ge- diegenere Dinge verwandt haben. Wie nämlich unser Terenz sagt, hat ja dieses Alter eine andere Lebensauffassung und er- fordert andere Moralgrundsätze. Es ist also deine Aufgabe, die Laszivität nun beiseite zu lassen und ernste Sachen zu schreiben, wenn man nicht aus der Unzüchtigkeit deines Büchleins auf einen unkeuschen Lebenswandel schließen soll. Du mußt nämlich wissen, daß uns, die wir Christen sind, nicht alles ebenso erlaubt ist wie den alten Poeten, die Gott nicht kannten. Aber da heißt es am Ende: das Ei will klüger sein als die Henne. Du selbst fühlst wohl heraus, was ich lobe und billige und warum ich dich zu größeren Dingen auffordere. Nimm das, ich bitte dich, wohl- wollend auf, denn ich bin dir gewogen. Zähle Poggio zu deinen Freunden. Ich würde dir noch mehr schreiben, wenn es meine Zeit erlaubte; behalte auch du mich lieb, wenn du meine Zu- neigung erwidern willst Rom, am 2. April (1426), mit flüchtiger Hand. XXXVII III. GUARINO VON VERONA. Brief an Giovanni Lamola (Laim, Catalogus codi cum manuscrip- torum bibliothecae Riccardianae, S. 37, am Anfang einer Handschrift des Hermaphroditus. Pariser Ausgabe, S. VI bis VIII. Bandinus, S. 106-107). Guarino von Verona entbietet dem lieben Giovanni Lamola seinen Gruß. Seitdem ich dir meinen letzten Brief geschrieben habe, ist mir dein wichtiger und vortrefflicher zugegangen, der um so dickleibiger ausgefallen war, als ihn das mit Recht so be- titelte Büchlein .Hermaphroditus" begleitete. So geschickt und nett ist es geschrieben, daß Merkur mit der Huldgöttin vereint scheint, worauf ja der griechische Name hindeutet Man muß wirklich die äußerst angenehme Harmonie des Rhythmus, die Leichtigkeit des Ausdrucks, die ungekünstelte Wortstellung und den ungehinderten Fluß der Rede bewundern. Auch möchte ich die Dichtung selber und den Geist darum nicht weniger gut- heißen, weil die Scherze etwas schlüpfrig und bockig riechen. Sollte man deshalb den Apelles, den Fabius und andere Maler weniger loben, weil sie Körperteile, die die Natur verhüllt haben will, nackt und sichtbar abgemalt haben? Ja, wenn sie Würmer, Schlangen, Mäuse, Skorpionen, Frösche, Fliegen und sonstiges Ungeziefer darstellen, bewundert man und preist man nicht die Kunst und die Geschicklichkeit des Künstlers? Ich wahrhaftig lasse mir den Mann gefallen, bewundere sein Genie, ergötze mich an seinem Scherz, lache unter Tränen und lobe seine Verse, die mitten im Bordell herumhuren. Bei mir gilt mehr meines Landsmannes, des artigen Dichters Autorität, als das Geschrei der Unwissenden, die nur an Tränen, Fasten und Psalmen Gefallen finden können, ohne daran zu denken, daß eine Rede anders be- urteilt sein will als ein Lebenswandel. Um aber auf meinen Landsmann zurückzukommen, so sagt er das auf diese Weise: 1 Denn keusch soll sich der fromme Dichter halten, Er — die Liederchen brauchen dieses gar nicht, 1 Catullus XVI. xxxvni Die dann eigentlich Salz und Saft gewinnen, Wenn sie kosen, so leicht, die losen Buhler, Und den Reiz der Sinne erregen können. Dieser Meinung ist auch unser Hieronymus, ein Mann, der vor allen anderen mit Reinheit und Unschuld begabt war, nicht abhold. Als die Rede von einer Hure ist, wie läßt er da nicht seine Feder in schlüpfrigen, ja geradezu hurerischen Wendungen gehen! 1 .Nachdem alle davongegangen waren, kam ein schönes Freudenmädchen und begann mit zärtlichen Umarmungen seinen Hals zu umstricken und — was schon zu sagen ein Verbrechen ist — mit den Händen seine Mannheit zu betasten, damit sie, nach- dem sie den Leib zur Wollust gereizt hatte, sich als schamlose Siegerin auf ihn werfe." 3 3 Welcher unverschämte Hurenwirt 1 In dem Leben des Eremiten Paulus (Opera Hieronyml, ab Erasmo editae, Basileae 1516, Teil I, Bl. 108). 2 Es empfiehlt sich, die vorhergehenden Satze des Hieronymus hier an- zuführen: .Unter der (Christen-) Verfolgung des Decius und Valcrianus, zu welcher Zeit Cornelius zu Rom und Cyprianus zu Carthago zum Märtyrerblut verurteilt wurden, verheerte der wütende Sturm viele Kirchen in Ägypten und der Thebais. Zu jener Zeit legten die Christen das Gelübde ab, für Christi Namen den Tod durchs Schwert erdulden zu wollen. Aber der schlaue Feind schritt so spät als möglich zur Todesstrafe: er wollte die Seelen, nicht die Leiber verderben. Und, wie Cyprianus, der selber darunter gelitten hat, sagte, man erlaubte nicht einmal denen, die sterben wollten, sich töten zu lassen. Um diese Grausamkeit recht zu kennzeichnen, wollen wir zwei Beispiele zum Ge- dächtnis hier niederschreiben. Einen Märtyrer nämlich, der unter der Folter, zwischen Stacheln und Messerklingen, siegreich im Glauben verharrt hatte, llefi man mit Honig anstreichen und mit rückwärts zusammengebundenen Händen unter den glühendsten Sonnenstrahlen auf den Rücken legen, damit nämlich er, der vorher die Feuerpfannen überstanden hatte, den Stichen der Wespen nach- geben solle. Einen anderen, der im blühenden Jünglingsalter stand, ließ man in einen wunderschönen Garten führen und dort, mitten unter weißen Lilien und roten Rosen, während in der Nähe ein Bach sanft murmelnd dahinfloß und ein wollüstiger Zephyr die Blätter der Bäume streifte, auf ein aufgeschlagenes Feder- bett legen und, damit er sich nicht bewegen könne, mit weichen Seidenbändern festbinden.* 3 Hier haben wir auch den von Guarino übergangenen Schluß der Er- zählung des Hieronymus: .Was der Streiter Christi anfangen und wohin er sich wenden sollte, wußte er nicht Ihn, den die Folter nicht besiegt hatte, überwand XXXIX könnte seine Zunge noch besser zu Schandgeschichten hergeben? Ich habe tausend, und zwar sehr glaubwürdige, gewichtige Zeugen, enthaltsame und gute Christen, die sich nicht scheuten, ganz schmutzige Ausdrücke zu gebrauchen, wenn die Sache es er- forderte. Aber in dieser bestimmten Angelegenheit ist es über- flüssig, unnötige Zeugen zu zitieren. Ich lobe daher nicht nur die Epopöe, sondern auch unsern Dichter, den ich folgender- maßen anreden möchte: Sei mir gegrüfiet, Antonio, ewige Zierde der Musen! Stellest du doch den Theokritos dar, der sizilischen Erde Sprößling, erneuernd die lieblichen Weisen des älteren Sängers: So gab Aetna durch dich den Lateinern sizilische Musen. Lebe wohl, lieber Giovanni und verzeihe mir den Lakonismus meines Briefes, aber meine Geschäfte gestatten mir die Viel- schreiberei nicht. Was die Unsrigen von dem Geist des Mannes halten, werde ich dir zu wissen tun, sobald ich sie einmal zu einer gemütlichen Unterhaltung einlade. Lebe nochmals wohl. Verona. IV. ALBERTO DA SARZANA. Aus einem Briefe an Cristoforo, Bischof von Rimini (Martenii et Durandi Collectio veterum scriptorum et monumentorum, Teil III, S. 796). Unlängst, wie du sehr wohl weißt, als ich nach der Rückkehr von unserer Pilgerfahrt zur See von den heiligen Stätten unseres Heils vor das erhabene Antlitz der höchsten Heiligkeit des heiligen Papstes Eugenius zugelassen war, um ihm nach Verdienst die Füße zu küssen, verweilte ich eine Zeitlang in Bologna in seiner Umgebung. Während ich dort eines Tages aus jener Kirche nach Hause ging, in welcher ich wegen meiner Gewohnheit täg- lich zu predigen, beständig in Aller Munde war, geschah es, daß die Wollust Schließlich biß er sich, einer himmlischen Eingebung folgend, die Zunge ab und spie sie dem Mädchen, das ihn kUBte, ins Gesicht, und so über- wand er durch die Größe seines Schmerzes den Kitzel der Sinnenlust* XL irgend ein Mensch, von deinen Leuten, wie ich meine, und, so- viel es mir schien, ein Priester Christi, auf uns zuging und mir etwas in deinem Namen ausrichtete, was ich sogleich beschloß, dir auseinanderzusetzen. Er sagte mir, du wünschtest dringend ich weiß nicht was für ein Büchlein oder irgend einen Brief von mir zu sehen und zu lesen, welchen ich kürzlich, wie er sagte, gegen einen verlorenen Menschen — wenn er sich nicht zum besseren bekehrt — einen gewissen Antonio aus Palermo heraus- gegeben hätte, um sein schmäh süchtiges oder vielmehr stank- verbreitendes und ganz verruchtes Buch, das er Hermaphroditus betitelt, zu verwerfen. Ich antwortete ihm auf der Stelle ganz offenherzig, daß ich zurzeit gar keine Büchlein und auch nicht einmal einen Brief gegen irgendwen herausgegeben habe, außer einem gegen die Schmäher der Märtyrer, welchen ich dem Papst Eugenius überreicht habe. — Gegen den gottlosen Autor des Hermaphroditus aber habe ich, obgleich ich es mir seit langem schon gelobt hatte, einmal über seine verbrecherische Nichts- würdigkeit loszudonnern, bisher, wie du wissen mögest, noch nichts zusammengebracht, da mir meine arbeitsreiche Aufgabe, täglich zu der Christengemeinde zu sprechen, keine Zeit übrig läßt. Aber es existiert ein Brief von mir, welchen ich vor nun- mehr drei Jahren, vor dem Antritt unserer Reise an zwei edle, christlich erzogene und in freien Künsten unterrichtete Jünglinge aus Ferrara, Francesco Marescalchi und Filippo Bendedio, meine Freunde, vertraulich geschrieben habe, in welchem ich einen von ihnen, der mir gegenüber dafür Partei genommen hatte, vor dem verruchten Werke dringend warnte und ihnen zugleich auf ihre Bitte versprach, irgend etwas schreiben zu wollen. Was ich auch schon getan hätte, wenn nicht, wie schon erwähnt, meine Arbeit sich der Ausführung meines Vorhabens widersetzt hätte. Aber es wird schon einmal, so Gott will, eine günstigere Zeit kommen, wo ich mit meiner Feder das verabscheuenswerte Werk, welches schon in so vielen Städten Italiens mündlich zu mißbilligen und zu zerstören versucht worden ist, vernichten kann. xu V. MAFFEO VEGIO. Aus einem Briefe, den der vielbelesene Friedrich Adolph Ebert mir vor kurzem schrieb, erfuhr ich, dafi von dem seinerzeit nicht unberühmten Maffeo Vegio ein Schmähgedicht auf den Panormita existiere (Flor., Biblioth. Magliabechiana, Cod. lat. VIII, in 4* Handschrift vom Jahre 1445, Teil II, Bl. 287). Die Invektive beginnt folgendermaßen: Applaudieret, ihr Kuppler und klatscht auf die Kleider, ihr Huren! Mit welch prächtigem Glied zeigt sich hier Hermaphrodit! VI. PIERRE BAYLE. Lexique historique et critique, unter , Panormita". Sein lateinisches Gedicht Hermaphroditus ist nicht veröffent- licht worden. Es ist so voll schmutziger Ausdrücke, daß selbst Poggio es mißbilligte. Es wurde dem Cosimo de' Medici ge- widmet, welcher verschiedene Abschriften davon anfertigen ließ, von denen sich noch einige in der Biblioteca Laurenziana be- finden. Man widmete es diesem großen Manne deswegen, weil er, ohne sich an das Urteil des großen Haufens zu kehren, Ge- fallen an der Lektüre dieses lasziven Werkes fand. Der Autor macht diese Bemerkung selbst, denn er sagt zum Beginn: «Hier beginnt das Büchlein Hermaphroditus an den erlauchten Cosimo von Florenz, aus dem berühmten Geschlechte der Medici, daß er, den Pöbel verachtend, das Büchlein trotz seiner Laszivität mit wohlwollendem Gemüte lesen, und mit ihm vereint den Männern des Altertums nachstreben möge." Magliabecchi besitzt ein hand- schriftliches Exemplar dieses Gedichtes. Es wurden seinerzeit viele Briefe geschrieben, die sich auf diese Dichtung beziehen. xui Digitized by Google Guarino von Verona schrieb an Giovanni Lamola und überhäufte den Hermaphroditus und seinen Verfasser mit Lobsprüchen. Magliabecchi besitzt das Original dieses Briefes. Giraldi findet es sehr sonderbar, daß man dieses Gedicht gelobt habe; „ich habe," sagt er, »Briefe von einigen seiner Zeitgenossen gelesen, in denen sein Hermaphroditus mit vielen Lobsprüchen empfohlen wird; warum, weiß ich nicht. Ich will euch gerade heraus sagen, was ich davon denke. Ich halte ihn weder für einen guten Dichter, noch für einen guten Redner, denn was ich von ihm in gebundener und prosaischer Rede gelesen habe, scheint mir mehr voll fauler als guter Frucht zu stecken, so daß ich seine Musen für schamlose Prostituierte halten muß." Man sieht, daß er nicht nur die Unkeuschheit des Werkes verabscheut, sondern auch die Verse gering schätzt. Poggio war in seiner Kritik nicht so weit gegangen; er hatte die Erfindung, den Witz und den Redeschmuck gelobt, aber die Obszönitäten verurteilt, und hatte dem Autor den Rat gegeben, künftighin sich mit Gegenständen zu beschäftigen, die einem Christen besser anstehen. Panormita antwortete Poggio und führte ihm viele Gründe an, teils um sich zu rechtfertigen, teils um sich zu entschuldigen. Poggio erwiderte ihm und betonte, daß man den Anstand nicht nur in seinen Handlungen, sondern auch in dem was man schreibt, betätigen müsse. Man kann daraus schließen, daß er selber es bereute, sein Talent in der Jugend zu leichtfertigen Schöpfungen miß- braucht zu haben. Schließen wir mit den Worten eines holländischen Schriftstellers, 1 welcher dieses schmutzige Gedicht des Panormita gelesen hat: »was er (Giraldi) über den Hermaphroditus sagt, ist nicht ohne Grund. Ich habe ihn nämlich in der Handschrift ge- lesen, denn er ist nie gedruckt worden; er ist so schmutzig, so verabscheuenswert, daß er nicht überboten werden kann. Dann sind aber auch die Verse selber kaum erträglich und weit entfernt davon, irgend welches Lob zu verdienen. Es führt den Titel Hermaphroditus deshalb, weil die Genitalien des männlichen und 1 Er meint den anonymen Verfasser der Anmerkungen zu den Gedichten des Sannazaro, Amsterdam 1689, der, wie Bernard de la Monnoye , Menagiana, Teil IV, nachweist, Jan Brouckhuysen war. Die Stelle findet sich in Brouck- huysens Ausgabe, S. 203. XUI1 weiblichen Geschlechts den alleinigen Gegenstand der beiden Büchlein ausmachen. Wer das geduldig lesen kann, muß ein tüchtiger Kerl sein." 1 VII. BERNARD DE LA MONNOYE. In seiner Abhandlung Sur la fameuse Epigramme de l'Herma- phrodite de Pulex de Vicenza (Menagiana, Teil IV). Antonio Bologna Beccadello, lateinisch Antonius Bononia Beccadellus, gewöhnlich Antonius Panormita genannt, hatte in seiner ersten Jugend verschiedene leichtfertige Gedichte gemacht, von denen er eine Sammlung unter dem Titel Hermaphroditus veranstaltete. Alle Schweinereien in bezug auf das eine und das andere Geschlecht machen den Inhalt des Buches aus, und nichts ist dabei verhüllt. Der anonyme Verfasser der Anmerkungen zum Sannazaro, holländische Ausgabe vom Jahre 1689 (es ist Jan Broekhuysen) sagt, daß er diese berüchtigten Gedichte des Antonio von Palermo im Manuskript gesehen und gelesen habe, und daß sie nie gedruckt worden seien. Der Skandal, den sie veranlaßten, war so groß, daß zwei Dominikaner, berühmte Kanzel- redner der damaligen Zeit, Bernardino da Sieno und Roberto da 1 Laß einmal sehen, ob du dich bei der geduldigen Lektüre dieses Buches als so einen tüchtigen Kerl erweisen wirst, wie Justus Lipsius beim Petronius, wie er in einem Briefe an Pithoeus (Epistolicarum quaestionum IIb. III) schreibt: .Wie im Leben, so muB auch im Studium das Ernste mit dem Gefalligen ab- wechseln. Deswegen pflege ich häufig den Geist von schwierigeren Büchern zu angenehmeren Schriftstellern abzulenken, gewissermaßen zur Erholung. Zu solchen rechne ich den Petronius, was auch immer andere Leute mit Stirnrunzeln dagegen sagen mögen. Wenn nur hie und da jene nackte Leichtfertigkeit nicht wäre, die mich indessen gar nicht geniert. Die Scherze erfreuen mich, die Galanterie nimmt mich ein und das übrige läfit weder in meinem Geiste noch in meinen Sitten mehr Spuren zurück als ein Kahn im Flusse. Wie die vollen Weinbecher einen Trinker zum Trunk bewegen, aber nicht einen .invinius", wie die Alten sagten (einen Nichttrinker), so werden jene vielleicht jemanden auf- regen, dessen Geist schon vorher gell war, aber an einem keuschen und züchtigen Gemüt bleiben sie nicht haften." XL/V Digitized by CjOOQIC Lecce, wohlbekannt unter dem Namen Robertos de Udo, sie auf öffentlichem Platze in Bologna, Ferrara und Mailand verbrannten, nachdem sie gegen den Verfasser gepredigt hatten. Poggio selber, von dem wir sehr freie Novellen besitzen, und der übrigens da- mals sein Freund war, konnte so zügellose Frechheiten nicht gut- heißen und machte ihn, sogar zweimal, auf den Schaden auf- merksam, den er dadurch mindestens seinem eigenen Rufe zufügte. Albrecht von Eybe hat in seiner Margarita poetica, einer Samm- lung von Prosastücken und Gedichten aus alten und neuen Autoren, einige dreißig Verse »ex Joanne Antonio Hermaphrodita" mit- geteilt, wobei er lächerlicherweise den Namen des Antonio von Palermo und den Titel seines Buches korrumpierte. Er war dem großen Cosimo de' Medici, dem Älteren, sehr ergeben. Die Hand- schrift, welche sich noch in der großherzoglichen Bibliothek be- findet, enthält das Epigramm des Pulex, das man wegen des Titels Hermaphroditus an den Anfang des Buches Antonios von Palermo gesetzt hatte, dem es, infolge desselben Mißverständnisses, dann auch zugeschrieben wurde. Er wäre aber gar nicht imstande gewesen, ein so gutes Gedicht zu machen. Die ganze Anthologie enthält nichts von so feiner und eleganter Ausführung, noch von so hübscher Erfindung; und es gereicht Poliziano zu nicht ge- ringer Ehre, daß er von solch einem vollkommenen Original eine sehr schöne Kopie gemacht hat VIII. JAN BROUCKHUYSEN. Kommentar zum Tibullus I, 2, 24. Diesen Aurispa lobte besonders Antonio Panormita oft, in seinem Hermaphroditus, einem noch unveröffentlichten Büchlein, das auch hoffentlich nie herausgegeben werden wird 1 und dem 1 Was wäre aus dir, gelahrter Panormita, geworden, wenn deinen Herma- phroditus das Schicksal betroffen hatte, nicht auf die Nachwelt zu kommen? Sicherlich würden jene sauertöpfischen Slttenw«chter Ihn dann den Nachkommen XLV ich entnehme, daß er in Florenz gewohnt habe, bei Cosimo de* Medici in großer Gunst stand und zu den ersten Gelehrten Italiens zählte. Mit einem Epigramme will ich's genug sein lassen, denn die übrigen sind zu schmutzig. (Hier führt er das XXII. Epigramm des II. Buches an und fährt dann fort): Danach müßte also Francesco Filelfo, ein für seine Zeit sehr gelehrter Mann, mit dem verglichen Panormita ein alberner Schwätzer ist, ein Zoilus sein. Filelfo nämlich hält unsern Aurispa kaum für einen Halb- gelehrten; siehe seine Briefe III, 37. V, 8. 16. 32. VI, 42. Ein wenig milder urteilt Lilio Gregorio Giraldi im ersten Dialog über die Poeten seiner Zeit: „Giovanni Aurispa, ein Redner aus Sizilien, mag irgendwo in der Schar der Poeten untergebracht werden, insofern, als er eine gute Kenntnis des Griechischen und Latei- nischen besitzt; aber seine Gedichte, die ich gelesen habe, scheinen mir ich weiß nicht was von sizilianischer Tölpelei an sich zu haben. Er gehört nämlich der vorhergehenden Periode an, zu welcher Zeit die klassischen Literaturschätze noch nicht ans Licht gekommen waren. Er lebte, bis ins höchste Greisen- alter, in Ferrara, von unsem Fürsten geschätzt und reichlich mit Glücksgütern bedacht.* 1 Unter den Witzen des Panormita be- findet sich allerdings ein Epigramm des Aurispa, welches das Urteil des Giraldi vollauf gerechtfertigt erscheinen läßt, es ist aber auch selbst schändlich unflätig. 2 so erscheinen lassen, daß die Büchlein der Elephantis und Philaenis (ach, hätten wir die dochf) gegen deine Epigramme keusch erschienen. Doch — nicht untergehn kann dieses Denkmal hier! 1 Er erhielt durch ein Benefizium des Papstes Nicolaus V. zwei Abteien in Sizilien. Die eine von ihnen scheint Aurispa indessen, da er von jemandem, dem sie der König Alfonse zuerst verliehen hatte, verklagt worden war, spflter zu verkaufen oder zu vermieten willens gewesen zu sein, wie aus einem Briefe des Antonio an Aurispa, Bl. 112 der Venezianer Ausgabe, hervorgeht: .ich bitte dich, wenn du die Abtei, welche du in unserer Heimat Sizilien besitzest, zu verpachten oder verkaufen beabsichtigst, daß du sie dem Herrn Biacco Spedall verpachtest oder verkaufst*. 8 Die keusche Seele meint nämlich das VIII. Epigramm des zweiten Buches. XLVI IX. JOHANN GEORG SCHELLHORN. In den Araoenitates Literariae, Teil V, S. 3. Antonio Beccadelli, aus Palenno, ein Mann, dessen Name seinerzeit sehr gefeiert war, schrieb außer anderen Fescennische Verse, die er, in einen Band vereinigt, unter dem Titel Herma- phroditus dem Cosimo de' Medici widmete. Aus diesem Buche gab Albrecht von Eybe, Kammerherr des Papstes Pius II., einige Verse wieder, die er lächerlicherweise als von Joannes Antonius Hermaphrodita herrührend bezeichnete, wie Bernard de la Monnoye in den „Menagiana" erzählt. Ebendaselbst, Teil VIII, S. 474. Bernard de la Monnoye, in seiner Abhandlung „sur la fameuse Epigramme latine de l'Hermaphrodite", Teil IV der „Menagiana", berichtet, daß das schmutzige Gedicht des Antonio Bologna Beccadelli, vulgo Panormita, unter dem Titel Hermaphroditus, selbst von dem Zotenerzähler Giovanni Francesco Poggio ge- miBbilligt worden sei, und daß Bernardino da Siena und Robertus de Licio, berühmte Kanzelredner ihrer Zeit, es zu Bologna, Ferrara und Mailand unter dem Beifall des Volkes verbrannt haben, nach- dem sie zuvor nachdrücklich gegen den Verfasser gepredigt hatten. X. PETRUS BURMANNUS SECUNDUS. In den Anmerkungen zur Anthologia Latina, Teil I, S. 620. Vielleicht war ihnen etwas bekannt geworden von dem höchst schamlosen Büchlein des Panormita, dem er den Titel Herma- phroditus gab, welche Mißgeburt aber das Licht der Welt noch nicht gesehen hat und wirklich auch nicht wert ist, es zu sehen, wegen seiner abscheulichen Unflätigkeit und Gemeinheit, um so mehr, als die Verse selbst einen schlechten und gewöhnlichen XLVU Poeten verraten. Schellhorns Amoenitates literariae, Teil VIII, S. 474, erzählen noch, daß es seinerzeit öffentlich verbrannt worden sei. Sehr gelobt wird es dagegen von Poggio in seinen Briefen, Bl. LXXXVII, und wegen dieses Buches Laszivität und Obszönität, wie ich meine, versucht sich derselbe Panormita in einem Briefe an Poggio (Epist. IV, S. 80 ff.) weißzuwaschen. Eine Abschrift davon, mit anderen Gedichten desselben Autors, ging in meinen Besitz über aus den Bücherschätzen des angesehenen Jan de Witt, welcher den Codex aus der Bibliothek des Jan Brouckhuysen er- halten hatte, wenn der letztere ihn nicht von de Witt hatte. Brouck- huysen bestätigt in den Anmerkungen zum Tibull I, 2, 24, daß das Büchlein des Panormita unveröffentlicht sei und gibt in den Noten zum Sannazaro II, 2, 31, wo er vieles über Panormita? Leben und Studien gesammelt hat, folgendes Urteil über ihn. (Hier folgt das Zitat Brouckhuysens aus Bayles Lexikon, das wir oben bereits angeführt haben.) XLVlll Digitized by CiOOQlc HERMAPHRODITUS. Non norunt haec monumenta mori. HERMAPHRODITI LIBELLUS PRIMUS 1. AD COSMUM FLORENTINUM, EX ILLUSTRl PROQENIE MeDICORUM VIRUM CLARISSIMUM, QUOD SPRETO VULOO LIBELLUM ^QUO ANIMO LEGAT, QUAMVIS LASCIVUM, ET SECUM UNA PRISCOS VIROS IMITETUR. Si vacat a patrii cura studioque senatus, Quidquid id est, placido lutnine, Cosme, legas. Elicit hoc cuivis tristi rigidoque cachinnos, Cuique vel Hippolyte» concitat inguen opus. L Exhibetur hoc Carmen tum in opusculis Panormitae Venetiis anno 1553 editis, et primo quidem intcr carmina loco, tum in Bandini Catalogo codicum Latlnorum bibliothecae Mediceae Laurentianae tomo II. p. 107. Argumentum quod spreto vulgo libeüum aequo animo legat, quamvis laseivum, et secum una priscos viros imitetur debeo Bandino. Venetus editor omlsit, nec habet Parisiensls. Inscribitur apud hunc ad Cosmum ex Mus tri progenie Me du omm virurn clarissimum, apud illum ad Cosmum Medicem vir um clarissimum. 3. 4. Parisiensis rigidoque, Bandinus rigidove, Venetus molllus Eliciet quamvis rigido de pectore risus, Sollicitae et menti dulce levamen erit. Conf. Ovid. Amor. II, 4, 32: ÜUc Hippolytum pone, Priapus erit Digitized by Google Nicht untergehn kann dieses Denkmal hier. HERMAPHRODITUS. ERSTES BUCH. L An den Erlauchten Cosimo von Florenz, aus dem berühmten Geschlechte der Medid. Der Autor bittet ihn, er möge, un- beirrt von der Meinung der Menge, das Büchlein trotz seiner Laszivitat mit wohl- wollendem Gemüte lesen, und mit ihm vereint den Männern des Altertums nachstreben. Wenn die Geschäfte und Sorgen des Staatsregimentes dir Muße Lassen, o Cosimo, lies dieses mit heiterem Blick. Reizt doch zum lauten Gelächter dies Buch auch den traurigsten Murrkopf; Jedem, sogar Hippolyt, hebt sich beim Lesen das Glied. I. Diejenigen Anmerkungen zum lateinischen Text, welche sich auf das Verhältnis der Handschriften und Ausgaben zueinander beziehen, welche nur Lesarten, Emendationen oder Konjekturen enthalten, müssen in der deutschen Übersetzung selbstverständlich als überflüssig, ja, geradezu störend, wegfallen. Aus diesem Grunde werden auf der rechten Seite hier und da einzelne Stellen leer bleiben müssen. Der Übersetzer. 4. Ovid. Amores II, 4, 32: stellst du Dort den Hippolytus hin, wird ein Priapus er sein. !• 3 B Hac quoque parte sequor doctos veteresque poßtas, Quos etiam lusus composuisse liquct, Quos et perspicuum est vitam vixisse pudicam, Si fuit obsceni plena tabella joti. Id latet ignarum vulgus, cui nulla priores M Visere, sed ventri dedita cura fuit, Cujus et hos lusus nostros inscitia carpet Oh ita sit! Doctis irreprehensus ero. Tu lege, tuque rüdem nihili fac, Cosme, popellum, Tu mecum aeternos ipse sequare viros. IL AD SEMET IPSUM LOQUITUR ET RESPONDET. Cosmus habet dios et lectitat usque pofitas; Quid Studium turbas, rauce poöta, suum? Cosmus habet lautas epulas; quid oluscula coenat? Una quidem ratio est et studii et stomachi. UL AD COSMUM, VIRUM CLARISSIMUM, DE LIBR1 TITULO. Si titulum nostri legisti, Cosme, libelli, Marginibus primis Hermaphroditus erat Cunnus et est nostro simul est et mentula libro; Conveniens igitur quam bene nomen habet 7. Bandinus et Paris, vixisse, Vcnctus duxisse. 8. Venetus solus: sit licet interdum plena tabella joci. 9. Paris, ignarum, Venetus et Bandinus ignavum. II. Hujus carminis et omnium sequenüum utriusque libelli Bandinus tltulos tantum attulit, exceptis duobus cannlnibus (I, 43. II, 38.) quae integre, et quatuor versiculis (I, 42, 1. 2. II, 1,1. 24.) quos et ipsos operi suo inserult. 1. Habet poetas, nam erat aliquid illa aetate habere llbros. 4. Quippe delectat utrumque variare. III. 3. Editor Parislensis bis hoc versu exhibet es. pro quo dandura putavi est. 4 Digitized by Google Darin folge ich auch den gelehrten Poeten der Alten, Die sich manch kräftigen Scherz haben zu dichten erlaubt; Diese führten ja keusch (man weiß es) und ehrbar ihr Leben Während die Schriften sie anfüllten mit schlüpfrigem Spaß. Aber dem törichten Volk ist dies verborgen, das niemals Nach den Alten gefragt, stets für den Bauch nur gesorgt; Dumm, wie es ist, wird es auch bekritteln meine Gedichte. Sei es! Was macht's? Ungeschmäht läßt der Verständige mich. Du aber, Cosimo, lies mich, acht' nicht auf den Pöbel, den rohen. Du auch wandle mit mir auf der Unsterblichen Spur. IL Der Autor spricht mit sich selber und antwortet. Cosmus besitzt, ja er liest sogar öfter die göttlichen Dichter; Wozu, du heis'rer Poet, störst du beim Studium ihn? Cosmus hält aber auch üppige Tafel; und doch ißt er Kohl gern? Was für den Magen hier gilt, gilt doch fürs Studium auch. iu. An den Erlauchten Cosimo, über den Titel des Buches. Cosimo, hast du den Titel von meinem Büchlein gelesen? Oben am Rande hab ich' s „Hermaphroditus" genannt. Denn für ein Buch, das wie meins, ein weiblich und männliches Glied hat, Paßt so ein Titel wie der ganz außerordentlich gut. II. 1. Er besitzt die Dichter. Bücher zu haben wollte zu jener Zeit schon etwas besagen. 4. Er liebt nämlich mit beiden abzuwechseln. 5 At si podicem vocites, quod podice cantet, Non inconveniens nomen habebit adhuc Quodsi non placeat nomen, nec et hoc, nec et Ülud, Dummodo non castum, pone quod ipse velis. IV. AD MATRONAS ET VIRGINES CASTAS. Quaeque ades, exhortor, procul hinc, matrona, recede; Quaeque ades, hinc pariter, virgo pudica, fuge. Exuor, en bracis jam prosilit inguen apertis, Et mea permulto Musa sepulta mero est 5 Stet, legat et laudet versus Nichina procaces, Adsueta et nudos Ursa videre viros. v. DE URSA SUPERINCUBANTE. Quum mea vult futui superincubat Ursa Priapo; Ipse suas partes substineo, Uta meas. 5. Podice. Intellige de podice. IV. 3. Marli .ilis III, 68. Recede; exuimur, nudos parte videre viros. 5. De Nichina conferas epigramma XXX libri posteriori*. V. 1. Figura est coitus ea, qua viro supino superincubat femina, sive prona, sive aversa. Apulej. Metamorph. libro II, cap. 17: haec simul dicens inscenso grabatulo super me cossim residens (Fotis) ac crebra subsiliens lubricisque gestibus mobilem spinam quatiens pendulae Veneris fruetu me satiavit. Martialis XI, 104. Masturbabantur Phrygii post ostia servi, Hectoreo quoties sederat uxor equo. Ovidius de arte amatoria III, 777. 78. Parva vehatur equo; quod erat longissima, nun quam Thebais Hectoreo nupta resedit equo. 6 Nennst du es aber Popo, weil auch den Popo es besinget, 5 Hättest du 's sicherlich auch gar nicht unpassend benannt. Wenn dir jedoch von beiden nicht eins noch das andere zusagt, Welchen Namen du willst gib ihm, nur sei er nicht keusch. IV. An die keuschen Frauen und Jungfrauen. Jede Matrone, die hier ist, ersuche ich sich zu entfernen; Auch jede schamhafte Maid fliehe errötend von hier. Denn ich entkleide mich jetzt; schon steigt aus den offenen Hosen Drohend mein Glied, und im Wein wird meine Muse ersäuft. Aber Nichina mag bleiben, sie les' meine zotigen Verse, 5 Ursa auch, die gewöhnt ist an das Adamskostüm. V. An Ursa, als sie auf ihm lag. Will meine Ursa getickt sein, so legt sie sich auf den Priapus, Spielt meine Rolle, und ich füg' in die ihrige mich. IV. 3. Martialis III, 68: Weiche von hinnen: Wir entkleiden uns: meid's, nackende Männer zu sehn. 5. In betreff der Nichina vgl. das XXX. Epigramm des zweiten Buches. V. 1. Es ist das diejenige Figur des Koitus, bei welcher der Mann auf dem Rücken liegt, während das Weib, ihm zu- oder abgewandt, auf ihm liegt. Apulejus Metamorph. II, 17: .Mit diesen Worten ist sie (Foüs) auf meinem Bette, sitzt rittlings auf mir, wiegt sich auf und nieder, läBt mit wollüstigen Gesten ihr reges Kreuz spielen und speist mich mit dem Genuß der schwebenden Venus." Martial XI, 104: Hinter der Tür befriedigten selbst sich die phrygischen Sklaven, Wenn auf Hektorischem Roß ihre Gebieterin saß. Ovidius, De arte amatoria III, 777—778: Sitze die Kleine zu Pferde; nie saß die ThebMsche Oattin, Weil sie die Größeste war, auf dem Hektorischen Roß. 7 Digitized by Google Si juvat, Ursa, vehi, moveas clunemque feniurque Parcius, aut inguen non tolerabit onus. 5 Deinde cave reduci repetas ne podice penem; Quamvis, Ursa, velis, non mea virga volet. Aloisia Sigaea p. 278. cxempli 1678. Fescennini oditi : surge et aversa intra femina tua Rangonium subüce. Ejus machaera jacentis vaginae respon- deat imminentis. Eadem Hl, 69. exsilit (Sempronia) in supinum (Chryso- gonum) et sedens obversa spiculum candens divarkatis femoribus vibrat ipsa in se sua manu. 3. Clunes et femora subsultim movere dicitur crissare, id quod feminae fadunt tum in coitu ad voluptatem fridu augendam, quo spedat illud MarÜaUs XI, 104. nec motu dignaris opus juvare, tum in saltatione, ad Hbidinem spcdatorum exdtandam, in quo genere Gaditanarum puellarum fama erat maxima. MarÜaUs V, 78. Nec de Gadibus improbis puellae Vibrabunt sine fine prurientes Laseivos doeiii tremore lumbos. Idcm XIV, 203. Tarn tremulum crissat, tarn blandum prurit, ut ipsum Masturbatorem fecerit Hippolytum. Talis erat Quintia Priap. XXVII. Deliciae ooouli maeno notissima circo Quintia vibratas docta movere nates. Talis Telethusa Priapeio XIX. Hie quando Telethusa drculatrix, Quae clunem tunica tegente nulla Exosse aptius altiusque motat, Crissabit tibi fluctuant* lumbo? Sie ut non modo te, Priape, posset, Privignum quoque sed movere Phaedrae. Pro vulgato extis. quod tolerari nequit, cum exta nec apte moveantur, nec alte, ausus sum scribere tertio versiculo, quem Sibyllae folium esse pronuntiat Scioppius, exosse. Exossis enim vi de tu r puella, quae dunibus d coxen- dldbus sublevatis lumborum crispitudine dididt lasdve fluduare. Apulej. Apolog. cap. 74: mox in juventute saltandis fabulis exossis plane et enervis. Idem Metamorph. IIb. 1. cap. 4: Et ecce puer in moUiÜem decorus insurgit, inque flexibus tortuosis enervem */exossem saltationem explicat. Lucretius IV, 1247. atque exossato ciet omni pectore fluetus. 5. Non vult offerri sibi corollarium puerile Fotidis Apulej. Metamorph, lib. III. cap. 20: baedxamur in Venerem. cum quid cm mihi jam fatigato de proprio liberalitate Fotis puerile obtulit corollarium. Digitized by Google Mußt du mich reiten, ach Ursa, dann rühre doch Hintern und Schenkel Mäßiger, — oder mein Glied hält die Geschichte nicht aus. Ferner auch steck dir den Penis nicht immer vom neuen ins Arschloch ; 5 Wenn es dich, Ursa, auch freut, ihm macht es wenig Pläsier. Aloisia Sigaea (die deutsche Obersetzung von H. Conradt, Leipzig 1903), S. 167: .Steh auf, und nimm von hinten Rangoni zwischen deine Schenkel, so daß die Spitze deines Dolches genau auf deine darüber befindliche Scheide trifft.* Ebendaselbst, S. 241 : .Er (Chrysogonus) legt sich auf den Rücken, sie (Sempronla) steigt auf Ihn und stößt sich mit eigener Hand seinen schlanken Speer hinein, nachdem sie die Schenkel auseinandergespreizt hat." 3. Hinterbacken und Schenkel stoßweise bewegen heißt in der Sprache des römischen Lupanars .crissare". Die Weiber führen diese Bewegungen aus, teils beim Koitus, um durch die Reibung das Wollustgefühl zu steigern, worauf sich Marti al XI, 104 bezieht: Du hältst es nicht für nötig, durch Bewegung das Werk zu fördern, teils pantomimisch, beim Tanze, um die Sinnlichkeit des Zuschauers zu reizen. Die Mfldchen von Gades (heut Cadiz) in Spanien waren berühmt wegen ihrer wollüstigen Tanzpantomimen. Martialis V, 78: Noch bewegen vom frechen Gades Mädchen, Unaufhörlich von Lüsternheit gestachelt, Wollustkundig sie schaukelnd, ihre Hüften. Ebenderselbe XIV, 203: So verführerisch reizt sie, so zitternd bewegt sie die Hüften, Daß sich sogar Hippolyt hätte vor ihr masturbiert Solch ein Mädchen war die Quintia, Priap. XXVTI: Quintia, des Volkes Ergötzen, die weithin bekannte, im großen Circus, die kunstvoll gewandt wiegend die Hüften bewegt. Ebenso Telethusa, Priap. XIX: Wenn hier das Gassendimchen Telethusa, Dem keine Tunika den Hintern zudeckt, Gelenker als ein Schlangenmensch den Steiß hebt, Vor dir die Hüften wiegt im Wellentakte, Dann müßte sie Priapus nicht nur, sondern Der Phädra Stiefsohn auch gewaltig aufregen. Statt des unverständlichen .exüs* in der dritten Zeile erlaube ich mir .exosse* zu lesen, denn .knochenlos" (exossis) scheint das Mädchen zu sein, welches die Fähigkeit besitzt, mit aufgehobenen Hinterbacken und Hüften ihr Gesäß wollüstig schaukelnd zu bewegen. Apulejus, Apologie. Kap. 74: .in früher Jugend 9 VI. DE CORVINO, V1NUM ACCURATE CUSTODIENTE, NON UXOREM. Corvinus vegetem custodit clave seraque, Non cohibet cunnum conjugis ille sera. Zelotypus vegetis, cunni sed prodigus ille est; Haustu nam cunnus non perit, illa perit va EP1THAPHIUM PEGASI, CLAUDI PAEDICONIS. Si vis scire meum nomen votumque, viator, Pegasus hac ego sum claudus humatus humo. Vota deinde scias, nomen quum sciveris; audi: Sic desiderio tu potiare tuo. 5 Quum pathicum quemquam paedicaturus ephebum es, Ulud in hac tumba, quaeso, viator agas, Atque ita mis animas coitu, non thure, piato, Scilicet hanc requiem manibus, oro, dato. Hoc apud infernas genus est leniminis umbras 10 Praecipuum; prisci sie statuere patres. Quippe ita Chironis cineres placabat Achilles, Sensit et hoc podex, flave Patrode, tuus, Gnovit Hylas patrio percisus ab Hercule busto. Tu mihi majores quod docuere Uta. VL l.Veges Latinitatc media est dolium, vas vinarium Vita S. Joannis episcopi Tragurensis: de tanta paucitate uvarum tres majores jam replevimus vegetes. Vita S. Andrcac de Galeranis: ivit ad vegetem, */ facto signo enteis haust t ab und c, vegete repleta divinitus. Vide infra XIX, 11. 4. Priap. III. da mihi, quod tu des licet assidue, nil tarnen inde perit. vn. 7. Mis antique pro mei. Ennius apud Priscianum libro XIII. p. 955. operis Putschlanl: ingens cura mis cum concordibus aequiparare. 13.Virgilius Georgic. III, 6. Cut non dictus Hylas puer? — Martialis XI, 43. Incurvabat Hylam posito Tyrinthius arcu. Perddi dicuntur pathid: Martial. IV, 48. Percidi gaudes. percisus. Papile, ploras; idem VII, 62. reclusis foribus grandes percidis, Amitle. 10 VI. Auf Corvinus, der seinen Wein sorgsam bewacht, aber nicht sein Weib. Fest hinter Riegel und Schloß verwahrt Corvinus sein Weinfaß, Aber der Gattin Geschöß sperrt er mit Schlössern nicht ab. Eifersucht quält um das Faß, doch nicht um die Fut ihn; das eine, Bohrt man es an, läuft aus, aber die andere nicht. VII. Grabschrift des hinkenden Päderasten Pegasus. Willst meinen Namen du wissen und was ich begehre, o Wandrer, Pegasus bin ich und lahm, den diese Erde bedeckt. Wisse nun auch meinen Wunsch, nachdem du den Namen erfahren, Daß deine Neugier auch gänzlich befriedigt dir sei: Wenn einen Jüngling du hast, mit dem du der Liebe willst pflegen, 5 Tu* das, ich bitte dich drum, Wanderer, auf diesem Grab. So durch den Beischlaf und nicht durch Weihrauchwolken versöhnet, Sei meinen Manen die Ruh', die ich ersehne, vergönnt Damit besänftiget man die Schatten des Hades am besten, Wie es vor alters ja auch haben die Väter geglaubt. 10 So versöhnte Achill die Asche im Grabe des Chiron, Solches hat auch dein Popo, blonder Patroklos, verspürt Hylas erfuhr es, als Herakles ihn auf dem Grabe des Vaters Spießte. Drum opfre auch du wie es die Alten gelehrt. Pantomimen zu tanzen, fast ohne Knochen und Sehnen.* Ebenderselbe, Meta- morph., I. Buch, Kap. 4: .Und siehe da, ein schöner, zarter Knabe erhebt sich und führt mit verschlungenen Bewegungen, fast wie ohne Sehnen und Knochen, einen Tanz aus.* Vgl. Lucretius IV, 1247: Ziehet den Saft sie ein als fehlten dem Körper die Knochen (sich so bewegend). 5. Er will nicht das . Knabe nkränzlein • der Fotis angeboten haben. Apulejus, Metamorph. III. Buch, Kap. 20: .Wir überlassen uns dem Taumel der Wollust, und schon ermattete ich, als Fotis mir aus eigener Freigebigkeit ihr Knabenkrflnzlein darbot.* VI. 4. Priap. lü: QU, „* Immer, was geben du kannst; schließlich verlierst du doch nichts. VII. 13. Virgil, Georg. III, 6: Wer nicht hätte erzahlt von Hylas, dem Knaben? // Digitized by Google VM. DE URSAE TENTIGINE ET NASO. Si multus multae est nasus tentiginis index, Ursae tentigo tenditur usque pedes. Quin si multa ampli nasi tentigo sit index, Nasus ad usque tuum tenditur, Ursa, genu. IX. AD CORNUTUM. RESPONDET QUARE RELICTA ETRURIA TRISTIOR SIT. Quaeris ab unanimi, dulcis Cornute, sodali, Cur videar licta tristior Etruria, Cur lusus abiere jocique, et pallor in ore est, Muta quid heic subito facta Thalia mea est 5 Pene potens agit heic Gallus, qui cruscula solus Quaeque velit, solus basia quaeque velit Is sibi habet quodcunque natis vel podicis urbe est, Quidquid et e Tuscis aut aliunde venit. vm. Ramusius Arimlncnsis carminc XXXI. Et dicor meretrix, lupa, ursa, vacca: Eventus mihi nomina haec notavit. 1. MarÜalis epigr. 36. libri VI. Mentula tarn magna est, tan ms tibi, Papile. nasus, Ut possis, quoties arrigis, olfacere. 2. Juven. VI, 129. adhuc ardens rigidae tentigine vulvae. IX. 5. Infra XIII, 5. 6. Parthenope Gallis cedit. Florentia Cimbris, Si semel his puenxm sors tetigisse dedit. velle est paediconis. Idem appellabitur infra libro secundo XXIV, 4. cruscula adfectare. 12 Digitized vm. Auf Ursas Geilheit und ihre Nase. Wenn uns die Länge der Nase die Größe der Geilheit verriete, Ursa, so ging' deine Brunst bis auf die Füße hinab. Ja fürwahr, wenn die Geilheit der Größe der Nase entspräche, Müßtest du bis zu dem Knie, Ursa, aus Nase bestehn. IX. An Cornutus. Er erklart ihm, weshalb er so niedergeschlagen sei, seitdem er Toscana verlassen hat. Liebster Cornutus, du willst von dem Busenfreunde erfahren, Was mich so traurig gestimmt, seit ich Toscana verließ, Warum Freude und Scherz verschwunden, warum ich so bleich bin, Was meiner Muse geschehn, daß sie so plötzlich verstummt? Ach, hier regiert der Franzos mit mächtigem Glied und begehret 5 Alles was Schenkel nur hat, alles was küßt, für sich selbst Sein ist was in der Stadt an Hinterbacken sich findet, Was aus Toscana und sonst irgendwoher zu uns kommt. Martial XI, 43: Herkules legte beiseit den Bogen um Hylas zu biegen. Perddi (zerhauen, zerspalten werden) wird von den Pathids gesagt: Mar- tial IV, 48: Hauen läßt du dich gern, gehauen, Papllus, klagst du. Martial VII, 62: Bei geöffneter Tür, Amillus, verhau'st du Erwachsne. VIII. Ramusio da Rimini, Carm. XXXI: Man heißt mich Hure, Wölfin, Kuh oder Bärin: Mir trug der Zufall solcherlei Namen ein. 1. Martial VI, 36: So groß, Papllus, ist dein Schwanz, so groß ist die Nase, Daß du, so oft er sich hebt, ihn auch zu riechen vermagst. 2. Juvenal VI, 129: noch heiß von der Brunst der genossenen Liebe. IX. 5. Vgl. Epig. XIII, 5. 6. Cruscula velle (die Schenkel haben wollen) ist das Begehren des Päderasten. Dasselbe besagt (II. Buch, Epigr. XXTV, 4.) der Ausdruck .cruscula adfectare.* 13 Digitized by Google Munera dat, Croeso nummato qualia sat sint; 10 Muneribus blandas adiicit illecebras. Inde edicta suis scribit quasi praetor ephebis: Ne sine te tangi, ne sine te subigi. Non potes ergo loqui puero, ni indulgeat ille, Ni velit is, puero non potes ipse frui. 15 Tu contra ingenuas mulieres, tu quoque servas, Tuve bonas vexas inguine, tuve malas. Vix tibi quae natum sacro de fönte levavit, Vix sacra, vixque soror, vix tua tuta parens. Tu futuis viduas, futuis nuptasque maritasve, 20 Et tibi vis cunni quidquid in urbe manet. Tu tibi vis igitur tota quid mingit in urbe, Ille sibi tota quidquid in urbe cacat Et mihi quin etiam jam constat mentula, qualem Qui superat, certe non homo, mulus erit lö.Ovid. de arte amatoria D, 627, 28. Scilicet excuties omnes ubicunque puelias. Cuilibet ut dicas: haec quoque nostra fuit. 20. Catull. XXXVII, 3. 4. 5. Solis putatis esse mentulas vobis? Solls licere quidquid est puellarum Confutuere, et putare eeteros hircos? 23. 24. Umpridius In Commodo cap. 10. habuit et hominem pene prominente ultra modum animalium. quem Onon appellabat. Juvenal. IX, 92. alium bipedem sibi quaerit asellum. Hieronymus ad Ezech. XX1U. insanivit quondam in concubitu Aegyp- tiorum. quorum carnes sunt ad similitudinem asinorum, et tarn largus seminum fluxus, sive verenda tarn grandia, ut equorum superent defor- mitatem. Padficus Maximus elegia X. pagina Parisiensi 124. lila salax, quondam quam nullus vieit asellus, En jacet officio mentula functa suo. 14 Freilich wohl gibt er Geschenke wie sie einem Krösus geziemen, Und den Geschenken fügt schmeichelnde Lockung er bei. 10 Drum auch erläßt er als Prätor Edikte an seine Epheben: „Laßt es nicht zu, daß man euch anrührt oder verführt!" Sprechen nicht darfst du mit einem der Knaben, wenn er's nicht erlaubt hat, Keiner auch gibt sich dir hin, außer wenn er es so will. Du dahingegen, du willst alle Weiber, ob Damen, ob Mägde, 15 Ob anständig, ob schlecht, mit deinem Dinge bedräun. Kaum vor der Wöchnerin scheinst du heilige Scheu zu empfinden, Ja, vor der Schwester und auch nicht vor der Mutter einmal. Witwen vögelst du auch und Bräute und Gattinnen; kaum noch Ist in der Stadt ein Geschöß übrig, das dir nicht gehört 20 Du willst alles für dich, was hier in Bologna Pipi macht, Er beansprucht für sich alles, was kackt in der Stadt Deswegen muß mir der Knüppel so stehn, daß, wenn etwa Einer Größer ihn hat, er kein Mensch, sondern ein Maulesel ist; 15. Ovld, De arte amal. II, 627-628: Wahrlich, du solltest umher die sämtlichen Madchen durchmustern, Um zu erzählen der Welt: .Die* auch besaß ich dnmal.' 20. Catull. XXXVII, 3—5: Glaubt ihr beschlagen euch allein mit Mannsgliedern ? Allein befugt, wo irgend Mädchen blühn, alle Zu hcken, wie wenn unsereins ein Bock wäre? 23. 24. Lampridius, Commodus, Kap'. X: Auch hatte er einen Menschen bei sich, der ein ungewöhnlich großes Schamglied hatte und den er seinen Onos (Esel) nannte. Juvenalis IX, 92: suchet sich selbst einen andern zweibeinigen Esel. Hieronymus zu Ezechiel XXIII: Sie entbrannte zuvor gegen ihre Buhlen, die Ägypter, deren Fleisch ähnlich ist dem der Esel, haben auch einen starken Samenfluß und so große Schamglleder, daß sie die der Rosse an Unförmlichkcit Padfico Massimi, Elegia X, S. 124 der Pariser Ausgabe: Jenes vergellte Geschöpf, das kein Esel je konnte befriedigen, Siehe, da liegt sie! Du hasfs mit deinem Glied ihr besorgt 15 Digitized by CiOOQlc 25 Et mihi nimirum constant viresque vicesque, Quales qui vincit, non homo, passer erit Cur mihi non igitur futuendi copia fiat? Nec sit quae coleos hauriat ulla meos? Quare agedum nobis de partis cede pueliam 30 Aut unarn, aut unam tu mihi quaere novam. Tunc me conspicias laetum lautumque licebit, Candida tunc pulchrum nostra Thalia canet x. IN MATTHIAM LUPIUM, CLAUDUM MALEDICUM. Nescio quis nostram fertur carpsisse Camenam; Si non decipior, Lupius ille fuit lila sibi solita est nimium lasciva videri; Confiteor, vitae congruit ergo suae. Wem elegia XI. Aut petat haec alium. membrum non tale vldebit. Taleque non coelum. tale nec Orbis habet. Petronius cap. 92. habebat inguinum pondus tarn gründe, ut ipsum hominem laciniam fascini crederes. 26.PrlapeloXXVI. Quod (membrum) totis mihi noctibus fatigant Vicinae sine /ine prurientes, Vernis passeribus salaciores. Ad quac Scloppius: Omnia verno tempore in Venerem sunt proniora. maxime vero omnium passeres. Cum Ingolstadii agerem, vidi e regione musaei mei passerem coitum vieles repetentem, et inde adeo ad languorem datum, ut avolaturus in terra m decideret. En sortem iniquam! Hoc passeribus datum, negatum hominibus. Nae qui facinus hujusmodi imi- tari ausit, faxim ut picos (in exemplo Patavlno anni 1664 mendose pici) qui aureos montes colunt, divitiis Ute solus superet. Prae milite Plautino omnes eum sectaturas feminas scilicet! Addendum: pici illud Sdopplanum, licet durissimum, minlme debebat sollicitari: volult enim Scioppius exprimere nominativum absolutum Plaut! In Aulul. IV, 8, 1. X. Recepit hoc epigramma editor opusculorum Panormitac Venetus, loco sextodcdmo carmlnum. 4. Venetus nec videt hanc similem moribus esse suis. 16 Deswegen wachsen Begierden und Kräfte mir so, daß, wenn Einer 25 Mich übertrifft, er kein Mensch, sondern ein Sperling muß sein. Ach, warum gibt man mir nicht was zu hcken in reichlicher Menge? Ist denn hier nirgend ein Weib, das mir die Hoden erschöpft? D'rum also sei doch so gut: überlaß mir von all deinen Madchen Eine für mich oder schau, daß du mir eine verschaffst 30 Dann wirst du sehen, wie lustig ich bin und wie üppig ich schlemme; Lieblich ertönt dann aufs neu meiner Thalia Gesang. X. Auf den hinkenden und schmähsüchtigen Mattia Lupi. Wer hafs gewagt, meine Dichtungen frech zu bekritteln? Ich weiß nicht, Aber ich irre wohl nicht, sage ich: „Lupi, der war's M . Liederlich freilich ist oft meine Muse, so scheint es den Leuten; Dieses gesteh' ich, doch da paßt sie ja trefflich zu ihm: Derselbe, Elegia XI: Such' sie sich doch einen andern, sie sieht solchen Penis nicht wieder; Himmel und Erde besitzt so etwas Ähnliches nicht Petronius, Kap. XCII: .Er hatte ein so großes, gewichtiges Schamglied, daß man glauben konnte, der ganze Mann sei nur ein Anhingsei seines Penis.* 26. Priapeia XXVI: Das Glied, das jede Nacht sie mir ermüden. Die Nachbarinnen, denen es ewig juckt. Noch lüsterner als im Frühling die Spatzen. Scioppius bemerkt hierzu: Alle Wesen, besonders aber die Sperlinge, sind im Frühling dem Dienst der Venus mehr als sonst ergeben. Als ich in Ingol- stadt wohnte, sah ich, von meiner Studierstube aus, einen Sperling zwanzigmal den Geschlechtsakt ausüben, worauf er so erschöpft war, daß er bei dem Ver- suche davonzufliegen, zu Boden fiel. Welch unbilliges Geschick, das den Sper- lingen gewährt was es den Menschen versagt! 2 17 5 Est vir obscenus, nostrae est lascivia Musae, lila levis versa, moribus ille levis. Adde quod id monstri pedibus non ambulat aequis, Iniparibus constat nostra Camena modis. Si culpat versus, et se culpare necesse est 10 Si sapis ergo, tace, prodigiose senex. XL IN EUNDEM LORIPEDEM. Die mihi, cur longo, Lupi, vestiris amictu; An Vitium surae vis operire toga? Nil agis, o demens, humeri, latera atque moventur, Ut tumida nullo remige lembus aqua. XII. IN MAMURIANUM, POSTREMAE TURPITUDINIS V1RUM. Si tot habes scapula penes, quot sorpseris ano, Et perfers, vincis, Mamuriane, boves. Xlll. LEP1DINUS AB AUCTORE QUAERIT, CUR QUI SEMEL PAEDICARE COEPERIT HAUDQUAQUAM DESISTIT. Cur qui paedicat semel, aut semel irrumat, auetor Nugarum, nunquam dedidicisse potest? 6. Venetus illa levis cursu. morsibus ille levis. 8. Venetus nostra Thalia modis. XL Est cannen Venerum XV1L Loripedem deest In Veneto llbro, Bandlnus fadt cum editore Parisiensi. XU. Vir postremae turpitudinis est [qui averaa Venere gaudet culumque dat Xlfl. Desistit est ledio Bandini, Parisiensis desistat. 18 Digitized Er ist ein geiler Gesell, und voll Wollust steckt unsere Muse; 5 Sie ist leichtfertig im Vers, locker in Sitten ist er. Dazu noch stelle dir vor, dieses Vieh geht auf ungleichen Füßen, Auch das Distichon baut auf sich auf ungleichem Fuß. Tadelt er also den Vers, so faß er sich selbst an die Nase. Wär'st du vernünftig, du schwiegst, degenerierter Cretin! 10 XL Auf denselben Krummfuß. Sag" mir doch, Lupi, weshalb du in lange Gewänder dich kleidest? Glaubst du, den Fehler am Fuß decke die Toga dir zu? Eitles Bemühen, du Tropf; es bewegen sich Schultern und Hüften, Wie ohne Ruder ein Kahn schwanket auf brausender Flut. XII. Auf den der größten Schande ergebenen Mamurianus. Trügst du so viele der Schwänze als schon du im Hintern ge- habt hast, Fort auf den Schultern, du wärst stärker fürwahr als ein Ochs. xm. Lepidinus fragt den Autor, warum jemand, der einmal die Päderastie auszuüben begonnen hat, gar nicht wieder davon abläßt. Warum verlernt wohl, o Dichter, wer's einmal mit Knaben ver- sucht hat, Oder auch einmal „in os", diese Gewohnheit nicht mehr? XU. Ein der Schande ergebener Mann ist ein solcher, der der Venus von hinten frönt und seinen Steiß der Wollust seiner Uebhaber preisgibt. 2» 19 Immo Brito et bardus, quum vix gustaverit, ultro Certat in hoc ipso vincere amore Senas. 5 Parthenope Gallis cedit, Florentia Cimbris, Si semel bis puerura sors tetigisse dedit. 3. Britones videbantur prisds homlnes bardl stupidlqac. Juvenal. XV, III. Gallia causidicos docuit facunda Britannos. Isidoras Originum libro IX. cap. 2. Britones quidam latine nominatos suspicantur eo quod bruti sint. Junguntur utl nostro loco ita apud Juvenalem XV, 124. Britones Cimbris: nec terribiles Cimbri. nec Britones unquam. 5. Neapolitanos didt et Florentinos, omnium hominura maxime paedlcandl libl- dinl deditos, vind in hoc genere a Gallis ceterisque populis septentrionali- bus, ubi seine] iltis contlgerit degustare voluptatern, a qua alias soleant ab- horrere vehemcntissime. Causam vero, propter quam et Itali et Hispani tantopere deledentur paedicando, aliquatenus aperuit Aloisia Sigaea in Satira sotadica p. 304—306. exempli 1678 editi. Nunc, inquit, omnium maxime hominum Galli odio insuetae Veneris flagrant. Quos polluit. ultricibus purgant flammis. Ferri aciem sufficere non putant uiciscendae castitati. Mirantur Itali et Hispani. Nam satius est, de populis sub Mahometis jugo depressis non dicere. Gallos et qui ad septentrionem vergunt stupidi dicunt esse ad voluptatern sensus. Sincerum ut sibi voluptatis inesse g us tum negant. Nimirum nos feminae acuimus ipsae in nos virorum nostrorum ingenia ad voluptatern alio investigandam. quam vix et ne vix quidem inveniunt in nobis plenam et solidam. Patentiora sunt nobis Kalis Hispani svc, quis neget? Veneris ostia. Non Veneri facere, qui per Ulm ins vasatusque ultra modum non sit, sed dixerit in portidbus amplis jaculo ludere. Quae facile admittit ineuntem, minuit concha voluptatern. Comprimi, exsugi gaudet mentuta; si liberius spatietur, male habet. At in aversa Venere se res commodius habet. Difficilis ingressus irrumpenti mentulae, et cum irrumpit, locum non implet modo, sed dis- rumpit. Dehinc nuüa stadii capacitas, nisi quam velit cursor. Accom- modat ultro se hospitium hospiti, musculi ut contenduntur, ut laxantur. Vulva vero cum semel aper tu horribili hialu ars nulla, mulieris nullus aut Situs aut motus faciet unquam, quin laxa, quin aperta horribili hiatu pateat miserabili mentulae ad contumeliam coneubitus. Hinc amatores turpis delicti apud nos multi, ex adverso apud Gallos Germanosque pauci. Nam sub septentrionibus non ita feminae lati fundi sunt. Frigore restringuntur membra omnia quasi concreto. Ideo cum habeant omnia in tegitimo mulierum censu. quae voluptati favent, quid expeterent ultra, quod Ulis in penu est? Sane qui apud nos peculii laude praedicantur bene mutoniati, nec paedicantur. nec paedicant. Hactenus Aloisia Sigaea, vel potius, qui sub nomine virginis latere creditur, Nicolaus Chorerius. 20 Digitized by CjOOQIC Selbst so ein Brite, ein Tölpel, der's einmal geschmeckt hat, der nimmt schon In diesem Liebesgenuß mit Sienesen es auf. Galliern weichet Neapel, den Cimbern Florenz, wenn der Zufall Solche Barbaren einmal Knaben berühren gelehrt XIII. 3. Die Briten galten bei den alten Römern für dumm und schwer von Begriffen. Juvenal XV, 111: Gallien lehrte, im Reden geübt, den britannischen Anwalt. Isidor us, Originum Hb. IX, Kap. 2: .Die Briten werden, wie einige vermuten, auf lateinisch so genannt, weil sie dumm (bruti) sind.* Hier werden die Briten mit den Cimbern zugleich genannt, wie bei Juvenal XV, 124 : weder die schrecklichen Cimbern, noch je die Britonen. 5. Der Autor sagt, daß die Neapolitaner und die Florentiner, die von allen Mannern am meisten der Päderastie ergeben sind, darin von den Franzosen und den Völkern des Nordens noch übertroffen werden, sobald diese die Wollust einmal kennen gelernt haben, vor der sie sonst einen heftigen Abscheu emp- finden. Die Ursache indessen, weshalb sowohl die Italiener als die Spanier so großes Vergnügen an der Päderastie rinden, erklärt Alolsia Sigaea in ihren .Ge- sprächen*, S. 184, wenigstens einigermaßen: .In der Jetztzelt tragen vorzugsweise die Franzosen den größten Abscheu vor widernatürlicher Geschlechtsbefriedigung zur Schau ; den Sünder, der sich damit befleckt, übergeben sie zur Reinigung der strafenden Hamme, da nach ihrer Meinung die Schärfe des Schwertes noch nicht ge- nügt, die beleidigte Keuschheit zu rächen. Den Italienern und Spaniern erscheint dies unbegreiflich, ganz zu geschweigen von den Völkern, die dem Gebot des Pro- pheten Mohammed untertan sind. In den Augen der Südländer sind die Fran- zosen und die andern Nationen des Nordens zu stumpfsinnig zur Wollust; sie haben nicht, wie sie, den richtigen Begriff von den Freuden der Liebe. Aber im Grunde werden durch uns Frauen die widernatürlichen Begierden der Männer angestachelt: wir zwingen sie, anderweitig einen Genuß zu suchen, dessen volle Befriedigung sie nicht bei uns finden können. Bei uns Italienerinnen und Spanierinnen steht das Venuspförtlein — wer könnte das leugnen wollen? — viel weiter offen als bei anderen Frauen. Wenn ein Mann, der mit uns zu tun hat, nicht in ganz besonderer Weise begabt und ausgestattet ist, so muß er glauben, nicht ein Liebesspiel zu treiben, sondern In einer weiten Halle sich im opeersiouen zu uuen. wenn aer /.uinn zur uronc zu leicni gesianei wiro, macni ihr Besuch weniger Vergnügen. Die Mentula hat es gern, wenn sie zusammen- gepreßt und ausgesogen wird; wenn sie allzu frei herumspazieren kann, ist sie nicht zufrieden. Beim Liebesgenuß von hinten geht die Sache angenehmer vor sich. Die Mentula findet nur mit Mühe Eingang, und wenn sie drinnen ist füllt sie ment nur aen Kaum aus, sonaern aennt sogar dessen wanae. uie otecn- 21 Sic qui forte manes semel inclinaverit, idem Haud facinus coeptum destituisse potest XIV. IN LENTULUM MOLLEM, ELATUM ET POSTREMAE TURPITUDIN1S VIRUM. Solus habes nummos, et solus, Lentule, libros, Solus habes pueros, pallia solus habes, Solus et ingenium, cor solus, solus amicos, Unum si demas omnia solus habes. 5 Hoc unum est podex, quem non tibi, Lentule, solus, Sed quem cum populo, Lentule mollis, habes. 7. 8. Ultimum distichon in exemplo Parisiensi hoc loco non legitur, sed sub- jungitur infra carmini XXII. ubi cum tolerari prorsus nequeat, videtur nesdo quo casu sede propria motum In allenam aberrasse. Jam cum in unlverso Hermaphrodito epigramma reperiatur nulluni, cui aptius posslt subnecti. quam nostrum, huic restftuendum putavi. — Inclinari cum soleint dnaedi a paedi- conibus, ut commodior corporis situs reddatur, per euphemismum inclinare dictum est pro paedicare. ut concumbere pro futuere: Juven. IX, 26. solebas ipsos etiam inclinare maritos. Idem X, 224. quot disciputos inclinet Hamillus. SimiU' est incurvare. Marlialis XI, 43. i n c u r vab a t liylam posito Tyrinthius arcu. Incurvari etiam feminae dicuntur ab iis, qui futuunt legi- time quidem, sed aut propter ventris obesitatem, aut variandi libidinem, pone, non ante. Luxorius in Anthologia Burmanni secundi tomo II. p. 592. Zelo- fypus plures incurvat clune puellas. Nec alio modo bellissimus ille pusio Apulejl Metamorphos. llbro IX. cap. 7. fefellit maritum: at vero adulter. bellissimus ille pusio, inclinatam dolio pronara uxorem fabri superin- curvatus secure dedolabat. XIV. 6. Dives erat Lentulus, et tarnen mollis seu pathicus. Neque enim pathici tan tum mercede conducebantur ad Venerem aversam patiendam, sed etiam paedicones ad laborem paedicandi susdpiendum. Ad hoc conduxerat Virro Naevolum, quem de avaritia domini computantis et ceventis festive con- querentem proposuit Juvenalis IX, 42—46. \' unteren tu r d ein de labores. An f adle et pronum est agere intra viscera penem Legitimum, atque Ulk hesternae occurrere coenae? Servus erit minus ille miser. qui foderit agrum, Quam dominum. Digitized Wer einem Knaben nur einmal sich über den Rücken gelegt hat, Kann von dem Werke nicht mehr lassen, nachdem er's probiert XIV. Auf den stolzen, aber der größten Schande ergebenen Weichling Lentulus. Lentulus, dir nur allein gehören dein Geld, deine Bücher, Knaben, die hast du für dich, auch deine Kleider sind dein. Für dich allein hast du Geist, hast Gemüt und hast deine Freunde, Alles besitzt du allein, nehmen wir eines nur aus. Denn dies eine, den Hintern, den hast du für dich nicht alleine, 5 Weichlicher Lentulus, nein: der ist Gemeingut des Volks. bahn ist also nicht breiter, als der Reiter sie wünscht; die Herberge richtet sich nach dem Gast, dem sie Unterkunft gewährt, da die Muskeln sich nach Belieben zusammenziehen oder ausdehnen können. Wenn dagegen unsere Grotte einmal mit Gewalt geöffnet und zu einem fürchterlichen Schlund geworden ist, dann vermag eine Frau es durch keine Geschicklichkeit, durch keine besondere Stellung oder Bewegung zu bewirken, daß sie nicht weit bleibt: sie ist nach wie vor ein fürchterlicher Schlund für die arme Mentula, und das nimmt der Be- gattung viel von ihrem Wert Darum sind bei uns die Liebhaber der unreinen Lust so zahlreich, wahrend es deren im Gegenteil bei den Franzosen und den Deutschen nur wenige gibt. In den nördlichen Ländern sind die Frauen nicht so weit gebaut; es ist wie wenn durch die Kälte die Glieder sich zusammen- zögen. Da also die Männer im naturgemäßen Verkehr mit ihren Frauen alle nur wünschenswerte Lust finden, was könnten sie mehr verlangen als die Hausmanns- kost, die sie im Speiseschrank haben? Auch bei uns halten sich ja diejenigen Männer, die von der Natur reich ausgestattet sind und einer stattlichen Mannes- zier sich rühmen können, von diesen Sachen frei: sie machen es nicht von hinten, noch auch lassen sie sich's machen.' Soweit unsere Aloisla Slgaea, oder vielmehr Nicolas Chorler, der sich hinter dem Pseudonym der gelehrten Jungfrau verborgen haben soll. 7. 8. Da die Klnäden gewöhnlich von ihren Liebhabern vornüber geneigt wurden, um eine bequemere Stellung einzunehmen, wurde der Ausdruck .indi- nare* (biegen) als Euphemismus für .paedlcare' gebraucht, ebenso wie .con- (beisammenllegen) für .futuere". Juvenal IX, 26: ja, du pflegtest sogar Ehmänner zu biegen. Derselbe X, 224: wie viel biegt von den Schülern Hamlllus. Gleiche Bedeutung hat .ineurvare* (beugen); Martial XI, 43: Auch der Tirynthier hat sich den Hylas niedergebeuget. 23 Digitized by Google XV. AD LEP1D1NUM RESPONSIO, ET QUARE URSUS CAUDA CARET. Accipe ridiculam, dulcis Lepidine, fabeilam, Et quae quod poscis dissoluisse queat Fertur ab horticola divam quaesisse Priapo, Seu Venus in dubio est, seu dea Flora fuit, 5 Cur, quum velentur quasi quaeque animalia cauda, Ursus non cauda membra pudenda tegat Ule refert, escam cupide dum quaereret ursus, In tempestivos incidit ille favos, Nec comedit primum, licet ipse famelicus esset, 10 Quandoquidem merdas credidit esse favos. At stimulante fame mox haeret, libat et instat, Mel sapit, et tandem non edit, immo vorat Rusticus advortit, properat, strepit; ursus obaudit Rusticus is custos mellis et Argus erat. Consolatur vcro poeta homincm tristem et cum fato cxpostulantcm, nil facere longi mensuram incognitam nervi, versiculo 130. Ne trepida; nun quam pathicus tibi deerit amicus. Ceterum fere ad verbum hoc epigrammate expressit noster Martialeum 26 libri terüi. XV. Bandinus in epigraphe Lepidium: mendose. 2.Amat noster more Tibulli perfedum infinitivi ponere pro praesente, vide supra Xfll. 2. 8. infra XVII, 20. XXX, 12. XXX VI II , 23. 24. et libro secundo VI, 16. 36. XIII, 20. XXV, 10. 13. item Append. II, 18. Quaesierat Lepidinus epigrammate 13. cur qui semel paedicare coeperit, haudquaquam desistat. Jam respondet auctor, idemque novo paediconi dicit contingere, quod urso, qui ubi primum mellis dulcedinem gustaverit, caudae maluerit jacturam facere, quam de cibo dulcissirno moveri. 13. Obaudit, id est non audlt Nostrates überhören. Alanus libro VI. Anti- aaudiani cap. 2. Ergo minis. precibus, pulsu, clamore soporem expugnare parat, sed talis somnus obaudit. Angel. Pechin olius in literis de sua legatione Hungarica ad Innocentium VIII. pontif. mu. ostendit sua majestas dudum binas Ute ras Soidani in Arabico et Turco sermone scriptas, et modeste a me pulsa quid literae die e rcnt, velut obaudien s alio sermonem divertit. Haec quidem ex Cangianis thesauris, ut superiora de vegete. 24 \ Digitized by CjOOqIc XV. Antwortschreiben an Lepidinus und warum der Bär keinen Schweif hat. Hör, Lepidinus, mein Lieber, die Fabel; sie ist dir zum Lachen, Kann auch die Frage dir leicht lösen, die du mir gestellt: Einstmals wurde gefragt von einer Göttin Priapus, — Ob Aphrodite es war oder ob Chloris vielleicht? — Warum, dieweil doch die Tiere fast alle mit Schweifen versehn sind, 5 Einzig der B3r nicht verhüllt trägt mit dem Schwänze die Scham? Jener erzählt", daß der Bär, als gierig er suchte nach Speise, Einige Waben, die voll waren von Honig, einst fand. Aber so hungrig er war, so verschmäht' er zuerst, sie zu essen, Weil ihm das Ding nicht bekannt, hielt er die Waben für Mist 10 Hunger tut wehe; er stutzt, er kostet, er macht sich darüber. Ha, wie das schmeckt! Und der Bär frißt nicht mehr, sondern verschlingt Aber ein Landmann, der Wächter des Honigs, mit Augen wie Argus, Eilet herbei und macht Lärm; stören nicht läßt sich der Bär. Beide Ausdrücke gebraucht man auch von Frauen, mit denen der natur- gemane Deiscniai vollzogen wira, aocr — entweder wegen inres großen LeiDes- umfanges oder aus Lust an der Abwechslung — von hinten, nicht von vorn. Luxorius in der Anthologie Burmanni, Bd. II, S. 592: .Zelotypus beugt mehrere Mädchen mit dem Gesäße.' Und auf dieselbe Weise setzt jener saubere Bursch, bei Apuleius, Metam. IX. Buch, Kap. 7 dem Ehemann Horner auf: .unterdessen schmiegt sich der saubere Bursch Aber seine Frau Zimmermännin hin, welche sich auf das Fafi gebückt hatte und verhämmert sie in aller Ruhe.* XIV, 6. Lentulus war reich und dennoch ein Weichling oder Pathicus. Denn gegen Bezahlung gaben sich nicht nur Kinäden zum passiven Liebes- genusse, sondern auch Päderasten zur aktiven Ausübung der Päderastie her. Dazu hatte Virro den Naevolus veranlaßt, den uns Juvenal IX, 42 — 46 so köstlich schildert, wie er sich über den Geiz seines rechnenden und dabei .arsch wackeln- den* Herrn beschwert: dann rechne noch meine Bemühung. Ist es so leicht und bequem, meinen ehrlichen Penis in deinem Darme zu schieben umher, wo dem gestrigen Mahl er begegnet? Weniger ist zu beklagen der Knecht, der den Acker bestellet, Als der den Herrn. 25 15 Denique robusti cauda subnititur ursi, Et trahit, i 1 Ig novo non trahit ora cibo. Pauperiem timet hic, timet hic de melle moveri, Ille suo perstat proposito, ille suo. Verum adeo trahit, adeo hic contrarius obstat, 20 Manserit ut stupida cauda revolsa manu. Hic deus hortorum, dum subdere plura pararet, Arrigit, et pepulit mentula tenta deam. XVI. LAUS ALDAE. Aldae oculi legere domum Charitesque Venusque, Ridet et in labiis ipse Cupido suis. Non mingit, verum si mingit balsama mingit; Non cacat, aut violas si cacat Alda cacat XVII. AD CORYDONEM, ARDENTEM QUINTIUM, TURPEM ET DEFORMEM PUERUM. Quintius is Corydon, quem vesanissime flagras, Siccior est cornu, pallidiorque croco. Arid us in venis extat pro sanguine pulvis, Deque suo gracili corpore sudor abest. 5 Aethiopi perhibent gens concubuisse parentem, Atque ideo gnatos edidit illa nigros. Si risum elicias, rictum inspicies sibi, qualem Prodit in aestivo tempore cunnus equae. XVII. Bandinus turpem et deformem puerum. In Parisiensis exemplo deest et. Conferas omnino Carmen sextum llbri postcrloris. 8. Catull. XCVII, 7, 8. Praeterea rictum, qualem diffissus in aestu Mejentis mulae cunnus habere solet. 26 Schließlich ergreift den gewaltigen Bären der Bauer beim Schweife, 15 Zieht was er kann, doch er bringt nicht von dem Honig ihn fort Jener befürchtet Verlust, und der, daß vom Fraß man ihn wegzieht, Jener bleibt fest im Entschluß, aber auch dieser bleibt fest Wie unser Bauer nun zieht, und der Bär sich entgegen ihm stemmet Reißt ihm der Schwanz, und verblüfft hält ihn der Mann in derHand.— 20 Hierbei erhob sich dem Hüter der Gärten das Glied, und er konnte Mehr nicht erzählen: sein Spieß hatte die Göttin verjagt. XVI. Lob der Alda. Ach, in den Augen der Alda wohnt Venus und ihre Chariten, Und auf den Lippen thront lächelnd Cupido, der Schelm. Sicher, sie pißt nicht; doch wenn sie es tut, dann spritzet sie Balsam; Sicher, sie kackt auch nicht; höchstens, daß Veilchen sie kackt XVII. An Corydon, wie er in den häßlichen und mißgestalteten Knaben Quinctius verliebt war. Jener Knabe, in den du dich, Corydon, wütend vergafft hast, Trockener ist er als Horn und wie der Safran so gelb. Trockener Staub statt flüssigen Bluts erfüllt ihm die Adern, Und seinem mageren Leib mangelt es gänzlich an Saft Wie man mir sagt hat ein Mohr bei seiner Frau Mutter geschlafen, 5 Darum auch hat sie zur Welt schwärzliche Bälge gebracht. Wenn du zum Lachen ihn bringst, so öffnet sein Rachen so weit sich Wie einer Stute der Schlitz, wenn sie die Sommerglut sticht Der Dichter tröstet aber den niedergeschlagenen und mit seinem Schicksal hadernden Burschen, der es zu nichts bringen kann, weil es nicht genügend bekannt war, welch einen langen Spieß er hätte; Vers 130: Nimmer verzage, denn nie wirst gefällige Freunde du missen. Im übrigen gibt unser Poet in diesem Epigramme fast wörtlich dasjenige des Martial HI, 26 wieder. XV. Lepidinus hatte den Autor gefragt, Epigr. XIH., warum jemand, der die Päderastie auszuüben begonnen hat, gar nicht wieder davon abläßt. Er 27 Digitized by Google Si buccam olfacias, culum olfecisse putabis, 10 Verum etiam culus mundior ore suo est Mentula perpetuo tibi quam contracta jaccbit, Tu sibi dumtaxat basia fige semel. I procul hinc, Quinti, foedum putensque lupanar, Atque alio quovis ista venena feras. 15 Quis numeret, quot hians absorpserit inguina podex, Quot naves Siculo littore Scylla voret? Ipse palam patitur, pudet heu, muliebria cuivis, Ipse palam tota prostat in urbe puer. Qui puerum bunc igitur quit paedicare, profecto 20 Is poterit rigidas supposuisse feras. XVIII. IN HODUM MORDACEM. Hodus ait nostram vitam non esse pudicam; E scriptis mentem concipit ille meis. Non debet teneros Hodus legisse Catullos, Non vidit penem, verpe Priape, tuum. 5 Quod decuit Marcos, quod Marsos, quodve Pedones, Denique quod cunctos, num mihi turpe putem? Me sine cum tantis simul una errare poötis, Et tu cum vulgo crede, quid, Hode, velis. 10. Catull. XCVII, 4. verum etiam culus mundior et melior (ore Aemllii). 12. Parisiensis finge, quod emendavi. 20. Catull. LXIX, 2. velit tenerum supposuisse femur. Ovid. Amor. III, 7, 10. lascivum femori supposuitque femur. xvm. 5.Martialis In praefatione librl primi Epigrammatum : lascivam verborum licen- tiam excusarem, si meum esset exemplum. Sic scribit Catullus. sie Marsus, sie Petto, sie Gaetulicus, sie quicunque periegitur. 28 Digitized * Riechst du den Hauch seines Mundes, so glaubst du den Hintern zu riechen, Aber trotzdem ist sein Steiß sauberer noch als sein Mund. 10 Kraftlos bleibt dir und schlaff dein Penis auf ewiglich hangen, Wenn du's nur einmal versuchst, ihm dich zum Kusse zu nahn. Fort von hier, Quinctius, fort, du abscheuliches, stinkendes Laster, Fort, und verpeste die Luft anderswo mit deinem Gift! Wer kann zählen, wie oft er Schwänze im Hintern gehabt hat? 15 Skylla verschlang nicht so viel Schiffe am Sikuler-Strand. öffentlich gibt er sich Preis, o der Schande, zu allem was Weiber Dulden, verkauft dieser Bub jedem sich hier in der Stadt. Doch wer es über sich bringt, zu biegen diesen Kinäden, Wahrlich, der könnte es auch mit einer Bestie tun. 20 xvra. Auf den bissigen Hodus. Hodus behauptet von mir, daß kein ehrbares Leben ich führe; Weil meine Schriften er las, meint er, er kenne mich selbst Hodus muß niemals Catull, den zärtlichen, haben gelesen; Auch an Priapus nie sah er den ragenden Schwanz. Was einem Marcus geziemt', einem Marsus, was den Pedonen, 5 Ja, was selbst Allen geziemt', sei mir allein eine Schmach? Laß, wenn ich fehle, mich doch mit so vielen Dichtem mich irren, Du aber glaub* mit der Plebs was dir zu glauben beliebt antwortet ihm hier, daß es dem Aniänger in der Päderastie ebenso gehe wie dem Bären, der zuerst die Süßigkeit des Honigs geschmeckt hat: er lasse sich lieber den Schwanz abreißen, als daß er die Schleckeret aufgebe. XVII. 8. Catull. XCVII, 7. 8: Ferner ein offenes Loch, weit klafffs, wie der Spalt eines Maultiers, Wenn es in brennender Glut brunzt mit gewaltigem Strahl. 10. Catull. XCVII. 4: Freilich ist auch der Steiß besser und sauberer doch (als der Mund des AemlUus). XVIII. 6. Martial in der Vorrede zum ersten Buche seiner Epigramme: .Wegen der kecken Offenheit der Worte würde ich mich entschuldigen, hätte ich das Beispiel gegeben. Aber so schrieb Catullus, so Marsus, so Pedo, so Gae- tuHcus, so liest man durchweg bei jedem." 29 Digitized by CaOOQtc XIX. AD BAPTIST AM ALBERTUM, DE URSAE LUXURIA. Comis es, et totus pulcer totusque facetus, Litteribus totus deditus ingenuis, Atque Albertorum daro de sanguine cretus Nec morum quisquam est nobilitate prior. 5 Quum placeas cunctis raris pro dotibus, idem Tu mihi pro vera simplicitate places. Veridicus cum sis et apertae frontis amicus In parili nostro casmate die quid agas. Si mihi sint epulae totidem, quod in alite plumae, 10 Uno luxuriens has edet Ursa die. Si mihi sint totidem vegetes, quot in aequore pisces, Uno subsitiens ebibet Ursa die. Si mihi sint totidem loculi, quot littore arenae, Hos omnes uno depleat Ursa die. 15 Si mihi sint totidem libri, quot in aere pennae, Hos omnes uno foenerat Ursa die. Si mihi sint totidem penes, quot in arbore rami, Hos omnes uno sorbeat Ursa die. Denique si nasis essem, Baptista, refertus, 20 Hos foetore omnes imbuet Ursa die. XX. AD QUINCTIUM, QUOMODO POSS1T ARRIGERE. Ad non dilectas, Quints, tibi mentula tenta est, Si tibi jueunda est, non potes arrigere. XIX. Bandinus dat in epigraphe Albertinum. 2. Litteribus per nimiam fere licendam poeticam. 8. Casmate audader pro casu. 20. Hos non dubitavi scribere pro hoc, quod dederat Parisiensls. Martlal. epigr. 76. Ilbri III. Arrigis ad vetulas, fastidis. Basse, pueüas, Nec formosa tibi, sed moritura placet. 2. Addendum: Parisiensls editor dedit: Si tibi jueunda est. Quinti, non potes arrigere. Delevi Quinti, metro jubente et corrcctorc doctissimo 30 Digitized by Google An Battista Alberti, von Ursas Üppigkeit. Freundlich bist du, ein stattlicher Mann, von vortrefflicher Laune, Ganz ist dein Leben der Kunst, ist es der Forschung geweiht. Aus dem erlauchten Geschlecht der Alberti bist du entsprossen; Edler an Abkunft als du, findet sich schwerlich ein Mann. Während du Allen gefällst, weil reich die Natur dich begabt hat, 5 Bist du mir darum so lieb, weil du so einfach und schlicht. Da du die Wahrheit gern sagst mit offener Stirn deinen Freunden, Sag' mir, was würdest du tun, ging' es dir etwa wie mir. Wär* meine Tafel mit Schüsseln bedeckt wie der Vogel mit Federn. Ursa, die schleckrige, fräß' alles in einem Tag auf. 10 Wäre mein Keller mit Fässern gefüllt wie das Wasser mit Fischen, Ursa, die durstige, soff alles in einem Tag leer. Hätt' ich gefüllete Kasten so viel als es Sand gibt am Strande, Urea verschwendete die alle in einem Tag leicht Hätte ich Bücher so viel als gefiedertes Volk in der Luft fliegt, 15 Ursa verpfändete sie alle in einem Tag leicht Hätte ich Schwänze soviel als ein Baum hat Äste und Zweige, Ursa entkräftete sie alle in einem Tag leicht. Wäre ich schließlich, Battista, auch über und über voll Nasen, Urea verpestete sie alle mit ihrem Gestank. 20 XX. An Quinctius, wie er ihn zum Stehen bringen kann. Wenn du ein Weib nicht magst, dann, Quinctius, steht dir der Penis, Wenn sie dir aber gefällt, bringst du ihn nicht in die Höh*. XX. Martial III. 76: Bassus, es reizen zur Lust dich Greisinnen, Junge verschmähst du, Und nicht die Schöne gefällt, sondern die Sterbende dir. Ist das nicht Tollheit? Ich bitte, dein Penis muß wirklich verrückt sein! Während dich Hecuba reizt, läfit dich Andromache kalt 31 Qui vult posse, suum digitos intrudat in anum; Sic perhibent Helenae consuevisse Parim. XXI. EPITAPHIUM HORJECTAE, SENENSIS PUELLAE BELLISSIMAE AC MORATISSIMAE. Postquam marmoreo jacet hoc Horjecta sepulcro, Ipsa deum credam numina posse mori. Non fuit absimilis forma aut virtutibus ipsis Coelitibus, Senae gloria magna suae. 5 Heu heu non probitas, species aut unica quemquam Abs inclementi demere morte potest Quodsi clara deos faciat mortalia virtus Corpora, si coelum simplicibus pateat, Non dubitem, per vim modo non sibi jura negentur, 10 Dejiciet supera sede puella Jovem. XXII. EPITAPHIUM BAPTISTAE VIRGUNCULAE, SORORIS HORJECTAE. Hic tumulus longe tumulo felicior omni Baptistae auricomae virginis ossa tegit. HU, rogo. non furor est? non est haec mentula dement? Cum possis Hecubam. non potes And romachen. hoc epitjphiurn jam ante Mercerium non modo in Veneto Ubro, ubi Carmen est XXV, sed etiam in tomo secundo Canninum illustrium poötarum Italorum, Florenöae anno 1719 odonis excuso, p. 109. 9. Editor Venetus dubito, sed Florenttnus stat a Parlsiensi. 10. Sic verslculus ulümua legitur apud Florentinuni et Partsiensem. Venetus more suo emollivit: Quin magno assideat casta puella Jovi. XXII. Et hoc epitaphium Venetus editor recepit eique locum XXVI. inter car- mina adsignavit. Insertum quoque legitur tomo secundo Florentino Car- minum illustrium po«arum Italorum p. 109. 110. 32 \ i Digitized by Google Wer es will können, der stecke die Finger ins Arschloch, denn also Hat bei der Helena es Paris zustande gebracht XXI. Grabschrift der Orietta, eines sehr schönen und sittsamen Mädchens aus Siena. Seit in dem marmornen Grab Orietta nun lieget, so glaub ich Fast, daß der Göttlichen Geist selber dem Tode erliegt Nicht unähnlich sogar an Gestalt und an Tugenden war sie Himmelsbewohnern, sie hat Siena zum Ruhme gereicht Wehe, o wehe, daß nicht Unschuld, nicht einzige Schönheit 5 Vor unerbittlichem Tod jemand zu schützen vermag. Kann aber strahlende Tugend zu Göttern die Sterblichen machen, Tat das himmlische Reich schuldloser Seele sich auf, Dann — daran zweifle ich nicht — , wenn Gewalt nicht dem Rechte vorangeht, Wird durch die Jungfrau entthront Jupiter selbst im Olymp. 10 XXII. Grabschrift der kleinen Battista, Oriettas Schwester. Hier dieser Hügel, der wohl vor andern glücklich zu preisen, Decket Battistas, des goldhaarigen Magdleins Gebein. XXI. Orietta, im Dccamerone, Giornata VI, NoveJJa I: Madonna Oretta [vielleicht Abkürzung von .Lauretta'] (Anm. d. Übersetzers). 3 33 Dulciter haec agili pulsabat cymbala dextra. Movit et artifices saltibus apta pedes. 5 Omnibus et cantu plus quam Philomela placebat, Matre quidem pulcra pulcrior illa fuit Indolis egregiae minimo pro errore rubebat, Sparsa rubore placens, fusa rubore decens. Quum satis haec fecit naturae luce suprema, 10 Transierat vitae vix duo lustra suae. XXIII. AD MATTHIAM LUPIUM, GRAMMATICUM. Annua publicitus tibi larga pecunia, Lupi, Solvitur; et pueris quot legis ipse? tribus. XXIV. IN EUNDEM LITTERARUM IGNARUM. Inde tui libri sunt, inde scientia, Lupi. Qui non desipiat, mallet habere libros. 4. Venetus et Florentinus apta, Parisiensis ipsa. 5. Parisiensis Philomena, vitiosc. 10. Post versurr, dedmum additur a Partsiensl distichon hoc: Sic qui forte manes semei incUnaverit, idem Haud facinus coeptum destituisse potest. Deest lllud apud Vene tum et Klorentinum . et sane est ab epitaphio nostro alienlssimum. Videtur huc migrasse, nesdo quo casu, ex epigrammate superiore XIII, cui restituendum duxi. XXIII. Est eplgramma Venetum XX. 2. Venetus quod legis ipse tribus. Simile est epigramma XVI. libri posterioris. Martialis X, 60. Jura trium petiit a Caesare diseipulorum Assuetus Semper Munna docere duos. XXIV. Et hoc epigramma Venetus edltor reeepit, et loco quidem XXII. 1. Parisiensis sint. Venetus sunt. Forsan pro priore inde autor scripslt unde. 34 Digitized by CjOOQIC Mit der beweglichen Hand schlug süß sie die Zymbeln im Takte, Während den Fuß sie gewandt setzte zum künstlichen Tanz. Alle entzückte ihr Lied, wenn sie sang wie die Nachtigall lieblich, 5 War ihre Mutter auch schön, schöner gewiß war sie selbst Bei dem geringsten Versehn erröteten züchtig die Wangen, Reizend von Purpur bedeckt, züchtig von Röte durchglüht. Als der Natur sie bezahlt' den Tribut am Ende der Tage, Hatte sie nicht einmal zwei Lustra vom Leben durcheilt. 10 XXUI. Auf den Grammatiker Mattia Lupi. Reichliches Jahresgehalt bezahlt man dir, Lupi, auf Kosten Unsres Senats; und wieviel Jünglinge lehrest du? Drei. XXIV. Auf denselben unwissenden Gelehrten. Wo deine Bücher du hast, o Lupi, da hast du dein Wissen; Wer nicht ein Narr ist, der fragt lieber die Bücher als dich. XXIII. Ähnlich ist II. 16. Martial X. 60: Ein Drei schülerrecht erbat sich Munna vom Kaiser, Denn er war immer nur zwei Nichtsdestoweniger hatte der von Antonio so arg verspottete Schulmeister In Siena einen ganz hervorragenden Schüler: Enea Silvio Piccolomlni, später Papst Pius II. (Anm. d. Obersetzers). 3« 35 XXV. AD M1NUM, QUOD LIBELLUM CASTRARE NOLIT. Mine, mones nostro demam de carmine penem, Carmina sie cundis posse piacere putas. Mine, meum certe nolira castrare libellum, Phoebus habet penem, Calliopeque feraur. xxvi. IN MATTHIAM LUPIUM PAEDICONEM. Ergo tua, Lupi, si pastitur Hisbo culina, Cur non obsequitur jussibus ille tuis? Etsi grammatica instituas hunc arte magister, Cur tibi dat tenera verbera crebra manu? 5 Nescio Tiresiae sortes, nec haruspicis artes, Sed conjectura hoc et ratione scio. i XXVII. AD SANCTIUM BALLUM, VERSUUM SUORUM CULTORENL Sancti, nugarum lector studiose mearum, Cui plus quam satis est nostra Camena placet, Desine mirari versus, quos inter edendum Edimus, aut hora carmina lusa brevi. 5 Testis es, ut, quum jam versu defixior essem, E digitis calamos subtrahat Urea meis, XXVI. Martialls III, 71. Mentula cum doleat puero, tibi, Naevote, culus: Non sum divinus, sed scio. quid facias. Simile est Carmen LXXX CatulH. XXV11. Est Carmen VII libri Veneö. 1. Nugas vocat epigrammata sua, parum severa, praeeunte Martiale IX, 1. X, 17. 2. Pro Cairuna Venetus dat Thalia. Martialis VII, 46. et tua de nostro, Prisce, Thalia placet. Digitized by Google XXV. An Mino, daß er sein Büchlein nicht kastrieren will. Mino, du mahnst mich, den Schwanz aus meinem Gedicht zu ent- fernen, Weil es alsdann, wie du meinst, jedermann besser gefällt Mino, ich möchte mein Buch denn doch nicht selber kastrieren: Phoebus hat auch so ein Ding, Kalliope hat ein Loch. XXVI. Auf Mattia Lupi, den Päderasten. Isbo, der Knabe, der stets in deiner Küche sich satt ißt, Warum folgt er dir nicht, wenn du ihm etwas befiehlst? Wenn du als Lehrer ihm auch beibringst die lateinische Sprache, Warum prügelt er dich öfters mit kindlicher Hand? Fremd zwar ist mir die Kunst des Tiresias, fremd des Haruspex, 5 Dieses ahne ich doch; glaube zu wissen es wohl. XXVII. An Sanzio Ballo, einen Verehrer seiner Verse. Sanzio, du eifriger Leser von meinem poetischen Kleinkram, Dem meine Muse mehr, als sie verdienet, gefällt, Höre zu staunen doch auf über Verse wie ich sie machte Während des Mahls vielleicht oder bei mangelnder Zeit Weißt du es doch, daß, wenn ich im Kopf half irgend ein Verschen, 5 Ursa die Feder mir frech aus meinen Fingern entriß. XXVI. Martial III. 71: Wenn dem Knaben der Schwanz, dir, Naevolus, weh der Popo tut, Bin Ich auch kein Prophet, weiß Ich doch, was du dann treibst. Ähnlich Catull. LXXX. XXVII. Er nennt seine nicht besonders ernsten Epigramme .nugae* (Scherze, leichte Ware, Kleinkram) nach dem Vorgange des Martialis IX, 1. X, 17. 37 Carolina, jam gnosti, strepitu persaepe foroque Condita sint medio, qualiacunque legis. Quum platea dubius peterem verbumque locumque, 10 Factus sum monitu certior ipse tuo. Verum adeo longe me diligis, ut tibi vatis Thraicii videar condnuisse lyra. Si qua tarnen nostrae dederit sors otia pennae, Et nie tranquilla scribere mente sinat, 15 Est animo, versus, quos nulla obliteret aetas, Conficere, ingenii ni mihi vana fides. Interea felix et amans, mi Balle, valeto, Fiant et Parcae ferrea tila tuae, Et tua crudelis deponat Masia fastus, 20 Atque utinam felix, compatriota, vale. XXVUL LAURIDIUS AD AUCTOREM DE FLAGRANTISSIMO AMORE SUO. Me vexat Perusinus amor, vincitque Senensem, Heu capit, heu vexat me Perusinus amor. Collibeat summo proles Perusina tonanti, Grata foret superis stirps Perusina deis. 5 Carolus insignis forma natoque decore Me tenet, et tenero sub pede colla premit XXIX. AD LAURIDIUM RESPONSIO DE AMORE SUO. Ut lubeat Perusinus amor te verset et angat, Me mea Senensis Lucia nympha capit 8. Pro sint maiim sunt. 9. 10. Venetus omittit distichon quintum. 12. Venetus Thraeicii videar continuisse lyram. 16. Ovid. Trist. IV, 10, 128. 29. In toto plurimus orbe legor, Si quid haben t igitur vatum praesagia veri. 19. Ovid. Remed. amoris 511. jam ponet fastus, cum te languere videbit. 20. Venetus Atque Herum felix, dulcis amice, vale. 38 Digitized by Google Meine Gedichte, das weißt du, sind oft im Lärmen des Marktes, Mitten im Trubel gemacht, wie du auch lesen sie magst Wenn auf der Gasse ich suchte nach passendem Wort und Zitate, Wurde ich öfters durch dich erst eines Bessern belehrt. 10 Du überschätzt mein Talent und als Dichter meinst du am Ende, Thrakischen Sehers Gesang bring* meine Leier hervor. Wenn meiner Feder indes das Schicksal wird Muße vergönnen, Daß ich später einmal schreibe nach Herzensgelüst, Will ich Gedichte noch schaffen, die keines der künft'gen Ge- 15 schlechter Jemals wieder vergißt, bleibt mir mein Genius treu. Du aber, Ballo, leb' wohl mein Lieber, sei glücklich und liebe; Möge der Parze Gespinst für dich aus Eisen bestehn; Möge auch endlich vom Stolz deine spröde Masia lassen, Lieber Landsmann, im Glück mögest du wandeln. Leb' wohl! 20 XXVIII. Lauridius an den Autor, von seiner heftigen Liebe. Nun in Perugia wohnt mir ein Liebling, der den von Siena Gänzlich verdrängt, wie quält mich der Perusische Schatz! Daß doch der Donnerer sie, die Kinder Perugias begnade, Daß doch Perugias Geschlecht finde des Himmlischen Gunst Carlo, von schöner Gestalt und angeborenem Liebreiz, 5 Hält mich gefangen und setzt mir auf den Nacken den Fuß. XXIX. Antwort an Lauridius, von seiner Liebe. Quäle dich liebende Pein um deinen Perusischen Knaben, Mich hält Luda, mein Schatz, der von Siena, hier fest 19. Ovid., Remed. amor. 511: Bald wird schwinden ihr Stolz, wenn sie sieht, wie dein Feuer sich abkühlt. 39 Digitized by Google Gens tibi gensque Jovi placeat Perusina superno, Me mea dumtaxat nympha Senensis amet 5 Nil mortale tenet, divas et moribus aequat Et specie, et Jovis haec digna rapina foret XXX. SENA CIVITAS ETRURIAE LOQU1TUR, ET JOVEM ORAT, UT SALTEM SIBI NYMPHAM SERVET MORTALITATIS EXPERTEM. Jupiter omnipotens et clementissime divum, Exaudi fundit quas tua Sena preces. Justa precor, justas audi, justissime, voces Urbis, et oh miserae commiseresce, deus. 5 Postquam me affligi tantorum morte virorum Et nuruum placuit, vivat alumna precor. Vivat alumna precor, quam scis prolixius unam Mater amem, stabile est matris alumna decus. Nympha diu superet, patriae faustissima proJes, 10 Est honor et dos, spes, gloria, fama mei est. Ut peritent cuncti, et maneat modo nympha superstes, Damna potest patriae restituisse suae. Si vivit, mecum est virtus, victoria, mos, pax, Nobilitas, et cum nobilitate salus. 15 Si migrat, sane cuncta haec et plura peribunt, Mors sua mors nobis omnibus acris erit. Non amor, aut cultus, nec erit jocus ullus in urbe, Plausus, nec risus, laeta nec Ulla dies. Gymnasium pariter solvetur, gloria Senae, 20 Quod mea jucundo lumine nympha tenet XXX Est Carmen V libri Vene«. 4. Venetus commiserere. 6. Venetus Est visum, at sattem vivat alumna precor. 10. Venetus Et decus, et taudis gloria prima meae. 11. Venetus cuncti, maneat, omisso et. 16. Venetus acer erit. 40 Digitized by Google Lasse die Kinder Perugias doch dir, laß dem Zeus sie gefallen, Wenn meine Nymphe mich nur, meine Seneserin liebt Nichts ist sterblich an ihr, den Göttinnen gleicht sie an Sitten 5 Und an Gestalt; sie ist würdig, daß Zeus sie entführt xxx. Siena, die Stadt in Etrurien, spricht, und bittet Jupiter, daß er wenigstens ihre Nymphe vor dem Schicksal der Sterblichkeit bewahre. Jupiter, Gnadigster du und Allmächtiger unter den Göttern, Höre die Bitte, mit der dich deine Siena bestürmt Billiges fleh' ich, erhöre, Gerechter, der Billigkeit Stimme, Und mit dem Elend der Stadt habe Erbarmen, 0 Gott! Da dir's gefiel, durch den Tod so vieler Männer und Frauen 5 Mich zu betrüben, so laß leben das Pflegekind mir. Schütze sie, die ich erzog, die wie eine Mutter ich liebe, Die ihrer Mutter, du weißt's, immer gereichte zur Zier. Lange noch möge die Maid, des Vaterlands glücklichster Sprößling, Leben, mir Ehre und Ruhm, Hoffnung und Mitgift und Ruf. 10 Mögen die andern vergehn und nur die eine mir bleiben: Was ihre Stadt auch verlor, reichlich ersetzet es sie. Lebt sie, ist unser die Tugend, der Sieg und die Sitten, der Friede, Wie auch der Ruhm und mit ihm sicher das Wohl meiner Stadt Geht sie von hinnen, so wird mir alles und mehr noch ent- 15 schwinden; Ach, und ihr Tod, für uns alle bedeutet er Tod. Liebe nicht mehr, noch Schmuck, noch irgend ein Scherz in der Stadt, nicht Lachen, noch Händegeklatsch, nimmer ein fröhlicher Tag. Mit dem Gymnasium wär* es vorbei, mit dem Ruhme Sienas, Das dies Mädchen erhält mit ihrem heiteren Blick. 20 XXX. Die Pest, auf welche Antonio öfter anspielt, muß Im Sommer 1424 in Siena geherrscht haben (Anm. d. Übersetzers). 41 Digitized by Google Credite vos superi, celebris curate puella Vivat, longaevo est digna puella die. Dii deaeque itcrum moneo, servate puellam, Et sinite Etruria stet decus urbe suum. 25 Credite, si nigrae truncent sua pensa sorores, Ingens coelicolis pugna deabus erit. Suscipiet siquidem coelestis regia nympham, Atque opus est proprio cedat ut una polo. Aut sibi promeritae decimum statuetis Olympum, 30 Nympha quidem coelo est Lucia digna novo; Aut pellat quamvis propria de sede necesse est, Digna quidem coelo est Lucia nympha suo. Dicite vos, coelum si pro virtute secutae Sitis, una illa poli munere digna mage est? 35 Nulla fuit vestrum, veniam date, purior illa, Moribus, ingenio vel pietate prior. Denique centenos operam date victitet annos, Neu cedat vestris mors sua forte malis. Ergo simul, divae, mecum exorate tonantem, 40 Ut praestet nymphae tempora longa meae. XXXI. AD COSMUM FLORENTINUM, V1RUM CLAR1SSIMUM. Quam modo sensisti si non tibi grata fuit vox, Cosme, nihil miror; Sena loquuta fuit. 28. Ven. Atque opus est primo cedat et una loco. 29. Ven. Aut si promeritae. 30. Venetus Nympha quidem coelo est Lucia nympha suo. Dicite vos, coelum si p. v. s. omlssis propter önotozltevxov digna novo, aut pellat quamvis propria de sede necesse est, digna quidem coelo est. 34. Ven. Sitis, an ulla poli. XXXI. Apud Venetum est carnien VI. 1. Venetus Quae modo legisti si non tibi grata fuere. 2. Sena Florentius Invlsa propter rixas fere perpetuas. 42 Digitized by Google Glaubt es, ihr Himmlischen, sorgt darum, daß das ruhmreiche Mägdlein Lebe, denn sie ist es wert, lange zu schauen den Tag. Götter und Göttinnen, wiederum fleh' ich: errettet das Mägdlein, Laßt in Etruriens Stadt sie, ihre Zierde, bestehn. Glaubt mir, wenn einst die Schwestern, die dunklen, die Laufbahn 25 ihr kürzen, Wird ein gewaltiger Streit unter den Göttinnen sein, Weil, wenn die himmlischen Hallen die Jungfrau werden empfangen, Eine der Göttinnen ihr muß überlassen den Thron; Entweder müßtet für sie einen zehnten Olymp ihr errichten, — Hat doch Lucia, die Maid, neu einen Himmel verdient, 30 Oder sie müßte vom eigenen Sitz eine andre verjagen, — Hat doch Lucia, die Maid, selbst ihren Himmel verdient. Saget doch, habt ihr wohl selber den Himmel durch Tugend er- worben? Ist denn wohl eine von euch würdiger solches Geschenks? Keine von euch — ihr verzeiht, daß ich's sage — war reiner als 35 jene, Keine war größer an Geist, keine so fromm von Gemüt Tut nun das eurige drum, daß hundert der Jahre sie lebe, Wenn ihr nicht wollt, daß ihr Tod bringe Verderben auf euch. Göttinnen, betet darum mit mir zum donnernden Gotte, Daß er dem Mädchen gewährt lang sich des Lebens zu freun. 40 XXXI. An den Erlauchten Cosimo von Florenz. Wenn dir nicht angenehm klang die Stimme, die eben du hörtest, Cosimo, wunderts mich nicht; war es doch Siena, die sprach. XXXI. Siena war nämlich den Florentinern ein Dom Im Auge, weil sie mit dieser Stadt fast ohne Unterbrechung in Fehde lagen. 43 Digitized by Google XXXII. EPITAPHIUM CATHARINAU PUELLAE ORNATISSIMAE. Hoc jacet ingenuae formae Catharina sepulcro. Grata fuit multis scita puella procis. Morte sua lugent cantus lugentque choreae, Flet Venus, et moesto corpore moeret Amor. XXXIII. IN MAMURIANUM TUSCUM PENISUGGUM. Tuscus es, et populo jucunda est mentula Tusco; Tusculus et meus est, Mamuriane, Uber. XXXII. Carmen Vcnctum XXVII. XXXIII. Bandinus penisuggium. Mamurianum paedlconcm notavit Martialis I, 92. pathicum notaverat Antonius supra epigrammate XII. Nostro autem loco Mamurianus carpitur fcllator. Nam penem sugere est fellare, quemadrnodum penem ort ad fellandum immittere irrumare. Multus est in mlro isto Veneris genere Martialis. Fellabant non tan tum femlnae, ut Lesbia, Lyris, Chione, Thais, Aegle, VetustiUa, Rufa: Martial. U. 50. 73. III, 83, 87. IV, 50. 84. I, 94. II, 28. Catull. UX. sed etiam viri, ut Zoilus, Linus, Gaurus, Gellius: Martial. DI, 82. XI. 30. VII, 10. D, 89. Catull. LXXX. Fellatores dicuntur mentulam tingere: Mart. VII, 55. LI n gas non mihi, nam proba et pusilla est. Sed quae de Solymis venit perustis, Damnatam modo mentulam tributi. Idem III, 88. sunt gemini fratres. diversa sed inguina lingunt. Vult, alterum esse fellatorem, alterum cunnillngum. Lambuntur quoque viri a fellatoribus apud Martialem II, 61. Cum tibi vernarent dubia lanugint malae, Lambebat medios improba lingua viros. Et ne dubites, quid sibi velit, mox addit: Haereat inguinibus potius tarn noxia lingua, Nam cum fe Ilaret, purior illa fuit. Idem III, 81. Haec debet medios lambere lingua viros. 44 Digitized by Google XXXII. Grabschrift der schönheitgeschmückten Jungfrau Caterina. Unter dem Grabe hier liegt die edle Gestalt Caterinas. Manch einem Freier gefiel diese so zierliche Maid. Um ihren Tod nun trauern die Lieder, es trauern die Tänze, Venus, sie weint und es klagt Amor, in Trauer versenkt. xxxm. Auf den Toscaner Mamurianus, den Penissauger. Du bist Toscaner; es lieben toscanische Männer den Penis; Und in Toscana schrieb ich, Mamurianus, mein Buch. XXXIII. Den Päderasten Mamurianus führt Martial I, 92, an; als Pathlcus kennzeichnet ihn Antonio, oben, EpigT. XII. An dieser Stelle hingegen wird Mamurianus als Fellator gegeißelt. Denn den Penis saugen ist (eüare, wahrend irrumare bedeutet den Penis zum Saugen jemandem in den Mund stecken. Eine große Rolle spielt dieser sonderbare Liebesgenuß bei Martial. Nicht nur Weiber besorgten das Geschäft des Fellare, wie Lesbia, Lyris, Chione, Thais, Aegle, Vetustilla, Rufa (Martial II, 50, 73. in, 83, 87. IV. 50, 84. I, 94. II, 28. Ca- tull. LIX), sondern auch Männer, wie Zollus, Linas, Gaurus, Gellius (Martial III, 82. XI, 30. VU, 10. U, 89. Catull. LXXX). Der Fellator .leckte' (die Men- tula), wie man zu sagen pflegte. Martial VII, 55: Lecken sollst du ihn — aber mir nicht; Bin ich keusch doch und zaghaft — sondern jenem Der, aus Solyma kommend, Rom Tribut zollt. Derselbe III, 88: Zwillinge sind sie, doch lecken sie gem bei verschiednen Geschlechtem. d. h. der eine ist Fellator, der andere Cunnilingus. Bei Martial U, 61, werden auch Männer von Fellatoren geleckt (lambuntur): Als noch undeutlicher Flaum auf deinen Wangen dir sproßte, Hast du mit ruchloser Zung* Männern die Mitte geleckt. Was der Dichter sagen will, geht deutlich aus dem letzten Distichon hervor: Laß deine schuldige Zunge doch lieber hängen am Cunnus, Denn, da Fellator du warst, war sie doch minder befleckt. Derselbe III, 81 : Lecken die Zunge dir soll den Männern die Mitte des Leibes. 45 Attamen e nostro praecidam codice penem, Praecidat simulac, Mamuriane, jubes. Catullo vorantur ingulna a fellatorc: LXXX, 5. 6. An vere fama susurrat, Grandia te medii tenta vorare viri? Substantiv um obscenum supprimit hic Catullus, ut Martialis in illo VI, 54. tantos et tantas Sextilianus antat. Simile ejusdem III, 68. Sed aperte nominat 111 am Quam recipit sexto mense superba Venus; Custodem medio statuit quam villicus horto. Opposita spectat quam proba virgo manu. Priap. VI. Totamque hanc sine fraude, quantacunque est. Tormento citharaque tensiorem Ad costam tibi septimam recondam. In hls mentulam Intelllgi nemo non videt. At male habuit vlros doctos suppressus cunnus Priapell XII. Quaedam haud junior Hectoris patente, Cumaeae soror, ut puto. Sibyllae, Aequalis tibi, quam domum revertens Theseus reperit in rogo jacentem, Infirmo solet huc gradu venire, Rugosasque manus ad astra tollens. Ne desit sibi mentula rogare. Hesterna quoque luce dum precatur, Dentem de tribus exscreavit unum. Tolle, inquam, procul, ac jube latere Scissa sub tunica stolaque russa. Ut semper solet, et timere lucem, Qui tanto patet indecens hiatu. Barbato macer eminente naso. Ut credas Epicaron oscitari. Pro deum atque hominum fldem, non dentem vetulae jubet Priapus toi I i . latere sub tunica, et timere lucem, ut somniant interpretes. Quid enim ad vetulam, ne desit sibi mentula rogantem, dens sub tunica exulare jussus? et sub tunica quldem ut semper solet? Immo cunnum anlculae prurientis vult Priapus procul abesse a conspectu suo, latere sub tunica sdssa (nam tunicae puellarum tolll consuetae non solent esse scissae) et fugere lucem more suo, diu est enim quod desuevit nudari mutonibusque peti. Neque aliud est nisi cunnus ) Digitized by Google Dennoch soll ich den Schwanz aus meinem Buche entfernen Willst du, so schnell es nur geht. — Mamurianus, ei, eif Bei CatuJl wird das Glied von dem Fellator verschlungen, LXXX, 5. 6: Wie? sagte die flüsternde Fama Wahrheit, daß du des Manns Mittclgcschäfte verschlingst? Catullus unterdrückt hier das obszöne Substantiv um, ebenso wie Martialis in der Stelle VI, 54: von dem Sextilian werden so große geliebt. Ähnlich Martial III, 68: nein, offen nennet sie jenes, Was in dem sechsten Mond prangend die Venus empfangt. Was hinstellet als Wächter der Landmann mitten im Garten, Was, vorhaltend die Hand, züchtige Madchen beschaun. Priapeia VI: Und diesen ganzen, ohne Bedenken, so groß er ist. Noch straffer gespannt als ein Geschütz oder eine Zithersalt', Steck' bis zur siebenten Rippe Ich dir hinein. Daß mit all dem der .Penis' gemeint ist, dürfte wohl niemandem unklar sein. Dagegen hat die Auslassung des Wortes .Cunnus* In den Priapeia XII die Gelehrten sehr irregeführt. Eine Vettel, vielleicht etwas jünger als Priamus, eine Schwester jener cumä'schen Sibylle, glaub ich beinah, Der vergleichbar, die Theseus einst bei der Rückkehr in seine Heimat, sich auf dem Misthaufen wälzend daliegen sah, So ein Mensch kommt täglich hierher mit mühsamem Schritte Und, die warzenbedeckten Hände hebend, erfleht Sie vom Himmel für sich den Phallus In brünstiger Bitte. Gestern spuckte sie plötzlich, denkt euch, inmitten Gebet Einen ihrer drei Zähne heraus. — .Pfui', sagte ich, .schere Dich von hier weg, und unter dem roten Hemde laß nur Ewig verborgen bleiben und, wie es sdn soll, das hehre Tageslicht scheuen, was weit bei dir aufsteht in klaffender Spur! Deinen rissigen Rock zieh über die dürre Oase, Mageres Scheusal, du, mit deiner endlosen Nase, Daß man glauben möchte, es gähne fürwahr Epikurt* Nun, um Himmels willen; das, was Priapus die alte Vettel fortnehmen, unter dem Rocke verbergen und das Licht des Tages scheuen heißt, ist doch nicht der Zahn, wie sich die Kommentatoren einbilden. Wozu befiehlt er denn der Alten, die ihn um dne Mentula bittet, den Zahn unter den Rock zu verbannen, and 47 Digitized by Google 5 Nec prius abscindam, nisi tu prius ipse virilem Proraittas demptam suggere nolle notam. XXXIV. AD AMILIUM PAEDICONEM. Hunc paedicato, qui portat, Amile, tabellain, Et referas, quae sit pulcra tabella magis. anlcalae, qui tanto patet indecens hiatu, barbato macer eminente naso, ut credas Epicuron oscitari. Audias Martialem Saufejae cunnum III, 72. simili acrimonia pingentem: Aut in/inito lacerum patet inguen hiatu, Aut aliquid cunni prominet ore tui. Et ne nimis licenttosum tibi videatur, fadem philosophi eonferri cunno, audias eundem Martialem in Vetustillam invehentem III, 93, 13. Senemque Cynicum vincat osseus cunnus. Vide etiam, num id quod apud Martialem ore cunni dicitur prominerc, et in Priapelo nasus eminens cunni, idem sit, cui callidus aliptes digitos impressit apud Juvcnalem VI, 422. 23. Callidus et cristae digitos impressit aliptes, Ac summum dominae femur exclamare coegit. Igitur non erat quod Barthius, omisso substantivo deceptus, in Priapdo illo scripturam timere luxem contra fidcm manu scriptorum Iibrorum, atque etiam codids Prlapeiorum Coburgensis, chartacd illius quidem, et saeculo XV negligenüus exarati, sed cum optimis fere consentlentls , sollicitandam exlsti- maret. Primo quoque versicuio confirmat codex Coburgensis scripturam meliorum Iibrorum quaedam junior, quae vitlosa quidem est, ita tarnen ut fädle intelligatur, genuinam fuisse quaedam haud junior, neque scripturam aliorum codicum auaedam senior aliunde natam esse, nisi ex incenio M | f \f 1 Iii • *-* * * * *y mm mm *- mm mm wm m mrmr m mj ** * * ■ • mmmtr m mmm mmmmmm »jv f • mm** m m^mm, ■ 1 t ML • • ■ V hominis, qui, cum librarlus nesdo quis, osdtanter praetermisso haud, scrip- sisset quaedam junior, ineptias nollet describendo prop agare, et emendandum putaret quaedam senior, rede quidem ad sensum, at repugnante metro. Miror conjeduram Josephi Scaligeri ^suadentis quaedam serior viris dodis placere potuisse. Uti enim maturiorem et juniorem esse quam maxime distant, ita seriorem esse et seniorem sunt longe dlversissima. 6. Priap. 66. tu quae ne videas notam virilem hinc averteris. XXXIV. Amillum quendam cinaedum, qui tarnen maluit videri paedico, pungit Martialis Vn, 62. JuvenalU quoque X, 224. mordet Hamillum quendam, dlsdpulos 48 Digitized by Google Eher nicht schneid' ich ihn ab, bevor du mir das nicht versprochen, 5 Daß, wenn ich wirklich es tu, du an dem Gliede nicht saugst XXXIV. Auf den Päderasten Amilius. Biege den Knaben, der dir den Brief, Amilius, hinbringt: Sage mir dann, ob du je lasest solch hübsches Billett zwar unter den Rock, .wie sie es immer pflegt?' Nein, Priapus will, dafl die geile Hexe ihre Fut aus seinem Gesichtskreise entferne, sie unter ihrem zer- rissenen Unterrocke verberge (denn Madchen, die gewöhnt sind, die Röcke auf- zuheben, pflegen keine zerrissenen .Dessous* zu haben), und sie das Licht scheuen lasse, wie es ihr zukomme, denn sie war schon längst nicht mehr ge- wöhnt, entblößt und von mannlichen Gliedern besucht zu werden. Und nichts anderes ist es als die Fut der Vettel, die so unverschämt klaffend offen steht wie ein riesiges mit Haaren besetztes Nasenloch, dafi man meine, den Epikur gähnen zu sehen. Man höre, wie Martial III, 72, die Fut der Saufeja mit ähn- licher Derbheit schildert: Oder, zerrissen, dir klafft das Geschöß mit gewaltiger Mündung, Oder es raget vielleicht etwas daraus dir hervor. Es könnte allzu respektwidrig scheinen, wie hier das Gesicht eines Philo- sophen mit einer Fut verglichen wird, aber auch dazu findet sich bei Martial, in der Invektive auf die Vetustilla, III, 93, eine Parallelstelle: Und knöchern wie ein alter Zyniker ist dein Geschöß. Es wäre zu untersuchen ob das, was bei Martials Saufeja .aus der Mündung der Fut hervorragt* und das, was in den Priapeia die .aufragende Nase der Fut* genannt wird, nicht dasselbe sei, was bei Juvenal VI, 422. 423 der pfiffige Salber mit den Fingern drückt: Unten drückt in das Haar der Masseur ihr die spielenden Finger Knetet das Bein mit der Hand, daß schnalzende Töne entstehen. 6. Priapeia LXVI: Wenn du das Zeichen der Mannheit nicht sehn willst, gehe von hinnen. XXXIV. Einen gewissen Amilius, einen Kinäden, der aber lieber für einen Päderasten gelten wollte, geißelt Martial VII, 62. Auch Juvenal X, 224, gibt einem gewissen Hamillus, der Schulknaben biegt, einen Hieb. 4 49 XXXV. DE VILLICO STULTO, ALDAM BASIANTE. Porticus ingentem facie dum sustinet Aldam, Villicus incautae basia rapta dedit. Hunc vulgus stolidum credit, sed stultius illo est Vulgus. Me miserum, quam bene, stulte, sapis! 5 Quum liceat stultis impune suavia nymphae Figere, dii facerent, stultus ut ipse forem. xxxvi. IN MATTHIAM LUPIUM PAEDICONEM. Lupius indoctum dum paedicaret ephebum, Dixit, io dunes, dulcis ephebe, move. Hic ait, id faciam, verbo si dixeris uno; Ille refert: ceve, diximus, ergo move. xxxv. 1. Porticum dielt, quem portitorem diecre debebat. XXXVI. Paediconem abest ab epigraphe Bandini. 4. Cevere est nates et femora subsultim movere. Ars est pathicorum, ut voluptas paediconum frictu augescat. Martialis III, 95. sed paedicaris, sed pulchre. Naevole, ceves. Juvenal. IX, 40. de molli avaro: computat et cevet. Hanc artem nondum satis dldiccrat ephebus Lupil, unde dlcitur indoctus. Doctior erat llle, de quo Tibullus ad Priapum LXXXIII, 21. 22. 23. Nec tibi tener puer Patebit ullus. ingemente^qui toro Juvante verset arte mobilem natem. Uti cevere est virorum, ita crissare feminarum. Etiam ars crissandl usu dis- dtur. Dldlcerant Helena et Mathildis, meretrlces Florentlnae, de quibus lnfra übro secundo XXXVII, 13. 14. Occurret tibi flava Helene, dulcisque Mathildis. Docta agitare suas illa vet Uta nates. Dldicerat Pitho, ibidem versu 23. te quoque conveniet crissatrix maxima Pitho. Dldicerat Tullia magistro Callia in Satira sotadica Aloisiae p. 73. 50 Digitized by Google XXXV. Von einem Bauerntölpel, als er die Alda küßte. Als ein Facchino mit breitem Gesichte die Alda emporhob, Raubte ein Bauer der nichts Ahnenden rasch einen Kuß. Als einen Narren verlacht ihn das Volk, doch törichter ist wohl Selber, glaub ich, das Volk. Dünkt mich der Narr doch gescheit! Ist es den Narren erlaubt, straflos die Mädchen zu küssen, 5 Mögen die Götter auch mich machen zum Narren geschwind. XXXVI. Auf den Päderasten Mattia Lupi. Während Lupius bog einen unerfahrenen Knaben Sprach er: Mein süßer Gesell, wackle hübsch mit dem Popo! Dieser: Das würde ich tun, wenn mit einem Wort du es ausdrückst Lupius darauf: „Ceve" — sage ich, also nun los! XXXVI. 4. .Ccvere" heißt die Hinterbacken und Schenkel stoßweise be- wegen. Es gehört das zum Geschäft der Pathici, die durch die Reibung, welche sie damit hervorbringen, das Wollustgefuhl der Päderasten vermehren. Martial III, 95: Du gibst dich, Naevolus, preis, und das Stoßen verstehst du ganz trefflich. Juvenal IX, 40, von einem geizigen Weichling: er rechnet nach und stößt dabd. Diese Kunst hatte der Mignon Lupis noch nicht zur Genüge erlernt, weshalb er .wenig gelehrig* genannt wird. Besser in der Kunst erfahren war jener, von dem es in Tlbulls priapischem Gedichte, v. 21—23, heißt: Weder irgend ein zärtlicher Knabe Soll dir zu Diensten sein, auf knarrender Bettstatt Kunstvoll nachhelfend mit beweglichem Schenkel. Was das „cevere" bei den Männern, das ist das .crissarc' bei den Weibern. Auch diese letztere Kunst wollte gelernt sein. Sehr gut verstanden sich darauf die beiden florentinischen Dirnen Elena und Matclda; vgl. II. Buch, Epigr. XXXVII. 13, 14. Auch Pitho war Meisterin darin; ebendaselbst v. 23. Tullia war von Callias in dieser Kunst unterrichtet worden; Aloisin Sigaea, S. 43: .Callias befiehlt mir, ich solle den Rumpf vorstoßen. Ich tu's. Dann läßt 4 . 51 Digitized by Google XXXVII. EPITAPHIUM SANZII LIGORIS, BELLI AC DOMI PRAECIPUI. Temporibus luteis in me Romana refulsit Virtus prisca domi militiaeque simul. Nomen erat Sanzus, clara de Stirpe Ligori, Sarcophago hoc tegitur corpus, et umbra polo. Jubet Callias, propellam sursum versus hunc corporis truncum; propello. Jubet rem repeti violento impetu; obsequor. Quid plura? mobiliores mihi nates ef/ecit. quam ipse haberet. Ut me videt satis doctam. rogat, ut ne meis lateribus parcam. Concutit vehementer, resilio vehementius ego. Subsultibus conquatio subigentem. Totis ut me viribus wrgebat, ita totis ego viribus recutiebam in me ruentem. Subabam ego, cevebat Ute. et crissantibus inguinibus mixtl videbamur minari cubiculo ruinam. Audias et Lucretium hac de re sdte philosophantem IV, 1244—1253. Nec molles opus sunt motus uxoribus hiium. Xam mulier prohibet sc concipere atque repugnat, Clunibus ipsa viri Venerem si laeta retractat, Atque exossato ciet omni pectore fluctus. Eicit enim sulci recta regione viaque Venerem, atque locis avertit seminis ictum. Idque sua causa consuerunt scorta moveri, Ne complerentur crebro. gravidaeque jacerent. Et simul ipsa viris Venus concinnior esset. Coniugibus quod nil nostris opus esse videtur. Docet pofita philosophus, dunes vicissim tollendo et p rem endo, opus men- tulae alternis ineunüs et exeuntis pro sua parte juvando, ventrem pedusque ad idus nervi fluetuatim ita contrahendo et protendendo, ut medium corpus lere exosse videatur, efficere femin. im, primum, ut gaudia viri adaugeantur, deinde et maxime, ut ipsa concipere prohibeatur. Averti enim jadum seminis suo loco, et propter hanc causam artem illam magis perünere ad dlsdplinam scortorum, quam uxorum, quibus non opus sit timere turgentis verbera caudae. XXXVII. Est Carmen Venctum XXVIII. Parislcnsis et Venetus dant in titulo Sanzii, Randmus Sanzi. 1. Venetus i actis pro luteis. 4. Venetus polo est. 52 Digitized by Google XXX VII. Grabschrift des im Kriege und im Frieden hervorragenden Sanzio Liguori. Römische Tugend wie einst erstrahlt* in des Niedergangs Zeiten Wieder in mir, im Krieg wie auch im Frieden daheim. Sanzio war ich genannt, aus dem ruhmreichen Haus der Liguori. Weilt nun im Sarge der Leib, unter dem Himmel der Geist dasselbe mit einem heftigen Stoß wiederholen. Ich gehorche. Kurz und gut, er machte meine Hinterbacken beweglicher, als seine eigenen waren; und als er sah, daß ich die Sache hinlänglich verstanden, bat er mich, ich möchte auch meine Lenden nicht schonen. Er stößt heftig; Ich stoße noch heftiger zurück. Mit meinen Stößen von unten her dränge ich mich ihm entgegen; er bearbeitete mich mit aller Kraft, und so vergalt ich ihm ebenfalls mit aller Kraft die Stöße, die er auf mich führte. Ich rutschte hin und her, er bewegte die Hinterbacken, und wahrend wir so Ineinander verschlungen arbeiteten, schien es, als sollte davon unser Bett in Stücke gehen*. Man höre, wie gescheit Lucretius, IV, 1244—1253 hierüber philosophiert: Doch es bedarf eine Gattin durchaus nicht wollüst'ger Bewegung. Denn die verhindert das Weib, zu empfangen, und selber vertreibt sie, Zieht sie die Schenkel zur Unzeit zurück, die Begierde des Mannes. Gänzlich erschöpft ihren Körper sie auch und beraubt ihn der Safte, Da sie den Pflug von der richtigen Furche und Richtung des Weges Ablenkt, und also der Same nicht fällt auf fruchtbaren Boden. Solche Bewegungen machen die Dirnen aus triftigen Gründen, Weil sie nicht häufig geschwängert sein mögen, noch liegen im Kindbett, Und weil den Männern sie dadurch den Liebesgenuß noch erhöhen; Gründe, die unsere Frauen, — so mein' ich — gewißlich nicht haben. Der Dichter und Philosoph lehrt also, daß durch das Zurückziehen und Wiedervorstoßen der Hinterbacken, womit das Weib ihrerseits den abwechselnd ein- und ausgehenden Penis In seiner Arbelt unterstützt, und durch das wellen- förmige, den Stößen des Gliedes nachgebende Zusammenziehen von Brust und Bauch, das Weib bewirkt, daß erstens der Mann ein vermehrtes Lustgefühl be- kommt, dann aber — und das Ist die Hauptsache — , daß sie selber die Emp- fängnis verhindern. Sie lenken nämlich den Samenerguß von der richtigen Stelle ab, und deswegen gehöre diese Kunstfertigkeit mehr zum Geschäfte der Huren, als zu dem der verheirateten Frauen, die die Befruchtung nicht zu fürchten brauchten. 53 Digitized by Google XXXVIII. AD PONTANUM, POLLAM SEMIDEAM ARDENTEM, PRO QUA VEHEMENTER ORAT. Si vacat, Aoniis o vir pergrate Camenis, Accipe quod pro te lingua animoque precer. Ut tibi dent annos superi, dignissimus aevo es, Dignior est digno Candida Polla viro. 5 Et tibi sit facilis tenera cum matre Cupido, Dignior est tenerae Polla favore deae. Et visens nullo possis, Pontane, videri, Dummodo semidea tu videare tua. Atque anus enervis, quae Semper murmurat in te, 10 In fontes urnae pondere tracta cadat At via declivis fieri planissima possit, Sentiat et gTessus Semper amica tuos. Et si dulce canas, possit vox ipsa videri Dulcior, et credat suavius esse nihil. 15 Inque dies crescat calor nie, et possit amare Strictius hic illam, strictius illa virum. Et tibi jam possit nymphe praeclara videri Tyndaris, ac Uli tu videare Paris. Hispidus actutum queat exspirare maritus, 20 Ni deus hortorum vir sit, ut esse putas. Sive sit ipse deus, seu non, tarnen ipsa maritum Te fingat, tecum seque eubare putet Et tibi contingat demum inclusisse labellis Et linguam, et dominae sustinuisse femur. XXXVIII. 10. Fontes urnae intelllge de fundo urnae. 17. Parisiensis nymphae. pro quo dedi nymphe. 23. Ovid. Amor. II, 5, 57. 58. tota labellis lingua tua est nostris, nostra reeepta tuis. Idem ibidem III, 14. 23. illic purpureis condatur lingua labellis. Aloisia Sigaca p. 70. tunc vibrat linguam in os meum. et eodem temporis puncto pilum adigit in perniciem meam. Conferas infra appen- dicem II, 84. 24. Ovid. Amor. II, 4, 22. culpantis cupiam sustinuisse femur. ldem Amor. 54 Digitized by Google XXXV1I1. An Pontanus, der in die Halbgöttin Polla verliebt ist, für welche er flehend bittet. Wenn dir's beliebt, mein Freund, du Liebling Aonischer Musen, Nimm, was mit Herz ich und Mund für dich erflehe, hier an. Mögen die Götter dir Jahre verleihen, denn würdig des Alters Bist du, und würdiger ist Polla des würdigen Manns. Dir sei Cupido geneigt samt seiner zärtlichen Mutter, 5 Polla verdient die Gunst mehr noch der göttlichen Frau. Mögest du immer, Pontan, an deiner Geliebten dich satt sehn Und deine Göttin an dir, heimlich von niemand belauscht. Möge dein runzliges Weib das immer nur zanket und keifet, In den Brunnen hinein fallen vom Eimer beschwert 10 Möge dein Weg, der bergabwärts dich führt, ganz eben dir werden, Möge die Freundin stets hören den Klang deines Schritts. Und wenn lieblich du singst, soll ihr deine Stimme noch süßer Tönen ins Ohr, daß sie glaubt, Süßeres gäbe es nichts. Wachsen von Tage zu Tag soll euere Neigung; du mögest 15 Inniger lieben sie stets, inniger liebe sie dich. Herrlich erscheine sie dir, deine Maid, wie Tyndarus Tochter Helena: scheine du ihr herrlich wie Paris zu sein. Möge ihr garst'ger Gemahl sobald als nur möglich krepieren, Falls nicht gar, wie du meinst, selbst ein Priapus er ist. 20 Aber er sei nun ein Gott oder nicht, so glaube sie, du seist's, Den sie im Bette umfängt, wenn sich der Gatte ihr naht. Sei es dir auch vergönnt, der Geliebten die Zunge zu kosen Mit deinen Lippen und kühn dringen zur Pforte hinein. XXXVIII. 23. Ovid., Amor. II, 5. 57-58: daß ich ganz mit den Lippen Meine Zunge, daß du meine mit deinen empfingst. Derselbe III, 14; 23: Hier verberge sich tief in den purpurnen Lippen die Zunge. Aloisia Sigaea, S. 41: .Er gab mir nun vibrierende Zungenküsse, und zu- gleich mit der Lanze den Todesstoß.' Vgl. den Anhang zum Hcrmaphroditus II, 84. 24. Ovid., Amor. II, 4 ; 22: Büßen möcht ich dafür lassen der Tadlerin Schoß. . Derselbe III, 14; 22: Noch an des Mannes Schoß enge zu schmiegen den Schoß. Ahnlich Tibull. I, 9; 26: Schenkel an Schenkel zu pressen. 55 Digitized by Go 25 Si forte unanimis pro me, Fontane, precari Atque vicem votis reddere forte velis, Id precor adsidue, noctuque diuque precare, Ut sit deformis nulla superstes anus. Sit tibi nil mirum, si inculta et dissona mitto 30 In risu et medio carmina ficta joco. XXXIX. IN MALEDICUM. Est qui nie coram meque et mea carmina laudet, Et me dam laniet meque meosque sales. Obticeal, ni se laniavero clamve palamve, Inque suas maculas ipse trilinguis ero. XL AD CRISPUM, QUOD SUAS LAUDES INTERMISERIT RUSTICO CACANTE. Arbor inest medio viridis gratissima campi, Limpidus hinc constat rivulus, inde nemus. Hanc avis adventat, pulcraque sub arbore cantat, Lenitur sonitu lucus et unda suo. 5 Heic de more aderam, versus dictare parabam, Adstiterat calamo Clio vocata meo. Crispe, tuos coepi sanctos describere mores, Quive vales prosa, carmine quive vales, Utque tua summus sis ci vis in urbe futurus, 10 Ut meritum virtus sitque habitura suum. Rusticus interea satur egesturus in herba Se fert, contigua pallia ponit humo, Mox aperit bracas, coleos atque inguina prodit, Leniter et nudas verberat aura nates, 15 Inflectit genua, ac totum se cogit in orbem, Imposuit cubitos crure, manusque genis, III, 14, 22. nec femori impositum sustinuisse femur. Similc illud Tibulli I, 8, 26. sed femori conseruisse femur. 56 Digitized by Google Willst du, teuerster Freund, auch mir in gleicher Gesinnung 25 Etwas wünschen für das was ich so gutes gewünscht: Bitt' ich dringend, zu Gott magst täglich und nächtlich du beten, Daß jede Vettel und Hex' sei von der Erde vertilgt Sei meinen Versen nicht bös, die nicht wohlklingend und kunstvoll Nur zum Scherze ich schrieb unter Gelächter und Spiel. 30 xxxix. Auf einen Schmähsüchtigen. So ein Gewisser, der lobt ins Gesicht mich, und lobt meine Verse, Heimlich verlästert er mich, reißt meine Scherze herab. Aber er möge nur still sein, sonst rück' ich ihm offen und heimlich, Ja, auch mit dreifacher Zung' all seine Schandtaten vor. XL. An Crispus, bei dessen Loblied der Autor durch einen scheißenden Bauer unterbrochen wurde. Mitten im grünen Gefild befindet ein schattender Baum sich, Seitwärts ein spiegelnder Bach, dorten ein lauschiger Hain. Kommt nun ein Vöglein herbei und singt im schönen Gezweige, Rauschen gelinde und sanft Welle und Äste dazu. Hierher kam ich, wie oft ich es tat, in Muße zu dichten; 5 Clio folgte dem Ruf, kam meiner Feder zu Hilf. Dich, deine treffliche Art, mein Crispus, begann ich zu preisen, Wie in der Prosa du groß bist und im Liede zugleich, Wie man einst schätzen dich wird als der Stadt ansehnlichsten Bürger, Wie deine Tugend den Lohn finden wird, den sie verdient. 10 Aber da kommt ein Bauer mit rumpelndem Bauch auf die Wiese, Sich zu entladen, und legt nieder den Mantel ins Gras, Knöpft die Hosen sich auf, daß Hoden und Glied sich entblößen; Sanft um sein nacktes Gesäß spielet der säuselnde Wind. Und nun beugt er die Knie und krümmt seinen Rücken und 15 stemmt die Ellenbogen aufs Knie, drückt an die Wangen die Händ*. 57 Digitized by Google Postera jam talos contingere crura videntur, Se premit, et venter solvitur, inde cacat. Tunc ex vocali ventosa tonitrua culo 20 Dissiliunt, strepitu tunditur omnis ager. Excutior, calamus cecidit, dea cessit in auras, Ad crepitum trullae territa fugit avis. Deprecor, ut primas plantes, male rustice, vites, Post modo sat sitiens non sua vina bibas, 25 Rustice, sulcatae summittas semina terrae, Nec panem esuriens, nec miser esse queas. Ergo vale, et tum cum concinna revertitur ales, Jam pergam laudes scribere, Crispe, tuas. XLI. PRECES ORATUM M1TTIT AUR1SPAM SICULUM, UT SIBI MARCUM VALERIUM MARTIALEM COMMODET. De precibus pulcra Homeri fictio. Preces, ut tradit Homerus, divae sunt, et puellae magni Jovis. Hae et claudae et lippae sunt, hisque "Artig praevenit, idem nocumentum, quae sanis ac validis pedibus constat, XLI. Liber Venetus exhibet poema sine praeloquio de predbus, brevius sie in- scriptum: preces praemittit ad Siculum, ut librum impetret. Locum ibi obtinet inter carmina octavum. Recepit etiam editor Florentinus Carminum illustrium poetarum Italorum, tomo II p. 110. verum el Ipse sine praeloquio, cum epigraphe: oratum mittit Aurispam Siculum, ut sibi Marcum Martialem commoäet; alludit ad Homeri fabulam de Precibus. Parisiensis editor dat praeloquium, ila tarnen, ut titulus poematis sequatur praeloquium, inserto igitur: preces igitur oratum mittit, cetera, in quo habet secum consentlcntcm Bandinum, non antecedat, quemadmodum a nobis concinnitatis gratia editum est. En hic Hie est Homert locus, ab Antonio fere ad verbum latine versus, Iliad. IX, 502—512. Kai ydo r* .lernt liat Aide; xovqcii /«t/.tiyoio, ;/< >/_<:< tf, (ivoai re, .Kioa[l/.<än(g r'dqdaXfiü, at f)ü rt xat* /urd.itot)' 'Atiig Aktyovoi xwvoat. t) d' 'Ati) oöivaoi) rt xat dozinog, oOvfxa .idattg .■WÜ.UV vafx.-rpoöeVt. qOAvn öl xi näoav In" ahu; ß/MXTovo' dvöiub.-invg- ai 6' icaxiovxai öniowt. 58 * Digitized by Google Mit seinen Fersen berühren sich, scheint es, die Backen des Hintem; Wie er so dasitzt und drückt, öffnet der Leib sich: er scheißt. Da aus dem lärmenden Arsche hervor nun brechen die Winde, Donnernd mit Macht, es ertönt ringsum das ganze Gefild. 20 Schauder ergreift mich, die Feder entfallt mir, die Muse verschwindet, Und bei dem Nachtstuhlrumor fliehet das Vöglein entsetzt Ha, dir elender Bauer, dir wünsch' ich, wenn Reben du pflanzest, Daß dich nie labe der Wein, daß er nie lösch' deinen Durst Wenn dem gefurcheten Boden der Erde du Saatkorn vertrauest, 25 Geb' er dir Elenden nichts, lasse dich hungern nach Brot Lebe nun wohl, und sobald der gefiederte Sänger zurückkehrt, Crispus, fahre ich fort, dich zu besingen im Lied. XLI. Der Autor sendet die „Bitten" zu dem Sicilianer Aurispa, ihn zu ersuchen, daß er ihm den M. Valerius Martialis leihe. Homers hübsche Erfindung der .Bitten*. Die »Bitten" sind nach Homer Göttinnen, Töchter des großen Zeus. Sie sind lahm und halbblind, und ihnen vor- auf geht Ate, die Schadenbringende, auf gesunden und starken Füßen. Weit voran geht sie ihnen, die Menschen auf Erden schädigend; die „Bitten" aber folgen ihr. Wer XLI. Die betreffende Stelle des Homer (Ilias IX, 502—512) ist von Antonio fast wörtlich in Prosa wiedergegeben worden: Denn die reuigen Bitten sind Zeus des Erhabenen Töchter, Hinkend und runzelich sind sie und seitwärts irrenden Auges, Die auch hinter der Schuld sich mit Sorg' anstrengen zu wandeln, Aber die Schuld ist frisch und hurtig zu Fuß; denn vor allen Weithin läuft sie voraus, und zuvor in jegliches Land auch Kommt sie, schadend den Menschen; doch jen' als Heilende folgen. 59 Digitized by Google et longe anteit, nocens hominibus per omnem terram, Preces vero post sequuntur. Qui autera veneratur puellas Jovis prope venientes, maxime illum quidem juvant et rogantem exaudiunt Qui vero eas adspernatur, ac dure repellit, orant abeuntes Jovem, uti hunc insequatur nocumentum, et damnatus det poenas. Ite, Preces, natae magni Jovis, en praeit "Ari/g, "Artig, quae vobis praevia monstrat iter. Si rnultum validis nocumentum passibus anteit, ' Ite citae, lippae, loripedesque Preces. 5 Ivit Ate, cuivis omnem nocitura per orbem, Ite citae vestris gressibus, ivit Ate. Est Florentina celebris tellure poeta, Quem numerat genitis Sicilis ora suis. Illius ex lepido cantant Heliconides ore, 10 Illius ex digitis pulsat Apollo chelyn. Non peperit Latium, non Graecia mille per annos Eloquio similem vel probitate virum. Uli ego non parvo jam pridem jungor amore, Jam pridem nobis mutuus extat amor. 15 Hunc petite, hunc vigili vos offendetis in aede, Cantantem altisonis regia gesta modis. 6g ftiv x' aiöiatxai xov(>ag didg, äooov iovoag, xov di pUy' &vi)oav, xal x' büivov tvqafiivoio' 6g dt x' dvftvqxat, xal xe oxeotüg dnouxv, Xlaaovxai ö' äga xalyt Ala KQovltava xioitoai, T<ß "Azi)v du' tma&m, Iva ß).at> xal \>vzi} laseivum con- geris usque. Juvenalis VI, 193—195. Non est nie sermo pudicus In vetula, quoties laseivum intervenit illud Zwt) xal yrvri- Magnam vim blandae vocis in opere Venereo veteres haud raro com- memorant. Martial. XI, 104. nec motu dignaris opus nec voce fuvare. Idem XI, 60. At Chione non sentit opus, nec voeibus ullis Adjuvat, absentem marmoreamque putes. 114 Digitized by Google Im Seneser Bordell gab es nie eine schmuckere Thais; Keine verstand den Popo so zu bewegen wie ich. XXX. 12. Vgl. weiter unten XXXVII, 14: die beide geschickt sind zu bewegen den Steiß. Priap. XXVII: Quintia, die kunstvoll gewandt ihre wiegenden Hüften beweget. Mit einem Fachausdruck nennt man das .crissare". Martial. X, 68: Könntest du kosender sein, Laelia, wenn du crissierst? Ausführlicher, und nicht nur einmal, spricht Aloisia Sigaea, die Lehrmeisterin aller Liederlichkeiten, von dieser Praxis. S. 47: .Das Gesäß hoch In die Luft erhebend, antwortete ich mit unaufhörlichen Stößen so geschickt auf die Stöße des Callias, daß ich jedesmal von unten herauf stieß, wenn er von oben den Riegel in meine Tür hineinschob. Wie ein Ringerpaar waren sein Glied und mein Glied, sein Schambein und mein Schambein verschlungen, und hatte Callias einen Samenquell gehabt, der bis oben an seinen Scheitel angefüllt gewesen wärt, ich hatte trotzdem den letzten Tropfen aus ihm herausgesogen." S. 51 : .Meine Mutter ging hinaus und nun sagte Callias mir, ich möchte seine Stöße durch möglichst zahlreiche und schnelle Gegenstöße erwidern. Ich begann das Gesäß hin und her zu werfen und mich auf und ab zu bewegen, indem ich mich nach seinen Bewegungen des Zurückziehens und Vorstoßens richtete. Er lobte meinen Eifer und bewunderte meine Gewandtheit.* S. 107: .Ich stemme die Füße gegen den Boden, hebe Leib und Lenden so hoch wie ich nur kann und erwidere seine Stöße. Da gibt er mir einen Kuß auf den Mund und legt seine Hand unter mein Gesäß. Im selben Augenblick schließen sich meine brechenden Augen, das Bewußtsein schwindet mir, während ich stoße und immer wieder stoße, fühle Ich ein rasendes Jucken und zerfließe in einen Strom von Saft. Lampridius be- merkt es, er stößt, drängt, schiebt, und bald trifft mich ein glühender Strahl seines Samens. Und so hauchen wir in inniger Umarmung die Seele aus." S. 112: .Da begann er (Jocundus) die heftigsten Stöße gegen mich zu führen, ich aber süeß ihm entgegen, hob meine Hinterbacken hoch empor und bewegte, so schnell ich nur konnte, meine Lenden. Er spürte zuerst den Kitzel der kommenden Wonne; aber er bot alle seine Kraft und Gewandtheit auf, um mir die höchste Wollust zu verschaffen. Im selben Augenblick sprudelte in meinem Leib der Quell des süßen Venustaus. Ich vergehe." — Darauf spielt auch Ovid., Herold. XV, 47, 48 an: Da hat, und mehr als gewöhnlich, mein lüsterner Sinn dir geholfen, Schnelle Beweglichkeit und passende Worte zum Scherz. 8» 115 Digitized by Google Rapta viris tremula figebam basia lingua, Post etiam coitus oscula multa dabam. 15 Lectus erat multo et niveo centone refertus, Tergebat nervös officiosa manus. Ovld. Amor. III, 7, 9-12. Osculaque insentit cupidae luctantia linguae, Lascivum femori supposuitque femur. Et mihi blanditias dixit. dominumque vocavit. Et quae praeterea publica verba juvant. (dem de arte amatoria III, 795. 96. Nec blandae voces jucundaque murmura cessent. Nec taceant mediis improba verba Joris. Ceterum in versiculo nostro codex Cob. habet norit pro gnorit, quae scriptura est Parisiensis. 16. Priap. LXXXI. nervls, tente Priape. fave. Tibull. ad Priapum 83, 42. repente nervös exritet libidine. Ovid. Amor. III, 7, 35. quid vetat et nervös magicas torpere per artes? Horat Epod. VIII, 17. illiterati num minus nervi rigent? Petron. cap. 131. admotis manibus tentare coepit (anus) inguinum vires. Dicto citius nervi paruerunt imperio. manusque aniculae ingenti motu repleverunt. Verum et singulari numero nervus de mentula dicitur: Juvenalis IX, 34. nil faciet longi mensura incognita nervi. Idem X, 205. 206. Jacet exiguus cum ramice nervus Et quamvis tota palpetur nocte jacebit. Priap. LXV1I1, 33. 34. Nemo meo melius nervum tendebat Ulysse. Sive Uli laterum. seu fuit artis opus. Luxorius in Anthologia Burmanni secundi tomo II. p. 606. Esset causidiri si par facundia nervo, Impleret cuncta viscera negotii. Anonymus in eadem Anthologia tomo II. p. 474. 5/7 ut marito Nervus saepe rigens potensque Semper. Aloisia Sigaea p. 258. ecce ut rigidus, ut igneus, ut superbus Lampridio micat nervus. Excipe. Eadem parte III. p. 114. at exerrantem et resilien- tem intercipit caudam Manilia. officiosa m insinuans man um. 116 Digitized by Oooq Feurige Küsse den Männern gab ich mit vibrierender Zunge, Selbst nach dem Koitus noch küßte ich zärtlich und oft. Schneeige Linnen in Menge bedeckten die mollige Bettstatt, 15 Und mit geschäftiger Hand trocknet* die Sehnen ich ab. Was .passende Worte zum Scherz" sind? Auch darüber lassen uns die Autoren, diese unschuldsvollen Seelen, nicht im Unklaren. Martial. X, 68: Treibst du die Lüsternheit griechisch und schmeichelst: .Mein Leben, mein Seelchen * Juvenal VI, 193-195: Für Alte ist Griechisch Ehrbar nimmer. So oft in den Mund das lüsterne Wort kommt. .Leben und Seele.' Nicht selten gedenken die klassischen Autoren der großen Macht der schmeichlerischen Stimme beim Liebeswerke. Martial. XI, 104: Nicht mit Bewegung noch Wort munterst zum Werke du auf. XI, 60: Fühllos aber und stumm ist Chione während des Kosens, Daß abwesend sie dir, oder von Marmor erscheint. Ovid., Amor. III, 7; 9-12: Und gab Küsse, die Kampf mit den Zungen führten begehrlich, Und wollüstig umschlang sie mit dem Beine das Bein, Und sprach schmeichelnd zu mir und hieß mich ihren Gebieter Und was an Worten zumeist sonst zu erfreuen vermag. Ovid., De arte amat. III, 795, 796: Worte nicht laßt ermangeln, noch süßes Gemurmel, iNocn leicnneruger kcq unier aen ocnerzen georecn s. 16. Priap. LXXX1: Sei gnadig, du gespannter Priapus, den Sehnen. Tibull. ad Priap um 42: Und plötzlich regt durch Wollust es die Sehnen auf. Ovid., Amor. III, 7; 35: Könnte man nicht auch die Sehnen durch Künste der Magiker lähmen? Horat. Epod. VHJ, 17: Ob Un gel ehrten wenger steif die Sehnen Stenn? 117 Digitized by Google Pelvis erat cellae in medio, qua saepe lavabar, Lambebat madidum blanda catella femur. Nox erat, et juvenum me sollicitante caterva 20 Substinui centum non satiata vices. Dulcis, amoena fui, multis mea facta placebant, Sed praeter pretium nil mihi dulce fuit XXXI. CONQUERITUR, QUOD PROPTER PESTEM A DOMINA AMOTUS SIT. Quando erit, ut Senas repetam dominamque revisam? Me miserum molli pestis ab urbe fugat 18. Canes apud Romanos solemnc fuisse satellitium meretricularum observavit Brukhusius ad Tibull. L 7, 32. et D, 4, 32. Vult ille huc redlre canes suburanas Horatii Epod. V, 58. et suburam vigilacem Propertii IV, 7, 15. Infra XXXVII, 15. te viset Jannecta, sua comitante catella. 19. Horat. Epod. XV, 1. nox erat, et coelo fulgebat luna sereno. Ovld. Amor. III, 5, 1. nox erat, et somnus lassos summisit ocellos. 20. Juvenal. VI, 128-130. (Messalina) ultima cellam Clausit, adhuc ardens rigidae tentigine vulvae Et lassata viris nondum satiata recessit. Plinius Histor. naturalis libro X. cap. 83. Messalina, Claudii Caesaris conjux, regalem existimans palmam elegit in id certamen nobilissimam e prostibulis ancillam mercenariae stipis, eamque nocte ac die superavit quinto ac vicesimo coneubitu. Ovidius Amor. III, 7, 23—26. At nuper bis flava Chie, ter Candida Pitho, Ter Libas officio continuata meo. Exigere a nobis angusta nocte Corinnam Me memini numeros sustinuisse novem. Autor epistolae C.Antonii ad Q.Soranum: (Cleopatra) sab una nocte sumto cucullo in lupanari prostibulo centum et sex virorum coneubitus pertulit. 21.22. Hoc dlstichon laudatur in Margarita pofitica Alberti Eibensis fol. 148. sed pro praeter pretium legitur ibi super pretium. XXXI. Est epigramma XXXI. in codlce Coburgensi et apud Bandlnum, XXXII. in exemplo Parisiensi, XV. editoris Vencti. Epigraphen dedi Parisiensem, con- 118 Digitized by Google Mitten in meinem Gemach stand ein Becken, in dem ich mich oft wusch; Schmeichlerisch leckte mein Schoßhündchen den Steiß, der noch feucht. Nacht war es, als mich einmal eine Schar von Jünglingen heimsucht', Hielt ich sie hundertmal aus, hatt' aber noch nicht genug. 20 Lieblich war ich und reizend und allen gefiel mein Benehmen; Aber mir selber gefiel nichts so als Silber und Gold. XXXI. Der Autor klagt, daß er wegen der Pest von der Geliebten entfernt leben müsse. Wann nach Siena zurück werd ich kehren, mein Liebchen zu sehen? Ach, aus der üppigen Stadt treibet mich Armen die Pest Petron., Kap. CXXXI: .Und sie (die Alte) begann mit den Händen mein Glied zu untersuchen. Schneller als sich's sagen läßt, gehorchten die Sehnen dem Befehl und füllten die Hand des alten Weibchens mit mächtigem Schwulste.' Juvenalis IX, 34: Nutzlos bleibt im Verborgnen das Maß der gewaltigen Sehne. Ebendaselbst X, 205—206: so liegt mit dem Bruche danieder die Sehne, Und bleibt liegen, soviel auch immer die Nacht du daran rührst. Priap. LXVI1I: Keiner vermochte die Sehne so stramm wie Odysseus zu spannen So durch die Kraft seines Leibs, wie auch durch Übung und Kunst. Luxorius in der Anthologia Burmanni, Teil II, S. 606: Hätt' er als Anwalt ein Rednertalent so wie seine Sehne, Wahrlich er füllte wohl aus jegliches Fach des Berufs. Ein Ungenannter in derselben Anthologie II, S. 474: Sei deinem Ehemann Steif oft die Sehne und beständig fähig. Alois ki Sigaea, S. 155: .Sieh doch, wie Lampridius' Sehne Funken sprüht! wie steif, wie feurig, wie prächtig sie ist! Nimm sie in dich auf!' S. 270: 119 Digitized by Google XXXII. OPTAT PRO NICHINA DEFUNCTA. Oro tuum violas spiret, Nichina, sepulcrum, Sitque tuo einen non onerosa silex. Pieriae cantent dreum tua busta puellae, Et Phoebus lyricis raulceat ossa sonis. xxxui. LAUS COSMI, VIRI CLARISSIMI. Cosme, quis est Latiis vir felicissimus oris Conjugio, gazis, prole, parente, domo? Quis patriae spes est? quis sanguine ciaras avito? Vates quis priscos servat, amatque novos? 5 Pace quis Augustus, Caesar quis Julius armis? Quis fiet mira pro probitate deus? Cosme, quis hic est? aut certe tu, Cosme, vir hic es, Aut certe quis sit nescio. Cosmus, es hic sentientibus Bandino et codice nostro. Venetus: conqueritur quod a domina abesse cogatur. De peste Senensi conferas epigramma XIII hujus libri, et XXX prioris. XXXII. Est epigramma XXXII. apud Bandinum et in nostro codice, XXXI. Pari- siense, XXIX. Venetum. Optat habet Parisiensis editor cum Bandino, orat codex Coburgensls cum Veneto. 3. Venetus constent, ceterl cantent. XXXUI. Carmen Venetum II. Recepit etiam Florentinus editor Carminum illustrium poetarum Italorum tomo II. p. 111. 112. Inscriptio nostra est Parisiensis, Bandini et codi eis Coburgensls. Florentinus laus Cosml Medicei. viri cla- rissimL Venetus in laudem ejusdem; nam proxime praemisit Venetus epi- gramma prlmum libri prioris. et ipsum ad Cosmum inscrlptum. 2. Cod. Cob. pomo, rellqui domo. 4. Venetus qui, ceteri quis. Tum servat amatque omnes, praeter codicem Co- burgensem, qui exhlbet servet ametque. 7. Codex Coburgensls aut certe Cosme, omlsso tu. Parisiensis et Venetus aut certe tu Cosme. Florentinus aut tu certe Cosme. 8. Parisiensis, Venetus et Florentinus quis, codex Cob. quid. Tum omnes Cosmus es hic. excepto Veneto, qui dat Cosmus is est. Similis nominativus 120 Digitized by Google XXXII. Der Autor äußert Wünsche für die verstorbene Nichina. Möge dein Grab, o Nichina, das flehe ich, duften nach Veilchen; Sei deiner Asche auch kein Kiesel, kein Steinchen zur Last; Rund um den Hügel erheben Gesang die pierischen Musen, Und es erfreue Apolls Lyra im Grabe dich noch. XXXIII. Lob des Erlauchten Cosimo. Cosimo, wer ist in Latiums Gefilden der glücklichste Mann wohl Durch seine Ehe, durch Geld, Nachkommen, Ahnen und Haus? Wer ist des Vaterlands Stern? Wer stammt aus dem edelsten Blute? Wer bewahrt Hellas' und Roms, fördert Italiens Kunst? Wer ist Augustus im Frieden, wer Julius Caesar im Kriege? 5 Wer ist durch redlichen Sinn schon hier auf Erden ein Gott? Cosimo, wer ist's? Entweder bist du es, o Cosimo, oder Wahrlich, ich weiß nicht wer's ist Cosimo, du bist es, du! .Manllia aber fing mit dienstfertiger Hand den Speer auf, der doch nicht ganz das Ziel getroffen hatte und zurückgeprallt war.' 18. Daß bd den Römern Hunde für gewöhnlich zur Begleitung der Dirnchen gehörten, bemerkt Brouckhuysen , zum Tlbull. I, 7, 32 und II, 4, 32. Er rechnet hierzu auch die .Hunde aus der Subura', dem Bordellviertel, Horat. Epod. V, 58, und die .wachsame Subura', Propcrt IV, 7, 15. Siehe weiter unten XXXVII, 15: Dich zu betrachten erscheint Jeannettc, gefolgt von dem Hündchen. 19. Horat. Epod. XV, 1 : Nacht war's, und hell blinkte der Mond am heiteren Himmel. Ovid. Amor. III, 5; 1: Nacht war's, und es verschloß mir der Schlaf die ermüdeten Augen. 20. Juvenal VI, 128—130, vor der Messalina: als letzte Schloß sie die Zelle, noch heiß von der Brunst der genossenen Liebe, Und zog, müde von Mannern, doch nimmer gesattigt, nach Hause. 121 XXXIV. AUCTORIS D1SCIPULI VERSUS AD L MAURAM, QUOD NON SERVET PROMISSA. Cur non, Maura, venis? cur non promissa fidemque Solvis? cur nullo pondere verba refers? Nam memini dixti nobis venientibus ex te: Ite alacres, aas hinc vos petiturus ero. 5 Cras venit, nec te aerea deducis ab arce, Cras it, nec tu nunc, perfide Maura, venis. Quodsi nos flocci facias, et ludere jam fas Esse putas, noli spernere, Maura, deos. Maura deos temnit, juravit numina divum, 10 Quod nos paganico viseret ipse solo. pro vocativo recurrit in epistola Antonü ad Joannem Lamolam, (olio 84. llbri Veneti: vale meus ocellus aureus; item In epigrammate XV nostri libri: Lupius absposcis me rara epigrammata Marti. Conferas Burmannum secundum ad Anthologiam Latinam tomo I. p. 514. XXXIV. In libro Veneto est Carmen XI. Epigraphe varla: nostra est Parlslensis, Bandinus auctoris discipuli versus ad Mauram, quod promissa non servet, codex Coburgcnsls auctoris ad L. Mauram. quod non servat promissa, Venetus ad Luciam Mauram, cur promissa non servet. Veneta carminis recensio plane di versa ab ea, quae in ceteris Ii bris proponitur, ita quid um, ut omnia ad feminam referantur, quae In reliquis pertineant ad marem. Simile vidimus supra In epigrammate XXVIII. 4. Paris, cum Veneto cras, cod. Cob. crans. Similla exempla atlans. asprenans, formonsus adnotavit Burmannus secundus ad Anthol. Latinam tomo II. p. 182. Nostcr Infra XXXVI, 30. conmensa pro comesa. Hinc vos petiturus ero est scriptura Parisicnsis, pro qua codex Coburgensis, vos omisso, hinc petiturus eam, Venetus hinc vos petitura sequar. 5. Martialls V, 58. die mihi, cras illud. Postume, quando venit? Pro nec te airea, quae est scriptura Parisicnsis et codicis nostri, Venetus alrea nec te. Hoc verslculo librarius codicis Coburg, maluit scribere cras, non crans. 6. Ovid. Amor. I, 6, 24. tempora noctis eunt. Parisicnsis cum codlce Cob. perfide Maura. Venetus perfida Maura. 10. Paris, viseret ille loco, codex Cob. viseret ipse solo, Venetus viseret ipsa solo. 122 < Digitized by Google XXXIV. Verse, die ein Schüler des Verfassers an L. Maura richtet, wegen eines nicht gehaltenen Versprechens. Maura, weshalb denn nicht kommst du? Weshalb nicht Versprechen und Treue Haltst du, und weichest mir aus, wenn ich um Antwort dich bitt'? Denn ich erinnere mich wohl, daß du sagtest, als wir dich be- suchten: .Gehet nur fröhlichen Muts; morgen schon such ich euch auf." Morgen zwar kam, doch vom luftigen Schloß stiegst du nicht 5 hernieder; Morgen verging, aber du, treuloser Maura, kamst nicht. Wenn du nach uns auch nichts fragst und wenn du der Meinung bist, Possen Dürftest du treiben mit uns, spotte der Götter doch nicht. Maura verachtet die Götter: er schwört bei den göttlichen Wesen, Daß er aufs Landgut hinaus käme zu uns zum Besuch. 10 Plinius, Mist. Nat. Buch X, Kap. 83: .Messalina, die Gemahlin des Claudius Caesar, welche die Siegespalme hierin einer Fürstin würdig erachtete, wählte sich zum Wertkampfe unter den Lustdirnen die berüchtigtste Lohnhurenmagd und be- siegte sie, indem sie während des Zeltraumes einer Nacht und eines Tages fflnf- undzwanzigmal den Beischlaf aushielt.' Ovid., Amor. III, 7, 23—26: Zweimal bracht ich doch neulich der blonden Chie mein Opfer, Dreimal der Libas und drei Pitho, der blendenden, dar. Und ich erinnere mich, daß in kurzer Nacht ich vermochte Meiner Corinna neun Opfer der Liebe zu weihn. Der Verfasser des Briefes des C. Antonius an Q. Soranus: .Sie (Cleopatra) hielt in einer Nacht, als sie sich ein Tuch um den Kopf genommen hatte, im öffentlichen Bordell den Beischlaf von einhundert und sechs Männern aus." XXXI. Über die Pest in Siena (i. J. 1424) vgl. das XIII. Epigramm dieses und das XXX. des ersten Buches. XXXTV. 5. Martial. V, 58: Sage mir, Postumus, wann kommt dieses .morgen' einmal? 6. Ovid., Amor. I, 6, 24: Sieh', es vergehen die Stunden der Nacht. 123 Digitized by Google Maura deos teranit memores fandi atque nefandi, Spernit et ille viros, spernit et ille deos. O levior foliis, avium ventosior alis! Femineum et turpe est ('allere sie alios. 15 Si te, Maura, juvat me fallere, falle, sed illum Carmine qui claret ludere, Maura, cave. Tu vatem et nomen, verum non dogmata nosti. Nosce, capesse cito, carmine doctus eris. Non mercede docet quemquam, non indigus auro est, 20 Virtutis solum motus amore docet Me doeuit doctor dodissimus edere versus; Perdidici, et nunc jam carmina nostra legis. XXXV. AD LIBELLUM, NE D1SCEDAT. Quid vis invito domino discedere? quid vis? Quid te de nostra dejicit aede, über? Quo fugis, infelix, degunt ubi mille Catones, Mille, quibus tantum seria leda placent? 11. Paris, cum Vcneto fandi atque nefandi, codex Coburg, fandique nefandi. 12. Seen Ii sumus scripturam Parisiensem. Codex Cob. spernit et ille novos spernit et ille deos. Venetus spernit et illa viros, spernit et Uta deos. 13. Ovid. Amor. II, 16, 45. verba puellarum foliis leviora caducis. Heroid. V, 109. tu levior foliis. 15. Ovid. de arte amatoria I, 310. sive virum mavis fallere, falle viro. 16. Paris, cum Veneto qui. codex Cob. viüose quid. Tum Parislensis et codex noster claret, Venetus poltet. 17. Versiculi sex ultimi desunl apud editorem Venerum. 18. Paris, nosse, codex Coburg, nosce. Pro capesse, quae est scriptura Pari- siensis, dedit librarius codicis Coburgensis capesce. 19. Paris, auro est, codex Cob. omirtit est. 22. Paris, et nunc jam. codex Cob. et tu nunc jam. Mox hie legas. ille legis. XXXV. Venerum Carmen XXXIII. Epigraphe nostra est Parisiensls, Bandini et codicis Coburgensis. Venetus ad librum, nil ultra. 2. Venetus solus quis te jam nostra ducit ab aede. Uber? 124 Digitized by Google Maura verachtet die Götter, die Gutes und Böses bewahren Treu im Gedächtnis, er schätzt Menschen und Götter gering. O, der du leicht wie ein Blatt und so windig wie Federn und Flaum bist! Weibisch und schimpflich fürwahr ist's, wenn man andere täuscht. Ja, willst betrugen du mich, so tu es, doch sei auf der Hut vor is Jenem Manne, der hell strahlt durch den Ruhm seines Lieds. Zwar sind der Mann und sein Name bekannt dir, doch nicht seine Lehren; Hör* sie und präg sie dir ein, Dichterruhm erntest du dann. Nicht um den schnöden Gewinn doziert er und fragt nach dem Gold nicht, Sondern aus Liebe zur Kunst teilet sein Wissen er mit. 20 Mich hat der Doktor, der hochgelahrte, das Dichten gelehret Völlig nun hab' ich's gelernt: lies hier das Lied, das ich schrieb. xxxv. Der Autor an sein Büchlein, daß es nicht fortgehen möge. Warum willst gegen den Willen des Autors du fortgehn, mein Büchlein? Warum? Sage mir, wer wirft dich zum Hause hinaus? Wozu fliehst du dorthin, wo tausend Catonen vereint sind, Tausende, denen nur ganz ernste Lektüre gefällt? 13. Ovld., Amor. II, 16, 45: Leichler ja sind eines Mägdeleins Worte als fallende Blätter. Heroid. V, 109: Du bist leichter als Laub. 15. Ovid., De arte amat. 1, 310: Täuschest du lieber den Mann, täusche mit Männern ihn doch! 125 Digitized by Google 5 Cum censore, miser, rigido laedere, rubesces, Cumve minus poteris, laese, redire voles. Vana tui quaeso domini praesagia sunto, Sitque timor vanus, thusque piperque teges. I, verum auctoris rogitet si nomina ledor, 10 Immemorem nostri nominis esse refer. xxxvi. CABALLUS FAME PERIENS DE LELPHO LUSCO DOMINO CONQUERITUR. Si qua tuus queritur, cupidissime Lelphe, caballus, Da veniam, macies cogit et alta fames. Pulcer equus certe, velox pinguisque fuissem, Pedora quam sint et fortia et ampla vide, 5 Aptaque sint videas quam cetera membra peraeque. Quod natura dedit, sumpsit avara manus. Ah quotiens phaleris tectus fera bella subissem! Ah quotiens cursus praestitus esset honos! 6. Paris, et Venetus laedere, codex Cob. sedere. 7. Secuö sumus Parislensem et codicem Coburgensem. Venetus vana meae forsan sunt haec praesagia mentis. 8. Paris, et codex Cob. sitque, Venetus estque. Tum Paris, et Venetus thusque piperque. codex nostcr thus piperque. Martialis III, 2. libelle. festina tibi vindicem parare, ne thuris piperisque sis cucullus. 9. / est scriptura codicis Coburgensis, pro qua Parisiensis habet et; in reliqua vereicull parte uterque consentiL At Venetus si roget auctoris lucrumque et nomina lector. XXXVI. Est carmen Vcnetum XXXII. Epigraphen edi jussimus Parisiensem. Codex noster consentit omisso tarnen domino. nequc fcrc dissentit Bandinus, nisi quod pro Lelpho, in opere illlus, forsan operarum vitio, legitur Delpho. Venetus autem caballus fame moriens de Lelpho domino conqueritur. 3. Paris, et codex Cob. certe, Venetus certus. 4. Paris, pectora quam sint et fortia, codex Cob. pectora quam sint fortia, omisso et, Venetus pectora quam mea sint fortia. In fine Venetus solus vides. 5. Paris, et Venetus aptaque, codex Cob. actaque. 7. 8. Parisiensis et codex noster bis quotiens, Venetus quoties. Codex noster solus falteris pro phaleris. 126 Digitized by Google Solch einen grausamen Zensor erfrechst du dich nicht zu beleid'gen, 5 Sondern du ärmstes, du sehnst, selber verletzt, dich zurück. Nutzlos ja mögen die Ahnungen sein des Verfassers, so hoff ich, Eitel die Furcht, denn in dich wickelt Gewürze man ein. Geh' nur, doch wenn dich ein Leser befragt, um den Namen des Autors, Gib ihm zur Antwort, er sei deinem Gedächtnis entschlüpft 10 xxxvi. Die Mähre des Lelfo Loschi, dem Hungertode nahe, beklagt sich über ihren Herrn. Wenn deine Mähre sich bitter beklagt, 0 Lelfo, du Geizhals, Halt's ihr zugute, sie zwingt Dürre und Hunger dazu. Sicherlich gäb* ich ein hurtiges Rofi, schön wär ich und fett auch, — Sieh nur die Brüste, wie stark, und wie sie breit sind gebaut Auch meine übrigen Glieder desgleichen sind tüchtig, du siehst's 5 wohl. Ach, was mir gab die Natur, nahm eine geizige Hand. Ha, wie wär ich mit Eisen bedeckt, in die Feldschlacht gezogen! Ha, wieviel Preise hält' ich mir bei den Rennen geholt! XXXV. 8. Martial. Hl, 2: mein Büchlein, Eile, dir den Beschützer aufzusuchen, Daß nicht Hülle des Pfeffers du seist und Weihrauchs. 127 Rodo nihil, rodit sed nostras inedia vires, 10 Non etiam nostris dentibus herba datur. Vix mihi dat noster paleas aliquando dominus, Barbariem metro barbarus ille dedit Turpe quidem dictu, sed cogit turpia fari Turpis herus, proprio stercore pascor ego. 15 Stercore pascor enim, sed stercore pascimur ambo, Nam tu ne comedas, non, vir avare, cacas, Neve bibas etiam, non mejere, Lelphe, videris. Extitit, ut perhibent, dira Celaeno parens. Sella carens lanis quae fecerit ulcera dorso, 20 Lusce, vides, caudae vulnera, lusce vides. Cur equitans aspris calcaribus ilia tundis, Si vix sat plane debilis ire queam? Cur agilis vis dem crudelis in aera saltus, Tibia si nequeat iassa movere pedem? 25 Ipse quidem collo mallem vectare quadrigas, Degere quam miseri sub ditione viri. Ocius attectem pistrino, Lelphe, dicari, Sub te funestam quam tolerare famem. Vera quis haec credat, nisi credunt vera molares? 30 Ferrea sunt longa frena comesa fame. Ordea cornipedi dulcis datur esca caballo, Sorbuit hos nunquam sed mea bucca cibos. Vera loquar, verum quis possit credere ventrem Duntaxat vento vivere posse meum? 18. Celaeno una Harpyiarum. Juvenalis VIII , 130. unguibus ire parat nummos raptura Celaeno. 21. Codex Cob. tundis, Parisiensis et Venetus fodis. invilo metro. 23. Nostra scriptura est Parisiensis et codicis Coburgensls, Venetus agiles pro agilis, et aire pro aira. 24. Parisiensis si nequeat. Venetus cum nequeat: codex Coburg, si nequeam. 25. Paris, cum Veneto mallem, codex Cob. malle. 26. Paris, et Venetus sub ditione, codex Cob. sub condictione. 30. Paris, et codex Cob. sunt, Venetus stant. Hlc et Parisiensis mox comesa, codex Cob. conmensa, uti supra XXXIV, 4. frans pro cras. 32. Paris, cum Veneto hos. codex noster os. 33. Paris, et codex Cob. vera loquar, Venetus vana loquor. 128 Digitized by Google Aber ich zehre rein gar nichts, doch zehrt der Verfall meine KTäfte, Nicht einmal trockenes Heu wird meinen Zähnen gereicht. 10 Kaum daß mein geiziger Herr mir zuweilen ein Bündelchen Stroh gibt Barbarisch wie dieser Vers ist dieser alte Barbar. Schande ist's, einzugestehn , doch zwingt mein Gebieter, der Schandbub' Mich, es zu sagen: ich nähr' mich von dem eigenen Mist. Ja, vom Mist muß ich leben, doch leben wir beide vom Miste, is Denn um zu sparen die Kost, kneifst du den Hinteren zu. Auch den Urin dir verhältst du, so scheint es, um nur nichts zu trinken. Sagt man doch, daß dich zur Welt habe Celaeno gebracht Wie meinen Rücken der Sattel, der ungepolsterte, wunddrückt, Siehst du, o Loscbi; du siehst Wunden an Lenden und Kreuz. 20 Warum mir stößt du beim Reiten mit stechenden Sporen die Weichen? Bin ich doch leider so schwach, daß ich kaum aufrecht kann gehn. Warum, o Grausamer, willst du, daß leicht in die Lüfte ich springe? Ist doch mein Schienbein so müd', daß es den Huf nicht erhebt. Lieber alleine, am Halse geschirrt, einen Vierspänner ziehen, 25 Als bei so elendem Mann stehen beständig im Dienst Lieber auch wollt* ich, o Lelfo, daß »Faulpelz« ein Müller mich schelte, Als daß ich immer bei dir tödlichen Hunger erlitt'. Wer soll dies glauben, was wahr ist, wenn's nicht meine Zähne bezeugten? Lange vom Hunger geplagt, fraß ich den eisernen Zaum. 30 Schmackhafte Gerste als Futter wird meistens uns Pferden gegeben ; Doch es hat niemals mein Maul solch' eine Speise geschleckt. Wahrheit nur will ich berichten, doch wer kann als wahr es mir glauben, Daß mein verhungerter Bauch lebet vom Winde allein? XXXVI. 12. Auch das Original hat hier, mit Absicht, eine falsche Betonung (Arm d. Obersetzers). 18. Celaeno, KeXaivti, eine der Harpyien. Juvcnal VIII, 130: mit krummen Fingern zu rauben bereit, wo immer das Geld, die Celaeno. 9 129 Digitized by Google Est mihi, vae misero, macies incognita toto Corpore, et infractis artubus ossa sonant. Sim licet informis, simque aridus, hoc mage malim, Quam Lelphus vacui pectoris esse velim. Est Lelphus rationis inops et mentis egenus, Corpus ei ut sus trux efferitate riget Quum loquitur, boat ut bos, et flat putor ab ore, Ut dubius perstes, culus an os loquitur. Quum ridet, fauces inhiant, ut asellus hiascens, Fit mihi de risu nausea saepe suo. Plura equidem quererer, quoniam sunt plura, sed heu heu Lingua loqui plus nunc debilitata nequit. Jam morior; socii, stabulum, praesepe, valete. Me miserum, videor debilitate mori. Vos procul ite, ferae, procul hinc vos ite, volucres; Quo ruitis, modo vos pellis et ossa manent. Plaudite, nam Lelphum luscum mandetis avarum, Ule crucis poenas furcifer ille dabit xxxvn. AD LIBELLUM, UT FLORENTINUM LUPANAR ADEAT. Si domini monitus parvi facis, i, fuge, verum Florentina petas moenia, parve liber. Est locus in media, quem tu pete, festus in urbe, Quove locum possis gnoscere, Signa dabo. 37. Paris, et codex Cob. mage malim, Venetus tarnen ante. 40. Edi jussi script ura in Parisicnscm, quam et codex noster sequitur, nisl quod pro ut sus trux exhibet ut trux sus. At Venetus cui suis est venter. crus feritate riget. ad vitandam durioretn illam verborum constractionem. 42. Sequimur Parisiensem editorem et codicem Coburgensem. Moüior est vcrsi- culus Veneti ut laedat nares tetra cloaca minus. 43. Paris, et codex Cob. fauces inhiant, Venetus fauces retegit. 44. Ovid. Remed. amoris 356. non semel hinc stomacho nausea facta meo. 46. Paris, et Venetus debilitata nequit, codex Cob. debilitate nequit. oO.MarÖalts I. 60. quod ruet in tergum? XXXVII. l.Martialis I, 3. 1, fuge; sed poteras tutior esse domi. 130 35 40 45 50 Digitized by Google Wehe mir Elendem, mager, unglaublich verfallen am ganzen 35 Körper, ein schlotternd Skelett in der vertrockneten Haut! Mag ich auch dürr und ungestalt sein, doch mag ich nicht tauschen: Lelfo möcht ich nicht sein, ganz ohne Herz in der Brust. Lelfo ist arm an Verstand und ermangelt der denkenden Seele; Wie einer grunzenden Sau starrt ihm von Roheit der Leib. 40 Tut er den Mund auf, so brüllt wie ein Ochs er und stinkt aus dem Munde, Daß du nicht weißt, ob sein Mund spricht zu dir oder sein Arsch. Lacht er, so reißt er den Schlund weit auf, wie ein schreiender Esel. Oft hat mich Ekel gepackt, wenn er zu lachen begann; Vieles zwar hätt' ich zu klagen, da vieles noch ist — aber leider 45 Wird meine Zunge zu schwach, fällt ihr das Reden zu schwer. Sterben schon muß ich; lebt wohl, ihr Genossen, mein Stall und die Krippe. Weh', vor Entkräftung, so scheint's, sterb' ich Unglücklicher hier. Ihr aber bleibet mir fern, ihr Bestien, Geier und Raben: Alles, worauf ihr euch stürzt, ist nur noch Knochen und Haut 50 Klatscht mit den Flügeln, denn Lelfo, den geizigen, kriegt ihr zu fressen, Wenn er an Galgen und Rad findet den Lohn seines Tuns. XXXVII. Der Autor an sein Büchlein, daß es nach Florenz in das Bordell gehen möge. Wenn deines Herren Wort, mein Büchlein, so wenig du achtest, Geh nur, entlauf mir, doch mach dich nach Florenz auf den Weg. Dort ist inmitten der Stadt ein gar lustiges Plätzchen; dahin geh. Wie du das Plätzchen erkennst, zeig ich durch Zeichen dir an. 44. Ovid Rem ed. amoris, 356: öfter als einmal fühlt Ekel mein Magen davon. 50. Martial. I, 60: Wo sind die Schultern, auf die er sich stürze. XXXVII. 1. Martial; I, 3: Gehe denn, fliehe; daheim konntest du sicherer sein. 9. 131 Digitized by Google 5 Alta Reparatae scitare palatia divae, Aut posce agnigeri splendida templa dei. 5. Parisiensis Rtparatae, codex Coburgensis liparatae. Templum intelligit Antonius suo tempore atque etiam nostro Florentinae urbis primarium, sanctac Reparatae ollm dicatum. nunc sanctae Mariae Roridae dictae con- secratum, de cujus dedicatione Nicolaus Machlavellus libro quinto Historiae Florentinae p. 256. exempli Latini Argentinac anno 1610. excusi, hac igitur via. inqult, conciliata pontificis (Eugenii IV) bcnevolentia vis um fuit Florentinis , postquam nimirum templum primarium, quod sanctae Repa- ratae appellatur, jam olim aedificari coeptum, eo usque jam perductum fuisset, ut sacra in eo commodum peragi jam possent, pontificem rogare, ejus dedicationem in se transferre dignaretur, idque non aegre impetrarunt. In illo ipso templo Julianus Mediceus, Cosmi nepos, anno 1478 trucidatus est, teste Angelo Politiano in conjurationis Pactianae commentario: ecce tibi ante tempus conjuratorum manus sciscitabantur, ubi Laurentius? ubi Julianus? Dicunt in templo divae Reparatae. Eo contendunt. Petrus Brichius versiculis 142. 43. Cosmiadis, tomo II. Carm. ill. Poet. Ital. p. 467. Splcndldissimum hoc templum aedificari coeptum est drca annum 1294. Audias Raphaelem Brunonem libro inscripto: Rlstretto delle cose piü notabill della citta di Firenze, edito Florcntiac anno 1698. pagina 10. rem ita narrantcm: Questo grand' edifizio (la chiesa mctropolitana chlamata santa Maria del fiore) ebbe cominciamento l'anno 1294, o com' altri vogliono il susseguente, essendo prima in questo luogo una chiesa molto divota, eretta in onore di santa Reparata, per ricordanza dell' insigne vittoria ottenutasi nel di lei giorno contro Radagasio, re de' Goti. II primo architetto fu maestro Arnol/o di Lapo, o di Cambio, discepolo di Cimabue, sotto la direzione del quäle incominciatasi questa fabbrica, dopo cento cinquanta quattr' anni fu da varj architetti suoi successori quasi all' ultima perfettione condotta. Ma la gran cupola fu parto dell' ingegno maraviglioso di Filippo di Ser Brunellesco, artefice. che ne' suoi tempi non ebbe ugualc. Plura de magnl- fico illo artis archltectonlcae monumento, praesertim de tholo admirandae altltudints (hinc alta palatia) vide sis in Volkmannl libro Germanice scripto: Historisch -kritische Nachrichten von Italien, tomo L pag. 526 — 530. De sancta Reparata virgine Caesareensi, quae sub Decio didtur periisse, addcre juvat verba Caesaris Baronii in Martyrologio Romano ad diem VIII. Octobris: eodem die Caesareae in Palaestina passio sanctae Reparatae virginis et martyris, quae cum nollet idolis sacrificare, sub Decio imperatore variis tormentorum generibus cruciata demum gladio percutitur, cujus anima in columbac specie de corpore egredi coelumque conscendere visa est. Haeret adhaec animo Reparatae virginis ingcns In gremio divae jam conspiratio facta. 132 Frage zunächst nach dem hohen Palaste von St. Reparata 5 Oder dem glänzenden Dom, der dem Johannes geweiht. 5. Unter dem .hohen Palaste der heiligen Reparata' versteht der Autor die damalige — und jetzige — Metropolitanklrche von Florenz, den, ur- sprünglich der helligen Reparata, später der Jungfrau Maria .Santa Maria del flore' geweihten Dom. Über die Einweihung des Domes berichtet Nlcolö Machlavelii, Historie Fiorentine, Libro V (S. 176 in der ersten Gesamtausgabe, 1550): .Nachdem auf diese Weise das Gemiit des Papstes (Eugenius IV.) zu- friedengestellt war, schien es den Florentinern angemessen — da die Kathedrale ihrer Stadt, genannt Santa Reparata, deren vor langer Zelt angefangener Bau so weit beendigt worden war, daS man das hellige Amt darinnen zelebrieren konnte — , Ihn zu ersuchen, daß er sie in eigener Person weihte. Der Papst ließ sich gern dazu bereitfinden' (1434). In diesem selben Dome wurde Giu- liano de' Medici, der Enkel Cosimos, im Jahre 1478 von Meuchelmördern getötet, wie Angelo Poliziano in seinem Kommentar über die Verschwörung der Pazzi berichtet: .Schon vor der Zeit erkundigte sich die Rotte der Verschworenen bei den Leuten: Wo Ist Lorenzo, wo Giuliano? In der Kirche der Santa Reparata, hieß es. Dorthin eilen sie.' Pietro Bricchl, in dem Heldengedicht .Cosmlas, Vers 142—143 (Carm. HL Poet. IUI. Teil D, S. 467): Auf dem Gemüt ReparaUs, der Jungfrau, lastet noch immer Jene Verschwörung, die ausbrach in dem heiligen Raum. Der Bau dieses herrlichen Domes begann ungefähr im Jahre 1294. Vgl. hierüber die Angaben des Raffaello Bruni, Rlstrctto delle cose piü notabili della citta di Flrenze, Flr. 1698, S. 10: .Dieses große Gebäude (die Metropolitanklrche, genannt SanU Maria del flore) wurde im Jahre 1294, oder wie andere behaupten, Im folgenden Jahre zu bauen begonnen, auf einem Platze, den zuvor eine zu Ehren der hl. Reparata errichtete und im Rufe großer Heiligkeit stehende Kirche eingenommen hatte. Letztere war zur Erinnerung an den großen Sieg, den Stillcho an dem Tage der Heiligen Uber den Gotenkönig Radagaisus davon- getragen hatte, erbaut worden. Der erste Dombaumeister war Arnolfo di Lapo, oder di Cambio, ein Schüler Cimabues. Unter seiner Leitung wurde dieser Bau begonnen und im Laufe von 154 Jahren von verschiedenen Architekten, die Ihm nachfolgten, fast bis zur höchsten Vollendung weitergeführt. Aber die große Kuppel war die Schöpfung des wunderbar großen Geistes des Filippo Brunellcschi, eines Künstlers, der zu seinen Zeiten nicht seinesgleichen hatte.* Weiteres über dieses großartige Denkmal der Baukunst siehe bei Volkmann; Historisch-kritische Nachrichten über Hallen, Teil I, S. 526 — 530. Über die heilige ReparaU, eine Jungfrau aus Caesarea, die unter Dedus umgekommen sein soll, möge es ge- nügen, die Worte des Caesar Baronius im Martyrologium Romanum zum 8. Oktober anzuführen: .am gleichen Tage zu Caesarea in Palästina die Passion der heiligen Reparata, Jungfrau und Märtyrerin, welche, da sie sich weigerte, den 133 Heic fueris, dextram teneas, paulumque profectus Siste, vetusque petas, fesse libelle, forum. Heic prope meta viae est, heic est geniale lupanar, 10 Qui sua signa suo spirat odore locus. Huc ineas, ex me lenasque lupasque saluta, A quibus in molli suscipiere sinu. Occurret tibi flava Helene, dulcisque Mathildis, Docta agitare suas illa vel illa nates. 15 Te viset Jannecta, sua comitante catella, Blanda canis dorninae est, est hera blanda viris. Mox veniet nudis et pictis Clodia mammis, Clodia blanditiis grata puella suis. 6. Codex Cob. agniferi, Parisiensls agnigeri. Sic noster infra in epistola ad Petrum Lunensem ducem Mediolanensem appellat anguigerum. 7. Hoc vcrsu septimo et mox nono pro heic, quae est scriptura Parisiensls, codex Cob. ter exhibet hic. 8. Recepi petas ex codice nostro, nam Paris, habet petes. 9. Viae est codicis nostri, Parisiensis via. 13. Mathildis est itidem codicis nostri, Paris. Mathildes. U.Martial. VII, 10. de cute quid faciat ille vel ille sua. Ovid. Amor. I, 8, 84. et faciant udas illa vel illa genas. Padflcus Maximus Eleg. XIII, 15. quando illa vel illa placebit. Crissatrices sunt Helene et Mathildis, utl mox Pltho, quae tarnen maxima. Crissari vult Naso, cum jubet Amor. III, 14, 26. spondaque lasciva mobilitate tremat. Crissabat uxor Virronis, ad quem pervenit lecti sonus, cum daret Naevolo, marin" paediconi, Juvenal. FX, 78. 15. Sic etiam Nichinam, scortum illud egregium Senense, canes in delidis habulsse vidimus supra XXX, 18. 16. Edidimus est hera cum Parisiensi. Codex Cob. et hera. Atqui passim noster eadem verba sie gemlnat, vide Append. II, 56. 76. 17. Juvenal. VI, 121. 22. 23. de Messalina: Intravit calidum veteri centone lupanar. Et cellam vacuam. atque suam, tunc nuda papillis Constitit auratis. Prostabant meretrices nudae in lupanaribus Romanorum. Hinc de illa ipsa Messalina Juvenalis loco dtato: ostendit tuum, generöse Britannice, ventrem. Dio Cassius LXXIX, 13. de Heliogabalo: tv t$ naXaxüp oIxtj/Aä n dnodei^ag ivtav&a ipiXyaive, yvpvög tr dei IjiI tijg digag avtoQ (tnitg, &gneo al nöQvai. Petronius cap. 7. cum ego negarem me cognoscere domum, video 134 Digitized by Google Hast du's gefunden, dann halte dich rechts und ein wenig noch grad aus, Bleibe ermüdet nun stehn, frag nach dem Altmarkt, mein Buch. Dort deiner Wandrung Ziel, dort ist das Bordell, das famose, Das seinen eignen Geruch ausströmt als Zeichen des Orts. 10 Geh dort hinein und bestell viel Grüße an Wirtin und Huren, Die an die mollige Brust drücken dich werden sogleich. Dir kommt die blonde Helene, die sanfte Mathilde entgegen, Diese und jene geschickt, schnell zu bewegen den Steiß. Dich zu betrachten erscheinet Jeannette, gefolgt von dem Hündchen, 15 Welches ihr schöntut, wie sie selber den Männern es macht: Bald auch Clodia erscheint, die Brüste entblößt und gepudert, Clodia, das liebliche Kind, das sich aufs Schmeicheln versteht. Götzenbildern zu opfern, unter dem Kaiser Dedus mit verschiedenen Arten von Torturen gemartert und schliefilich mit dem Schwerte hingerichtet wurde, deren Seele in Gestalt einer Taube aus ihrem Leibe hervorgehend und gen Himmel fliegend gesehen worden ist.* 6. Agniger, der .Trager des Lammes' ist der Täufer Johannes, dessen Kirche, das .Battistero', dem Dome gegenüber steht. Weiter unten, in der Epistel an Pedro de Luna heißt der Herzog von Mailand .angulger', der . Schlangenträger nach dem Wappentier der Stadt (Anm. des Übersetzers). 8. Der .alte Markt', Mercato vecchio, das Zentrum der Stadt, gegen Ende des XIX. Jahrh. gänzlich umgebaut, jetzt Piazza Vittorio Emanuele und Umgebung (Anm. des Übersetzers). 14. Martial. VII, 10: was schiert's dich, Was mit dem eigenen Fell dieser und jener beginnt? Ovid. Amor. 1, 8, 84: Mache die Wangen der ein' oder der andre dir feucht. Pacifico Massimo, Elegia XIH, 15: Wenn mir nun dies' oder jene gefällt? Elena und Matelda sind .crissatrices', ebenso wie die im weiteren Verlauf genannte Pitho, letztere die hervorragendste. Ovid will .crissierT werden, wenn er, Amor. III, 14, 26, sagt: Und das Gestelle des Betts zirtre vom üppigen Spiel. Die Gattin des Vlrro (Juvenal IX, 78) .crissierte', als sie sich dem Naevolus hingab, dem Päderasten ihres Mannes, Welchen des Bettes Geknarr erreichte. 135 Digitized by Google Galla tuo peni vel cunno, nam tibi uterque est, 20 Injiciet nullo tacta rubore manus, quosdam inter titulos nudasque meretrices furtim spatiantes. Tarde. imo jam sero intellexi. me in fornicem esse deductum. Neque id mirum, cum in balneis non dubitarent mares et feminae promlscue lavari. Martial. VII, 35. ad Lecaniarn, servum subllgaculo inguina succinctum secum ducentem: Sed nudi tecum juvenesque senesque lavantur; An sola est servi mentula vera tui? Idem XI, 75. ad Cocliam: Theca tectus aSnea lavatur Tecum, Coelia, servus. — Non vis, ut puto, mentuiam videre. Quare cum populo lavaris ergo? Oliscente morum severltate tentavit pristinam licentiam lege tollere Adrianus. Spartianus cap. 18. lavacra pro sexibus separavit. Vidt tarnen vetus con- suetudo legem, nam alloquin opus non fuerat nova lege, qua teste Julio Capitolino cap. 23. Marcus Antonius lavacra mixta sustulit. Post indulsit consuetam voluptatem molle Ingenium Heiiogabali. Rursus prohlbuit Alexander Severus, de quo Aelius Lampridius c. 24. balnea mixta Romae exhiberi prohibuit, quod quidem jam ante prohibitum Heliogabalus fieri permiserat. Tandem synodorum ecclesiasücarum decrerJs mos jucundus intra fincs quidem imperii olim Romani fere evanuit, sero tarnen ac pedetenbm. Acdpe ex Operibus Poggii p. 298. quantum saeculo adhuc quinto dccimo regnaverit licentlac Thermls Helvetiorum: nam cuivis licet visendi. colloquendi, jocandi ac laxandi animi gratia a Horum balnea adire, adstare, adeo ut et cum exeunt et ingrediuntur aquas feminae majori parte corporis nudae con- spiciantur. Nulla suspicio inhonesti. Pluribus in locis qui viris et mulieribus quoque ad balnea est ingressus, ut saepissime accidat. et virum feminae nudae. et feminam viro nudo obviam ire. Cernunt viri uxores tractari, cernunt solum cum sola, nihil his permoventur. Sic transeunt gaudia mundi! Allac gentes hodieque promiscue lavant, ut Flnnones, teste Josepho Acerbide, Magazin von merkw. Reisebeschreibungen XXVI. 228. Sed, ut aliud ex alio, varias artes excogitavit libido divitum, ut fruercntur spectaculo nudarum puellarum. Tiberius Caesar nudis puellis ministrantibus coenabatur: Sueton. Tlb. c. 42. Sestio Gallo, libidinoso ac prodigo seni. coenam ea lege condixit, ne quid ex consuetudine immutaret aut demeret. utque nudis puellis ministrantibus coenaretur. Celeberrimas luxu famaque epulas Tlgellinus paravit Neroni : Tadtus Annal. XV, 37. in stagno Agrippae fabricatus est ratem. cui superpositum convivium navium aliarum tractu moveretur. Crcpidinibus stagni lupanaria adstabant, inlustribus feminis 136 Digitized by GQ£jj|£ Nach deinem Schlitz und dem Schwanz — denn beides ja hast du — wird Galla, Die zu erröten nicht weiß, greifen mit lüsterner Hand. 20 15. So hatte auch Nichina, jene namhafte Dirne von Siena, Hunde gern, wie wir oben, XXX, 18 gesehen haben. 17. Juvenal VI, 121-123, von der Messalina: Trat sie hinein ins verrufene Haus voll dunstiger Fetzen, Hin in die ledige Zell', in die eigene; stellte sich nackend Auf mit vergoldeten Brüsten. In den römischen Bordellen standen die Freudenmädchen nackend da. Des- wegen sagt Juvenal, a. a. O , von der Messallna auch: Und Heß schauen, o edler Britannicus, deinen Geburtsschofi. Dio Cassius LXXIX, 13, von Heliogabalus: .im Palaste bestimmte er dn eigenes Zimmer für seine Geilheiten, stand dort nackt wie die Lustdirnen, unter der Tür.' Petronius, Kap. VII: .da ich leugnete, das Haus zu kennen, sah ich einige unter Aufschriften und nackten Huren umherwandeln. Endlich, aber schon zu spät, merkt' ich, daß ich in ein Haus der Wollust geführt sd/ Es ist das auch nichts Außerordentliches, da man ja im Altertum keinen Anstoß daran nahm, daß Manner und Frauen zusammen in den Badem sich badeten. Martial. VH, 35, an die Lecania, die einen mit einem Schamgürtel versehenen Sklaven bei sich hat: Dennoch baden mit dir sich Greise und Jünglinge nackend. Hat denn dein Sklave allein wirklich ein mannliches Glied? Ebendaselbst XI, 75, an die Coelia: Eine Hülle von Erz bedeckt den Sklaven, Wdcher. Codla, mit dir badet. — Du willst, scheint es mir, keines Mannes Scham sehn. Weshalb badest du denn dich mit dem Volke? Da mit der Zeit die Strenge der Sitten nachließ, versuchte Kaiser Hadrian, die ursprüngliche Freihdt durch dn Gesetz einzuschränken. Spartianus, Kap. 18: .er sonderte für die verschiedenen Geschlechter die Baderäumt voneinander.* Aber die alte Gewohnheit war starker als das Gesetz, sonst hatte es wohl nicht eines neuen Gesetzes bedurft, mit wdchem Marcus Antonius, nach Julius Capito- linus, Kap. 23 .die gemeinsamen Baderäume verbot.* Der verweichlichte Sinn Hdlogabals leistete der gewohnten wollüstigen Sitte später Vorschub. Wieder verbot Alexander Severus, bei Adius Lampridius, Kap. 24, .die gemischten Bader zu Rom, welche zwar schon früher verboten gewesen, aber von Hdiogabal wieder gestattet worden waren.* Schließlich erlosch, gegen das Ende des römischen 137 Digitized by Google Annaque Theutonico tibi se dabit obvia cantu, Dum canit Anna, recens afflat ab ore merum. completa, et contra scorta visebantur nudis corporibus. Jam gestus motusque obsceni. et postquam tenebrae incedebant, quantum juxta ne- moris, et circumjecta tecta consonare cantu et luminibus clarescere. Con- vivium Ulud Alexandra VI. pontifids Romani inlaudati, quis est qui nesciat post Thummelii nostri Itinera? Repetamus autcm locum fcsüvum Joannis Burchardl, cujus quidetn simplidtati memoriam rel debcmus, ne alio te atnandari queraris, ex ejus Diario a Leibnitio anno 1696 edito p. 77. Dominica ultima mensis Octobris in sero fecerunt coenam cum duce Valentinensi in camera sua in palatio apostolico quinquaginta meretrices honestae. Cortegianae nuncupatae, quae post coenam chorearunt cum servitoribus et aliis ibidem existentibus , primo in vestibus suis, deinde nudae. Post coenam posita fuerunt candelabra communia, mensae cum candelis ardentibus. et projectae ante candelabra per terram castaneae. quas meretrices ipsae super manibus et pedibus nudae candelabra per- transeuntes colligebant, papa, duce et Lucretia sorore sua praesentibus et adspicientibus. Tandem exposita dona ultimo, diploides de serico. paria caligarum, bireta et alia. pro Ulis, qui plures dictas meretrices carnaliter agnoscerent, quae fuerunt ibidem in aula publice carnaliter tractatae arbitrio praesentium, et dona distributa victoribus. Quibusdam placult amicas amids nudas ostendcre. Cui non dlctus Gyges, a Candaule, Lydorutn rege, uxorem nudam spertarc malo consilio jussus? Cajus Caesar, cogno- mento Caligula, Suetonlo teste Calig. cap. 25. Caesoniam et ardentius et constantius amavit, ut saepe chlamyde peltaque et galea ornatam et juxta adequitantem militibus ostenderet, amicis vero etiam nudam. Vis tu et ipse nudam cemere Caesoniam? Evolvas Monumens de la vie privce des douze Cesars, et tabulam quidem XXVI aeri Indsam. Nostra etiam aetate, ut me alicubi legere memini, Ludovicus XV. Francogallorum rex legitimus, Barriae pcllids in ledo jacentis et somnum tedo lumine simulantis monstravit amico dunes nudatas, quas tanquam deae jussit hominem genubus flexis deosculando adorare, quod illico facere non dubitavit adulator. 18. Quippe sdt Clodia opus et voce et manu blande juvare. Ulcus habet, uti Phlogis apud Martialem XI, 60. quod habere suam vult quisque puellam. Nec imitatur uxorem Martialis, XI, 104. tanta gravitate coire solitam, ut thura merumque diis parare videretur, nec Chionem ejusdem, XI, 60. quam absentem marmoreamque putes, nec Saufejam fatuam apud eundem III, 72. Sequitur praeeepta Joannis Joviani Pontani carmine XLVI. Amorum p. 195. excmpli Mcrceriani: Muta Venus mihi nulla placet, suspiria misce, Aptaque laseivis garrula verba jocis. Nec man us officio desit, manus aemula linguae est, Haec tactu Venerem suscitat, illa sono. 138 Digitized by Google Anna auch kommt dir entgegen und trällert ein Liedchen, ein deutsches, Wenn sie zum Singen den Mund öffnet, so riecht sie nach Wein. Kaisertums, infolge der kirchlichen Synodaidekrete, die naive Sitte beinahe ganz, aber erst spat und ganz allmählich. Welche Ungeniertheit noch im XV. Jahr- hundert in den wannen Bädern der Schweiz (Baden im Aargau) herrschte, möge man aus Poggios Bericht (Opera, S. 298) ersehen: .Jeder, der Besuche machen, plaudern, scherzen und sich ausruhen will, hat freien Zutritt zu den Badem und mag sich dort aufhalten, ja man sieht sogar Frauen, wenn sie in das Wasser gehen oder das Bad verlassen, am größten Teil des Körpers nackt, ohne daß jemand etwas Unehrbares dabei argwöhnt. An mehreren Orten ist für Männer und Frauen nur ein Eingang zu den Bädern vorhanden, so daß es sehr oft ge- schieht, daß ein Mann einem nackten Frauenzimmer oder eine Frau einem nackten Manne begegnet. Man sieht Ehemänner mit ihren Frauen verkehren und Pärchen vereinzelt beieinander sitzen, und niemand regt sich darüber auf." So gehen die Freuden der Welt dahin ! Bei einigen Völkerschaften baden Männer und Frauen noch heute gemeinsam, so z. B. bei den Finnen (Jos. Acerbi, Magazin von merk- würdigen Reisebeschreibungen, XXVI, 228). Aber, wie eins aus dem anderen folgt, so hat auch die Begierde der Reichen verschiedene Mittel und Wege er- sonnen, um das Schauspiel nackter Mädchengestalten zu genießen. Der Kaiser Tiberius ließ sich bei Tische von nackten Mädchen bedienen. Suctonius, Hb., Kap. 42: .Bei dem Sesüus Gallus, einem alten unzUchtigen und verschwende- rischen Schlemmer, sagte er sich mit dem Befehle zur Tafel an, daß derselbe nichts an seiner bisherigen Gewohnheit ändere oder kürze und daß auch nackte Mädchen bei Tische aufwarten sollten.* Großartige, verschwenderische und be- rühmt gewordene Gastmähler ließ Tigelllnus dem Nero zubereiten; Tacitus Annal. XV, 37: .Auf dem Weiher Agrippas ließ er ein Roß bauen, das die Tafel trug, und das, gezogen von anderen Schiffen, in Bewegung gesetzt wurde. Am Rande des Weihers standen Hurenwirtschaften, angefüllt mit erlauchten Frauen, und offen sah man dagegen nackte Dirnen. Dazu Gebärden und Stellungen der Un- zucht. Und als es dunkelte, erscholl der ganze Park daran und die Gebäude umher von Musik und wurde beleuchtet.' Wer kennt nicht, durch unseres Thümmels Reisebeschreibung (5. Januar), jenes Gastmahl des Papstes Alexan- der VI., unrühmlichen Angedenkens? Ich wiederhole hier die erbauliche Stelle aus dem Diarium des Joannes Burchardus, dessen Naivität wir das Andenken daran verdanken, um den freundlichen Leser nicht auf andere Quellen zu ver- weisen, nach Leibniz' Ausgabe vom Jahre 1696, S. 77: .Am letzten Sonntag des Monats Oktober speisten mit dem Duca Valcntino in dessen Gemächern im Apostolischen Palaste fünfzig schöne Lustdirnen, Cortegiane genannt, zu Abend, welche nach dem Mahle mit den Dienern und anderen Anwesenden tanzten, zuerst in ihren Kleidern, alsdann nackend. Nach Tische wurden Ann- leuchter aufgestellt, Tische mit brennenden Kerzen, und vor die Leuchter wurden Kastanien auf den Boden geworfen, welche die Dimen selber, mit nackten Annen 139 Digitized by Google Te quoque conveniet crissatrix maxima Pitho, Qua cum deliciae fornicis Urea venit, 25 Teque salutatum transmittit Thaida vicus Proximus, occiso de bove nomen habens. Denique tarn celebri scortorum quidquid in urbe est Te petet, adventu laeta caterva tuo. Heic obscena loqui, simul et patrare licebit, 30 Nec tinget vultus ulla repulsa tuos. Heic quod et ipse potens, quod et ipse diutius optas, Quantum vis futues et futuere, über. Sequitur praecepta Nasonis Amor. III, 14, 25. illic nec voces, nec verba juvantia cessent. Nec cedit Uli, de qua TIbuIlus I, 9, 63. 64. lila nulla qtuat melius consumere noctem, Aut operum varias disposuisse vices. Pertinebant forsan ad blanditias Clodlae etiam oscula ItalU Florenüna dicta, qtübus adprchensis utritnque puerorum auriculis cos presslm dissuaviantur. Tibull. II, 5, 92. oscula comprensis auribus eripiet. 23. Paris. Pitho, codex Cob. Picho. Ovid. Amor. III, 7, 23. 24. At nuper his flava Chie. ter Candida Pitho, Ter Libas officio continuata meo. Crissatricis motus dlcitur vannere apud Ludlium: Sat libro XI. crissavit. ut si frumentum clunibus vannat. et libro VII. nunc molere, illam autem ut frumentum vannere cunnis, ubi tarnen pro cunnis legend um videtur aut clunibus aut lumbis. Testis Nonius Marcellus I, 69. 24. Paris, quacum, codex Cob. quicum. 26. Paris, occiso, codex Cob. ociosa. 27. Paris, tarn, codex Cob. j'am. 28. Recepi caterva ex codice nostro, nam Parisiensis editor dat catena. Supra XXX, 19, juvenum me sollicitante caterva. 29. Hoc versiculo et tricesimo primo Paris, heic. codex Cob. hic. 31. Parisiensis potens. codex Coburgensis potes. 140 Digitized by Google Ferner auch triffst du dort Pitho, die groß in der Kunst ist des Stoßens, Bei ihr ist Ursa, der Stern, wahrlich, des ganzen Bordells. Von der benachbarten Gasse, die nach dem gemetzgeten Ochsen 25 Heißet, wird Thals zu dir, dich zu begrüßen, geschickt Ja, soviel es der Huren nur gibt im berühmten Firenze, Strömen zu dir und es freut sich deiner Ankunft die Schar. Schlüpfriges darfst du da reden und darfst es auch tun, und du brauchst nicht Rot dabei werden; es wird keine sich zimpferlich sperr'n. 30 Da, liebes Büchlein, da folg deinem Hange: geh drauf, was das Zeug hält, Ficke und lasse dir's tun, — wie und wie oft dir's gefällt. und Beinen Uber und zwischen den Leuchtern sich hindurchbewegend, auflasen, wobei der Papst, der Herzog und seine Schwester Lucrezla als Zuschauer zu- gegen waren. Schließlich wurden Geschenke ausgesetzt, seidene Mäntel, Bein- kleider, Barette und anderes für diejenigen, die die erwähnten Huren am öftesten fleischlich benutzten. Die letzteren wurden in der Halle öffentlich fleischlich be- arbeitet, unter Zustimmung der Anwesenden, und die Geschenke wurden an die Sieger verteilt* Einige fanden Gefallen daran, ihre Geliebten ihren Freunden nackt zu zeigen. Wem wäre nicht die Geschichte des Gyges bekannt, dem der u bei beratene Kandaules, der König der Lyder, seine Gattin nackend zeigte? Cajus Caesar, mit dem Beinamen Caligula (Suetonius, Calig., Kap. 25) .liebte die Caesonia nicht nur feuriger, sondern auch dauernder. Er liefi sie oft mit Kriegs- mantel, Helm und Schild ihm zur Seite reiten und zeigte sie so den Soldaten, seinen Freunden sogar nackt* Möchtest du selber die nackte Caesonia sehen, so schlage die Monumens de la vie privee des douze Cesars, und zwar die XXVI. Kupfertafel auf. In neuerer Zeit zeigte, wie ich mich irgendwo gelesen zu haben erinnere, Ludwig XV., der allerchristlichste König von Frankreich, einem Freunde die entblößten Hinterbacken seiner Maitresse, der Dubarry, die auf einem Ruhebette lag und mit zugehaltenen Augen tat als ob sie schliefe, und lieB ihn diesen Körperteil küssen, wobei er sie wie eine Göttin auf den Knien anbeten mußte. — was der Schmeichler nicht unterließ sofort zu tun. 18. Weil nämlich Clodla verstand, das Venuswerk mit Wort und Hand schmeichlerisch zu unterstützen. Sie hat so etwas wie Phlogis, bei Martial. XI, 60: .was jeder an seinem Mädchen sich wünschte*. Sie ahmte weder die Gattin des Martial nach, die sich so ernst und feierlich bei dem Koitus benahm, als opfere sie den Göttern Weihrauch und Wein; Martial. XI, 104; noch die Chione, die abwesend oder von Marmor erscheint; Martial. XI, 60; noch die ab- geschmackte Saufeja; Martial. III, 72. Sie befolgte vielmehr die Lehren, welche 141 Digitized by Google XXXVIII. AD COSMUM DE LIBRI FINE ET DEDICATIONE. Cosme, vale, vatum spes et tutela novorum, Jamque suos fines Hermaphroditus habet Cum nequeat tnajus, nam turbant otia curae, Hoc tibi quodcunque est devovet auctor opus. XXXVIII. Apud editorem Parisiensem et Bandinum est Carmen XXXVIII, In codice autem Coburgensi XXXIX, praemittltur enim Carmen de ortu atque obitu Hermaphrodit!, quod nos in appendicem rejtdendum putavimus. Epigraphen dedlmus codids nostri. Post Cosmum addit Parisiensis virum darum, Ban- dinus virum clarissimum; InseruJt etiam Bandlnus totum carmen operi suo. 2. In codice Coburgensi scribitur hoc loco et perpetuo Hermofroditus. In fine additur ab editore Parlsiensi: Hermaphroditi libellus secundus et ultimus explicit feliciter ad Cosmum Florentinum virum clarissimum. Vale. Apud Bandinum subdltur: Hermaphroditi libellus secundus et ultimus explicit feliciter. Ad Cosmum virum clarissimum ex Medicorum progenie illustri. In codice Coburgensi: Hermofroditi libellus secundus et ultimus foeliciter explicit. Deo gratias. Amen. 142 Digitized by Google XXXVIII. An Cosimo; Ende und Widmung des Buches. Cosimo, Hoffnung der Dichter und Zuflucht der jungen Talente, Lebe nun wohl, denn hier ist Hermaphroditus am End'. Da er nicht weiter mehr kann, — denn die Sorgen verscheuchen die Muße, — Widmet, so wie es hier ist, dir der Verfasser sein Buch. Giovan Gloviano Pontano gibt, im XL VI. Gedicht der .Amores, S. 195 der Mer- der'schen Ausgabe: Venus, die stumme, gefällt mir mit nichten. Mit brünstigen Seufzern, Scherzendem, passenden Wort mische den Liebesgenuß. Müßig sei auch nicht die Hand; mit der Zunge in stetigem Wettstreit Reize sie durch das Gefühl, gleichwie die Zung' durch den Laut. Sic befolgt auch die Lehren des Ovid., Amor. III, 14; 25: Hier sei nimmer ein Ziel liebkosenden Worten und Lauten, und steht auch der nicht nach, von welcher Tibull. I, 9, 63 — 64 singt: 'Keine verstehet es besser als sie, zu verbringen die Nachte Oder der Neuheit Reiz üppigen Künsten zu leih'n. Vielleicht gehörten zu den VerfUhrungskünsten der Clodia auch die Küsse, welche die Italiener .florentlnische* nennen, bei denen das Mädchen beide Ohren des Liebhabers ergreift und ihn, sein Gesicht fest an sich drückend, abküßt. Tibull. II, 6; 62: Fest ihn haltend beim Ohr raubt sie ihm Kuß über Kuß. 23. Ovid., Amor III, 7; 23—24: Zweimal bracht' ich doch neulich der blonden Chic mein Opfer, Dreimal der Libas, und drei Pitho, der blendenden, dar. Die Bewegung beim „Crissieren" heißt bei Lucilius .worfeln* (vannere). Sat. Buch XI: .sie crissierte als wollte sie mit den Hinterbacken Getreide worfeln«, und Buch VII: .er mahlt (d. h. flekt), sie aber worfelt gewissermaßen mit den Hinterbacken Getreide*, wobei für .cunnis* wohl .clunlbus* oder .lumbis' zu lesen ist Vgl. Nonlus Marcellus I, 69. 25. Eine Gasse mit ähnlichem Namen fand sich weder auf alten Stadt- planen, noch konnten mir alte Florentiner darüber Auskunft geben. Wahr- scheinlich erlosch der Name bereits, als der Ghetto in diese Gegend verlegt wurde [ca. 14301 (Anm. d. Obersetzers). 143 Digitized by Google APPENDIX HERMAPHRODIT!. L DE ORTU ATQUE OBITU HERMAPHRODIT! Cum mea me genitrix gravido gestaret in alvo, Quid pareret fertur consuluisse deos. I Est carmen XXXVHI libri secundl Hermaphrodit) in codicc Coburgensi. Extat de hoc carmine dissertatio Bernardi Monetae, torao quarto Menagianorum adjerta, qua docet auctor, esse illud non ab Antonio Panormita, sed ab Henrico Pulice Vicentino, poeta saeculi quartidecimi, compositum, fuisse vero jam Arigeli Politiani aetate, qui communi nomine decepti Antonio adjudicarcnt poCma, quod Bernardo quidem Monetae tarn tersum atque eiegans Visum est, ut illo judice Antonii Ingenium aliquid tale fingere neutiquam potuissct, quippc quo in omni Anthologia nihil reperiatur facetius, nihil venustius. Typis editum est saepenumero, praesertim cum inter antiqua epigrammata retulissct Josephus Scaliger in Catalectis Vlrgilianis. Recepit etiara in Antho- logiam Latinam Burmannus secundus tomo I. p. 620. Graece verterunt Pon- tianus, Lascaris, Bernardus Moncta. Nomen Pulids transiit in Pulliccm apud Li Ii um Gyraldum, in Duplicem apud Laurentium Vallam, in Pollucem apud Josephum Scaligerum, quem sequitur Bandinus, qui primum ultimumque versiculum operi suo inseruit tomo II. p. 111. ex illo ipso codice bibliothecae Mediceae Laurentlanae, unde inscriptiones epigrammatum Hermaphroditi descripserat, licet in codice rede legatur Pulex. Habet enim carmen nostrum in Florentino codice tltulum hunc: Pulex de ortu atque obitu Hermaphroditi. Itaque differt Florentinus codex a Coburgensi in eo, quod ille nomen auctoris addit, hic non addit, deinde vero etiam in eo, quod hic rar mim Puiiciano 144 Digitized by Google ANHANG ZUM HERMAPHR0D1TUS. L Hermaphroditus' Geburt und Tod. Als mich die Mutter noch trug im schwangeren Leib, da berieten, Sagt man, die Götter, was sie sollte gebären. Apoll I. Ober dieses Gedicht hat Bernard de La Monnoye eine Abhandlung verfaßt, im IV. Teile der .Menagiana*. in der er behauptet, daß es nicht von Antonio Panormita , sondern von Henricus Pulex von Viccnza, einem Dichter des XIV. Jahrhunderts sei, daß man jedoch schon zur Zeit des Angelo Panormita, irregeführt durch den gleichen Titel, das Gedicht unserem Antonio zugeschrieben habe. La Monnoye findet das Epigramm so schön und elegant, daß, nach seiner Meinung, Antonios Genie Oberhaupt nicht imstande gewesen wäre, derartiges zu schaffen, wie es in der ganzen Anthologie nichts Witzigeres und Anmutigeres gäbe. Es Ist oft gedruckt worden, besonders seitdem es Jos. Scaliger In die Catalecta Virgiliana aufgenommen hatte; z. B. Burmann 1 secundi Anthologia latina, Teil I, S. 620. Ins Griechische wurde es von Pollziano, Lascaris und Bemard de La Monnoye übersetzt, über Henricus Pulex de Custoza vgl. Gerardus Vossius, De historicis latinls, 1. in, cap. VII. Zu Heinrichs VII. Zeiten blühte auch Pulex de Custoza, so genannt nach einem Orte Im Gebiet von Vicenza, nicht weit von dieser Stadt entlegen. Diesen führt Gio. Batt. Pagllarino am Eingang seines Werkes (Cronlche dl Vicenza, date in luce da G. G. Alcalnl, VIc. 1669, In 4°) unter den von ihm benutzten Ge- schichtschreibern an. .Ich bin,* sagt er, .in diesem kurzgefaßten Werke dem 10 145 Mas est Phoebus ait, Mars femina, Junoque neutrum, Cumque forem natus, Hermaphroditus eram. 5 Quaerenti letum sie Juno ait, occidet armis, Mars crueo, Phoebus aquis. Sors rata quaeque fuit locum tricesimum ociavum inter ipsa epigrammata libri secundi Hermaphrodit! tribuit, ille demum post Hermaphroditum separata epigraphe distinetum profert En quae de Pulice tradit Qerardus Vossius libro III. cap. VII. praeclari operis de Historicis Laünls: EtiamHenriciVll. temporibus damit Pulex deCustoza. quomodo dictus ab oppido agri Vicentini, haud longe ab urbe dissito. Nunc Jo. Bapt. Pajarinus in ingressu operis sui inter historicos refert, quos secutus Sit duces. .Sunt," inquit. .secutus in hoc opusculo brevi .Magistrum Coperium. antiquissimum rerum Vicentinarum scriptorem, .Ferretum Vicentinum. Benevenutum Capezanum, Pulicem de Custoza, .Magistrum Leoninum de S. Porta S. Petri, et Antonium de Godis, omnes .hujus civitatis' (Vicentiae) .antiquitatum scriptoresr Aetatem Pulicis ex his ejusdem verbis cognoseimus: .Ciaruit in ea m (familia de Pulicibus) .anno dornt ni 1310 Pulex de Custoza, qui heroico carmine multa scripsit.' Sed plenius de eodem paulo ante dixerat: .Fuit et Pulex de Custoza. qui .heroico carmine Caesaris" (Henrici VII.) .adventum in ltaliam scripsit. .Sunt autem versus octuaginta quinque. Scripsit et soluta oratione. mul- .tosque alios versus. Fuit hic filius Joannis Boni, et /rat res habuit duos, .Confortum et Jacobum." Idem Pajarinus alio in loco: .Pulex scripsit .etiam Carmen in adventum Caroli IV in ltaliam anni 1347. poita suo .quidem tempore clarus et literatissimusr Atque horum, ut dixi. vir clarissimus Felix Osius mihi indicium fecit. Hactenus Vossius. Vetus exemplura poömatis nostri reperltur in Epistolis magni Turcae (Muham- medis II.) a Laudivio Zacchia, cquite Hierosolymitano, Latine redditis, quibus Romae typis Jo. Philippl de Ugnamine anno 1473 quaternis ediüs in fine adjectum legitur, unde descriptum debeo Eberto, quae est vir! eruditissimi humanitas. 1. Bandinus dum. ceteri Ubri cum codlce Coburgensi cum. Dcest me in codlce nostro; reeepi metro jubente ex libris editis, consentiente Bandino. Mox edi jussi gravido, exemplum Romanum et codicem nostrum secutus, quam scripturam et a Nestore confirmari in Vocabularlo, et a Schradaco in Monu- mentis Italiae testatur Burmannus loco citato Anthologiae. Vulgo gravida; sie etiam Bandinus. Conferas Hermaphrod. II, 1,8. sed tales epulas non meus alvus edit. 2. Exemplum Romanum pariat, rellqui omnes pareret. 3. Romanum exemplum mas sibi. ceteri omnes mos est. 5. Codex Coburgensis letum Juno sie ait. Apud Nestorem teste Burmanno letum sie Juno ait, quemadmodum nos edidimus. Schradaeus praecunte exemplo Romano letum Juno ait, omlsso sie. Vulgo letum dea sie ait. 146 Digitized by Google Sprach: .einen Knaben", .ein Mägdelein" Mars, doch Juno: .von beiden Keines." Als ich zur Welt kam, war ich Hermaphrodit. Nach meinem Tode gefragt, sprach Juno: .ihn töten die Waffen", 5 Mars: .der Galgen", Apoll: .Wasser"; und alles traf ein. Maestro Coperio, dem ältesten Geschichtschreiber Vicenzas, dem Ferretto (Broxa) Vicentino, Benvenuto Capezzano, Pulice da Custoza, Maestro Leonino da S. Porta S. Petri und dem Antonio de Godis, die alle Ober die alte Geschichte dieser Stadt geschrieben haben, gefolgt* Das Zeitalter des Pulex erfahren wir aus einer anderen Stelle desselben Buches: .In ihr' (der Familie Pulid) .tat sich um das Jahr 1310 Pulex de Custoza hervor, der vieles in heroischen Versen schrieb.* Etwas ausfuhrlicher war kurz vorher gesagt worden: .Auch Pulex de Custoza feierte in heroischen Versen die Ankunft des Kaisers* (Heinrichs VII.) .in Italien. Das Gedicht umfaßt 85 Verse. Er schrieb auch in ungebundener Rede , sowie andere Verse. Er war der Sohn des Giovanni Buono und hatte zwei er, Conforto und Giacomo.* Derselbe Pagliarino a. a. O.: .Ein Gedicht über die Ankunft Karls IV. in Italien im Jahre 1347 verfaßte auch Pulex, ein zu seiner Zeit berühmter und sehr gelehrter Dichter.* Diese Notizen verdanke ich, wie angegeben, dem berühmten Felix Osius.* — Soweit Vossius. Ein alter Ab- druck unseres Gedichtes findet sich in den Epistolae magni Turcae (Muhammed II.) von dem Johanniterritter Laudivio Zacchia lateinisch herausgegeben und in Rom, bei Joh. Philippus de Lignamine, 1473, in 4« gedruckt, laut einer freundlichen Mitteilung des gelehrten Bibliothekars Eberl. 10« 147 Digitized by Google Arbor obumbrat aquas, ascendo, decidit ensis Quem tuleram casu, labor et ipse super, Pes haesit ramis, caput incidit amne, tulique 10 Femina vir neutrum flumina tela crucem. Ii. ELEGIA PANORMITAE AD JOANNEM LAMOLAM, QUOD LA- CRYMIS ELEGIAE MOTUS FRACTUSQUE EX BONON1A NE- QUIVERIT RECEDERE. Desine me placida verbis abducere terra, Desine me domina dissociare mea. Vera mones, fateor, pulcreque adducis Lüxem Fortiter aequoreas deseruisse deas, 5 Liquerit ac Hentern dux ut Trojanus Elisam, Multa licet surdo spondeat ipsa proco. 6. Codex Coburg, aquas, et mox quoque; vitiose. Ubri editi aquis et quaeque. Pro fuit Romanus editor solus tulit. 7. Romanus editor aquis. conscendo, reliqui omnes aquas. ascendo. 9. Codex Cob. anne tulitque. Exempla typis impressa amne tulique. Romanus editor solus subiit caout amne tuliaue. n. Hanc elegiam et carmina tria sequcntia subjidt codex Coburgensis Hermaphrodito. Recepit elegiam et Florentinus editor canninum illustrium poetarum Italorum tomo II. p. 113—116. Epigraphen dedimus FlorenÜnam, codex enim noster habet Ponornütae et nequierit. atque omittit Joannem ante Lamolam, et que post fractus. Joannes Lamola doctus inprimis ado- lescens et emendatus literis appcllatur ab Antonio in epistola ad Bartholo- macum Pontificem, fol. 38. Ubri Vencti. Ad ipsum Lamolam scripslt Antonius ibidem fol. 84. inter alia haec: velim deleres ex animo Florentiam. sit licet deorum, ut ais, domicilium. Non tali auxilio, nec defensoribus istis tempus eget. Satis enim superque discipulus et scholasticus fuisti. Nunquamne repones? nunquamne prospicies utilitati? senesces jam inter pueros? inter lud os Uterarios senesces? Proinde mihi renunties velim, an mecum optes vivere. an sedem tibi conquiram et firmem hic gentium. Nam spero. comperturum me virum tibi magnificum et eruditum. cui si literarum Graecarum rudimenta impartias. retribuat tibi philippeos centum annuos, et victum. et spem etiam amplioris fortunae. 5. Codex Cob. liquerit ac. Florentinus fugerit et. 148 Digitized by Google Auf einen Baum, der ein Wasser beschattete, war ich gestiegen, Als mir das Schwert, das ich trug, fiel, und ich selber ins Schwert. Hängend am Zweig mit dem Fuß, mit dem Kopfe im Wasser, so starb ich Weib, Mann und Neutrum, durch Schwert, Galgen und Wasser 10 zugleich. IL Panormitas Elegie an Giovanni Lamola; durch die Tränen seiner Geliebten Elegia bewogen und überwunden, will er nicht mehr aus Bologna fortgehen. Gib es nur auf, mich mit Worten der friedlichen Stadt zu ent- locken, Gib es nur auf, denn du trennst von der Geliebten mich nicht. Trefflich ermahnst du, gesteh ich, und sprichst von Odysseus, der standhaft Einst der Sirenen Gesang sich zu entreißen gewußt. Auch der trojanische Feldherr verließ die Elissa in Tränen; 5 Vieles gelobte sie ihm, aber ihr Gatte blieb taub. 11. Giovanni Lamola wird von Antonio in dem Briefe an Bartolomeo Capra, Erzbischof von Mailand (Vcn. Ausg., Bl. 38) .ein gelehrter und vor allen andern in den Wissenschaften wohl erzogener Jüngling* genannt. Demselben Lamola schreibt Antonio (a. a. O. BL 84) u. a. folgendes: .ich wollte, du schlügest dir Florenz, das meinethalben der Sitz der Götter, wie du es nennst, sein mag, aus dem Sinne. Solcherlei Hilfe und derartiger Verteidiger bedarf unsere Zeit nicht. Du bist nämlich lange und Uberlange genug Schüler und Student gewesen. Wirst du dich denn nie aufraffen? Wirst du nie deinen Nutzen wahrnehmen? Willst du denn unter den Knaben alt werden? Willst du auf der Schulbank zum Greise werden? Also bitte, gib mir Nachricht, ob du zu mir ziehen willst, ob ich dir eine Stelle verschaffen und dich hier seßhaft machen soll. Denn ich hoffe, dafi ich dir einen vornehmen und gebildeten Mann finden kann, dem du die Anfangsgründe des Griechischen beibringen kannst, und der dir jahrlich 100 Phillppesd'or nebst der Kost gibt, sowie auch Aussicht auf noch bessere Beförderung.' 149 Digitized by Google Addis ad haec etiam, quod non ornatius ipse Tullius aut gravius scripserit ipse Plato, Denique quod possit firtnos mutare Epicuros, 10 Aut si quid toto firmius orbe fuit Me quoque mutaras, nostra de mente puella Deciderat, muros linquere mentis erat Tum subeunt nostri praesignia Caesaris acta, Quae modo militia, quae modo pace gerat, 15 Quin et Maecenas obversabatur ocellis, Quem diis persimilem saecula nostra ferunt Tum simul heroicos versus meditabar, et ignes Aut elegos animo destituisse mit Sensit Amor mentem nostram, retulitque puellae. 20 Quis divum frustra numen habere potest? Flens Elegia venit, sie nostra puella vocatur, Tum primum nostros vidit amica Lares. Gratia magna tibi sit, Lamola, tu facis ad me, Tu facis ad thalamos iverit illa meos. 25 Bella prius fuerat, bellas superabat et omnes, Tum facie vel se vincere visa mihi est. Induit, adjures, vultus Elegia dearum, Sive tuos Juno, sive Diana tuos. Facta est splendidior, facta est redolentior aedes, 30 Arrisit partes adveniente dea. Sicut eram monitu flexus, sed certus eundi, Adstitit, et nostro tabuit illa sinu. 7. Cod. Cob. ad haec, Florent. ad hoc. 10. Cod. Cob. si quid. Florent si quod. 11. Florent. mutaras, codex Cob. perperam mutatas. Tibull. III, 1, 20. an toto pectore deciderim. 13. Caesar est Sigismundus, mox Maecenas Cosmus Mediceus. 15. Florent. obversabatur. cod. Cob. adversebatur. 25. Cod. Cob. omnes. Florent. omnis. 26. Cod. Cob. facie, Florent. faciem. Tum Ule vincere mihi visa est. nie vincere visa mihi est. 27. Codex Cob. adjures, Florent. ad vires. 29. Codex Cob. redolentior, Florent. renidentior. 31. Codex Cob. flexusque certus, Florent. flexus et certus; utrumque invlto 150 Digitized by Google Diesem auch fügst du hinzu, was Tullius selber nicht hätte Zierlicher sagen gekonnt; Plato nicht ernster fürwahr, Gründe, die selbst einen eifrigen Epikuräer bekehren Könnten und einen, der noch standhafter wäre als der. 10 Mich auch hattest bewegt du: ich schlug aus dem Sinn mir das Mädchen; Schon war mein fester Entschluß: fort aus den Mauern der Stadt! Da nun geschahen die außergewöhnlichen Taten des Kaisers, Die er mit Heeresgewalt, wie auch im Frieden vollbracht'. Selber, mit eigenen Augen erblickte ich auch den Mäcenas, 15 Welchen das Urteil der Welt mit einem Gotte vergleicht. Schnell auf heroische Verse nun sann ich; die Flamme der Liebe Und das elegische Lied ward aus der Seele verbannt Amor erfuhr, wie mein Sinn sich geändert, und sagt' es dem Mädchen, — Wer wohl stände umsonst in der Unsterblichen Schutz? — 20 Weinend erschien Elegia bei mir, denn so nennt sich mein Liebchen. Damals erblickt' sie zuerst meiner Penaten Altar. Herzlicher Dank, o mein Lamola, sei dir; du machst, daß sie zu mir Kommt, ja du schicktest uns selbst beide ins Hochzeitsgemach. Schön war sie immer gewesen, ja schöner als alle die Schönen; 25 Da aber schien mir 's sogar, daß sie sich selbst übertraf: Wahrlich, du hättest geschworen, es hab' Elegia der Göttin Artemis' Züge entlehnt oder auch Heras Gesicht. Herrlicher wurde das Haus mir und duftender, ja auch die Wände Schienen vom Lächeln verklärt, da meine Göttin sich naht 30 Eben erst hatte dein Rat mich bestimmt, und ich wollte von hinnen, — Aber da stand sie, da schmolz mir an der Brust sie dahin. IL 13. Der Kaiser (Caesar) Ist Sigismund, der bald darauf genannte Maccenas Cosüno de" Medid. 151 Non potuit primo, quamvis bis terque iterumque Atque iterum fuerit nixa, puella loqui. 35 Pro verbis lacrymae, lacrymae pro voce fuerunt. Quäle, dei magni, pondus habent lacrymae 1 Nam me flexerunt, quanquam potuere quadrigas Solis et irati sistere tela Jovis. Mens mihi mutata est. Heroum gesta valete, 40 Maecenasque tua cum probitate vale. Vos quoque grandisoni longe procul ite cothurni; Possidet ingenii jus Elegia mei, Utque elegi im bell es nobis sine fine place reut, Lux mea de tali carmine nomen habet. 45 Qui potuit primus dominae contemnere fletus, Quisque fuit, vere saxeus ille fuit. mctro. Scribendum putavi flexus sed certus. Saepius commutari sed et et scribarum negligentia observarant vlri docü ad Liv. XXI, 26. et Catull. LXVI, 22. Videtur Antonius ob oculos habuisse Vlrgtllanum »lud Aen. IV, 554. Aeneas celsa in puppi jam certus eundi, unde non repugnaverim, si malueris flexus jam certus. 36. Ovid. Amor. II, 19, 18. oscula, di magni, qualia quotque dabat! 36. Ovid. Amor. II, 5, 51. 52. (Oscula) ex animo dedit optima, qualia possent Excutere irato tela trisulca Jovi. 39. Ovid. Amor. II, 1, 35. 36. heroum Clara valete nomina. I, 1, 28. ferrea cum vestris bella valete modis. 42. Ludov. Carbo, lector gymnasU Ferrariensis ab anno 1456 ad annum 1465 teste Borsetto in Hlstoria almi Ferrariae gymnasil parte II. p. 39. in carmine manu scripto fol. 184. codicis Coburgensis: Borsius omne meum possidet 45. Codex Cob. primo, Florent primum. Tlbull. III, 2, 1. 2. 3. 4. Qui primus caram juveni carumque puellae Eripuit Juvenem, ferreus ille fuit. Durus et ille fuit, qui tan tum ferre dolorem, Vivere et erepta conjuge qui potuit. ldem I, 10, 1. 2. Quis fuit. horrendos primus qui protulit enses? Quam ferus et vere ferreus ille fuit! 152 Digitized by Google Erst zwar vermochte das Mägdlein, obgleich sie's zwei-, dreimal versuchte Und immer wieder aufs neu, gar nicht zu sprechen vor Schmerz: Tränen nur fand sie statt Worte; ihr einziger Laut war ein Schluchzen. 35 O, ihr Unsterblichen, schwer wiegen die Tränen fürwahr! Mich hat ihr Weinen gerührt, und ich hätt' dem Gespanne des Phöbus, Hätte des zürnenden Zeus* Pfeilen mich kühn widersetzt Aber mein Sinn ist geändert Lebt wohl nun, ihr Taten der Helden, Du auch, leb' wohl, mein Mäcen, der du so leutselig bist! 40 Bleibt mir vom Leibe, hochtrabende Verse im Stil des Kothurnus; Nur Elegia noch hat über den Genius Macht Weil mich die stille, elegische Dichtung so wunderbar anspricht, Hat auch mein herziger Schatz wohl seinen Namen daher. Wer es zuerst übers Herze gebracht, aus dem Weinen des Liebchens 45 Nichts sich zu machen, der war sicher aus Felsen und Stein. 36. Ovid.. Amor. II, 19, 18: Große Götter, wie gab Küsse sie mir und wie viel! 38. Ovid., Amor, n, 5, 51—52: Küsse gab sie die besten nach Lust, die dem zornigen Jovi Sein dreispitzig Geschoß hätten entreißen gekonnt. 39. Ovid., Amor, ü, 1, 35—36: Gefeierte Namen der Helden, Übet mir wohl! L 1, 28: Lebet mit euerem Maß, eiserne Kriege, mir wohl. 42. Lodovico Carbone in einem Gedichte, BL 184 der Koburger Hand- schrift: Borsio verfüget allein Uber mein ganzes Genie. 45. Tibull. UI, 2, 1-4: Eisern war, der zuerst dem liebenden Mädchen den Jüngling, Welcher dem Jüngling zuerst seine Geliebte geraubt. Aber auch jener war hart, der gelassen zu tragen den Jammer, Und von der Gattin getrennt, länger zu leben vermocht. 153 Ferreus Aeneas, de tigride natus Ulixes, Dums Virgilius, durus Homerus erat Scilicet humano mollique ex sanguine cretus Non hominum movear Iuctibus et crucier! Qui tribuit lacrymas homini deus, inde fatetur Ex lacrymis, idem et mollia corda dedit Desine me placida verbis abducere terra, Desine me domina dissociare mea. Ovidius Amor. III, 6, 59. 60. Ille habet et silices et vivum in peetore ferrum. Qui tenero lacrymas lentus in ore viäet. 47. Ovld. Metamorph. VII, 32. 33. Hoc ego si patiar. tum me de tigride natam. Tum ferrum et scoputos gestare in corde fatebor. Ludov. Carbo in carmine manuscripto jam citato eodem codids nostri folio: Tigribus asperior, Lernaea saevior hydra. Durior es scopulis. durior es chalybe, Si potes in taiem sensus de f ledere mentem, ut Sustineas tantum deseruisse ducem. Idem In ailo poemate folio codids nostri proximo: Ferreus ilte quidem, Armenia de tigride natus. Durior et scopulis. durior et chalybe. Qui carae patriae mollissima Jussa recuset. 49. Cod. Cob. cretus, FlorenL natus. 51.52. Respldt locum Juvenalls XV, 131-133. Mollissima corda Humano generi dare se natura fatetur. Qua/ lacrymas dedit. Rorentinus ex lacrymis quo vel mollia corda dedit; Codex Coburgensis ex lacrymis quidem vel mollia corda dedit. Neutrum stare potest. Fed ex lacrymis. idem et mollia corda dedit, verbis inde fatetur ex lacrymis in parenthesi poslüs. Conferas etiam Tibullianum illud III, 6. 16. et indo- mitis mollia corda dedit. 54. Cod. Cob. vitlose placida pro domina. quae est scrlptura Florentini. 154 Digitized by Wohl war Äneas aus Eisen, Odysseus der Sohn einer Löwin, Harten Gemüts war Virgil sicherlich auch und Homer. Aber ich, traun, der ich sanftem und menschlichem Blute ent- stamme, Sollte nicht menschlicher Schmerz rühren und ängstigen mich? 50 War es ein Gott, der dem Menschen die Tränen veriieh'n — das bezeugen Deutlich sie selbst — , so gab er ihm auch fühlend ein Herz. Gib es drum auf, mich mit Worten der friedlichen Stadt zu ent- locken, Gib es nur auf, denn du trennst von der Geliebten mich nicht. Derselbe I, 10, 1-2: Wer wohl war's, der zuerst die gräßlichen Schwerter entblößte? Was für ein wilder, fürwahr, was für ein eiserner Mann! Ovid., Amor. III. 6, 59—60: Der hat Kieselgestein und lebendes Eisen im Busen, Der in dem zarten Gesicht Tränen zu sehen vermag. Lodovico Carbone, a. a. O.. auf demselben Blatt: Wilder als Tiger und grausamer noch als die Hydra von Lerna, Härter ja bist du als Fels, härter sogar noch als Stahl, Wenn die Gesinnung du also verändern gekonnt, daß du's fertig Brachtest und solch einen Herrn ließest so schnöde im Stich. Derselbe in einem anderen Gedichte, Bl. 185 derselben Handschrift: Eisern fürwahr Ist der Mann, von armenischer Tig'rin entsprossen, Härter ist jener als Fels, härter sogar noch als Stahl, Welcher den sanften Geboten des Vaterlands Achtung verweigert. 51—^52. Bezieht sich auf die Stelle bei Juvenal XV, 131—133: Dem Menschengeschlechte Schuf die Natur weichmüüg das Herz, wie sie selber bekennet, Weil sie Ihm Tränen verliehn. Vgl. auch Ttbull. in, 6, 16: (Amor) Hat in die roheste Brust sanfte Gefühle geflößt 155 Digitized by Google 55 Postquam mens rediit nyraphae, sie pauca locuta est, Pauca solet seraper, semper honesta loqui: I, si certa tuos persuadet causa recessus, Sed me posthabitam mox obiisse puta. Si steteris, vivam; sin ibis, luce relinquar. 60 Jura meae vitae juraque mortis habes. Vixdum finierat, cum quam mollissimus inquam: Crede mihi, non est cur vereare necem. Enecer ipse prius, certe prius enecer optem, Quam tibi vel minimi causa doloris eam. 65 Laetus agam tecum, sine te mihi nulla futura est, Si qua futura, tarnen moesta futura dies. Tu mihi, tu certe jueunda et summa voluptas, Tu mihi delirium, tu mihi dulce decus. Tu das ingenio vires, tu suggeris Oestrum, 70 Et vates vatum religiosa colis. Desine me plarida verbis abducere terra, Desine me domina dissociare mea. Jamque oculis nymphae tristis defecerat humor, Praestiterat dictis credula nympha fidem, 75 Inque meos vultus nitidos erexit ocellos. O oculos oculis sidera visa meis! Dicite, dii, vestrum cui desunt lumina; certe Furata est oculos nostra Elegia deis. 58. Scripsi posthabitam, etsi in utroque libro legitur posthabitam. 61. Cod. Cob. tum cum, Florent cum quam. 65. Florent. sine te mihi nulla futura est. cod. Cob. repugnante metro sine te nulla mihi futura est. 66. Codex Cob. si qua futura est moesta, Florentinus si qua futura tarnen moesta. quod metro poscente reeepi, Ovid. Herold. XXI, 39. 40. Si. nisi quae facie poterit te digna videri, Nulla futura tua est. nulla futura tua est. Idem Amor. III, 7, 17. quae mihi Ventura est, siquidem est Ventura, senectus. 67. Florent jueunda et sola, codex Coburg, fueunde et summa. 70. Cod. Cob. vatum, Florent. natum. 77. Ovid. Amor. III, 3, 15. dicite di. Tibull. Eplst. I, 5. 6. Illius ex oculis, quum vutt exurere divos, Accendit geminas lampadas acer Amor. 156 Digitized by Google Als aber endlich die Sinne dem Liebchen zurückgekehrt, sprach sie: 55 Dieses wenige, — stets redet sie ehrbar und kurz — : „Wenn ein triftiger Grund zum Gehn dich veranlaßt, so gehe, Aber das glaube mir, bald, sterb' ich Verlassene dann. Bleibst du, so lebe ich auf, aber gehst du, so schwindet das Licht mir. Beides, mein Leben und Tod, stehet in deiner Gewalt." 60 Sprach's; ich sagte darauf, so liebevoll als ich nur konnte: „Trau'st du mir so etwas zu, daß in den Tod ich dich treib'? Eher doch brächt' ich mich um, eh' wünscht' ich selber zu sterben, Eh' ich dir Ursache gäb auch zum geringsten Verdruß. Heiter nur kann ich mit dir, nicht mag ich ohne dich leben; 65 Wär mir ein Tag noch beschert, traurig nur wär er und schwer, Du nur, ja du nur gewährst mir die lieblichste, höchste der Wonnen. Du mein Entzücken und Lust, du meine süßeste Zier. Kräfte verleihst du der Seele und füllst sie mit hoher Begeist'rung; Wie eine Priesterin pflegst so du mein Dichtertalent " 70 Gib es nur auf, mich mit Worten der friedlichen Stadt zu ent- locken, Gib es nur auf, denn du trennst von der Geliebten mich nicht Schon war versiegt in den Augen des Liebchens die Nässe der Trauer; Weil mir mein Liebchen vertraut', hat sie mir Glauben geschenkt Und ihre niedlichen Äuglein nun hob sie und blickt ins Gesicht 75 mir — Ach, ihrer Augen Gestirn leuchtet' ins Auge mir hell. Saget, ihr Götter, hat einer von euch keine Augen mehr? Sicher Hat Elegia die Augäpfel den Göttern geraubt. 66. Ovid. Heroid. XXI, 39, 40 (Sappho an Phaon): Wahrlich es wird, wenn ihr schönes Gesicht sie deiner nicht wert macht. Keine die Delnige sein, keine die Deinige sein. 77. Ovid. Amor. III, 3, 15: Saget, 0 Götter 157 Digitized by Google Ulic insidias, illic sua tela Cupido, Luxurians illic retia tendit Amor. Mox mea candenti circumdat colla lacerto, Et sua conjungit mollia labra meis, Et centum et totidem tremula dedit oscuia lingua, Lingua suum atque suum dens peragebat opus. Jo. Jovianus Pontanus in Amoribus I, 7. 8. p. 14«. exempli Parisiensis: Nigraque formoso furata es lumina Amori, Et per te coecus dicitur die puer. 81. VersteuH 81-88. dcsunl in libro Florentino.— Ovid. de arte amat II, 457—460. Candida jamdudum cingantur colla lacertis, Inque tuos flens est aeeipienda sinus. Oscuia da flenti, Veneris da gaudia flenti; Pax erit. hoc uno solvitur ira modo. 84. Ovid. Amor. II, 5. 57. 58. Quod tota labellis Lingua tua est nostris, nostra reeepta tuis. Jo. Jovian. Pontanus in Amoribus IV, 11. 12. p. 151. exempli Parisiensis: Phryne, consere labra Pugnent humidulae per ora tinguae. Idem IX, 17. 18. p. 155. Ac linguam querulo cum suxerit ore trementem Exanimis collo pendeat ipsa tuo. Idem U, 39-44. p. 202. Ne linguam nostris committas forte labellis, Ne fernere id, quod te laedere possit, agas. Nulla fides legi, valeat reverentia legum, Culpa tua est, partes dens aget ipse suas. Nec sat erit suxisse genas, strinxisse labellum, Tuta nec in clauso lingua erit ore tibi. idem LH, 9. 10. p. 203. At tu quum dederis mihi suavia, consere linguam Inter labra, meo Semper et ore fove. 158 Digitized by Google Dort auf der Lauer liegt Amor und sendet von dort seine Pfeile, Dort hat Cupido, der Schelm, Netze und Fallen gestellt. Bald mit den Armen, so weiß wie Milch, umschlang meinen Hals sie, Während den Mund sie mir mit schwellenden Lippen verschloß. Küsse, wohl hundert um hundert mit spielender Zunge mir spen- dend, Lippen und Zunge und Zähn* fanden nicht Ruhe dabei. Tibull. Eplst. I, 5, 6: Sollen die Götter entbrennen, so zündet Cupido, der strenge, An ihren Augen ein paar Fackeln fürs Brautgemach an. Giov. Giovano Pontano, Amores 1, 7, 8, S. 148 der Pariser Ausgabe: Da du dem lieblichen Amor die dunkelen Augen geraubt hast, Ist nun der Knabe durch dich, Mädchen, erblindet, wie's heißt. 81. Ovid, de arte amat II, 457-460: Jetzt umschlinge sogleich den weißen Hals mit den Armen Und an den Busen fest drücke die Weinende dir. Küsse die Weinende, gib der Weinenden Freuden der Liebe, So kehrt Friede zurück, so nur versöhnst du den Zorn. 84. Ovid, Amor. Ii, 5, 57, 58: daß ich ganz mit den Lippen Deine Zunge, daß du meine mit deinen empfingst. Giov. Gioviano Pontano, Amores IV, 11, 12, S. 151: Phryne, o drücke Lippen auf Lippen, Streiten Im Munde laß sich die Zungen. Derselbe IX, 17, 18, S. 155: Wenn sie mit girrendem Mund deine zitternde Zunge gesaugt hat, Hangt sie von Wollust entseelt, fest dich umklammernd, am Hals. Derselbe LI, 39-44, S. 202: Lasse auch ja deine Zunge nicht etwa hinein zu den Lippen, Tue nicht ohne Bedacht etwas, was schaden dir kann. Schenk' dem Versprechen nur ja keinen Glauben, denn schließlich Ist's deine Schuld, wenn der bissige Zahn tut, was zu tun er gewöhnt. Und nicht genug ist's, die Wangen zu küssen, die Lippen zu drücken, Auch im geschlossenen Mund ist dir die Zung' nicht geschützt. Derselbe LH, 9, 10, S. 203: Wenn du mir Küsse willst geben, so drücke nur fest deine Zunge Zwischen die Lippen und halt in meinem Munde sie warm. 159 85 Tum mihi quae Semper sint ora bilinguia sensi, Qualia serpentes vulgus habere refert Millia si dederit mihi basia, millia carpam, Atque videbuntur millia pauca mihi. 85. Scripsi tum pro tu codids nostri. Jo. Jovian. Pontanus In Amoribus VIII, 3. 4. p. 154. Cumque meis pariter conjunge labella labellis, Pro serpente mihi sit vaga lingua duplex. De duplid vel potlus bifida sivc bisulca lingua serpentum conferatur Aristoteles Historiae anlmalium libro II. cap. 17. ttwv öl naoä tag töv äXXcrv yhäxxag Ixovai aal ol 6q>etg xal ol oatioot tö dixgöav ainäv tlvai rifv ykörrxav äxgav, noli) de (idXioxa ol öqpetg' tä yag äxga air&v tau Xemä, &a.-reQ *QlzeS> tz* 1 °l xa * ') gxtntr) tozcnn'viir rifv yk&xxav. Locum philosophi ante oculos habult PHnlus Hlst. nat. libro XI. cap. 65. quanquam hic serpentibus trisulcam Unguam tribuit. Nec Ovidlo Ignota bisulca lingua serpentum: Metaraorph. IX, 63—65. Elaborque viro longum formatus in anguem, Qui postquam flexos sinuavi corpus in orbes, Cumque fero movi Unguam Stridore bisulcam. Simlliter Plautus in Persa II, 4, 28. tanquam proserpens bestia est bi Unguis et scelestus. Idem in Poenulo V, 1 , 74. b i s u 1 c 1 1 1 n g u a , quasi proserpens bestia. Ii lud ipsum nostrum osculari consertis Unguis, jam Plautl aetate notum, inducit cum quoque in memoriam serpentum bilinguium, in Pseudolo V, 1, 13—16. Ubi amans complexus est Amantem. ubi labra ad labella adjungit, Ubi alter alterum bilingui mani/esto Inter se prehendunt. Nec aliud slbi volunt gemlnae linguae Pontani in Amoribis XXVIII, 1—4. p. 177. Carae mollia Drusulae labella Cum. dux magne. tuis p remis labellis. Uno cum geminas in ore linguas Includis sirnu!. et simul recludis. • 86. Codex Cob. serpentum. quod emendavi. 87. Joannes Secundus Bas. VII. Centum basia centies, Centum basia millies. 160 Digitized by Google Da wohl hab ich's geahnt, was ein Mund mit zwei Zungen ver- 85 möchte, Wie nach der Meinung des Volks Schlangen ihn haben. Wenn auch Tausend der Küsse sie gäbe, ich raubte ihr tausende wieder, Und mir schienen doch noch tausende wenig zu sein. 85. Giov. Gioviano Pontano, Amorcs VIII, 3, 4 : Mit meinen Lippen zugleich auch verbinde die deinen zum Kusse, Wie eine Schlange dann spielt doppelt die Zunge im Mund. Über die doppelte oder vielmehr zweiteilige oder zweigespaltcnc Zunge der Schlange vergleiche Aristoteles, Historia animalium II, Kap. 17: .(die Schlangen- zunge) hat die Eigentümlichkeit, daß sie, ebenso wie die der Eidechsen an der Spitze in zwei Teile gespalten ist; aber diese Spaltung tritt bei den Schlangen mehr hervor und die Spitzen der Zunge sind fein wie Haare. Auch die Robben haben gespaltene Zungen.* Diese Stelle des Philosophen hatte PI in ins, Natur- geschichte, Kap. 65, vor Augen, obgleich er hier den Schlangen dreigespaltene Zungen zuschreibt. Auch dem Ovid war die zweigespaltene Schlangenzunge nicht unbekannt (Metamorph. IX, 63—65): Und ich entschlüpfe dem Mann, in Schlangengestalt mich verlängernd. Doch nachdem ich den Leib gekrümmt in gewundene Regel Und mit wildem Gezisch zweispaltig die Zunge bewegte. Ahnlich Plautus im Perser II, 4, 28: Zweizüngig und verschlagen wie ein kriechend Tier. Derselbe im Poenulus V, 1, 74: Mit zweigespaltner Zunge wie ein kriechend Tier. Auch dieses Küssen mit verschlungenen Zungen, schon zu Plautus Zeit be- kannt, erinnert ihn an die doppelzüngigen Schlangen (Pseudolus V, 1, 13—16): Wenn der Freund umarmt die Freundin, wenn sich Lippe drängt an Lippe, Wenn zweizüngig Spiel der eine mit dem andern, ihn umschlingend Treibet So bedeuten auch die .Zwillingszungen' bei Pontano, Amores XXVIII, 1—4, S. 177, ganz dasselbe: Der teuren Drusula schwellendes Lippenpaar, Wenn du's, o Herr, an deine Lippen drückst, In einem Munde die Zwillingszungen Zugleich einschließet und wieder frei läss't. 87. Joannes Secundus Bas. VII: Hundert Küsse hundertmal, Hundert Küsse tausendmal, ii Wl Digitized by Google Quicquid olent violae, Spirant opobalsama quicquid, 90 Tale quid ex bucca noster olebat amor. Jam modo non Arabes mercator, nec petat Indos; Hic quod in eoo littore quaerit habet Linquat apis flores, os suggat et hujus abunde Mella, nec Hyblaeis deteriora, dabit Mille et basia centies. Et tot millia millies. Quot guttue Siculo mari. Catullus V, 7-11. Da mihi basia mille, deinde centum. Dein mille altera, dein secunda centum, Dein usque altera mille, deinde centum, Conturbabimus illa, ne sciamus. 89. Hunc versum et reliquos usque ad Ariern rursus exhibet Florentinus editor. Juven. II, 41. hirsuto spirant opobalsama collo. Marüal. XI, 8. lassa quod hesterni spirant opobalsama drauci. 91. Cod. Cob. nec petat. Florent. ne petat. 92. Scripsi quod pro quid codids Coburgensis et Florentini. 93. Florent. suggat, quam scripturam supra eplgrammate VII. libri secundi Herma- phroditi expressam vldimus ab editore Parisiensi. Codex Coburgensis succet. Vita b. Columbae Reatinae in Actis sanctorum tomo V Maji p. 340. quatenus possin t abstrusa mella ruminando succare. Mox Florent ab inde, codex Cob. abunde. 94. Jo. Jovianus Pontanus in Amoribus XVI, 23. 24. p. 162. Oscula si liceat teneris sumpsisse labellis, Vilis Hymettus erit. vilis et Hybla mihi. Idem ibidem L, 3. p. 201. De labris, mea Stella, tuis mihi mella liquescunt. Joannes Secundus Basio XIX. Mellilegae volucres, quid adhuc thyma cana rosasque Et rorem vernae nectareum violae Lingitis. aut florem late spirantis anethi? Omnes ad dominae tabra venite meae. lila rosas spirant omnes. thymaque omnia sola. Et succum vernae nectareum violae. 162 Digitized by Google Düfte, wie Veilchen sie spenden, wie Balsamgebüsch sie ver- breitet, Solcherlei atmet der Mund meiner Geliebtesten aus. Nicht zu den Arabern mehr, zu den Indern nicht gehe der Kauf- mann; Was er am östlichen Strand suchet, das findet er hier. Biene, verlasse die Blumen und saug ihren Mund; überreichlich Gibt er dir Honig, der nicht steht dem hybläischen nach. Tausend Kusse tausendmal, Ja, so viele tausend Tausend, Als das Mittelmeer halt Tropfen. CatuUus V, 7-11: Denn Kusse gib mir tausend, wieder hundert, Tausend wieder in einem fort, und hundert. Dann noch mal tausend, dann wieder hundert. Sind's viel Tausende nun, so wirren alle Durcheinander wir dann, sie nicht zu wissen. 89. Juvenal n, 41: vom Salbengemische duftet der zottige Hals dir. Martial. XI. 8: So wie der Balsam riecht, der entquoll ausländischen Stammen. 94. Giov. Gioviano Pontano, Arno res XVI, 23—24: Darf ich von ihren so zärtlichen Lippen mir Küsse erobern, Schätz' ich Hymettus gering, mache aus Hybla mir nichts. Derselbe, ebendaselbst L, 3: Von deinen Lippen, o Stella, ergießt sich mir flüssiger Honig. Joannes Secundus, Bas. XIX: Honigsammelnde Schwärmer, was schlürft ihr in Thymian und Rosen, Was aus den Veilchen im Lenz Nektar und duftigen Tau, Oder besuchet die Blüten des weithin duftenden Fenchels? Kommt zu der Liebsten und fliegt auf ihre Lippen im Chor. Diese ja duften den Duft aller Rosen und Thymianblüten, Und den nektarischen Saft lieblicher Veilchen im Lenz. II« 163 95 Desine me placida vcrbis abducere terra, Desine me domina dissociare mea. Non hac una Venus, non unus in urbe Cupido est, Sunt centum, non hac unus in urbe deus. Hac etsi innumeri sint urbe deique deaeque, 100 Sola mihi facie bella Elegia placet, Atque adeo grata est, quantum non grata Catullo Lesbia, nec Gallo grata Lycoris erat Sunt hic praeterea veteres fidique sodales, Sanctius hic meus est, hic Farafalla meus. 105 Ergo vale, et nostro scribas quandoque Guarino, Quam salvum nostro nomine redde virum. m HERMAPHROD1TI AD GUARINUM VERONENSEM. Quantum Romulidae sanctum videre Catonem, Quantum Cephoeni volitantem Persea coelo, Alcidem Thebae pacantem viribus orbem, Tantum laeta suum vidit Verona Guarinum. 100. Florent. facie. cod. Cob. faciet. 101. Codex Cob. non grata, Florent. nec grata. 102. Ovid. Amor. I, 15. 30. et sua cum Gallo nota Lycoris erit. 104. Panormita ad Cambium fol. 60. Hbrl VeneM: hesterno vesperi redditae mihi sunt ex Bononia literae a Joanne Farafalla, Siculo quodam con- terraneo meo. viro eloquenti. et juris civilis non solum doctore, sed etiam docto. Idem ad Xanthium fol. 63. a Farafalla nostro Hieras accepi; valet. sed in re tenui. Idem ad Antonium Cremonam fol. 19. de Farafalla meo si quid senseris scribe. 105. Cod. Cob. scribas quandoque. Florent. sc n bis si quando. III. Descrlpsi hoc epigramma ex codice Coburgensi. Conferas Ovid. Amor. III, 15, 7. 8. Mantua Virgilio gaudet. Verona Catullo. Pelignae dicar gloria gentis ego. Martialls XIV, 195. Tantum magna suo debet Verona Catullo. Quantum parva suo Mantua Virgilio, 164 Digitized by Google Gib es nun auf, mich mit Worten der friedlichen Stadt zu ent- 95 locken, Gib es nun auf, denn du trennst von der Geliebten mich nicht. Nicht diese einzige Venus nur gibt's in der Stadt, nicht nur einen Amor, — nein hundert; so viel göttliche Wesen sind hier. Aber es mögen Unzahlige Götter und Göttinnen hier sein, Nur Elegia gefällt mir mit dem hübschen Gesicht. 100 Auch ist sie lieb mir wie nicht dem Catullus die Lesbia lieb war, Wie ihrem Gallus so lieb auch die Lycoris nicht war. Außerdem habe ich hier noch viel alte und treue Genossen. Sanzio lebet mir hier, hier Farafalla, mein Freund. Lebe in Frieden, und schreibst du zuweilen an unsern Guarino, 105 Wünsche dem Manne von uns Freunden viel Segen und Heil. ID. Hermaphroditus an Guarino von Verona. Sowie des Romulus Enkel auf Cato, den tugendgeschmückten, Sowie die Leute des Cepheus auf Perseus, den schwebenden, schauten, Theben auf seinen Alciden, der kraftvoll den Erdkreis gebändigt, Also schaut das beglückte Verona auf dich, Guarino. 102. Ovld., Amor. I, 15, 30: Und mit dem Gallus auch wird seine Lycoris berühmt. 104. Panormita an Cambio S. 60: „Gestern abend empfing ich aus Bo- logna einen Brief von Giovanni Farafalla, einem Landsmann von mir aus Sizilien, einem redegewandten Manne, der im bürgerlichen Rechte nicht nur Doktor ist. sondern auch wirklich viel davon versteht." Derselbe an Sanzio S. 63: „Von unserem Farafalla habe ich einen Brief bekommen; er ist gesund, lebt aber in bescheidenen Umständen." Derselbe an Antonio Cremona S. 19: „Wenn du von meinem Freunde Farafalla etwas hören solltest, so schreibe mir." DL Vgl. Ovid., Amor. DL 15, 7—8. Mantua freut sich Virgils; Verona seines Catullus, Wahrend man mich den Ruhm nennt des Pclignischen Stamms. Martial. XIV, 195: Was die so große . Stadt Verona ihrem Catull dankt, Das die so kleine Stadt Mantua ihrem Virgil. 165 Digitized by Google IV. GUARINI AD HERMAPHRODITUM. Musarum decus, Antoni, per saecula salve. Theocriton, antiquum Siculae telluris alumnum, Effingi s, prisca revocans dulcedine vatem: Sicilides Latio per te dabit Aetna Camenas. v. EIUSDEM AUCTORIS AD QUENDAM PUERUM. Cum nequeat nummos, mittit tibi carmina vates, Tu tarnen argento carmina pluris habe. Excipiunt quemvis a morte, rcdempte, Camenae; Carmine vivit Itys, carmine vivit Hylas. 5 Fortunate puer, quem dilexere po€tae; Care puer vati, non moriere, puer. Et te sandus amat vates, ut teque perennet Conetur, at tu cur amet ille stude. IV. Carmen desumtuin est ex epistola illa Guarini ad Jo. Lamolam, quam supra dedimus In Testlmonlis. Inest vero etiam in appendlce codi eis Co- V. Est ultimum Carmen appendids in codice nostro, unde descripsi. 3. Codex dempte, quod cum ferri non posset, correxi redempte. 4. Ovid. Metamorph. VI, 658. 59. Prosiliit Ityosque Caput Philomela cruentum Misit in ora patris. Propert. I, 20, 48. Tum sonitum rapto corpore fecit Hylas. 6. Ovid. Amor. I, 10, 62. carmina quam tribuent fama perennis erit. Hic finis codicis Coburgensis. Librarius subscripsit: 'Eyi) Nixolaög 166 Digitized by Google IV. Guarino an Hermaphroditus. Sei mir gegrüßet, Antonio, ewige Zierde der Musen! Stellest du doch den Theökritos dar, der sizilischen Erde Sprößling, erneuernd die lieblichen Weisen des älteren Sängers: Also gab Aetna durch dich den Lateinern sizilische Musen. V. Derselbe Autor an einen Knaben. Da es ihm mangelt an Geld, so schickt dir der Sänger Gedichte; Achte indessen das Lied höher als Silber und Gold. Jeglichen, wer es auch sei, befreien die Musen vom Tode: Lebet nicht Itys im Lied, lebet nicht Hylas im Lied? Glücklich zu preisender Knabe, den Dichter so lieben! O Liebling, 5 Feuer dem Sänger, 0 nein, sterben nicht sollst du, mein Knab'l Dich auch liebt ein geweiheter Dichter, und dich zu verew'gen Ist er bestrebt; doch du frag* dich, warum er dich liebt. V. 4 — 6. (Statt zweier von Forberg zitierter Stellen stehe hier passender Tibull. I, 7; 63-65: Purpurnes Haar hat Nisus im Uedel Wenn Lieder nicht wären, Zierte des Pelops Arm glänzendes Elfenbein nicht! Leben wird, wen die Muse besingt.) Ovid., Amor. L 10. 62: Einzig dauert der Ruhm, welchen Gesänge verldhn. 167 VL ANTONII PANORMITAE LAUS ELYSIAE. Elysia, auricomas inter celeberrima nymphas, Quae forma aut animo laus erit apta tuo? Colla nives, et labra rosas, et luraina vincunt Sidera, culta Helene, nuda Diana dea es. 5 Quum loqueris, quamvis rara et perpauca loquaris, Sola tarnen digna es multa loqui atque loqui. Quid loquar artiftces digitos, quid pensa, quid artes, Et quibus evitas otia mille modos? Inter opus tantum dulce, o dulcissima, cantas, 10 Et cantu nolens pectora multa capis. Nam saltu licet ipsa lyrae, licet ipsa choreae Sis decus, ad thiasos rara vocata venis. At si quando venis, paulum cessura labori, Te Charites sociant, te comitatur Amor. 15 Quacunque incedis, Spirant violaeque rosaeque, Incedis noctu, nox fit et illa dies. Quidquid habent omnes divi divaeque decoris, Quidquid habent laudis, tu quoque laudis habes. Hoc etiam felix, quod formosissima pulcro 20 Scilicet et casto casta puella places. Ista puellarum decus es, decus ille virorum, Clari ambo, et claris moribus ambo pares. Ambos ergo deus longaevos servet in annos, Saepius et timidos jungat utrumque Venus. VTL AD GALGAN UM. Quod tibi tarn sero mitto, Galgane, libellum, Da veniam; mitti noluit ipse über. vi. Hoc carmen Hcrmaphrodlto subjlcit editor Partsicnsis ex codice mem- branaceo bibliothecae Mediceae. 5. Paris, et pauca. Inde fed metro jubente et perpauca. 168 Digitized by Google VI. ■ Lob der Elysia von Antonio Panormita. Meine Elysia, gefeiertste Schöne, mit goldenen Locken, Preist dich wohl irgend ein Lob würdig nach Geist und Gestalt? Nacken und Lippen und Augen beschämen Schnee, Rosen und Sterne; Helena bist du im Schmuck, nackt bist Diana du selbst. Selten und wenig zwar sprichst du, und doch bist du wert es 5 alleine, Vieles zu sprechen, so schön ist jedes Wort, was du sagst. Was soll von kunstreichen Fingern ich sagen, Handarbeit und Künsten, Allerlei Arbeit, womit du dir vertreibst deine Zeit? Während der Arbeit dann singst du, o süßestes Mädchen, so lieblich, Daß du, willst du's auch nicht, Herzen bezwingst durch Gesang. 10 Leider, obgleich du die Zierde des Reigens und musischen Spiels bist, Kommst du doch selten herbei, wenn man dich rufet zum Tanz. Lassest du aber dann einmal die Arbeit ein wenig im Stiche, Kommst mit den Grazien vereint, kommst du mit Amor zum Tanz. Wo du auch gehst, da duften die Veilchen und duften die Rosen, 15 Gehst du in finsterer Nacht, wird auch das Dunkel zum Tag. Alles, was Göttern und Göttinnen eigen an Zierde und Schmuck ist, Alles was diese des Lob's würdig macht, zieret auch dich. Glücklich auch trifft es sich, Schönste, daß du, solch ein züchtiges Mädchen, Grad einem Jüngling gefällst, züchtig und hübsch wie du selbst 20 Bist du die Zierde der Mädchen, so ist er die Zierde der Männer; Beide ja seid ihr berühmt, beide an Tugenden gleich. Beide erhalte euch Gott bis zum hohen gesegneten Alter. Venus vereinige euch, schüchternes Pärchen, recht oft. VII. An Galgano. Daß ich so spät dir mein Büchlein, o Galgano, schicke, verzeih mir's. Wollte das Büchlein doch selbst nicht, daß ich's schicke zu dir. 169 Digitized by Google Saepe equidem monui, dominum pete, candide codex; Respondit: lapides, non mea scripta legit vm. PETRO LUNENSI. RESPONDET, QUOD NOL1T DESCRIBERE BELLA NOSTRI TEMPORIS, TAMETS1 SPLENDID A ILLA SINT. Scilicet Etrarii sunt inclyta gesta senatus Et sunt anguigeri fortia facta ducis, VH. Recepi hoc epigramma ex opusculis Panurmitae Venettis 1553 cdiiis, ubi locum tenet inter carmina XXIV. VIII. Descripsi poeticam hanc Antonii epistolam ex tomo secundo Canninnm illustrium poetarum Italorum p. 112. 113. Petrus Lunensis Hispanus, pontifex Rom an as electus anno 1394, sumto nomine BenedlcÜ XIII. solus ex ponti- ficibus schismaticis Constantiensi fulmine non fractus obiit nonagcnarius anno 1423 in Hispania. Unde dlscimus, Hennaphroditum scriptum fuisse ab Antonio ante annum 1423; nugas enim, quas versiculo nono comraemorat, nihil esse aliud nlsi epigrammata Hennaphroditl dubltari nequit Hermaphrod. II, 1, 24. nugis praefera beüa feram. In eodem epigrammate versu 3. secundum Vcnetum malles posthabitis nugis lusuque jocoque. Item I, 27, 1. Sancti. nugarum lector studiose mearum. Item I, 13, 1. 2. Antonius a Lepidino vocatur auctor nugarum. Etiam Marti alis epigrammata sua dicere amat nugas: U, I. nee tantum nugis serviet Ute meis. VTTJ, 3. tune potes dulces, ingrate. relinquere nugas? IX, 1. ille ego surrt nullt nugarum laude secundus. 2. Anguigerum ducem vocat Philippum Mariam, ducem Mediolanensem , qui prindpatum tenult ab anno 1412 ad annum 1447. Fult ejus anagnostes a Ii quam diu Antonius noster, teste Paulo Jovio in Vitts XII. Vlcecomltum Mediolani prineipum p. 186. Oblectabat otium historiarum lectione. qua mm Antonius Panhormita, literarum nomine praeeipuo in honore Habitus, aliquamdiu fuit anagnostes. Vicecomitum Medlolanenslum , quorum pro- genies in Phllippo Maria defedt, instgne erat anguis caeruleus ter inflexus infantem rubrum ore tenens. Rd originem audiamus eundem Paulum Jovium in praefatione operis dtati exponentem: Otho (auctor nobilis gentts Viceco- asperrimis ad Nicaeam atque Orontem praeliis spectatae viriutis famam consequutus, oppugnante demum Hierosolymas Gothifredo. gloriosa totius exercitus acclamatione coronam promeruit, quam Volucem, Saracenorum Digitized by Google Wenn ich es öfters ermahnte: Nun geh', liebes Buch, zu dem Herren, Gab es zur Antwort: Der liest Steine nur, aber nicht mich. Vffl. An Pedro de Luna; der Autor antwortet ihm, er wolle die zeitgenössischen Kriegsereignisse, so glänzend sie seien, nicht zum Gegenstande seiner Dichtung machen. Herrliches freilich vollbringt der Senat des etrurischen Freistaats, Starkes der Herzog, dess* Schild ist mit der Schlange geschmückt; VIII. Pedro de Luna, aus Spanien, wurde 1. J. 1394 zum Papst gewählt und nahm den Namen Benedict XIII. an. Er war der einzige unter den schis- matischen Plpsten, der von dem Bannstrahl aus Konstanz nicht getroffen wurde ; neunzigjährig starb er i. J. 1423 in Spanien. Wir ersehen aus diesem Datum, daß Antonio seinen Hermaphroditus vor dem Jahre 1423 verfaßt hat, denn die .Scherze', welche er, Vers 9, erwähnt, sind ohne Zweifel nichts anderes als die Epigramme des Hermaphroditus. Vgl. Herrn. II , 1; 24. II, 1; 3. 1,27; 1. I, 13; 1—2. Auch Martial nennt seine Epigramme .Scherze' und .Possen'. II, 1. VIII, 3. IX, 1. 2. Den .Schlangenträger' nennt er den Herzog FUippo Maria, Herzog von Mailand, welcher in den Jahren 1412—1447 regierte. Unser Antonio war eine Zeitlang sein Vorleser, wie Paolo Oiovio (Vitae XII Vicecomitum Mediolani principum, S. 186) erzählt: .Seine Mußestunden würzte er durch historische Lektüre; Antonio Panormita, dessen Name in der Literatur in hohen Ehren ge- halten wird, war eine Zeitlang sein Vorleser.* Die Visconti von Mailand, deren Stamm in FUippo Maria erlosch, führten im Wappen eine blaue, dreimal ge- wundene Schlange, welche ein rotes Kind, schon halb verschlungen, im Maul trägt. Den Ursprung des Wappenbtldes erzählt Paolo Oiovio in der Vorrede des erwähnten Werkes: .Otto (der Stammvater des edlen Geschlechts der Visconti) war in den helligen Krieg nach Syrien gezogen. Schon hatte er in zwei sehr schweren Treffen, bei Nlcaea und am Orontes, den Ruhm bewährter Tapferkeit erlangt, als er bei der Eroberung von Jerusalem durch Gottfried schließlich sich unter dem jubelnden Zuruf des ganzen Heeres den Lorbeerkranz verdiente, in- dem er den Woluk, einen Herzog der Sarazenen, der jeden tapferen Degen aus dem Heere der Christen zum Einzelkampf im freien Felde herausgefordert hatte, ganz allein vor allen andern, ohne daß die Wildheit des grausamen Barbaren oder der schreckliche Anblick seiner ungeheueren Waffen Eindruck auf ihn machte, glücklich besiegte. Er trug von dem Helme des erstochenen Feindes eine reiche und unsterblichen Ruhmes würdige Beute davon, nämlich eine goldene Schlange, die sich in unentwirrbaren Windungen drohend auf dem Scheitel des 171 Sunt et Aragonei praelustria proelia regis, Femina Parthenope mascula bella gerit, 5 Ne morer, Ausonias omnis Mars efferat oras, Cogitur atque armis gens peregrina suis. Magna quidem sunt haec, et magno digna poeta, Dignaque percupida posteritate legi, Quaeque ego praetulerim nugis, quaeque ilicet ausim 10 Atque suo atque gravi composuisse pede. Si nescis is sum, qui Virgilios et Homeros Malim quam Gallos Callimachosque sequi. Quamvis hi Veneres, quamvis hi bella reponant, Attamen auctori gloria cuique sua est. 15 In pretio est, pulcre teneros qui flevit amores, In pretio pulcre est arma virumque canens. Sed mihi, nescio cur sicut tu, sicut et alter, Maluerim ex bellis inde venire tonos. Dixeris ergo canas Martern ducis atque senatus, 20 Sive canas regem belligeramque nurum. Verum qualis erit ducis elargitio vati? Qualia, die sodes, praemia regis erunt? ducem, media in campo ad singulare certatnen fortissimum quemque ex Christiana acie provocantem ipse unus ante atios, nihil ejus immanis barbari ferocia vel terribili insignium armorum specie permotus. fortiter atque feliciter devicit. retulitque de confossi hostis galea opimum plenum- que immortali gloria spolium, auratam scilicet viperam inexplicatis spiris minaciter a cono cassidis erectam, et puerum passis manibus devorantem; quod unum auspicatae virtutis argumentum non modo gentilitiae laudis gestamen fuit. sed et posteris id insigne audacter usurpantibus et imperia et opes et late gloriam portendit. Transiit hoc insigne ad hodiemos quo- que duces Mediolanenscs c gente Austriaca. 3. Alphonsum V intclligit, Aragoniae et Siciliae, deinde post etiam Neapolis regem, qui regnavit ab anno 1416 ad annum usque 1458. Antonius fuit ejus ab epistolis, idemque laudator celeberrimus. 4. Femina Parthenope est Johanna II. regina Neapolitana ab anno 1414 ad annum 1435. quae mox versu 20. belügera Alphonsi regis nurus dicitur, quanquam id minus accurate, cum regem regina adoptasset. 6. Gens peregrina Italids coacta armis videtur esse Dalmatica, quam Veneti bello cum Hungaris gesto secundo decennio saeculi quinti deeimi in potesta- tem suam redegerunt. 172 Digitized by Google Glorreiche Treffen auch lieferte jüngst Aragoniens König; Parthenopeia, ein Weib, zieht wie ein Mann in den Krieg. Kurz, es verwüstet jetzt Mars die Gefilde Italiens alle, 5 Zwingt mit den Waffen sogar fremde Nationen ins Joch. Großes geschieht, eines Dichtertalentes würdige Dinge, Wert, daß die Nachwelt einst forschend und staunend es liest. Alles das würde den Scherzen ich vorziehn und schwänge wohl gar mich Auf zum heroischen Ton, der zu der Schilderung paßt. 10 Weißt du noch nicht, daß ich lieber Virgil und Homer als den Gallus Und den Kallimachos möcht' nehmen zu Vorbildern mir? Diese zwar schildern die Freuden der Liebe, und jene die Kriege; Dennoch hat jeder Autor seinen besonderen Ruhm. Der wird geschätzt, weil er zärtliche Klagen der Liebe so rührend, 15 Jener, weil Waffengetös', weil er den Helden besingt Aber ich weiß nicht, warum grade ich, weder du, noch ein andrer, Sollt' in melodischen Vers bringen den lärmenden Krieg? Willst du mir sagen: „Besinge den Krieg des Senats und des Herzogs, Singe des Königs, der kriegführenden Stiefmutter Lob!" — ? 20 Ja; aber wie wird der Herzog dem Dichter erkenntlich sich zeigen? Welche Belohnung, mein Freund, wird ihm vom König zuteil? Helmes aufrichtete, und einen Knaben mit hilfeflehenden Annen verschlang. Dieses Wahrzeichen siegreicher Tapferkeit wurde nicht nur von seinem Ge- schlechte ruhmvoll im Wappen geführt, sondern auch den Späteren, die das Wappen kühn sich aneigneten, zeigte es Herrschaft, Reichtum und großen Ruhm an." Dasselbe Wappen ging auch, nach dem spanischen Erbfolgekrieg, auf die Herzöge von Malland aus dem Hause Österreich über. 3. Er meint Alton so V., König von Aragonien und Sizilien, spater auch von Neapel, der von 1416 bis 1458 regierte. Antonio war sein Sekretär; er wurde als sein Biograph und Lobredner berühmt 4. Parthenope ist Giovanna IL, Königin von Neapel, 1414 bis 1435, welche etwas später, Vers 20, des Königs Alfonsos kriegerische Schwiegertochter genannt wird, was indessen unrichtig ist, da die Königin den König adoptiert hatte. 6. Die fremde, von italienischen Waffen bezwungene Nation scheinen die Dalmatiner zu sein, die die Venezianer, in dem Kriege gegen die Ungarn, im zweiten Jahrzehnt des XV. Jahrhunderts, unter ihre Oberherrschaft brachten. 173 Digitized by Google Aut nulla, aut certe quam parva, simillima nullis, Et quibus haud Chartas, quas perarabis, emas. 25 Usque adeo nostra sub tempestate tyranni Pro nibilo sacri carmina vatis habent Sit licet Aeneas dux, sit rcx alter Achilles, Si caret historico vate, peribit uter. Uli raucescant citharae, fons areat illi, 30 Quicunque ingrati principis arma canit, Et me destituant Musae, me pulcer Apollo Non am et, indigni si ducis acta feram. At tu principibus qui jucundissimus extas, Petre, fac ingenio par mihi munus eat 35 Tunc mea magnanimos largos regesque ducesque Evehet ad superos larga Thalia polos. IX. ELEG1A ANQELINAE. Quid quaeris, quid te tanto moerore fatigas, Spes mea, blanditiae deliciaeque meae? 36. Martialis VHI, 56. sint Maecenatts. non deerunt. Flaut, Marones. IX. Inest haec elegia in Margarita pottica Albcrti Eibensis follo 146. exempli Argentinae anno 1503 excusi, cum eplgraphe: ex Joanne Antonio Her- maphrodita, unde patet, compilatorem nomen llbrl mlnim in modum sum- sisse pro nomine auctoris, atque adeo ex Hermaphrodito fecisse Hermaphro- ditam. Compilatorem dico, nam ineptc praeflxlt venusto carmini, quo Angelina nescio cui amorem suum fatetur, versiculos plane alienos sex: Uror et occultae redeunt praecordia flammae: O ego si sileam terque quaterque miser! Duicis, amoena fui, multis mea facta plaeebant, Sed super pretium nil mihi dulce fuit. Diruit haec eadem quae me construxerat ara. Una meae vitae causa necisque fuit. Ac primum quidem distichon est epigramma XXVI. libri secundi Hermaphrodit!, alterum est ultimum epigrammatis XXX. ejusdem libri, tertium aliunde petitum quo referatur difficile dictu. Ne tarnen queraris, deficere te Interpretern, ubi Digitized by LjOOQle Entweder nichts oder wenig, so karg, daß es fast so wie nichts ist, Daß du nicht 'mal das Papier, das du verschreibst, dafür kaufst. Immer noch halten zu unseren Zeiten die Herren Tyrannen 25 Nichts von den Liedern, womit göttlich ein Sänger sie preist. Wenn auch der Herzog Aeneas, der König ein zweiter Achill wär, Spurlos vergehen sie beid', wenn sie der Sänger nicht nennt Jenem Poeten verstumme die Laut' und versiege die Quelle, Der einen Fürsten besingt, welcher mit Undank ihn lohnt 30 Mögen auch mich die Kamenen verlassen, Apoll mich nicht lieben, Wenn ich unwürdiger Herrn Taten erzähle im Lied. Du aber, der an den Höfen der Fürsten so gern ist gesehen, Pedro, sieh zu, daß mein Lohn meinem Talente entsprech. Dann wird Thalia auf Flügeln des Ruhms freigebige Kön'ge, 35 Herzög und Fürsten mir gern tragen zum Himmel hinauf. IX. Elegie der Angelina. Sag' mir, was sinnst du, was plagest du dich mit so großer Be- trübnis? Du, meine Hoffnung, mein Schatz, du meine Wonne und Glück! 36. Martial. VIH, 56: Ist ein Mäcenas, so wird nicht fehlen, o Flaccus, ein Maro. IX. Diese Elegie findet sich in der Margarita poetlca des Albrecht von Eybe, Straßburg 1503, S. 148, unter der Überschrift: ,ex Joanne Antonio Hermaphro- dita*, aus der hervorgeht, daß der Abschreiber sonderbarerweise den Titel des Buches für den Namen des Autors genommen und so aus einem Hermaphroditus eine Hermaphrodita gemacht hat. Man kann ihn sogar in schlimmem Sinne Ab- schreiber nennen, denn ganz unpassend leitet er das hübsche Gedicht, in dem Angelina ich weiß nicht wem ihre Liebe gesteht, mit folgenden sechs gar nicht hierher gehörigen Verszeilen ein: Wehe, ich brenne! Am Herzen mir nagen verborgene Rammen, Und wenn ich schweige, so fühl' harter mein Elend ich noch! Lieblich war Ich und reizend, und allen gefiel mein Benehmen, Aber mir selber gefiel nichts so als Silber und Gold. Mich hat derselbe Altar, der erbaut mich hat, wieder zerstöret. Mir floß Leben und Tod beides aus nämlichem Quell. 175 Digitized by Google Quid gemis, et totiens singultus pectora rumpunt? Quid lacrymis totiens lumina moesta raadent? maxime opus, fortasse est epitaphium puellae illius Perusinae, quae et Ladislao regi Neapolitano et sfbi Ipsa anno 1414, patris medid jussu decepta, necem ita con sei vissc traditur , ut venenato sudariolo incalescenüa membra in coitu perfricaret Certe potuit puella recte dlcere, dirul se eadem ara, qua fuisset construda. Intelligit cunnum, ad quem veluti ad aram sua solet mentula facerc Hbamenta. Prlap. LXXIH. Obliquis pathicae quid me spectatis ocellis? Non stat inguinibus mentula tenta meis. Quae tarnen exanimis nunc est et inutile lignum, UtUis haec. aram si dederitis, erit. Quis est, qui dubitet, aram, quam Priapus mentulae darf jubet, locum esse ad li band um aptum, sive sit cunnus, sive culus, sive os? Proxime enim addlt: Per medios ibit pueros. mediasque puellas Mentula, barbatis non nisi summa petet. Vult: date quod fodiat, illico surget mentula, et exsplendescet virtus innata; date culum, paedicablt, date cunnum, futuet, date os, irrumabit. Nihil stmpli- dus. Cave tarnen deproperes. Interpretes tantum non omnes bonam sen- tentlam desperant ex voce aram cruendam. Tcntant locum variis conjeduris. Mavult Scioppius arae, quasi dixerit Priapus, utilem fore mentulam ligneam suam tum, cum arae data fuerit ustulanda, Eggelingius cum Antonio arvum. Lessingius arrham, Burmannus secundus erucam, Orvillus coram aut sertum. Risum teneatis, amid! Desiderant viri docti locum similem. Nempe vetant dld recens, adhuc indidum ore aüol Forsan autem ne inauditus quidem est usus poeticus arae de cunno. Profert Burmannus secundus in Anthologia Latina tomo II. p. 592. epigramma Luxoril, poetae sexti saeculi, hoc: Zelotypus plures ineurvas clune puellas. Sed nulla est, quae te sentiat esse virum. C us t oilis clausus, Inn quam sis Omnibus aptus. Est tarnen internus Jupiter ex f amidi s. Si nihil ergo vales, vacuo cur arrigis orge, Et facis ignarus mentis adulterium? Versiculo quinto Codices manu exarati exhibent oge, quod cum nihlli sit, inde fedt Heinslus orge, Graecum quidem 6or>i Latinis literis scriptum, Bur- mannus secundus conjldt vacua cur arrigis arte. Quid si Luxorius dedit vacua cur arrigis ara, aut vacuae cur arrigis arae? Tum haberes, quo saüsfieret vel istls morosis. Digitized by Google Was sollen Seufzer und häufiges Schluchzen, die Brust dir be- engend, Was diese Tränen, die oft machen die Augen dir feucht? Das erste Distichon ist das XXVI. Epigramm des II. Buches des Hermaphro- ditus, das zweite der Schluß des XXX. Epigrammes desselben Buches; woher das dritte genommen sei, ist schwer zu sagen. Um aber meine Leser gerade bei dieser sehr schwierigen Stelle nicht im Stiche zu lassen, möchte ich vermuten, daB wir hier das Epitaphium jenes Mädchens aus Perugia vor uns haben, von welcher erzählt wird, dafi sie, durch ihres Vaters, eines Arztes, Befehl hinter- gangen, im Jahre 1414 den Tod des Königs Ladislao von Neapel und ihren eigenen dadurch herbeigeführt habe, daß sie beim Koitus ihrer beider erhitzte Geschlechtsteile mit einem vergifteten Schweißtuche abgerieben. Sicherlich konnte das Mädchen mit Recht sagen, daß sie durch denselben Altar zugrunde gehe, der sie erbaut habe. Sic versteht darunter die Fut, dem die Mentula, gleichsam als einem Altare, ihre Opfergaben darzubringen pflegt. Priap. LXXIU: Käufliche Dirnen, was schaut ihr mich schief an, so Uber die Achsel? Weil mir geschwellt nicht steht zwischen den Beinen der Schwanz? Ist er auch jetzt, wie ihr seht, ein entseeltes und wertloses Holzstück, Zeigt er sich nützlich sogleich, gebt ihm nur euren Altar. Wer kann hier zweifeln, daß der Altar, den Priapus für seinen Penis fordert, eben ein passender Opferplatz, eine Fut, ein Hinterer oder ein Mund sei? Denn gleich darauf setzt er hinzu: Jünglingen geht durch die Mitte mein Glied, durch die Mitte den Mädchen, Doch von den Bärtigen will's nichts als den oberen Teil. Das heißt doch: gebt ihm etwas zum Durchbohren, dann wird der Penis auf der Stelle sich aufrichten und in seiner natürlichen Bravour glänzen; gebt ihm einen Podex, so paediziert er, gebt ihm eine Fut, so fickt er, gebt ihm einen Mund, so irrumiert er. Nichts einfacher als das. Doch nicht zu hastig! Fast alle Kommentatoren verzweifeln daran, aus der Lesart ,aram* einen richtigen Sinn herauszubekommen und versuchen es an dieser Stelle mit Konjekturen. So zieht Scioppius .arae' vor, gleichsam als wolle Priapus sagen, seine hölzerne Mentula werde dann nützlich sein, wenn sie zum Verbrennen auf den Altar ge- geben werde; Eggeling liest mit Antonius ,arvum\ Lessing .arrham" Burmann II, .erucam", d'Orville .coram" oder .sertum'I Ist's nicht zum Lachen? Die Herren Gelehrten sehen sich nach einer ähnlichen Stelle um. Sie lassen freilich das nicht als neu gelten, was noch nicht von einem anderen ausgesprochen worden istl Vielleicht aber Ist der poetische Gebrauch des Wortes .ara' für „cunnus* gar nicht so etwas Unerhörtes. Burmann II bringt in seiner Anthologie latina, Teil II, S. 592, ein Epigramm des Luxorius, eines Dichters aus dem VI. Jahrhundert: 12 177 5 Sume animos, lux nostra, aniraae pars altera nostrae, Qui vitae arbitrium, mortis et unus habes. Sume, age, sume animos, o vita dulcior, o mi Dulcis amor, vita carior ipsa mea. Pone modum lacrymis, tantos compesce dolores, 10 Angelina rogat, quod rogat obsequere. Ferrea non ego sum, neque sum de tigride nata, At placidus sanguis nobile corpus alit Te clari exomant mores, te vivida virtus, Te decor atque altae nobilitatis bonos, 15 Et tibi frons laeta est et amica virentibus annis, Ingenuusque tuo splendor in ore sedeL Ula gerit silices et clauso in pectore ferrum, Quae talem imprudens nescit amare virum. Hoc unum superest, ut me miseratus amantem 20 Excipias nostros in tua jura sinus. Tu me ardere facis, tu me languere furentem, Causa meae vitae causaque mortis eris. Tu nostrum sidus, tu gloria nostra perennis, Omnia tu nostrae jura salutis habes. 25 Forma fuit teneris Semper suspecta puellis. Dii te perpetuent, cuncta et per saecula laetum Reddant, sint vitae stamina longa tuae. x. JOANNES JOVIANUS PONTANUS AD ANTONIUM PANORMITAM. Antoni, decus elegantiarum, Atque idem pater omnium leporum, 11. Sic supra in elegia ad Lamolam versiculo 47 ferreus Aeneas, de tigride natus Ulixes. 22. Similis versus 60 elegiac ad Lamolam: Jura meae vitae juraque mortis habes. X. Descripsi ex Parisiensl exemplo Amorum Pontani p. 157. 178 Digitized by Google Fasse nur Mut, meine Sonne, du anderer Teil meiner Seele, 5 Der du alleinig verfügst mir über Leben und Tod! Fasse, ich bitte dich, Mut; der du teurer mir bist als mein Leben, Süßer Geliebter, der mir einzig mein Leben versüBt! Zügle die Tränen und dränge die Schmerzen zurück in die Brust dir. Sieh, Angelina, sie fleht; folg' ihrer Bitte, mein Lieb! 10 Bin ich doch nicht wie von Eisen so hart, nicht von Tigern er- zeuget, Nein, meinen edelen Leib nähret ein friedliches Blut Dich aber sieht barlich schmückt die Sitte, leibhaftig die Tugend, Dich auch Zierde und Ehr hoher und edler Geburt Heiter erstrahlt deine Stirn und freut sich der blühenden Jahre, 15 Während der Mund einen Zug frischer Natürlichkeit hat Wahrlich, von Kiesel und Eisen ein Herz in der Brust hat das Mädchen, Welches nicht solch einem Mann liebend ergeben sich mag. Eines nur fehlt mir: daß du, dich der Liebenden freundlich er- barmend, Ganz mich mit Seele und Leib aufnimmst als deinen Besitz. 20 Du ja entzündest mein Feuer, du machst mich Ermattete rasen. Wie du zum Leben mich rufst, wirst du dem Tode mich weih'n. Aber du bist mein Gestirn, meine bleibende Sonne des Ruhmes; Über mein Wohl oder Weh schaltest und waltest nur du. Mögen die Götter dich immer erhalten, durch alle Jahrhundert' 25 Lebe du froh und es spinn Klotho den Faden dir lang. x. Giovanni Gioviano Pontano an Antonio Panormita. Antonio, Zierde der feinen Schreibart, Und gleichfalls Meister lust'ger Geschichten, Zclotypus, du beugst zwar mehreren Mädchen den Hintern, Daß du ein Mann bist, das hat aber noch keine verspürt Schließest sie ein und bewachst sie, als wärest du allen gewachsen, Aber ein Jupiter Ist unterm Gesinde im Haus. Wenn du nun also nichts taugst, was wird er vorm leeren Altar steif? Warum begehst du im Geist Ehbruch, und weißt's nicht einmal? 12- 179 Unus te rogat ex tuis amicis, Cras ad se venias, ferasque tecum 5 Quantumcunque potes facetiarum Et quicquid fuerit domi jocorum. Nam risus tibi tantum apparavit, Quantum Democrito diebus octo Profundi satis et super fuisset, 10 Quod tecum patulo cupit palato Perridere suapte risione, Condita levitate ineptiisque. XL EPITAPHIUM ANTONII PANORMITAE AUCTORE JOANNE JOVIANO PONTANO. Siste hospes; fas est cantus audire dearum. Grata mora est, Musae nam loca sacra tenent. Antoni monumenta vides, hinc templa frequentant. IUe fuit sacri maxima cura chori. Illum saepe suis medium statuere choreis, Duxit compositos, arte decente, choros. Saepe lyram cessit Clio, cessere sorores, Concinuit teneros voce manuque sonos. Exstinctum flevitque Aon, flevitque Aganippe, Sebethus miseros egit in amne modos. Sirenes quoque de scopulis miserabile Carmen Ingeminant, planctu littora pulsa sonant. Pierides tristem ad tumulum fudere querelas, Pierides passis post sua terga comis. Hinc crevit desiderium, nec cura recessit Vatis, at exstincto vate remansit amor. XL Praefationi Hennaphroditi adjedt editor Parisiensis hoc epitaphium, quo nolui lectores fraudare. 4. Parisiense cxcmplum mendose sacra. 180 Digitized by Google Dich bittet einer von deinen Freunden Komm morgen zu ihm und bringe mit dir So viel du kannst von deinen Fazetien, 5 Und was zu Haus sich findet an Scherzen. Denn so zum Lachen ist er grad aufgelegt, Daß auch Demokritos sicher acht Tage lang Genug und übergenug an dem Gelächter hätt', Das offnen Mundes er anschlägt mit dir; 10 Ausschütten wollen wir uns vor Lachen, das Mit Pikanterie und Zoten sei gewürzt XL Epitaphium des Antonio Panormita, von Giovanni Gioviano Pontano. Weile hier, Fremdling; es ziemt sich der Göttinnen Sange zu lauschen, Lieb wird dir sein der Verzug, wohnen die Musen doch hier. Siehe Antonios Grab; hier kommen zum Tempel sie häufig, Denn ihrer heiligen Schar teuerster Schützling war er. Mitten hinein in den musischen Reigentanz riefen sie oft ihn, 5 Wo er mit schicklicher Kunst führt* den geordneten Chor. Oft überließen ihm Klio und ihre Geschwister die Lyra, Zärtliche Weisen dann hob an er mit Stimme und Hand. Um den Verblichenen klagt Aonien und Aganippe, Sebethus murmelt, der Bach, Töne der Trauer um ihn. 10 Selbst von den Klippen erheben Sirenen nun Lieder voll Schwer- mut, Seufzend, daß von ihrer Klag' ringsum der Strand widerhallt Auf einem Hügel ergießen Wehklagen pierische Musen, Denen das lockere Haar fällt auf den Rücken hinab. Lebhafter nur wird der Wunsch, denn sie waren bemüht um den 15 Sänger Stets voll Eifer, und noch lieben im Tode sie ihn. Im 5. Verse haben die Handschriften .oge", was sinnlos ist, und daher von Heinsius durch ,orge\ das griechische dpyij ersetzt wurde. Burmann II ver- 181 Digitized by Google Conveniunt nunc ad tumulum, celebrantque choreas, Et celebrant lusus, magne poeta, tuos. En audis, sonet ut lenis concenübus aura? Ut sonet appulsu concita terra pedum? Haec vati memores Musae post fata rependunt; Carminis hoc meritum est Num satis? Hospes abi. Zu deinem Hügel nun kommen sie alle und feiern die Tänze Und deine Scherze im Lied feiern sie, großer Poet Hörst du, wie sanft durch die Lüfte harmonische Töne erklingen? Wie, von den Füßen berührt, leise der Boden erbebt? 20 So nach dem Tode belohnen die dankbaren Musen den Sänger; Das ist des Liedes Verdienst 1 Gehe nun, Fremdling, von hier. mutet .vacua cur arrigis arte.* Sollte nicht Luxorlus geschrieben haben .vacua cur arrigis ara" oder .vacuae cur arrigis arae*? Dann hatten wir eine Lesart, mit der auch jene eigensinnigen Herren zufrieden sein können. Digitized by Google APOPHORETA. Digitized by Google m Cato betrete unser Theater nicht, wenn aber doch, dann sehe er ruhig zu. Digitized by Google Von den Arten des Geschlechtsgenusses. Die verschiedenen Arten des Geschlechtsgenusses zu unter- suchen ist meine Absicht, freilich nicht alle überhaupt — denn wie könnte man die tausend Formen, die tausend Stellungen beim Geschlechtsgenusse, 1 mit denen erfinderische Übersättigung der Begierde der Venus zu opfern wagt, in einer Zahl aus- drücken? — sondern diejenigen, welche sich in einer gewissen Ordnung klassifizieren lassen, in die man leicht eine jegliche Art einreihen kann. Gib dich aber, lieber Leser, keiner falschen Hoff- nung hin. Ich gehöre nicht zu denen, die auf den Ruhm erpicht sind, eigene Erfahrungen oder neue Experimente in einem Fache vorzubringen, in welchem ich nicht einmal eine Prüfung abgelegt habe. Ich habe auch nicht vor, von Dingen, die ich gesehen und gehört habe, zu berichten; damit könnte ich dir, selbst wenn ich es noch so gern wollte, nicht einmal dienen, denn ich bin durch- aus von meinen Büchern abhängig, in denen ich so tief stecke, daß ich kaum noch mit Menschen verkehre. Ich ergriff diesen Zeitvertreib zunächst aus Neigung, indem ich eines durch das 1 O vidi us, De arte amatoria I, 435—436: Wollt' ich die schmähliche List der Buhlerinnen verfolgen, Wären der Zungen mir zehn nicht und der Munde genug. Aloisia Sigaea, S. 320 (S. 193 der Conradt'schen Übersetzung): .So viele Stellungen der Körper einzunehmen vermag, so viele verschiedene Arten des Liebesgenusses gibt es. Ihre Zahl läßt sich nicht angeben; ebensowenig läßt sich sagen, welche Stellung die wollüstigste sei. In der Wahl der Stellung ist für jeden Menschen jedesmal Laune, Ort, Zeit maßgebend. Gleiche Liebe für alle Menschen gibt es nicht." 187 Digitized by Google andere ersetzte, da die Philosophie, die ich einst zu meiner Lebensbeschäftigung erwählen wollte, jetzt daniederliegt — oder steht sie vielleicht in Flor, wenn fast jeder Tag neue Systeme hervorspriefien sieht, die schnell wieder untergehen, wenn heut- zutage beinahe so viele Philosophien vorhanden sind als es Philo- sophen gibt, wenn keine Schulen und statt der Gruppen nur noch einzelne Persönlichkeiten zu existieren scheinen? — Dann auch beschäftigte ich mich damit, um denen ein wenig zu raten und zu helfen, die sich in der allzufreien Naivetät der alten Schriftsteller und ihren gewürzten Pikanterien oft nicht zurecht- finden können, und sich über die schamhafte Kürze oder das Stillschweigen der Kommentatoren ärgern. Diese haben freilich für Knaben geschrieben, und niemand wird leugnen, daß sie recht hatten, sich nicht auf umständlichere und ausführlichere Schilde- rungen schlüpfriger Dinge einzulassen. Wenn ich mich irgendwo geirrt haben sollte, so entschuldige das, bitte, mit meinem geringen gelehrten Handwerkszeug, sowie mit der Unerfahrenheit in den ungewöhnlichen Lüsten, die in den Kleinstädten zu herrschen pflegt, und schließlich auch, sozusagen, mit der Biederkeit der koburgischen Schwänze. Ich bin hierin nicht der erste. Von meinen Vorgängern nenne ich Astyanassa, welche, nach Suidas, 1 zuerst „über die Stellungen beim Beischlaf" schrieb; Philaenis von Samos* oder vielmehr — damit man mir nicht nachsage, ich wolle fremden Ruhm ver- kleinern — den athenischen Sophisten Polykrates, der unter dem 1 Suidas : .Astyanassa. die Magd der Helena. Menelaos' Gattin, welche zuerst verschiedene Lagen beim Koitus erfunden und Ober die Figuren des Beischlafes geschrieben hat Sie hat später Nachahmerinnen gefunden in der Philaenis und der Elephantine, welche ebenfalls schmutzige Schandbücher von dieser Art ge- scnwaizig veronentiicnten. 1 Priapeia 63. 15 (nach der Übersetzung des Freiherrn Alexander v. Bernus): Hier besucht mich mit ihrem Buhlen oft Fräulein ... — fast wir Mir ihr Name entschlüpft und nachdem sie auf mehr Arten sich angegellt hat. als zu diesem Zweck Uns Philaenis erzählt hat begibt sie sich wieder hinweg. Ihr guter Ruf wurde von Aeschrion wieder gerettet der in dem Epitaphium der Philaenis (Athenaeus VIII. 335c) am Schlüsse sagt: 188 Digitized Namen dieser ehrenwerten Matrone ein Buch „über die verschiedenen Stellungen beim Liebesgenusse" schrieb; Elephantis 8 oder Ele- phantine, ein griechisches Mädchen, deren üppige Büchlein der Nicht war ich geil vor Männern, auch vorm Volke nicht; Doch hat Polykrates, wie sie sagen, von Athen der, Ein schlauer Schwätzer und begabt mit böser Zung 1 Da irgendwas geschrieben, wovon ich nichts weiß. Timarchus (bei Lukian, pseudol. cap. 24) besaß das Bachlein der Philaenis: .Oder in welchem Buche hast du diese Worte und Ausdrücke jemals ge- funden? Wohl in den Schriften der Philaenis, die du immer in den Händen hast.' 3 Suetonius.Tiberius, Kap. 43: .Seine verschiedenen Schlafgemächer schmückte er mit den malerischen und plastischen Darstellungen lasziver Szenen und Gruppen, und versah sie mit den Schriften der Elephantis, damit es niemandem beim Ausüben der Wollust an einem Muster der vorgeschriebenen Stellung fehlen möchte/ Priapeia 4: Schamlose Zeichnungen aus den Büchern der Elephantis Bringt dem gliedstarren Gotte Lalage dar und sie fleht: Es mit ihr doch auch zu versuchen, wenn ihm bekannt ist, Daß sie es ganz den Figuren der Bilder entsprechend versteht. Es gab also Maler, welche die von der Elephantis geschilderten Stellungen, vielleicht nach ihrem eigenen Vorgange, bildlich darstellten. Derartige Gemälde widmet Lalage dem Priapus mit der Bitte, er möge sie selber gründlich vögeln und prüfen, ob sie als eine gelehrige Schülerin alle diese abgemalten Varianten des Koitus getreulich nachmachen könne. Wer wollte daran zweifeln, daß solche Abbildungen lasziver Gestalten aus den Büchern der Elephantis, der Philaenis oder anderswoher entlehnt, durch ihren verführerischen Inhalt nicht die Phantasie der Künstler angeregt haben, sie wetteifernd nachzuahmen und immer vollendeter darzustellen? Hierauf bezieht sich Ovidius, De arte amat. II, 679—680: Um dich zu reizen, verleihn dem Genüsse sie tausend Gestalten; Nie hat deren ein Bild mehr zu erfinden vermocht. und der Autor des antiken Epigramms, welches Joseph Scaliger in seiner An- merkung zu Priapeia 4 veröffentlicht: Hat sie die allerlei Arten der hübschen Gemälde kopieret, Möge sie gehn und es häng' dieses jetzt über dem Bett. Sehr häufig wurden bei den Römern Wände und Plafonds mit obszönen Bildern geschmückt, wie dies z. B. Propertius II, 6, 27 ff. bezeugt: 189 Kaiser Tiberius in seinem Schlafzimmer aufbewahrt haben soll; Paxamos, 4 der ein Dodekatechnon von obszönen Stellungen ver- faßte; Sotades von Maroneia, 5 mit dem Beinamen Cinaedologus, Ja, die Hand, die zuerst unzüchtige Bilder gezeichnet, Schändliche Stücke zur Schau keuschen Gemächern gebracht, Die hat sicher den Blick anständiger Mädchen vergiftet, Und zur eigenen Nichtswürdigkeit jene geweiht. Nicht mit solchem Gebilde hat einst man die Zimmer geschmücket, Noch an die Wände so frech Taten des Lasters gemalt. * Suidas: .Paxamos, Dodekatechnon handelt von den unzüchtigen Stellungen.* Ich glaube, dafi hier ohne Grund eine gewisse Kyrene mit dem Beinamen .Dodekamechanos' aufgeführt wird. Jene galante Dame scheint nämlich die .zwölf Künste" der Venus nicht sowohl beschrieben, als vielmehr praktisch aus- geübt zu haben. Suidas, s. v. .\o>i\> x(un)yavm< : .Eine gewisse Kyrene, eine be- rühmte Hetäre, wurde mit dem Beinamen .Dodekamechanos' genannt, weil sie den Liebesgenuß in zwölferlei Weisen vollzog.' Aristophanes, Frösche 1326—1328: Meine Lieder willst tadeln du, Nachahmend die zwölf Wendungen Der Schmiegsamkeit Kyrenes? Sie wird auch in den Thesmophorien , Vers 98, aber nur beiläufig, erwähnt. Es ist wohl zweifelhaft, ob jener Musaeus zu den Schriftstellern über die Systematik des Liebesgenusses zu zählen sei; Martialis Xll, 95: Was Musaeus Verbuhltes hat geschrieben, Bücher, die sich mit Sybarit'schen messen, Und mit reizendem Salz getränkte Blätter, Lies, Instantius Rufus; doch ein Mädchen Sei bei dir, daß du nicht Thalassus Werke Deinen lüsternen Händen übertragest Und Ehegatte du werdest ohne Gattin. ■ Athenaeus XIV, 620 e: .Die Gedichte des Sotades, in ionischem Dialekt, und vor ihnen die ,Ionica* Alezanders des Aetollers, Pyres von Milet, Alexis und anderer, waren bekannt. Der letztere hatte den Beinamen Cinaedologus. Sotades von Maroneia tat sich in dieser Stilgattung hervor. Carystius von Per- gamon in seinem Werke über Sotades, ebenso wie Apollonius, der Sohn des Sotades, der ein Buch Über seines Vaters Gedichte verfaßt hat, stimmen in dieser Meinung überein. ■ Dieser Sotades nahm ein schlechtes Ende. Da er die Ohren des Ptolemaeos Philadelphos, Königs von Ägypten, mit kühneren An- spielungen belästigte, als sie königliche Ohren vertragen können, ließ ihn der König in ein bleiernes Gefäß einschließen und ins Meer werfen. 190 Digitized by Google von dem das ganze Genre den Namen sotadische Bücher erhalten hat, als solche, die wegen allzu großer Schamlosigkeit bemerkens- wert sind; Sabellus, von dem Martialis sagt XII, 43: Wollusttriefendes hast du mir, Sabellus, Vorgelesen in zu beredten Versen, Wie des Didymus 1 Dirnen nicht sie kennen, Noch der lüsternen Elephantis Bücher. Neue Formen der Venus gibt es dorten, Wie sie wagen verlebte Buhler mögen: Was verschwiegen wohl Ausgediente bieten, Wo sich Fünfe zu einer Gruppe fügen, Sich aus mehreren eine Kette bildet, Was erlaubt bei verlöschter Lampe sein mag. Das verdiente nicht, daß du beredt wardst Ferner gehört zu meinen Vorgängern Pietro Aretino, 2 .der Göttliche" genannt, dem ein ungerechtes Gerücht nachsagt, er habe zu sechzehn von Giulio Romano gemalten und von Marc An- tonio in Kupfer gestochenen, sehr obszönen Bildern Verse von unübertroffener Zügellosigkeit gedichtet; Lorenzo Veniero, 8 ein 1 Wer die .Dirnen des Didymus' waren, weifi man nicht. In Ermangelung bestimmterer Nachrichten möchte ich wenigstens die Vermutung äußern, daS unter den viertausend Büchern, welche der Grammatiker Didymus, nach Seneca, Briefe, 88, geschrieben haben soll, auch irgendeines über die Stellungen der Freudenmädchen gewesen sei, das man wohl mit den Büchern der ElephanUs zusammen aufführen konnte. Sicherlich konnte ein Mensch, der mit dem größten Scharfsinn untersuchte, ob Anakreon mehr ein Wüstling oder ein Trunkenbold gewesen sei, und ob Sappho ein öffentliches Frauenzimmer war oder nicht, auch ganz gut Untersuchungen über die Arten des Liebesgenusses anstellen. • Siehe Bayle, Dictionnaire unter Pierre Aretin und Murre Journal zur Kunstgeschichte, Bd. XIV, S. 1-72. » Pierre Bayle, Dictionnaire, unter Pierre Aretin: .Es existiert ein Dialog zwischen Maddalena und Giulia, unter dem Titel ,La puttana errante', in wel- chem die verschiedenen Paarungen, fünfunddreißig an der Zahl, ausführlich durch- genommen werden. Aretino, obgleich das Werk stets unter seinem Namen ge- druckt erschien, leugnet seine Autorschaft ab und sagt, daß es von einem seiner Schüler, namens Veniero, sei.* Brunet, im Manuel du libraire: .Puttana errante, ein sehr seltenes Werkchen, wegen der Obszönitäten, mit denen es angefüllt 191 venezianischer Nobile, Verfasser eines italienischen Buches unter dem Titel .La puttana errante", in welchem er sich herausnahm, nicht weniger als fünfunddreißig Arten des Beischlafs aufzuzählen; schließlich Nicolas Chorier, ein französischer Rechtsgelehrter, der den Namen der Aloisia Sigaea, einer spanischen Jungfrau, seiner „Sotadischen Satire von den Geheimnissen Amors und der Venus" vorsetzte, obgleich das Büchlein auch unter dem Namen des Johannes Meursius und dem Titel »Elegantiae latini sermonis" herausgegeben wurde. Man weiß nicht, ob man an diesem Buche mehr die sorgfältige und keineswegs pedantische Eleganz des lateinischen Stils, oder den feinen Witz und die artige Manier der Scherze, oder die oft aufblitzenden Funken römischer Bildung, oder die große und vielseitige Beredsamkeit, die gleichwie mit Edelsteinen, mit ausgesuchten Wendungen und Sentenzen von an- tiker Prägung geschmückt ist, oder die großartige Kunst, mit der es ein einziges Thema unerschöpflich variiert, bewundern soll. Die übrigen übergehe ich. Meinen Vorgängern (von den Schriften der alteren unter den Angeführten hat uns leider die Zeit nichts übriggelassen) fehlten weder hnsterblickende Zensoren, noch eifrige Leser. Vielleicht werden beide auch meinem Buche nicht fehlen. Es ist etwas Allzumenschliches, und ich schrieb es, unbekümmert um Tadel oder Beifall, für solche Leute, die nicht gleich die Augen- brauen zu runzeln und die Natur mit einer Heugabel auszutreiben pflegen, sondern die sich auszuleben wagen, die öffentlich nicht scheinen wollen was sie im geheimen nicht sind, und die auch, wie in allen Dingen, so in der Liebe, die goldene Mittelstraße für die beste halten. Mögen dann die anderen mir gewogen bleiben und sich selber den Ruhm der Weisheit zuerkennen. ist, des Aretino durchaus würdig, aber ihm fälschlich zugeschrieben. Der wahre Name des Verfassers ist Lorenzo Veniero, ein venezianischer Nobile. Er ver- faßte es, um sich an einer Kurtisane, namens Angela, zu riehen, die er unter dem Schimpfnamen Zaffetta (im venezianischen Dialekt Tochter eines Sbirren) 192 Digitized by Google Das Venuswerk kann entweder mit dem männlichen Gliede oder ohne dasselbe ausgeübt werden. Wenn mit dem Gliede, so kann die Reibung des Gliedes, worin der Inbegriff der Wollust besteht, in der weiblichen Scham, im Hintern, im Munde, in der Hand, oder in anderen Höhlungen des Körpers bewerkstelligt werden; wenn ohne das Glied, so kann die weibliche Scham ent- weder mit der Zunge, oder mit der Klitoris oder mit irgend einem Dinge, das dem mannlichen Gliede ähnlich ist, bearbeitet werden. 13 193 ERSTES KAPITEL. Vom Koitus. Zuerst will ich mich mit demjenigen Liebeswerke befassen, das durch die Einführung des männlichen Gliedes in die Scheide ausgeübt wird. Es ist das was man eigentlich koitieren nennt Und zwar gibt es verschiedene Arten des Koitus. Er kann näm- lich ausgeführt werden, indem der Mann sich auf das auf ihrem Rücken liegende Weib legt, oder indem er auf seinem Rücken und sie auf ihm liegt, oder indem er auf seinem Rücken und sie gleichfalls auf ihrem Rücken auf ihm liegt, oder indem der Mann sitzt und das Weib, welches ihm entweder das Gesicht oder den Rücken zukehrt, vor sich hält, oder indem er steht, wobei sie ihm entweder Gesicht oder Rücken zukehrt. Diese einzelnen Stellungen will ich nun näher betrachten. Der Koitus, wobei der Mann auf dem Weibe liegt, ist die ge- wöhnliche und auch die der Natur am meisten angemessene Art Aloisia Sigaea, S.322— 323 (S.194): „Mir gefällt am besten die ge- wöhnliche Art des Liebesgenusses und die dabei übliche Stellung, indem das Weib auf dem Rücken liegt und der Mann auf ihr: Brust an Brust, Leib an Leib gepreßt, Scham an Scham, während die harte Stange die zarte Ritze spaltet. Denn was läßt sich Süßeres denken als das Bild eines auf dem Rücken liegenden Weibes, das die wonnige Last eines geliebten Mannes trägt und in der verzückten Raserei einer rastlosen, aber willkommenen Aufregung schwelgt? Welch herrlichere Augenweide gibt es, als das Antlitz des Geliebten, welch höheren Genuß, als seine Küsse, seine Seufzer, die Glut- 194 Digitized by Google blicke seiner vor Wonne brechenden Augen? Was wäre köstlicher, als liebend sich in seine Anne schmiegen, sich Gefühlen hin- geben, die kein Hindernis kennen, die nichts vom Altwerden wissen? Was reizt ein Liebespaar so sehr zu süßester Wollust, zu höchstem Genuß, wie die brünstigen Bewegungen der ge- gebenen und erwiderten Stöße? Und wenn sie beide vor Wollust ihre Seelen aushauchen — was ruft sie sicherer ins Leben zurück, als das Elixier ihrer flammenden Küsse? Wer der Göttin der Liebe von hinten seine Huldigung darbringt, der befriedigt nur diesen oder jenen seiner Sinne, wer aber von vorne ihrem Heilig- tume sich naht, der befriedigt sie alle!" Der Lehrmeister der Liebe (Ovidius de arte amatoria III, 771 bis 773) gibt schönen Frauen den Rat, sich ganz besonders dieser Art des Koitus zu bedienen: Jegliche kenne sich selbst Nach dem Körper wählet die Weise. Ein' und die nämliche Art schicket für alle sich nicht. Ist sehr schön ihr Gesicht, so muß auf dem Rücken sie liegen. Diese Stellung kann in verschiedener Weise variiert werden. Der Mann kann als Reiter das auf dem Rücken liegende Weib zwischen seine Schenkel nehmen, oder sie kann ihn zwischen die ihrigen nehmen; im letzteren Falle kann sie wieder dadurch ab- wechseln, daß sie die Beine entweder auseinanderspreizt oder hochhebt Auf diese Weise, mit ausgespreizten Beinen, wünscht Caviceo von seiner Ottavia, daß sie das Liebesspiel treibe (Aloisia Sigaea, S. 124 [S. 74]): „Ich verlange nicht daß du die Hinterbacken hin und her bewegst und dadurch auf meine Stöße antwortest; ebensowenig wünsche ich, daß du die Beine hochhebst, wenn ich oben auf dir liege, — weder beide zugleich, noch das eine oder andere. Ich wünsche vielmehr vor allen Dingen, daß du die Schenkel aus- spreizest und so weit wie nur möglich öffnest Halte deine Kleine meinem Schwänze hin, so daß ich sie gut treffen kann und bleibe unbeweglich in dieser Körperstellung, bis ich fertig bin. Zähle jeden meiner Stöße und nimm dich in acht, daß du dich dabei nicht verzählst" Wünschest du, lieber Leser, dazu eine bildliche w 195 Digitized by Google Darstellung, so verweise ich dich auf den Roman „Felicia ou Mes frddaines" Teil II, Kap. 25, an welcher Stelle sich eine Kupfer- tafel findet In jene andere Stellung, mit emporgehobenen Schenkeln, bringt Callias dieTullia (Aloisia Sigaea, S.68— 69 (S.401): „Wenn ich mich auf deine geliebte Brust stürze, dann umschlinge mich mit deinen Armen, und nichts darf deine Umschlingung lösen! Hebe die Schenkel empor, so hoch du kannst, bis deine niedlichen Füßchen mit den Fersen deine so glatten Hinterbacken wie im Kusse berühren." Will jemand seinem Liebchen, das auf dem Rücken liegt und die Beine hochhebt, den Spieß hineinrennen, so kann er sie auch eine andere und vielleicht viel angenehmere Stellung als die eben geschilderte einnehmen lassen, indem er sie die hochgehobenen Beine über den Lenden des Reiters kreuzen läßt. Ein sehr hüb- sches Bild von dieser Stellung, das jeden, selbst einen Hippolytus, sinnlich zu reizen imstande wäre, siehst du im IV. Teile der schon zitierten „Felicia", Kap. 25. Gar nicht uneben ist auch die kurz vorher befindliche, zum Kap. 21 gehörige Figur. Diese Positur scheint auch Doris in dem Epigramm des Sosipater (Analecta Brunkii I, S. 504) eingenommen zu haben: Als ich die Doris mit rosigem Hintern aufs Ruhbett gelegt hatt', Ward ein Unsterblicher ich in ihren Gliedern so zart; Sie aber spreizte die herrlichen Schenkel und stieg auf den Ruh'nden; Regelrecht haben wir beid* Kyprias Wettlauf vollbracht Daß Doris nicht geritten habe, geht aus dem Ausdruck diareipag hervor; sondern sie lag ausgestreckt und drückte mit hochgehobenen Beinen ihren Reiter an sich. Es können aber auch die Füße der Liegenden von anderen hochgehoben werden. So pflegte Fabrizio der Liebe mit Tullia, unter Beihilfe des Aloisio (Aloisia Sigaea, S. 248—249 [S. 1 49]). Tullia erzählt: „Aloisio und Fabrizio eilen herbei. ,Hebe die Schenkel hoch,* sagt Fabrizio, indem er die Lanze einlegt Ich tue es; er wirft sich auf meine Brust und taucht die Lanze in die ewig offene Wunde. Dabei hält Aloisio meine beiden Unterschenkel 196 Digitized by Google hoch, indem er seine Hände unter die Kniekehlen legt, und be- wegt meine Lenden hin und her, ohne daß ich mich im geringsten anzustrengen brauche. Wirklich eine eigentümliche und dreiste Art, ein Weib in Bewegung zu setzen! Ich rufe: ,Ich brenne!' — aber schneller als ich es aussprechen kann, löscht eine schäumende Flut von Venussaft die Feuersbrunst." 1 Indem sie die Füße hochhebt, oder sich von anderen hoch- heben läßt — was ich nicht weiß 2 — , gibt sich Leda mit Zu- stimmung ihres Mannes den herbeigerufenen Ärzten hin (Mar- tialis XI, 71): Leda sagte dem alten Gemahl, sie wäre hysterisch, Und beklagte, daß not täte der Liebe Genuß; Weinend und seufzend jedoch erklärte sie, ihre Gesundheit Gelte so viel ihr nicht, lieber noch sei ihr der Tod. Er fleht, daß sie ihn nicht in den blühenden Jahren verlasse, Und läßt zu, was er nicht selber zu leisten vermag. Ärzte kommen sogleich herbei und die Ärztinnen gehen; Und nun die Bein' in die Höh! O, welche lästige Kur! Von vorn kann auch der Mann dem Weibe die Sache besorgen, indem sie sich halb zurücklehnt, sich auf das Bett oder einen Sessel stützend, oder indem sie sich auf ihre Seite legt. Und zwar empfiehlt Ovid die letztere Stellung den jungen Mädchen, die zart gerundete Schenkel und tadellose Brüste haben (De arte amatoria III, 781—782): 1 Daß derartige KOnste auch zu Aristophanes' Zeiten nicht unbekannt waren, beweist die Stelle, Friede, Vers 889-890: So daß sogleich, wenn ihr die Beine nur erhebt, Das Opferfest mit ihr ganz feierlich begehn könnt. Vgl. dazu Vögel, Vers 1254: Zuerst, die Berne ihr aufhebend, will ich hineingehn. ■ Es geht wohl aus der Situation hervor, daß sie sich zu dieser Kur zwingen lassen will (Anm. d. Obersetzers). 197 Ist untadlig die Brust und jugendkräftig die Schenkel, Lege sie selbst sich zurück 1 auf den geneigeten Pfühl. Den Koitus eines vorn übergebeugten Mannes mit einer im Sessel zurückgelehnten Schönen schildert Aloisia S.102 — 105 (S. 60) hübsch und angenehm nach ihrer Weise: „Fröhlich und lüstern," so er- zählt Ottavia, „lief Caviceo herzu, hob mir das Hemd auf, und griff mit mutwilliger Hand nach meiner Kleinen. Dann sagte er mir, ich solle mich hinsetzen. Als ich saß, stellte er mir unter jeden Fuß einen Stuhl und ließ mich die Schenkel so hoch heben, daß das Gartenpförtlein sich bequem dem erhofften Angriff öffnete. Außerdem griff er jedoch noch mit der rechten Hand unter meinen Popo und zog mich ein bißchen näher an sich heran. In der Linken hielt er die gewichtige Lanze. Dann ließ er sich auf mich fallen, setzte den Sturmbock an meine Tür an und schob den Kopf des Gliedes in die äußere Scham hinein, deren Lippen er mit den Fingern auseinander hielt. Hier aber zögerte er und machte keinen Versuch mehr, tiefer einzudringen. ,Meine süßeste Ottavia/ sagte er, ,umarme mich, hebe deinen rechten Schenkel hoch, und lege ihn über meine Lenden!' — ,Ich verstehe nicht, was du willst', antwortete ich. Hierauf faßte er selbst mit der Hand unter meinen Schenkel und brachte ihn in die gewünschte Lage über seinen Lenden. Endlich richtete er den Pfeil gegen die Zielscheibe seiner Liebesglut. Zuerst tat er einen leichten Stoß, dann einen stärkeren und zuletzt einen so gewaltigen, daß ich bestimmt glaubte, in der größten Lebensgefahr zu schweben. Sein Glied war steif und hart wie von Horn. Mit solcher Gewalt stürzte er sich auf mich, daß ich ausrief, er reiße mich auseinander. Einen Augenblick hielt er in seinem Werk inne und sagte: .Schweig doch, bitte, mein Herzchen! So muß es gemacht werden! Halte ganz mäuschenstille!' Wieder faßte er mit der Hand unter mein Gesäß und zog mich näher heran, denn ich machte ein Gesicht, als wäre ich am liebsten davongelaufen. Und unverzüg- lich bearbeitete er mich dermaßen mit schnellen Stößen, daß ich 1 Eine andere Stellung würde herauskommen, wenn wir der Lesart einiger Ausgaben folgten: Stehe der Mann, sie selbst lieg' auf geneJgetem Pfühl. 198 Digitized by Google beinahe in Ohnmacht fiel. Dann bohrte er mit einem plötzlichen Stoß die Lanze hinein, daß deren äußerste Spitze oben in der Wunde stecken blieb. Ich erhebe ein Geschrei. Da ergoß Caviceo den Saft der Venus. Ich fühlte mich von einem heißen Regen benetzt. Als Caviceo schon schlaff wurde, ergriff mich das juckend -wollüstige Gefühl, wie wenn ich selbst einen Saft aus- scheiden wollte; da hob ich aus eigenem Antrieb mein Gesäß empor und ich fühlte sogleich mit großem Entzücken, wie in mir sich irgend ein Saft absonderte, der mir an jenem Teile ein wundervolles Gefühl verschaffte. Ich verdrehte die Augen, mein Atem keuchte, mein Gesicht brannte wie Feuer, mein ganzer Körper schien sich aufzulösen. Und ich rief: Ach, ach, ach! Caviceo, ich sterbe! Halte meine entfliehende Seele zurück ! ,M Die Art des Koitus schließlich, bei welchem das Weib halb auf dem Rücken sich auf ihre Seite, und zwar auf die rechte Seite legt, hält Ovidius (De arte III, 787—788) für sehr einfach und keineswegs anstrengend: Tausend Weisen es gibt; ganz einfach ist es und mühlos, Wenn auf der rechten Seif halb auf dem Rücken sie liegt. Er empfiehlt diese Lage besonders hochgewachsenen Frauen (ebendas. 779—780): Knie'n auf den Polstern muß mit zurückgebogenem Nacken Eine Frau, die hervor raget durch große Figur. Auf diese Weise scheint Phyllis befriedigt worden zu sein, Martial X, 81: Als zu der Phyllis früh zwei Buhlen waren gekommen, Und sie jeder zuerst nackt zu umarmen begehrt, Bot sie beiden zugleich sich zur Lust an, und es geschah auch: Dieser hob ihr den Fuß, jener die Tunika auf. Nämlich den Fuß des auf der Seite liegenden Mädchens mußte derjenige, der sie von vorn bearbeitete, aufheben, während der andere die Tunika lüftete, um zu ihren Hinterbacken zu ge- langen. 199 Digitized by Google Wir gehen zu derjenigen Figur über, bei welcher der Mann auf dem Rücken und das Weib, mit dem Gesicht ihm zugewandt, auf ihm liegt Hier spielt umgekehrt das Weib die Rolle des Reiters, der Mann die des Reittiers. Diese Stellung heifit das Roß des Hektor, nach Martial XI, 104, 13 1: Hinter der Tür befriedigten selbst sich die phrygischen Sklaven, Wenn auf Hektorischem Roß ihre Gebieterin saß. Ovid aber stellt ausdrücklich in Abrede, daß diese Stellung der Andromache gefallen habe und daß sie ihr bei ihrem hohen Wuchs weder habe gefallen können noch brauchen, denn solch ein Ritt sei nur für Kleine geeignet (De arte III, 777—778): Sitze die Kleine zu Pferd'; nie saß die Thebaische Gattin, Weil sie die Größeste war, auf dem Hektorischen Roß. Ich bin in dieser Streitfrage nicht kompetent. Gewiß ist, daß Sempronia die genannte Stellung mit Chrysogonus einnimmt (Aloisia III, S. 69 [S. 241]): Chrysogonus vermag vor Un- geduld nicht länger zu warten und ruft: „Deine Kleider hast du aus- gezogen, jetzt, Sempronia, nimm jene Stellung ein, die, wie du weißt, mir so hohen Genuß bereitet!" Er legt sich auf den Rücken, sie steigt auf ihn und indem sie sich sitzend ihm zu- wendet, stößt sie mit eigener Hand seinen glühenden Speer in sich hinein, nachdem sie die Schenkel auseinander gespreizt hat" Dieselbe Stellung verlangt jener Sklave (Horaz, Satir. II, 7, 48) von der kleinen Hure, welche nackt bei dem Scheine der Lampe Mit ihrem Hintern, die Geile, das liegende Rößlein so tummelt Der Matrone hingegen, welche, in derselben Satire, Vers 64 „nicht sündigt von oben", benagt diese Positur durchaus nicht: der Geschmack ist verschieden. Auch jene kleine Hure, welche Xanthias einlädt „aufzusitzen", war gewiß nicht damit einverstanden, denn sie hat (Aristophanes, Wespen, 501) „ganz ereifert mich gefragt, ob ich meinte, des Hippias Tyrannis zu erneun? 4 ', 200 Digitized by Google wobei sie mit der Zweideutigkeit des Namens Hippias spielt. Hierher gehört auch der Vers 677 der „Lysistrata", in welchem der Altmeister der Pikanterie behauptet, das weibliche Geschlecht eigne sich vorzüglich zum Reiten und Fahren: „Gar ein ritterhaft Geschöpf ja aufzusitzen ist das Weib." Nicht viel anders spricht er von den Weibern der Schiffer auf Salamis, Vers 60 desselben Stückes, „sie kamen schon auf Yachten angestochen", denn xeXtfveg sind sowohl Rennschiffe als Renn- pferde. An derselben Stellung erfreut sich Piango, in dem Epi- gramm des Asklepiades (Analecta Brunkii I, 217): Welche beim Reiten Philaenis, die feurige, schlug, daß die Renner, Ihre hesperischen, wild schäumten beim Druck ihrer Hüft'. Sie, die in der Reitbahn der Venus mehr verschiedene Stel- lungen ausführen konnte als selbst Philaenis, die vielgewandte Künstlerin in der Ausschweifung, dankt ihrer Schutzgöttin in diesem Epigramm, daß sie einige italische Jünglinge, die neulich unter ihr gelegen hatten, so bedient hatte, daß sie mit schlaffen Gliedern, denen es nach mehr nicht gelüstete, davongegangen waren. Auch Lysidica, die in der Rennbahn der Venus nicht so leicht zu ermüden war, pflegte die Männer zu besteigen, wie das nächstfolgende Epigramm des Asklepiades sagt: Oft entkleidet bestieg sie die feurigen Renner, doch niemals Rieb sie beim hurtigen Ritt Lenden und Schenkel sich wund. Wenn solche Lustdirnen der Venus eine Peitsche, Zügel und Sporen opfern, spielen sie damit auf die Stellung an, die sie bei Ausübung des Beischlafes am häufigsten annahmen: sie ritten, sie wurden nicht geritten. Etwas anderes kann es nicht be- deuten. Und nichts anderes ist es, wenn Fotis ihren Lucius „mit der Frucht der schwebenden Venus speist" (Apuleius, Metamorph. II, Kap. 17): „Mit diesen Worten ist sie auf meinem Bette, sitzt rittlings auf mir, wiegt sich auf und ab, läßt mit wollüstigen 201 Gesten ihr reges Kreuz so lange spielen und speist mich mit der Frucht der schwebenden Venus, bis wir beide, mit ermatteten Sinnen und erschlafften Gliedern hinsinken, und in gegenseitiger Umarmung die Seele aushauchen." Die nächstfolgende Stellung, der Mann in der Rückenlage und auf ihm das Weib, gleichfalls auf dem Rücken liegend, wird von Rangoni mit der Ottavia ausgeführt, unter der Anleitung der Tullia (Aloisia Sigaea, S. 277—279 [S. 167J): „Rangoni: Sieh, wie er mir steht Aber ich will auf einem neuen Wege ans Werk gehn. Tullia: Auf einem neuen Wege? Nein, bei meiner Geilheit! Auf einem neuen Wege wirst du nicht ans Werk gehen. Rangoni: Ich habe mich versprochen. Ich wollte sagen, in einer neuen Stellung. Tullia: In welcher denn nur? Aber da fällt mir gerade die richtige ein: man nennt sie Hektors RoB. Lege dich auf den Rücken, Rangoni, und laß deine hochaufgerichtete, blitzschleudernde Lanze sich dem Feind entgegenstrecken, den sie durchbohren will. So ist's gut. Ottavia: Was soll ich tun, Tullia? Tullia: Steh auf und nimm, ihm den Rücken zuwendend, Rangoni zwischen deine Schenkel, so daß die Spitze seines Dolches genau auf deine darüber befindliche Scheide trifft So ist's gerade die richtige Stellung. Alles in Ordnung. Rangoni: O, dieser Rücken einer Dione! O, diese elfenbein- weißen Lenden! O, dieser Hintere, welch eine Feuersbrunst ent- zündet er in mir! Tullia: Laß doch solche schlecht angebrachten Redensarten! Wer unsern Hintern rühmend preist, unserer Kleinen kein Kompli- ment erweist Aber du, Ottavia, du bist vernünftig. Ihre lüsterne Kleine hat deinen Dicken ganz und gar verschluckt, Rangoni. Ottavia: Laß es kommen, Rangoni! Mach doch, mach doch! Laß es kom . . . Rangoni, hilf mir doch! Rangoni: Ich bin fertig, Ottavia! Ich bin fertig! Kommt es dir auch? Kommt es dir auch? Tullia: So schnell seid ihr beide erschlafft?" 202 Digitized by Google Die pygischen 1 Mysterien, zu welchen Eumolpus, bei Petronius (Kap. 140), ein Mädchen einlädt, scheinen in der eben be- schriebenen Position gefeiert worden zu sein: „Eumolpus ver- schob nicht, das Mädchen zu den pygischen Opfern einzuladen. Er bat das Mädchen, sich auf seine Gütigkeit zu setzen (auf ihn, dessen Güte die Mutter ihre Tochter empfohlen hatte). Dem Corax aber befahl er, da Ii er unter das Bett, worin er lag, knien sollte, die Hände auf die Erde, und mit dem Hintern seinem Herrn nachhelfen. Er gehorchte langsam dem Befehl und arbeitete der Kunst des Mädchens im gleichen Rhythmus entgegen. Wie das Ding zu seinem Ausbruch kommen wollte, rief Eumolpus mit heller Stimme dem Corax zu, geschwinder zu arbeiten. So zwischen seinem Lohnsklaven und seiner Freundin liegend, amüsierte sich der Alte wie auf einer Schaukel." Was Wunder, wenn bei diesen pygischen Mysterien das Glied des Eumolpus einmal ein Versehen machte und aus einer Höhlung in die andere abirrte? Eine Abbildung dieser Stellung findet sich, in Kupfer ge- stochen, in dem schönen Werk von d'Hancarville, Monumens du culte secret des dames romaines, Kap. XXV, und der Leser wird nicht böse sein zu hören, was der gelehrte Herausgeber dazu schreibt: „Diese Stellung ist nach dem Geschmack vieler, und selbst die Damen finden daran mehr Gefallen. Man behauptet, daß der Priapus dabei tiefer eindringt, und daß sich die Schöne durch ihre Bewegungen eine größere Wollust und einen reichlicheren Erguß verschafft" Ob es möglich ist, daß der Mann mit dem Rücken auf dem Weibe liegend, mit ihr den Koitus bequem ausübt, mögen Sach- verständige entscheiden. Treffend sagt Tüll ia (Aloisia S. 320 [S. 194}): „Aber viele von diesen Stellungen sind unausführbar; sie würden selbst dann unausführbar sein, wenn Glieder und Leiber der im Heiligtum der Venus Opfernden in einer Weise biegsam wären, wie man es bei Menschen nicht voraussetzen kann. Dem grübeln- den, klügelnden Geist kommen ja viele Gedanken, die sich in Wirklichkeit nicht ausführen lassen. So wie den Wünschen einer 1 Von nvfi), der Hintere (Anm. d. Übersetzers). 203 Digitized by Google ungezügelten Seele nichts unerreichbar erscheint, so will auch eine ausschweifende und maßlose Phantasie keine Schwierigkeit an- erkennen. Schmiegsam schlüpft sie immer ans Ziel, überall sieht sie einen Weg; aus starrenden Felszacken und klaffenden Abgrün- den macht sie sich eine Ebene. Aber für den Leib ist nicht alles so einfach, wie der Geist, sei's im guten sei's im bösen, es hin- stellen möchte." Wie Männer im Sitzen es den Weibern von vorn besorgen, ist in dem anderen Werke von d'Hancarville, Monumens de la vie prive*e des douze Cesars, Taf. XXVII, zu sehen, während Taf. XV desselben Werkes der Neugier des Lesers den Koitus eines sitzenden Mannes mit einem auf seinem Schöße sitzenden Weibe zeigt Der Sitzende ist Augustus, er durchbohrt auf seinem Schöße mit souveräner Dreistigkeit die Terentia, 1 des Maecenas Gattin, der auch zugegen ist, aber aus Rücksicht auf den Kaiser — schläft Eine ähnliche Figur findet sich in La Fontaine, Contes et nouvelles en vers, bei der Novelle Le tableau, Teil II, S. 223 der Amsterdamer Ausgabe von 1762 (der sog. Edition des fermiers ggnäraux). Nichts ist häufiger als der Koitus im Stehen und von vorn, welcher, da er sich mit leichter Mühe fast an jedem beliebigen Orte ausführen läßt, wenn man nur die Kleider des Schätzchens aufhebt und der Mann seinen Speer herausholt, sich gerade für diejenigen eignet, die eine sich ihnen flüchtig darbietende Ge- legenheit sogleich benützen wollen, besonders wenn es in aller Eile, wie es bei heimlichen Genüssen fast immer ist, abgemacht werden muß. So standen die ewig geilen Nachbarinnen des Priapus da, über deren Mannstollheit er sich beklagt (Pria- peia XXVI): „— entweder schneidet ihr mein samenspendendes Glied mir ab, das in unzähligen Nächten die wie die Katzen rammelnden Nachbarinnen mir durch Ermüdung verleidet, da sie noch geiler sind als im Frühling die Spatzen, oder ich platze vor Geilheit." 1 Dio Cassius UV, 19: .Er war nämlich so sehr in sie verliebt, daß er ihr sogar einmal erlaubte, sich mit der Livia in einen Wettstrelt wegen ihrer Schön- 204 Digitized by Google Aus meiner Studentenzeit erinnere ich mich eines sehr be- rühmten Professors der Medizin — fast hätte ich seinen Namen genannt — der, um die Sache zu bekräftigen, seine Tochter herbei- holte, und, indem er mit dem Finger auf das errötende Mädchen hinwies, zu seinen lächelnden Zuhörern sagte: „Die habe ich im Stehen gemacht" Eine Abbildung dieser Stellung findet sich Monumens de la vie priv£e des douze Casars, Taf. XL VI und eine ähnliche Monumens du culte secret des dames romaines, Taf. XIII. Aber der Mann kann auch im Stehen mit einem Weibe koi- tieren, die ihm das Gesicht zuwendet, während er sie hochhebt, und zwar so, daß er entweder ihren ganzen Körper aufhebt und ihre Schenkel auf den Lenden des Mannes liegen, oder daß er nur den unteren Teil des Körpers hochnimmt und der Oberkörper auf dem Rücken ruht! Willst du deine Augen an dem Anblick dieser Figur mit ihren beiden nicht ungraziösen Varianten laben, so schlage (du wirst es nicht bereuen) in den Monumens du culte secret des dames romaines die Tafel XXIV und in den Monu- mens de la vie priv6e des douze Casars die Tafel XL auf. Eine dieser beiden Stellungen hatte (wenn ich mich nicht irre) Ovid vor Augen (De arte III, 775—776). Sich auf die Schultern hob Atalantas Schenkel Milanion; Lasset sie so empfahn, sind sie von schöner Gestalt. Sicherlich schildert AloisiaSigaea S.31 3—31 6(S. 1 89) dieMeisterin der Galanterie, die erstere der beiden Stellungen, und zwar so leb- haft, graziös und galant, daß nichts darüber geht: „Als nächster folgte Latour. Nackt wie ich war, sprang ich vom Bett herunter," erzählt Tullia; „ihm bäumte sich der Schwanz. Da säumte er nicht länger; mit beiden Händen ergriff er meine beiden Brüste und bohrte mir zwischen die Schenkel seinen heißen und steifen Speer. „Sieh, o Herrin," rief er dabei, „wie dieses Geschoß auf dich losfährt 1 aber es wird dir nicht den Tod, sondern alle Wonnen heit einzulassen.* Die Idee dieses Wettstreites war nicht unangebracht; oder meint ihr, er hätte sie in einem anderen Kostüm miteinander konkurrieren lassen als in demjenigen, in welchem sich die drei Göttinnen vor den gierigen Augen des Paris präsentierten? 205 der Welt bringen. Sei, bitte, der blinden Mentula Führerin auf diesem dunklen Pfade, damit sie nicht das Ziel verfehlt; meine Hände möchte ich nicht zurückziehen, um sie nicht des Glückes zu berauben, dessen sie genießen." Ich tat nach seinem Wunsch; den heißen Speer bohrte ich in die heiße Wunde. Er fühlte es, er stieß, er war drin. Sofort, schon beim zweiten oder dritten Stoß, kam es mir und brach mit einem unglaublich wonnigen Kitzel hervor; es fehlte nicht viel, so waren meine Knie unter mir zusammengebrochen. „Halte sie auf!" rief ich, „halte sie auf, — meine Seele entflieht mir!" — „Ich weiß wohl auf welchem Wege sie flieht," versetzte er lächelnd. „Ohne Zweifel denkst du, sie werde durch jene untere Öffnung entweichen, die ich besetzt halte. Aber ich halte sie auf das beste verschlossen 1" Während er so sprach, hielt er zugleich den Atem an, um dadurch die strotzende Mentula noch dicker zu machen. „Ich werde deine flüchtige Seele zurücktreiben!" fuhr er fort, indem er mir einige sehr heftige Stöße versetzte. Tiefer drang der Dolch in das blühende Fleisch ein. Und so kräftig führte er diese süßen Stöße, so köstliche Wonne durchdrang mich, daß er, da er es freilich nicht mit dem ganzen Körper vermochte, so doch alle seine Be- gierden, Wünsche, Gedanken, all sein Verlangen und all seine wahnsinnige Leidenschaft mit seinen wütenden Stößen in mich ergoß. Als er nun das heiße Naß fühlte, das ich in meiner rasen* den Wonne verspritzte, da griff er mit beiden Händen unter meinen Popo und hob mich hoch empor. Ich umschlinge die Glieder des Rasenden so eng ich kann mit meinen Armen und umklammere seine Lenden und sein Gesäß mit raeinen Schenkeln und Füßen; so hing ich ihm am Halse, ohne den Boden zu be- rühren; ich hing, wie wenn ich von einem Nagel festgehalten würde. Da die Arbeit sich in die Länge zog, verlor ich die Ge- duld und abermals löste Venus in mir einen Springquell heißer Glut Vom brennendsten Feuer der Liebe verzehrt, mußte ich un- willkürlich ausrufen: „Ich fühle, .... ich fühle alle Wonnen der Juno, deren Schoß ihren Jupiter als Gatten empfängt! Ich bin im Himmel!" In diesem Augenblick trieben Venus und Amor meinen Latour auf den Höhepunkt der Wollust, heiß spritzte sein Saft empor, sein Same ergoß sich über mein Saatfeld. Eng wie 206 Digitized by Google der Efeu den Nußbaum umschlingt, umklammerte ich mit Armen und Schenkeln Latour." Die zweite der Arten, in welchen, wie wir gesehen haben, der Mann im Stehen mit dem Weibe, das er hochhebt, koitieren kann, zeigt — mit einigen Abweichungen — der Koitus des Corrado und der Tullia (Aloisia S.317 [S. 191]): „Er öffnete mir," das sindTullias Worte, „die Schenkel. Conrad war mir nicht unangenehm, gefiel mir aber auch nicht eben besonders. Ich verweigerte mich ihm nicht, gab mich ihm aber auch nicht hin. Er versuchte aber eine neue Art, die eigentlich recht sinnreich war. Er ließ mich auf den Rücken mich ausstrecken und legte sich mein rechtes Bein über seine linke Schulter; dann versetzte er mir den Stoß, den ich erwartete, wenn ich ihn auch nicht begehrte, nachdem er noch mein linkes Bein über seine rechte Hüfte gelegt hatte. In die tiefste Tiefe drang seine Lanze ein, und dann begann er zu stoßen, zu schieben, zu drücken. Was brauche ich noch weiter zu sagen?" Es kann nun aber auch der Mann das Weib, nach der Weise der vierfüßigen Tiere stehend, von hinten begatten 1 — bei denen bekanntlich der Koitus so vonstatten geht, daß das Männchen von hinten auf das Weibchen steigt Einige glauben, daß die Weiber, wenn man sie von hinten bearbeitet, fruchtbarer werden. Lucre- tius, De rerum natura IV, 1259—1262: Viele auch meinen, es könne Besser empfangen das Weib, wenn der Mann sie begattet in der Art, Wie die vierfüßigen Tiere, bei hängender Brust und gehob'nen Schenkeln, so findet der Same den Weg zu verborgenem Orte. Aloisia Sigaea, S. 194: „Manche behaupten, die von der Natur selber gewiesene richtige Stellung für den Liebesgenuß sei die, wobei das Weib sich nach Art der Tiere vorne aufstütze und ihre Lenden nach hinten hinausstrecke; denn auf diese Weise dringe die männliche Flugschar bequemer in die weibliche Furche ein und der Same gelange sicherer in das Zeugungsfeld. Doch be- 1 Ausführlicher handelt Plinius von der Begattung der Tiere im X. Buche, Kap. 63. 207 haupten die Ärzte, jene Stellung — der Koitus von hinten — sei nicht der Natur angemessen: sie widerspreche der Bildung der zur Fortpflanzung bestimmten Teile." Wie dem auch sei, es geschieht oft, daß man einem Weibe nicht anders als von hinten beikommen kann. Auf welche andere Weise könnte wohl ein Dickwanst mit einer wohlbeleibten oder schwangeren Frau das Geschäft sonst zu Ende bringen? Des- wegen sagt man von Augustus, daß er die Livia Drusilla, da sie schon sechs Monate von ihrem Manne Tiberius Nero schwanger war, nach der Art des lieben Viehes umarmt habe. Von dieser Umarmung gibt die Tafel VII in den Monumens de la vie priv£e des douze Cesars ein liebliches Bild. Warum sollte ich dir aber vorenthalten, was der wohlgelahrte Herausgeber zur Erklärung der Tafel bemerkt: „Diese Drusilla ist die berühmte Livia, die Gattin des Tiberius Nero, der zu den Freunden des Antonius gehört hatte. Augustus faßte eine große Leidenschaft für sie, und Tibe- rius überließ sie ihm, obgleich sie schon sechs Monate schwanger war. Man machte viele Witze über diese Liebschaft des Kaisers, und eines Tages, bei Tische, als Livia an der Seite des Augustus lag, näherte sich ihr einer der nackten Knaben, die von den römischen Damen zu ihrem Vergnügen aufgezogen wurden und sagte: „Was machst du hier, o Herrin? Siehe, dein Gatte" — und er zeigte auf Nero — „ist dort" 1 Livia kam kurze Zeit darauf nieder, und man sagte in Rom auf offener Straße, daß Leute, die Glück haben, schon nach dreimonatlicher Ehe Kinder kriegten, was sogar zu einer sprichwörtlichen Redensart wurde. Ein Geschichts- schreiber sagt, daß Augustus seine Gemahlin wegen ihres schwan- geren Leibes nach der Weise des Viehes liebkosen mußte; und diese frivole Position stellt der Cameo des Apollonius, eines be- rühmten Graveurs des augusteischen Zeitalters, dar. Der Zustand, in welchem sich Livia befand, mag freilich die Stellung nötig ge- macht haben, aber es scheint auch, daß sie von jeher Geschmack an der Manier der Alten gehabt habe, sei es, weil diese glaubten, wie es Lucrez bezeugt, daß diese Haltung die Zeugung günstig beeinflusse, sei es vielmehr, daß sie dieselbe wegen des Raffine- ■ Vgl. Dio Cassius, XLVffl. Buch, 44. Kapitel. 208 Digitized by Google ments vorzogen. Die sonderbarsten und unnatürlichsten Stellungen haben jederzeit, nach der Meinung einiger Wollüstlinge dazu bei- getragen, den Genuß zu vermehren und zu würzen. Aber man muß eingestehen, daß die Einbildungskraft noch über die Mög- lichkeit hinausgeht" Einen sonderbaren Grund für die Notwendigkeit des Koitus von hinten tiftelt Aloisia in ihrer Schlauheit aus; HI, S. 73 (S. 243): „Man preist besonders jene Muscheln, die nicht gar zu weit unten sitzen, so daß sie völlig zwischen den Schenkeln verborgen sind; sie darf vielmehr nur neun bis zehn Zoll vom Nabel entfernt sein. Bei den meisten Weibern sitzt die Liebesgrotte so tief unten, daß man sie leicht mit dem andern Wege zur Wonne verwechseln könnte. Mit solchen ist der Beischlaf schwer zu vollziehen. Teodora Azpilcueta konnte nicht entjungfert werden, als bis sie sich platt auf den Bauch legte, die Knie aufstützte und die Lenden empor- streckte. Vergebens hatte, solange sie auf dem Rücken lag, ihr Gatte bei seinen Versuchen sich in Schweiß gearbeitet Der Liebe Müh war völlig umsonst gewesen." Ovid rät besonders denjenigen Weibern, deren Leib von Run- zeln durchfurcht zu werden beginnt, sich durch den Koitus von hinten befriedigen zu lassen (De arte III, 785—786): Du auch, der auf den Leib Lucina Runzeln gezeichnet, Flüchtigen Parthern gleich ficht mit gewendetem Roß. Darauf scheint auch die Lehre hinzudeuten, die er kurz zu- vor, V. 774, gibt: Die, der ihr Rücken gefällt, lasse von hinten sich schau'n. Aber abgesehen von der Notwendigkeit, ist es sicher, daß sich die Frauen oftmals nur aus Sinnenreiz von hinten besteigen lassen, da die höchste Wollust in der Abwechslung besteht Aus keinem anderen Grunde läßt sich auch Tullia von Fabrizio von hinten bearbeiten (Aloisia Sigaea, S. 249—250 [S. 149]): „Aloisio steht auf" — so erzählt Tullia, „zu neuem Kampf rüstet sich Fabrizio: hochrot und drohend starrt ihm schwellend das Glied. ,Ich bitte Euch, gnädige Frau, 4 sagt er, .dreht Euch M 209 herum!' Seinem Wunsche gemäß drehe ich mich herum. Als er aber meine Hinterbacken sah, neben deren Weiße Elfenbein und Schnee dunkel hatten erscheinen müssen, da rief er: ,0, wie seid Ihr schön! Aber bitte, richtet Euch auf die Knie auf und neigt den Oberkörper vornüber I 4 Ich senke Kopf und Brust und hebe das Gesäß empor. Schnell und feurig stößt er den Speer tief in meine Scheide hinein. Mit seinen Händen packt er meine beiden Brüste. Dann beginnt er sich hin und her zu bewegen und bald strömt ein wonniger Bach in den weichen Schoß der Liebe. Auch ich verspüre wunderbare Wonnen und es fehlt nicht viel, so schwinden vor Wollust mir die Sinne; eine solche Menge Samen aus Fabrizios Lenden überströmt und kitzelt mich; eine solche Menge meines eigenen Saftes erschöpft alle meine Kräfte. Diese eine Begattung kostete mich mehr Kräfte als die drei vorher- gehenden zusammen genommen." 1 Eine recht artige Abart des Coitus aversus ist auf Tafel XXVIII in den Monumens du culte secret des dames romaines dargestellt Ein Weib stemmt dort die Hände auf den Boden, während ihr Unterleib von einem aufgehängten Seil gestützt wird; hinter ihr steht ihr Galan. Solch eine Stellung ungefähr muß die Frau jenes Zimmermannes eingenommen haben, von der Apuleius (Metamorphosen IX, 7) erzählt, ihr Liebhaber habe sie in „aller Ruhe von hinten bearbeitet, während sie sich über ein Faß ge- bückt hatte". Zu diesem reizenden Schwank findet sich eine Illustration bei La Fontaine, Contes et nouvelles en vers, II, S. 215, bei der Novelle „Le cuvier". 1 Diese Stellung ist ziemlich alten Ursprungs. Auf sie beziehen sich die Stellen bei Aristophanes, Der Friede, Vers 896: „auf der Erde ringen, stehend nach Art der Vierfüßer" und Lysistrata, Vers 231: „Nicht will ich dastehn wie eine Löwin, auf dem Küchenmesser (dargestellt)." 210 Digitized by Google ZWEITES KAPITEL. Von der Päderastie. Das ist es, was ich über den Koitus zu sagen hatte, ich gehe nun dazu über, von einer anderen Art des Sinnengenusses zu sprechen, nämlich demjenigen, den sich das männliche Glied mit Hilfe des Hintem verschafft. Wenn jemand das Geschäft verrichtet, indem er seinen Penis in den After eines Mannes oder eines Weibes einführt, treibt er Päderastie. Wer Päderastie treibt, heißt paedicator, paedico, draucus, 1 während der, welchen er dazu be- nützt, pathicus, cinaedus, catamitus, s mollis, delicatus heißt; ein schon älterer oder ausgedienter Pathicus heißt exoletus. Da die Päderastie weit seltener mit Weibern als mit Männern getrieben wird, pflegt man sie die männliche Venus zu nennen. Dabei wird die Wollust entweder aktiv, von Seiten des Päderasten, oder passiv, von Seiten des Pathicus, befriedigt Daß der erstere ein Vergnügen empfindet, ist leicht begreiflich, da jede Reibung der Mentula einen Sinnenreiz ausübt Wie aber der Pathicus ein Vergnügen daran haben kann, wenn ihm ein fremder Penis in seinen Dann hineingebracht wird, ist schon schwieriger zu verstehen, wenigstens für meine beschränkten Begriffe, der ich in diesem Fach völlig Laie bin. Man braucht trotzdem nicht anzunehmen, daß die 1 Draucus, Täter, von dpdö, für dravicus, wie cautus für cavitus, lautus für lavitus. 1 Catamltus ist nach Festus der Name des Oanymedes, Jupiters Bettgenossen. Ahnliche Beispiele von entstellten griechischen und anderen Namen rinden sich häufig: Proserpina für Persephone, Aesculapius für Asklepios, Carthago für Karchedon, Pollux für Polydeukes, persona für prosopon, Sibylla für Siobula, masturbare für manustuprare. 14» 211 Wollustempfindung des Pathicus nur eine bedingte sei oder daß er sein Schamgefühl nur darum dem Päderasten preisgebe, um sich dadurch selber ein Vorspiel zum regelrechten Koitus zu ver- schaffen, noch daß er seinem eigenen schlaffen Gliede durch das Schauspiel eines anderen kraftigen Gliedes oder durch einen ge- wissen Kitzel im Hintern aufhelfen wolle; dieselbe Wirkung üben, wie Panormita lehrt (Hermaphroditus, I. Buch, XX. Epigramm), ein in den Anus hineingestoßener Finger, 1 oder, wie AJoisia Sigaea, S. 210—211 (S.125) ausführt, die Schläge auf den Podex aus: „Von einem unserer Bekannten, dem Markgrafen Alfonso, habe ich erzählen hören, daß ihn Rutenhiebe zum Liebeskampf anregen müssen; ohne dieses Mittel wäre er gänzlich ohnmächtig. Er läßt sich das Hinterteil mit Ruten streichen — und zwar kräftig; während dieser Zeit liegt seine Gemahlin rücklings auf dem Bett schon in der geeigneten Stellung bereit; während man ihn schlägt, richtet sein Glied sich empor und wird um so steifer, je heftiger die Schläge sind. Sobald er sieht, daß seine Waffe in gutem Stande ist, stürzt er sich auf seine Gattin, und indem er der unter ihm liegenden mit den kräftigsten Stößen zusetzt, überströmt er sie mit den himmlischen Gaben der Venus, und genießt mit ihr aller Wonnen, die die Göttin der Liebe zu gewähren vermag. 9 Und was war es anders, was des Genfers Rousseau geschicktes Glied erfahren hat, wenn er als Knabe Mademoiselle Lambercier zwang, ihm jene Züchtigungen auf seine Hinterbacken zu erteilen, nach denen er sich sein ganzes späteres Leben hindurch so sehr ge- sehnt hat? Hören wir ihn selbst, wie der unsterbliche Autor diese heitere Episode mit der ihm eigenen Eleganz im ersten Buche seiner französisch geschriebenen Bekenntnisse (Ausgabe von 1 Auf ähnliche Weise führt Oenothea einen ledernen Penis in das Gesäß des Encolpus ein, um das schlaffe Glied des Knaben zu reizen. Petronius 138: „Oenothea brachte eine lederne Mentula herbei, bestrich sie mit öl, streute kleingestoßenen Pfeffer und Nesselsamen darauf, und begann, sie mir nach und nach in den Anus hineinzuführen." Von einem anderen Gebrauch des ledernen Penis werde ich weiter unten, im VII. Kapitel, zu schreiben haben. 2 Der Verfasser der „Gynäoiogfe" (Chrn. Gfr. Flittner) erzählt (LH, S. 392), dafi noch heutzutage in den Londoner Bordellen diejenigen, welche es wünschen, von eigens dazu angestellten Personen gegeißelt werden. 212 Digitized by Google Genf, 1782, von S. 22 an) mit Auslassung einiger rein schmücken- der Zusätze erzählt: „Da Fräulein Lambercier uns mit der Liebe einer Mutter zugetan war, nahm sie auch deren Gewalt über uns in Anspruch und trieb dieselbe mitunter so weit, daß sie uns auch wenn wir es verdient hatten, wie eine Mutter ihr Kind, züchtigte. Ziemlich lange ließ sie es bei der Drohung bewenden, und diese Androhung einer mir ganz neuen Strafe versetzte mich in einen großen Schrecken; aber nach ihrer Erduldung fand ich sie weniger schrecklich, als ich sie mir in der Erwartung vorgestellt hatte, ja, was noch eigentümlicher ist, diese Züchtigung flößte mir noch größere Zuneigung zu der ein, die sie mir erteilt hatte. Es ge- hörte sogar die ganze Aufrichtigkeit dieser Zuneigung und meine natürliche Folgsamkeit dazu, um mich davon zurückzuhalten, ab- sichtlich eine Unart zu begehen, die in gleicher Weise hätte ge- ahndet werden müssen, denn der Schmerz und selbst die Scham war mit einem Gefühle von Sinnlichkeit verbunden gewesen, das in mir eher das Verlangen, es von derselben Hand von neuem erregt zu sehen, als die Furcht davor zurückgelassen hatte. Wer sollte glauben, daß diese im Alter von acht Jahren von der Hand eines Mädchens von dreißig Jahren empfangene Züchtigung über meine Neigungen, meine Begierden, meine Leidenschaften, über mich selbst für meine ganze übrige Lebenszeit entschieden hat? Lange gepeinigt, ohne zu wissen wovon, verschlang ich mit brennenden Augen schöne Mädchenerscheinungen; unaufhörlich stellte meine Einbildungskraft mir ihr Bild wieder vor die Seele, einzig und allein um sie mir in der Ausübung des Strafakts zu zeigen, und ebenso viele Fräulein Lambercier aus ihnen zu machen. Mit meinen Gedanken nur immer bei dem weilend, was ich emp- funden hatte, wußte ich trotz der oft sehr lästigen Wallungen des Blutes meine Begierden nur auf die Art der Wollust zu lenken, die mir bekannt war. In meinen törichten Einbildungen, in meinen erotischen Tollheiten, in den überspannten Handlungen, zu denen mich dieselben nicht selten trieben, mußte mir in der Einbildung das andere Geschlecht eine Hilfe leihen, ohne daß ich je auf den Gedanken geriet, daß es zu einer anderen Dienstleistung geeignet sei als zu der, zu welcher ich es heranzuziehen brannte. Aber als ich im Laufe der Jahre zum Manne herangereift war, ver- 213 schmolz mein alter kindlicher Geschmack dergestalt mit dem an- deren, daß ich ihn nie aus meinen sinnlichen Begierden entfernen konnte; und diese Narrheit hat mich in Verbindung mit meiner angeborenen Schüchternheit bei den Frauen stets sehr wenig unternehmend gemacht, weil ich weder alles zu sagen wagte, noch alles zu tun vermochte, indem die Art von Genuß, wovon der andere nur als das letzte Ziel galt, von dem, welche ihn er- sehnte, nicht verlangt, noch von denjenigen, von welcher die Er- füllung abhing, erraten werden konnte. So habe ich mein Leben lang trotz aller Gelüste den Personen gegenüber, die ich am meisten liebte, geschwiegen. Unfähig, meinen Geschmack ein- zugestehen, befriedigte ich ihn durch den Umgang mit Persönlich- keiten, die ihn in mir wach erhielten. Wie schwer mir solche Gestandnisse angekommen sind, kann man daraus schließen, daß ich es nie in meinem Leben habe über mich gewinnen können, meine Tollheit denen zu bekennen, die ich doch mit einer so rasenden Leidenschaft liebte, daß ich nicht zu sehen und zu hören vermochte, daß ich völlig außer mir geriet und mein ganzer Körper von einem krampfhaften Zittern befallen wurde. Auch in den Stunden der innigsten Vertraulichkeit hatte ich nicht das Herz, sie um Gewährung der einzigen Gunsterweisung zu bitten, die mir zu den übrigen noch fehlte. Diese ist mir nur einmal in meinen Kinderjahren von einem Mädchen meines Alters zuteil geworden, und noch dazu ging von diesem der Vorschlag aus." Kehren wir nun zu dem Punkt zurück, von dem wir abgeschweift waren. Wenn das Wollustgefühl des Pathicus nicht so aufgefaßt werden kann, als übertrüge es sich von seinem Hintern, gleichsam auf einem Umwege, auf seine Mentula, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß die Pathici eben solch eine Begierde im Hintern verspüren, wie andere im Penis, und daß sie im Podex eine wahre Quelle der Wollust haben, von der Unerfahrene nichts wissen. 1 Sicherlich bezeugt die Geilheit des Podex Martialis (VT, 37) ganz ungeschminkt: 1 Um das juckende Oefühl im Hintern zu stillen, hatten die Einwohner von Siphnos, einer der kykladischen Inseln, die Gewohnheit, einen Finger hinein- zustecken. Die Griechen nannten diese Manipulation siphnisieren. Suidas: „2upvtdfriv, den Arsch mit dem Finger bearbeiten." 214 Digitized by Google Vom Gesäße, zerrissen bis zum Nabel, Hat Charinus auch nicht ein Überbleibsel, Und stets ist er doch brünstig bis zum Nabel. O wie arge Begierde plagt den Armen! Er ist ohne Gesäß und doch Kinäde. Auch Tullia wird von dieser Art wütender Geilheit ergriffen, wie sie selber erzählt (Aloisia Sigaea, S. 253—254 [S.152]): „Da ich sah, daß mein Reden mir nichts nützte, fügte ich mich dem Willen dieser Rasenden. Aloisio neigte sich über mein Gesäß, setzte die Stange an das Hinterpförtlein an, stieß, bohrte und sprengte sie schließ- lich mit einer kräftigen Anstrengung. Ich stöhnte. Sofort zog er den Speer aus dem Loch heraus, vergrub ihn in meine Kleine und überströmte mir die schlüpfrige Liebesfurche mit reichlichem Samen. Nachdem er fertig war, ging Fabrizio in der gleichen Weise ans Werk. Mit schnellem Angriff legte er die reine Lanze ein und stieß sie sofort in den Leib. So steckte er eine Zeitlang abwechselnd sie hinein und zog sie wieder heraus. Mich aber — ich hätte es nicht für möglich gehalten — versetzte ebenfalls das Jucken in eine solche Raserei der Sinne, daß ich bestimmt glaube, ich würde mich an diese Art von Vergnügen recht gut gewöhnen können, wenn ich wollte." Das Jucken im Gesäß bestätigt auch Coelius Rhodiginus, Lectionum antiquarum, Buch XV, Kap.X: „Man weiß, daß die Kinäden, während sie schamloserweise gebraucht werden, die höchste Wonne genießen," und gibt auch die Ursache dafür an — ob es Wahrheit oder Phantasie sei, mögen die Ärzte entscheiden. — „Bei denjenigen, deren (Samen)leitungen nicht von natürlicher Beschaffenheit sind, sei es, daß die zur Mentula führen- den Stränge versagen, wie es bei Eunuchen und ähnlichen Leuten ist, sei es aus anderen Ursachen, sammelt sich diese Flüssigkeit im Gesäß an. Haben sie großen Oberfluß von Samen, so staut sich dort jene Absonderung an, und sie empfinden, sobald ihre Begierde erregt ist, das Bedürfnis nach einer Reibung in dem Körperteil, in welchem sich die Absonderung angestaut hat. Daher lassen sich solche, denen die Feuchtigkeit in das Gesäß über- gegangen ist, so gern als Pathici gebrauchen." Auf jeden Fall steht soviel fest, daß der Pathicus ein Wollust- 215 Digitized by Google w \ 1 gefühl hat. Und zwar waren die Pathid im alten Rom so be- gierig, einen steifen Penis im Hintern zu haben, daß sie keine große Men tula sehen konnten, ohne daß ihnen der Schaum vor dem Munde stand, und daß sie den letzten Heller hingegeben hatten, um die Gunstbezeugungen gliedbegnadeter Männer zu J genießen. Juvenalis IX, 32—36: Menschen beherrscht das Geschick; ihr Geschick auch haben die Teile, Welche sich bergen im Schoß. Denn wenn dir erbleichen die Sterne, Nutzlos bleibt im Verborgnen das Maß der gewaltigen Sehne, Hätt' auch nackt dich gesehn mit in Geilheit schäumendem Munde Virro. Martialis I, 96: Er fragt vielleicht, weshalb er mir Weichling scheinet. Wir baden uns zusammen: er blickt nie aufwärts, Vielmehr verschlingt sein Auge Männerliebhaber, Und der Glieder Anblick macht ihm seinen Mund wässrig. Derselbe n, 51: Wenn in dem ganzen Schrein du oft nur einen Denar hast, Hyllus, und diesen dazu glatter noch als dein Gesäß, Wird ihn der Bäcker doch nicht, ihn wird kein Garkoch erhalten, Sondern einer, der stark pranget mit männlicher Kraft. Denn dein Magen, der arme, muß schaun des Gesäßes Gelage Und muß jämmerlich stets hungern, wenn dieses verschlingt. Und von welchem Beifall hallten die Bäder wieder, wenn dort Männer eintrafen, deren Mentula das^Durchschnittmaß überschritt! Martialis IX, 33: Wenn, Flaccus, du im Bade Beifall hörst klatschen, So wisse, daß für Ehefrau'n ein Glied da ist 216 Digitized by Google Juvenalis VI, 373, 374: Schon von ferne gesehen und allen bekannt in die Bäder Schreitet er. Die Pathici verrichteten ihr Geschäft nicht ohne gewisse Finessen. Und zwar bestand die Regel ihrer Zunft hauptsächlich aus zwei Vorschriften, erstens, daß sie sich die Haare ausrupfen ließen und zweitens, daß sie ihr Gesäß zu bewegen verstanden. Zunächst mußten die Pathici sorgsam die Haare von der ganzen Oberfläche des Körpers entfernen. 1 Sie enthaarten sich die Lippen, die Arme, die Brust, die Beine, das Schamglied, vor allem aber machten sie den Altar der Wollust, den Podex, glatt Martialis II, 62: Daß du die Brust, daß die Schenkel du dir, daß die Arme du rupfest, Daß das geschorene Glied gürtet gekürzetes Haar, Das, Labienus, geschieht — wer wüßt's nicht? — für die Geliebte. Wem zu Gefallen enthaart wird, Labien, dein Popo? Derselbe IX, 27: Obgleich du, Chrestus, deinen Sack enthaart trägest Und nacktem Geierhalse deine Scham gleichet Und glatter als Kinädenhintre dein Haupt glänzet Und nicht ein Haar auf deinen Schenkeln aufsprosset Und oft mit Zangen von den Lippen rupfst die Haare: 1 Stets jedoch mit Ausnahme des Haupthaares, auf dessen Pflege sie große Sorgfalt verwandten. Horatius, Buch IV, Ode X. sagt zu Ligurinus: Wenn dein um die Schulter wallendes Haar unter dem Stahle sank und Epod. XI: — neue Liebe Zum zarten Knab', dem langes Haar vom Haupte wallt. Sie werden deshalb von Martialis (HI, 58; fl, 57) „capillati" und (XII, 97) „comati" genannt. 217 Digitized by Google Sind Numa, Curius, Quintius, Camill, Ancus, Die stets im Mund', und wen man je behaart nannte, Und drohend klingen deine Wort' und hochtrabend, Und mit Theatern keifst du und dem Zeitalter. Begegnet währenddessen dir ein Mannschänder, So — winkst du ihn herbei. Derselbe IX, 57: Nichts ist schäbiger als Hedyls Mantel. Eins ist aber — er wird's gestehn — sein Hintrer, Der noch mehr als sein Mantel abgeschabt ist Dahin gehört auch der Podex des Hyllus (Mart II, 51), der noch mehr abgerieben ist als der letzte Denar, den er besitzt; dahin der gerupfte Leib des Pathicus Otho (Suetonius, Otho, Kap. XII), auch jene Anspielung auf den jüngeren Vibennius in dem Gedichte des Catullus (34): „die haarigen Hinterbacken kannst du nicht für ein As verkaufen". Deshalb bittet Galba den Icelus, daß er sich zuvor rupfen lasse, ehe er seine Verführungskünste ausübe. (Suetonius, Galba, Kap. XXII): „Er war eher geneigt, die Männer zu lieben, und zwar nur recht vierschrötige und er- wachsene. Es wurde erzählt, daß er in Hispanien, als Icelus, einer seiner alten Bettgenossen, ihm den Tod Neros ankündigte, ihn nicht nur öffentlich unter Küssen an sich drückte, sondern ihn auch bat, daß er sich unverzüglich die Haare ausrupfen lasse und ihn dann verführt habe." Den Podex glätteten sich auch solche Männer, die sich im übrigen bemühten, mit struppigem Haupthaar und nie geschorenem Barte die gravitätische Würde der alten Philosophen zu markieren. Martialis IX, 47: Zenos Namen und den Demokrits und des dunkelen Plato Und, wer im Bilde noch sonst starret von zottigem Haar, Nennst du, als wärest du selbst des Pythagoras Schüler und Erbe, Und dem des Samiers gleich wallet dein Bart dir herab. Doch, was den Lockigen fremd und schmachvoll ist den Behaarten, Hast du den steifen Schwanz gerne im glatten Gesäß. 218 Digitized by Google Juvenalis II, 8 — 13: Äußerem traue man nicht; denn wo nicht füllten die Gassen Sünder mit ernstem Gesicht? Du rügest das Laster und bist doch Selbst der bekannteste Pfuhl in der Zahl der somatischen Buhlen. Freilich die Glieder so rauh und die stachelnden Borsten am Arme Lassen ein trotzig Gemüt uns ahnen; doch hinten am glatten — Schneidet der lachende Arzt frisch weg die geschwollenen Warzen. Persius IV, 37—38: Kämmest und salbest ja immer die Borsten am Backen, warum denn Muß vom Gemachte geschoren dir ragen gerade der Mehlwurm. Daher gibt Martialis dem Charidemus den Rat, sich die Hinter- backen zu enthaaren, damit man ihn eher für einen Pathicus als für einen Fellator halten möchte, VI, 56: Weil von Borsten das Bein und die Brust von Zotten dir starret, Denkst du, du könntest damit täuschen den Ruf, Charidem? Glaube mir, rotte das Haar dir aus vom sämtlichen Körper, Stelle auch Zeugen dafür, daß du dich hinten enthaart. „Weshalb?" fragst du; du weißt, daß viel von Vielen gesagt wird. Lasse du sie, Charidem, denken, du seist ein Kinäd. Aber nicht nur Pathici pflegten die Haare vom Körper zu ent- fernen, sondern überhaupt Männer, die an ein verfeinertes Genuß- leben gewöhnt waren. 1 Quintiiianus, In st it. orat I, 6: „Wenn also in Rom solche Dinge aufgekommen sind, wie das Enthaaren, das Kräuseln des Haupthaares, das Durchzechen in den Bädern, so wird dies, wenn es auch jetzt über uns hereingebrochen ist, nicht dauernde Gewohnheit bleiben, denn es läßt sich gegen alle diese Dinge vieles einwenden." Sonderbar ist es, daß derselbe Quinti- iianus, der sich über die gekräuselten Haare aufregt, über das ge- 1 Die Haare aus der Achselhöhle zu entfernen, galt aber für ein notwendiges Gebot d«r Körperpflege. Seneca, Briefe 114: „Der eine pflegt sich, der andere vernachlässigt sich mehr als recht ist: jener entfernt sich |die Haare selbst von den Schenkeln, jener nicht einmal von den Achselhöhlen." 219 Digitized by Google meinsame Baden von Frauen und Männern sehr milde denkt; V, 9: „Denn wenn es für eine Frau ein Zeichen des Ehebruchs wäre, mit Männern zu baden, dann wäre es auch eins, mit jungen Leuten zu speisen, ebenso mit jemandem intime Freund- schaft zu pflegen, vielleicht wird der einen enthaarten Leib, einen unmännlichen Gang und weibisch schleppende Kleider weichlich und unmännlich nennen, dem diese Dinge Anzeichen der Un- keuschheit sind." Dergleichen Männer mit ihren fast weibischen Toilettenkünsten, wie wenn sie aus dem Schmuckkästchen zusam- mengesetzt wären, schildert Martial mehr als einmal, z. B. II, 29: Rufus, siehst du dort den, der die ersten Bänke besetzt hält? Welchem der ganze Marcell aus dem Haar, dem gesalbeten, duftet, Und dem, vom Bimsstein glatt, glänzt sein gerupfter Arm. Ferner V, 61: Wer ist das gekräuselte Herrchen, Welches ein Bein läßt sehn, nicht durch ein Härchen entstellt? Solche Galanterien verachtete auch der große Geist des Julius Caesar nicht; Suetonius, Kap. 45: „In bezug auf die Körperpflege war er besonders eigen; er ließ sich nicht nur (mit der Schere) die Haare vom Körper scheren und (mit dem Rasiermesser) fleißig rasieren, sondern sogar ausrupfen, was einige mißbilligten." Dazu brauchte man „Samni tische Gefäße mit Harz und Pech, das er- wärmt wurde, um Männer zu enthaaren und glattzumachen", welche Julius Capitolinus (Pertinax, Kap. 8) unter den Sachen des Commodus aufzählt, die auf Pertinax* Befehl öffentlich versteigert wurden. Man bediente sich zum Vertilgen der Haare entweder des Volsella (einer kleinen Zange) oder des Dropax oder Psüo- thrum (einer Salbe). Die Zange erwähnt Martialis in dem kurz zuvor angeführten Epigramm IX, 27. Vom Dropax oder Psilo- thrum spricht er III, 74: Du machst Glatz und Gesicht durch Dropax glatt und Psilothrum. Ferner VI, 93: — sie frischt sich auf mit Psilothron 220 Digitized by Google und X, 65: Täglich glättest du dir die Haut mit Dropax. Dropax oder Psilothron wurde aus Harz bereitet, das mit öl flüssig gemacht wurde. Plinius, Hist nat XIV, 20: „Alles Harz löst sich in öl auf, und ich schäme mich zu bekennen, daß jetzt sein größter Wert darin besteht, daß es zum Ausrupfen der Haare am Körper der Männer dient" Aerius sagt im ersten Buche seines medizinischen Werkes: „Der einfachste Dropax ist der, den man Pechpflaster nennt Trockenes Pech wird in sehr wenig öl auf- gelöst Darauf wird es heiß auf die Haut gestrichen, die vorher geschoren werden muß und auf der es fest anklebt Bevor es gänzlich abgekühlt ist, wird es abgezogen. Dann wird es von neuem über Feuer erwärmt und wieder angeklebt; wieder wird es abgezogen, bevor es erkaltet, und alles das wird mehrere Male wiederholt." Daher der Ausdruck die „Jugend in Baumharz 4 ', Juvenalis VIII, 114, ebenso Juvenalis IX, 13 — 15: — an der Haut kein Teilchen im Glanz, wie Solchen die Bruttische Binde dir gab mit erwärmtem Leime, Sondern im Schmutze das Bein, voll wuchernder Haare, verkommen. Martialis III, 74 fragt den ängstlichen Gargilianus, der sich vor dem Rasiermesser fürchtet, ob er sich vielleicht auch die Finger- nägel mit Harz abschneidet? Beide Methoden des Enthaarens miteinander vereint, werden, wie ich glaube, bei Persius IV, 37 — 41 erwähnt: Kämmest und salbest ja immer die Borsten am Backen, warum denn Muß vom Gemachte geschoren dir ragen gerade der Mehlwurm? Wenn auch fünf Badknechte an diesem Gestrüppe sich mühten, Und den gesottenen Hintern mit Zangen verzerrten und zwackten, Doch wird kein Pflug hinreichen, das Farnkraut völlig zu tilgen. Denn die Zange ist die „volsella", und die gesottenen Hinter- backen scheinen von dem heißen Dropax herzurühren, durch dessen Aufstreichen das Fleisch gewissermaßen wie gekocht aus- 221 sah. Diese Stelle des Persius hat dem Ausonius bei seinem 131. Epigramm (Peiper, S. 346) vorgeschwebt: Daß du mit siedendem Dropax die Weichen dir glättest, hat Ursach, Weil ein geglättetes Glied Huren zu reizen vermag. Nicht aber kann ich 's begreifen, weshalb du dein Hammerwerk Furchheim Reibest mit Bimsstein, warum deinen Popo du rasierst Oder es müßte denn sein, daß zweierlei Lüste dich jucken, Daß du am Hintern als Weib fühlst und im Schwänze als Mann. Clazomenae bedeutet hier ohne Zweifel „zerbrochene, zer- klüftete, gespaltene Hinterbacken", wie sie bei den Pathici vor- zukommen pflegen, 1 wie sie Carinus hat, dessen „geschlitzten Podex" Martialis VI, 37, erwähnt. Clazomenae, der Name einer Stadt, vom griechischen xAd£a>, ich zerbreche, abgeleitet, hat einen obszönen Doppelsinn. Ähnlich wird von Gonsalvo de Cördoba erzählt, er habe, wenn er Päderastie treiben wollte, gesagt, er wolle nach Aversa (= von hinten herum), wenn er ihn in den Mund (ori) stecken wollte, er wolle nach dem Orient, und wenn er eine Scheide lecken (lingere) wollte, er wolle nach Ligurien. Wenn es hier „gehämmerte Clazomenae" heißt, so will Ausonius andeuten, daß sie (die Hinterbacken) dem menschlichen Körper gewissermaßen angehämmert seien; so wie man etwa bei uns im Scherz von einem Kahlen sagen würde: er kratzt sein gehämmertes Kahla. 2 Was kann einfacher oder eleganter ausgedrückt sein? Der Sinn des Satzes ist keineswegs dunkel, wie Forcellini be- hauptet. Andere Herausgeber haben für „ineusas" „inclusas" (ein- geschlossen), worunter der Spalt zu verstehen sein soll, der von der Rundung der Backen beiderseits eingeschlossen ist. Aber erstens können die gespaltenen Backen zwar mit Fug und Recht 1 In Italien als Schimpfwort allgemein: .Ctüo rotto* (Anm. d. Übersetzers). » Scalpit Calam ineusam. Cala kann auch durch .Pfahl' übersetzt werden. Dieser schreckliche philologische Kalauer ist genau so überflüssig wie die ge- zwungene Erklärung von ineudere. Letzteres bedeutet „paedicare* ; braucht man doch auch in vulgärer Redensart häufig das Wort .hämmern* für .koitieren" (Anm. d. Übersetzers). 222 Digitized by Google „Clazomenae" (zerklüftete) genannt werden, nicht aber der Spalt selber; und zweitens ist doch kaum anzunehmen, daß der Elende sich den Spalt und nicht vielmehr den Podex enthaart Es gab auch Männer, die sich die Haare von Frauen ent- fernen ließen. Solche Dienstwillige nannte man Ustriculae (von ustulare, sengen), weil sie mit dem heißen Dropax, den sie auf die Schenkel oder andere Körperteile brachten, die Haare ab- sengten. Tertullianus, De pallio, Kap. 4: „sich sogar der Ustri- culae bedienend/' wobei Salmasius (S. 284) den Witz macht: „wahrend die Ustriculae einst dazu da waren, die Schenkel zu enthaaren, scheint es heut ihre Aufgabe zu sein, den Verstand zu foltern." Wer wollte zweifeln, daß Augustus (vgl. Suetonius, Kap. 68), der „gewohnt war, die Schenkel mit heißgemachten Nässen zu sengen, damit die Haare weicher und feiner wüchsen," hierzu die angenehme Hilfe der Ustriculae in Anspruch genommen habe? Aber auch die Weiber selber entfernten sich die Haare von den Schamteilen, weil sie ihnen dort nicht am Platze schienen. 1 Martialis XII, 32: Auch nicht ein Topf der Mutter, ekles Harz haltend, Womit Summöner Liebchen sich das Haar nehmen. 1 Auch die Griechinnen verschmähten diesen Gebrauch nicht; Aristophanes, Lysistrata, Vers 89: und den Polei hat mit der Zange hübsch sie sich gerupft Derselbe, Frösche, Vers 515: — mit glattgeschorener Muschel versehn. Daß auch die Männer an einem glattrasierten Geschoß mehr Gefallen fanden als an dem mit weichem Flaum besetzten, so sonderbar dieses uns heutzutage scheinen mag, geht aus einer Stelle bei Aristophanes, Lysistrata, Vers 151—152, hervor, in der ein glattes Geschoß geradezu fflr etwas erklärt wird, was das Mannesglied aufrichten und zum Koitus anreizen könne: wenn nackt einher wir gehn mit glatter und geschoraer Scham, da wird das Ding den Männern stehn, daß sie uns ticken wollen. 223 Wie die Männer den Weibern, so boten umgekehrt auch raffinierte Weiber den Männern ihre Schamhaare zum Entfernen dar, wie Plinius, Hist nat XXIX, 1, voller Unwillen berichtet: „desgleichen die zur Schau gestellten behaarten Geschlechtsteile der Frauen! Ja, so ist es |in der Tat: durch nichts mehr als durch die Heilkunst ist die Sittenverderbnis befördert worden l u Ja, nicht einmal die Kaiser hielten es unter ihrer Würde, diesen Liebesdienst bei ihren Konkubinen zu verrichten. Suetonius, Do- mitianus, Kap. 22: JEs ging das Gerücht, daß er seinen Konku- binen eigenhändig die Haare entferne, und in der Gesellschaft der gemeinsten Huren bade." Lampridius, Heliogabalus, Kap. 31: „Im Bade hatte er jederzeit Mädchen bei sich, die er selbst mit der Haarsalbe enthaarte, mit der er sich auch den Bart abnahm, und zwar, was zu sagen man sich schämen muß, mit derselben Haarsalbe und zu derselben Stunde. Auch schor er eigenhändig die Schamteile seiner Liebhaber mit demselben Schermesser, wo- Aber auch bei älteren Frauen war es Gebrauch, die von allzu üppigem Haarwuchs starrende Scham zu rasieren, um weniger alt zu erscheinen. Mar- tialis X, 90: Weshalb rupfst du die alte Scham, Ligella? Weshalb reizest du deines Grabes Asche? Sauberkeiten, wie diese, ziemen Jungen. Und du irrst, wenn du das für eine Scham hältst, Wo schon längst keine Mentula mehr hinkommt Indessen galt es auch als Schimpf, wenn einem Weibe die Schamhaare ab- rasiert wurden; Aristophanes, Thesmophorienfeier, Vers 537—538: Entblößen wollen wir die Scham von Haaren ihr, damit sie lernt, Als Weib die Weiber nicht verlästern mehr. Diese Strafe wurde auch an Ehebrechern vollstreckt, die auf der Tat ertappt wurden, und zwar in der Weise, daß ein Rettich oder eine Meeräsche ihnen in den Hintern hineingestopft und der Hintere nebst der Scham mit glühenden Kohlen abgesengt wurde. Aristophanes, Wolken, Vers 1083: Wie aber, wenn er von dir die Keti ichstraf' und das Gerupf erdulden müßt*? Suidas, unter $a Tatsächlich ist das alles im Jahre 1791 in Paris auf offener Bühne natur- getreu dargestellt worden, wo, wie der Verfasser der Gynäologie 10, 423 erzählt, ein nackter Mann ein ebenfalls nacktes Weib in der Rolle von Wilden, unter dem Beifallsklatschen einer großen Menge Zuschauer beiderlei Geschlechts, regelrecht umarmte. Aber es gibt nichts Neues unter der Sonne. Denn es war schon bei den Römern eine alte Sitte, daß die Bühne, wenn das Spiel zu Ende war, in ein Bordell verwandelt wurde, damit die Zuschauer Gelegenheit hätten, das, was sie eben noch mit lüsternen Augen gesehen hatten, selber ins Werk zu setzen, nicht ohne daß ein Herold vorher den Spektakel ankündigte. Tertullianus, De spectaculis, Kap. 17: .Sogar Prostituierte, die Opfer öffentlicher Wollust, werden auf die Bühne gebracht, noch mehr gedemütigt durch die Gegenwart der Frauen, denn nur denen war ihr Anblick ungewohnt; Männer jeden Alters und jeden Standes unterhalten sich laut über sie, während ein Herold ihre Wohnung, ihren Preis, ihr Lob, ja, alles was dem Publikum wissenswert scheint, ver- kündigt' — Isidoras, Orig. XVIII, 42: .Im Grunde genommen ist Theater und Bordell ganz dasselbe, denn, wenn das Spiel zu Ende ist, werden die Huren dort preisgegeben.' Solch ein ähnliches Spiel müssen auch die Entführer jener Dirnen getrieben haben, von denen Livius II, 18 erzählt: .In diesem Jahre kam es in Rom, als während der Spiele von jungen, mutwilligen Sabinern feile Dirnen geraubt wurden, durch einen Auflauf zu Zänkereien und beinahe zum Gefecht' 316 Digitized by Google nicht befriedigen, wieder ab und von allen Seiten ertönt das Ge- schrei: „Jetzt ist's Zeit, Männer hereinzulassen", sogleich gehen welche, um Jünglinge aus den besseren Ständen herbeizuschleppen, oder, wenn sie keine finden, Sklaven, sind auch keine Sklaven bei der Hand, so wird der gemeinste Pöbel von der Gasse aufgelesen, ja wenn sie auch dessen Umarmungen nicht einmal genießen können, zögern diese schamlosen Weiber nicht, ihre Hinterbacken einem — Esel hinzuhalten. 1 Über den Ursprung der Tribaden 3 findet sich bei Phaedrus eine Fabel IV, 15: Es fragte einer, woher die Tribaden wohl Und Weichling' stammen. Antwort gab ein Greis: Prometheus der aus Erde Menschen schuf, Hat jene Teile, die verhüllt man schamhaft trägt, Für sich besonders eines Tags geformt, Um sie den fertigen Körpern anzupassen dann. Nun traf es sich, daß Bacchus ihn zum Mahle lud, Wo er vom edlen Nektar manchen Becher trank. Spät kam er heim, ein bißchen schwankend schon. Vom Wein umnebelt und dem Schlaf schon nah Fügt er des Weibes Glied dem Manneskörper an Und gab dem Weiberleib des Mannes stolzes Glied. So kommt die Wollust nun zu spärlichem Genuß. Das den Weibern angefügte männliche Glied ist natürlich die Klitoris mit ihrer ungeheuer großen Spannung, deren sich die Tribaden statt eines Penis bedienen können; dagegen wird das Jungfernglied, welches den Männern angepaßt ist, wohl nichts 1 Nicht zu übersehen ist hier die feine Beobachtung, welche der Dichter macht: .unter den stehenden Esel setzt sie ihr Gesäß*. Er weiß, daß ein Weib von einem Esei kaum anders als von hinten bestiegen werden kann. 2 Anders stellt sich Plato, im Gastmahl, S. 191 e, die Sache vor. Er sagt dort, nachdem er die bekannte Erzählung, wonach Zeus die Menschen In zwei Naturen gespalten habe: .Alle Weiber aber, welche Abschnitte eines Weibes sind, die kümmern sich nicht viel um die Männer, sondern sind mehr den Weibern zugewendet und die Tribaden stammen aus diesem Geschlecht' 317 Digitized by Google anderes sein als die hintere Öffnung, die den Kinäden ebenso juckt wie den Weibern meistens der vordere Eingang. Auch zu den Zeiten des Tertullianus fehlte es nicht an Tri- baden, die er „Reiberinnen" (Frictrices) nennt. De pallio, Kap. 4: „Siehe die Huren an, die Jahrmärkte der Pöbelwollust, ja sogar die Reiberinnen." Ebenderselbe, De resurrectione camis, Kap. 16: „Und doch nenne ich einen Kelch nicht vergiftet, in den irgend ein Sterbender hineingerülpst hat; aber ich frage dich, ob du einen solchen, der von dem Hauch einer Reiberin, eines Ober- priesters der Cybele, eines Gladiators oder eines Henkers ange- steckt ist, weniger verabscheuen würdest als deren Küsse?" Auch im Zeitalter der Aloisia waren die Kunstgriffe der Tribaden nicht in Vergessenheit geraten. „Halte mich," sagt Tullia, S. 30 (16), „darum nicht für schlechter als die anderen: dieser Geschmack ist fast über die ganze Welt verbreitet Die Italienerinnen, die Spanierinnen, die Französinnen lieben gern ihre Geschlechts- genossinnen, und wenn die Scham sie nicht zurückhielte, würfen sie sich am liebsten brünstig einander in die Arme." Ja sie bringt sogar Beispiele tribadischer Raserei und Anstrengung, III, 117 (272): „Fernando Porzios Schwester Enemonda war von großer Schön- heit Ihre Freundin war die nicht weniger schöne Francesca Bellini. Sie wußte selber nicht, wer von ihnen beiden die Freundin am heißesten liebte. Oft schliefen sie zusammen in Fernandos Hause. Dieser legte Francesca jene geheimen Schlingen, an denen Frau Venus ihren Spaß hat; das schöne Mädchen wußte, daß es begehrt wurde, und war stolz darauf. Von seinen Begierden ge- foltert, hatte der Jüngling schon beim ersten Schimmer der Morgenröte sein Bett verlassen; er kühlte seine Glut, indem er im Laubengang die frische Morgenluft einsog. Im Nebenzimmer krachte das Bett seiner Schwester, von heftigen Stößen erschüttert. Die Tür stand offen: Venus war dem Liebenden hold gewesen, indem sie die Mädchen diese Nachlässigkeit begehen ließ. Er tritt bei ihnen ein; blind vor Wollust, trunken vor Wollust, sehen sie ihn nicht. Nackt ritt Francesca auf der nackten Enemonda; sie ritt auf ihr Galopp. — „Die adeligsten und geilsten Schwänze," sagte Francesca, „bewerben sich um meine Jungfernschaft Ich werde den schönsten wählen, — aber nicht für mich, sondern für 318 Digitized by Google dich. So will ich deinen und meinen Geschmack befriedigen." Bei diesen Worten bearbeitete sie sie mit aller Macht Fernando springt nackt in ihr Bett; die Mädchen in ihrer Angst wagen nicht davonzulaufen; er umklammert mit seinen Armen die von ihrem Ritt ermüdete Francesca, küßt sie und ruft: „Wie, du Bösewicht, du wagst es, meine so reine, so keusche Schwester zu schänden? Das sollst du mir bezahlen I Ich werde die Schmach rächen, die meinem Hause angetan ist Erdulde meine Glut, wie sie die deinige erduldet hat" — „Bruder, lieber Bruder," erwidert Ene- monda, „verzeih zwei Liebenden! Gib uns nicht der Schande preis!" — „Niemand wird etwas davon erfahren," versetzt er, „möge Francesca mir ihre Kleine schenken, dafür schenke ich euch beiden meine Zunge." Aber viel stärker und lebhafter noch ist das Gespräch der Ottavia mit der Tullia als Tribade, in dem- selben Werke, S. 23 (13): „Tullia: Weiche doch nicht zurück, ich bitte dich! öffne die Beine! Ottavia: Du hast mich ja nun ganz und gar: dein Mund ist auf meinen Mund gepreßt, deine Brust auf meine Brust, dein Schoß auf meinen Schoß; darum will auch ich dich umklam mern, wie du mich umklammert hast Tullia: Hebe die Unterschenkel noch höher! Schließe deine Lenden über meinen Lenden zusammen. Ich lehre dich in deiner holden Unerfahrenheit jetzt eine neue Venus kennen. Wie eifrig du mir gehorchst I Schade, daß ich nicht so gut kommandieren kann, wie du exerzierst! Ottavia: Ach! ach! meine liebe Tullia, meine Herrin, meine Königin! Wie du mich stoßest, wie du dich hin und her be- wegst! Ich wollte, diese Lichter würden ausgelöscht; ich schäme mich, daß das Licht es mit ansehen soll, wie ich unter dir liege. Tullia: Gib acht, was du zu tun hast! Wenn ich stoße, so mußt du gegenstoßen; rüttle, bewege deine Hinterbacken, wie ich die meinen bewege; hebe sie so hoch, wie du nur kannst! Fürchtest du, die Luft könnte dir ausgehen? Ottavia: Wirklich, du machst mich mit deinen schnellen Stößen ganz müde; du pressest mich zusammen; glaubst du, ich würde mir von einer anderen in so wilder Weise Gewalt antun lassen? 319 Tullia: Komm, Ottavia, umklammere mich! Nimm mich hin! Da! da strömt mein Leben! ... Oh! wie glüht mir der Busen! Ach, ach . . . ach! Ottavia: Dein Gärtchen setzt das meinige in Brand. Hör doch auf! Tullia: Endlich, meine Göttin, bin ich dir Mann gewesen . . . meine Braut! meine Gattin! Ottavia: Oh, wollte der Himmel, du wärest mein Gemahl! Welch eine liebende Gattin würdest du an mir haben! welchen angebeteten Gatten würde ich besitzen! Aber du hast mein Gärtchen mit einem Regen überschwemmt; ich fühle mich ganz und gar naß! Mit was für Greueln hast du mich überströmt, Tullia? Tullia: Ja, freilich — ich bin fertig geworden. Aus dem untersten Kielraum meines Schiffchens hat in blinder Trunkenheit die Liebe ihren Venussaft in deinen jungfräulichen Kahn ge- schleudert." Leo Africanus in seiner Descriptio Africae (S. 336 der Elzevir- Ausgabe v. J. 1632) erwähnt die Tribaden in Fes: „Die verstän- digeren Leute nennen diese Weiber (eine Art Hexen) sahhaqät, was Lateinisch fricatrices heißt, weil sie die fluchwürdige Ge- wohnheit haben, das Venuswerk untereinander auszuüben. Ich kann einen anständigen Ausdruck dafür nicht finden. Wenn es manchmal geschieht, daß schöne Frauen zu ihnen kommen, ent- brennen die Hexen zu ihnen in Liebe, nicht anders als die Jüng- linge zu den Mädchen, und verlangen von ihnen als Lohn den Beischlaf, unter dem Vorgeben, daß es die Geister wollen. Auf diese Weise geschieht es oftmals, daß sie in dem Glauben, sie gehorchten den Befehlen der Geister, von den Hexen gemißbraucht werden. Es gibt sogar Weiber, die Vergnügen an der Sache finden und den Verkehr mit den Hexen suchen; sie erheucheln irgend eine Krankheit und rufen eine von ihnen zu sich oder schicken auch ihren armen Ehemann zu ihnen. Die Zauberinnen, die natürlich sogleich Bescheid wissen, bestätigen dann, daß die Frau von irgend einem Dämon gequält werde, und deswegen nur dadurch von ihm befreit werden könne, daß sie sich in ihre Ge- sellschaft aufnehmen lasse." 320 Digitized by Google Ob es noch heutzutage Tri baden gibt? Wenn es jetzt keine mehr gibt, so existierten sie doch sicherlich in Paris bis kurz vor der großen Revolution, wenn man dem Autor der Gynäologie Glauben schenken darf. Bd. III, S. 428. Dort bestand ein richtiger Verein von Tribaden, die den Namen Vestalinnen angenommen hatten; sie hatten ihre regelmäßigen Zusammenkünfte in be- stimmten Häusern; der Verein zählte nicht wenig Mitglieder und aus den höchsten Klassen der Gesellschaft, hatte gewisse Gesetze für die Aufnahme von Novizen, drei Grade: d£sid6rantes, postu- lantes und initiees; die Neueingetretene mußte sich, bevor sie den Grad der „postulantes" erlangte, einer dreitägigen schweren Probe ihrer Standhaftigkeit unterziehen: in ein Zimmer eingeschlossen, das mit den wollüstigsten Bildern und mit den gliedbegnadetsten Priapusstatuen auf das üppigste dekoriert war, mußte sie ein Feuer im Brande erhalten, das auf geheimnisvolle Weise so prä- pariert war, daß es sogleich verlöschte, sobald man zu wenig oder zu viel Brennmaterial hinzutat; auf vier Altären in diesem Tempel standen die Statuen Sapphos, ihrer Lesbischen Geliebten und des Chevalier d'fion, dem es gelungen war, sein Geschlecht so lange zu verheimlichen, reich geschmückt und von einem beständig brennenden Feuer beleuchtet. Daß sich auch die Frauen in Eng- land nicht ganz von der Tribadie freihielten, berichtet derselbe Autor im III. Teile, S. 394. Er erzählt nämlich, daß in London, zu Ende des XVIII. Jahrhunderts einige, wenn auch kleine Vereine von Tribaden, unter dem Namen Alexandrinische Klubs, 1 bestanden hätten. Das Vorstehende möge in bezug auf die eigentlichen Tribaden genügen. Unter Tribaden im weiteren Sinne versteht man aber auch Weiber, die in Ermangelung einer wirklichen Mentula durch Hineinbringen eines Fingers oder eines ledernen Penis in die Fut sich eine Art trügerischen, wollüstigen Kitzel verschaffen. Von diesem Mißbrauch der Finger erinnere ich mich, vor einiger Zeit in Deutschland viele Klagen gehört zu haben, die aber schließlich, wie es zu geschehen pflegt, wieder verstummten. Der 1 Alexandrina collegia steht im Text. Wohl ein Versehen für Anandrina (Anm. d. Übersetzers). 21 321 aus Leder angefertigte Penis aber, griechisch öuoßog genannt, 1 soll früher bei den Weibern in Milet sehr beliebt gewesen sein. Aristophanes, Lysistrata, Vers 108—110: Seit uns im Stiche ließen die Milesier, Ja zu Gesicht kam kein achtzoll'ger Tröster mir Von Leder, uns zu dienen als ein Notbehelf. Suidas, s. v. öktoßog: „Ein (männliches) Schamglied aus Leder, dessen sich die Milesierinnen, die Tribaden und die welche sehr üppig waren, bedienten. Auch Witwen gebrauchten es." Derselbe, s. v. fuoTjrf: „Cratinus sagt irgendwo: Weiber aber, welche nach dem Koitus verlangen, mögen sich des Olisbos bedienen." Diese Stelle zitiert auch Hesychius. 3 Auf die Frage, ob auch noch heut vernachlässigte Schöne zum ledernen Notbehelf greifen, mag Aloisia in ihrer Naivetät uns die Antwort geben, S. 31 (17): „Die Milesierinnen machten sich aus Leder Dinger von acht Zoll Länge und entsprechender Dicke. Aristophanes sagt uns, die Frauen seiner Zeit hätten sich solcher Werkzeuge bedient Auch heute noch nimmt bei den Italienerinnen, und besonders bei den Spa- nierinnen, auch bei unseren asiatischen Geschlechtsgenossinnen, dieses Instrument den Ehrenplatz auf dem Putztisch der Damen ein und ist der kostbarste Gegenstand der ganzen Einrichtung. Es ist sehr teuer." Die römischen Damen 8 fanden, wie man weiß, großen Gefallen an einer gewissen Art unschädlicher Schlangen, welche eine sehr 1 Einer anderen Anwendung des ledernen Penis ist oben bei Kap. II ge- dacht worden. (Der Olisbos, und wahrscheinlich ein solcher von übernatürlicher Größe, gehörte auch zu den — Requisitenstücken der antiken Bühne; er war für Komödien, Satirspiele und Atellanen unentbehrlich, und sein Oebrauch ist viel- fach durch Vasenbilder bezeugt. Vgl. Saufejus ab Amphoris, De olisbo, comi- corum vcteris Graeciae instrumenta. 1810. kl. 8°. (Anm. d. Obersetzers.) 2 Nachzutragen ist hier Herondas VI, ein Dialog, in dem sich zwei intime Freundinnen über die besten Bezugsquellen von Selbstbefriedigeren sehr ungeniert mit Angabe sämtlicher Details unterhalten (Anm. d. Übersetzers). s Diese Art von Schlangen diente aber auch den Männern zur Kurzweil. Suetonius, Tiberius, Kap. 72: .Zu seinen Vergnügungen gehörte eine große, ge- zähmte Schlange; als er nun dieselbe wie gewöhnlich füttern wollte und sie von 322 Digitized by Google kühle Körpertemperatur hatten, und in den Sommermonaten zur Abkühlung der Haut dienten. Martial, VII, 87: Wenn die kühlende Schlang' um den Hals Glaucilla sich windet Lukian, Alexander (Kap. 7): „In diesem Lande sahen sie eine Art ungewöhnlich großer Schlangen oder Drachen, die so harmlos und zahm sind, daß sie von einigen Weibern wie andere Haustiere aufgezogen werden, bei den Kindern schlafen, sich ohne böse zu werden necken und mit Füßen treten lassen, ja sogar wie Säuglinge an die Brust gelegt werden, um statt jener die Milch auszuziehen." Unser gelehrter Boettiger vermutet daher, gewiß nicht mit Unrecht, in seiner „Sabina", einem in deutscher Sprache geschriebenen Werke, das die genaueste Kenntnis des römischen Lebens verrät (S. 454), daß diese Schlangen den wollüstigen Damen auch andere Dienste geleistet haben. Hiernach wird es leicht verständlich, was der Mutter des Augustus, Atia, begegnet war oder ihr doch hätte begegnen können, wie Suetonius, Augustus, Kap. 94 schreibt: „In den Theologischen Abhandlungen" des Asklepiades von Mendes lese ich, Atia habe sich um Mitternacht zu einem feierlichen Gottesdienste in den Tempel des Apoll be- geben und sei dort, während die anderen Frauen schon schliefen, ebenfalls eingeschlummert. Da sei eine Schlange zu ihr geschlüpft und habe sich bald darauf wieder entfernt, sie selbst aber habe Amelsen verzehrt fand, sah er darin eine Mahnung, sich vor der Übermacht der Menge zu hüten.' PHnius (hist. nat. XXIX, 4) erwähnt die Sache flüchtig: .Die Askulapiusschlange wurde von Epidaurus nach Rom gebracht, und man hält sie jetzt allgemein in den Häusern.' Ebenso Seneca, De ira, II, 31: .Ohne Schaden läßt man sich bei Trinkgelagen kriechende Schlangen an den Busen schleichen.* Daß es keine kleinen Tiere waren, sieht man aus der Erzählung des Philostratos, Heroica VIII, 1 : .Er (der Lokrlsche Alax) habe auch eine zahme Schlange von fünf Ellen Länge gehabt; diese habe mit ihm getrunken, ihm Gesellschaft geleistet, auf dem Wege seinen Führer gemacht, und ihn begleitet wie ein Hund." Lukian sagt a. a. O., daß solche Schlangen bei Pella In Makedonien häufig vorkommen. Auch heute noch gibt es in Italien welche, vgl. Lipsius' Kommentar zum Seneca. (Gegen Ende des XIX. Jahrhunderts erzählte man sich von der Contessa Morosini, einer gefeierten Schönheit der venezianischen Aristokratie, daß sie fast stets eine kleine zahme Schlange bei sich trage (Anm. d. Übersetzers). 21. 323 sich beim Erwachen, in dem Gefühl, daß ihr Mann den Beischlaf mit ihr vollzogen, von demselben gereinigt" Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn solch eine Schlange, auch ohne daß Atia sie es geheißen, einen Ort aufgesucht hätte, der ihr aus Erfahrung wohlbekannt war und wenn sie dann der vom Schlafe Aufwachen- den das Gefühl zurückgelassen hätte, das ein wirklicher Koitus zu hinterlassen pflegt 1 1 In einem japanischen Roman, Inadzuma hyöshi, von Kyödcn, sucht eine Schlange den Schoß eines jungen Mädchens auf und ist durch keine Gewalt von dort zu vertreiben, .wie denn die Schlangen sehr wollüstige Tiere sind,* — bemerkt der Autor. Ann. d. Übersetzers. 324 * Digitized by Google SIEBENTES KAPITEL. Von dem Koitus mit Tieren. Da wir nun in unseren Untersuchungen so weit gekommen sind, liegt es ja von deren Gegenstand nicht fern, wenn wir auch einiges über die Zügellosigkeit derjenigen hinzufügen, die den Koitus mit Tieren ausübten. Es ist nachgewiesen worden, daß die Bewohner von Mendes 1 in Ägypten dem Bock göttliche Ehre erwiesen und sein Fest in der Weise feierten, daß sie ihm öffent- lich ihre Weiber, auch gegen deren Willen, preisgaben. Herodot II, 46: „Auch geschah in demselben Nomos (dem mendesischen) dieses Wunder, als ich dort war. Mit einem Weibe vermischte sich ein Bock öffentlich." Strabo XVII, 802: „Mendes, wo Pan verehrt wird, und ein Tier, der Bock. Hier vermischen sich die Böcke mit den Weibern." 2 Daß die Sache auch den Hebräern nicht unbekannt war, lernen wir aus dem Gesetzbuche des Moses, Levit XX, Vers 15 — 16: „Wenn jemand beim Viehe liegt, der soll des Todes sterben, und das Vieh soll man erwürgen. Wenn ein Weib sich irgend zu einem Viehe tut, daß sie mit ihm zu schaffen hat, die sollst du töten, und das Vieh auch." Würde wohl Juvenal je auf die Idee gekommen sein, die er in den Versen VI, 333—334 ausdrückt: 1 Plutarchus, De brutis ratio ne utentibus (mor. 989): .Man sagt, daß der Bock zu Mendes In Ägypten, trotzdem man ihn mit vielen schönen Weibern zusammensperrt, doch keine rechte Lust bezeigt, sich mit ihnen zu vermischen, dagegen den Ziegen gegenüber sogleich in Brunst gerät* * Wenn die Mitteilung bei Venette II, 4, 3 Glauben verdient, soll es noch Jetzt nichts Gewöhnlicheres in Ägypten geben, als daß sich Mädchen mit Ziegen- böcken vergehen. „dann zögert sie auch nicht Hinzustrecken die Hüfte dem auf sie steigenden Esel;" würde Apuleius die erbauliche Geschichte erzählt haben, wie der durch ein Versehen der Fotis in einen Esel verwandelte Lucius den Koitus mit einer vornehmen Dame ausübt, wenn nicht zu ihren Zeiten wirklich solche Dinge ab und zu passiert waren? Die bekannte und von Apuleius mit allen Details erzählte Episode findet sich im „Goldenen Esel", Buch X, Kap. 22: „Aber ich hatte wirklich nicht geringe Angst, wie ich mit meinen vier langen und ungelenken Beinen die zartgebaute Dame besteigen, wie ich so sanfte, zarte, glänzende, von lauter Milch und Honig geknetete Glieder mit harten Hufen umfassen, wie ich so kleine, ambrosia- duftende Purpurlippen mit einer so breiten und plumpen Schnauze, mit unförmigen, steinernen Zähnen küssen, und wie endlich die Dame — mochte sie auch vor Wollust bis in die Fingerspitzen glühen — ein so übergroßes Zeugungsglied aufnehmen könnte. Unterdessen verdoppelte die Dame ihre Liebkosungen, herzte, küßte mich, und girrte und verdrehte im Taumel stehender Be- gierden die Augen. Zuletzt rief sie: ,Hal Nun hab ich dich, mein Täubchen, mein Vögelchen!' Und mit den Worten zeigte sie mir, daß alle meine Besorgnis und Furcht töricht und über- flüssig war, denn sie umschlang mich und nahm mich ganz — ganz, sage ich — auf. So oft ich, ihrer schonend, mein Hinterteil zurückzog, so oft flog sie elastisch in jähem Schwünge mir nach, und immer fester meinen Rücken umfassend, schmiegte sie sich brünstig an mich, so daß ich, beim Herkules, gar glaubte, ich sei noch nicht stark genug gebaut zur Befriedigung ihrer Üppigkeit" Zur Zeit des Papstes Pius V. (1566—1572) verging sich ein Mädchen aus Toscana mit einem Hunde, wie Venette II, 4, 3, erzählt, und in Paris wurde im Oktober des Jahres 1601, wie Elmenhorst zu der eben zitierten Stelle des Apuleius an- merkt, eine Frau gefunden, welche mit einem Hunde zu tun gehabt hatte; es wurden daher die Gesetze nachgeschlagen, um sie zu bestrafen und auf den einstimmigen Urteilsspruch des Rates wurden das ehebrecherische Weib und ihr „Mann", der Hund, bei lebendigem Leibe verbrannt. Ja, sogar von einem 326 Digitized by Google Krokodil hat sich ein Weib benutzen lassen, wenn wir Plutarch, De solertia animalium (mor. 976) Glauben schenken dürfen: „Kürzlich erzählte mir der treffliche Philinus, der von einer Reise aus Ägypten zurückgekehrt war, daß er in Antaipolis ein altes Weib bei einem Krokodil auf einem Ruhebett ganz friedlich und einträchtiglich habe schlafen sehen." Auch die Männer verachteten die Cunni aus dem Tierreiche nicht Die Monumens du culte secret d. d. r. zeigen auf Taf. III das Bild eines Mannes, der eine Ziege fickt; allerdings hätte der Verfasser des Textes hierzu nicht den gar nicht passenden Vers Virgil, Bucol. III, 8: Wissen wir doch, wer dich — (nämlich: päderastiert hat), als seitwärts schielten die Böcke zitieren sollen. Daß in unseren Gegenden Schäfer und andere Leute aus den niedrigsten Ständen außer an Ziegen, auch an Schafen, Kühen und Stuten manchmal Gefallen finden, bezeugen die Gerichtsakten. 327 ACHTES KAPITEL. Von den Spintrien. Bei den Arten der Geschlechtslust, die wir in den vorher- gehenden Kapiteln erläutert haben, kamen solche geschlechtliche Handlungen in Betracht, an denen meist zwei Personen teil- nahmen. Es kommen aber auch Szenen der Wollust zwischen mehr als zweien, zwischen dreien oder mehreren Personen vor, Akte, die wir mit dem von Tiberius erfundenen Kunstausdruck „Spintrien" (spintriae) nennen wollen. Suetonius, Tiberius, Kap. 43: „In seiner Abgeschiedenheit zu Capri aber erdachte er gar sein Sofazimmer (sellaria) als Sitz geheimer Ausschweifungen, in welchem Scharen von überall zusammengebrachten Mädchen und Lustknaben und Erfinder unnatürlicher Beischlafsweisen, die er „Spintrien" zu benennen pflegte, zu dreien verbunden miteinander Unzucht treiben mußten, während er zuschaute, um durch den Anblick die abgestumpften Begierden aufzustacheln." Die „sel- laria" war wohl, wie das Wort besagt, ein mit Polstermöbeln ver- sehener Raum. Diejenigen, welche sich auf diesen Polstern und Ruhebetten gegenseitig schändeten, hießen, nach dem Orte, Sel- larii, und nach ihren Verschlingungen Spintriae; denn nach Festus, S. 443, ist spinter „eine Art Armreif, den die Frauen am linken Oberarm trugen". Das Wort scheint aus sphincter, griechisch aquyxTrjQ, entstellt und von tHpiyyoi, „ich umschnüre" abgeleitet zu sein, also etwa „Armschlinge" zu bedeuten. Tacitus, Annales VI, 1; „Und jetzt erst erfand man die bisher unbekannten Namen der Seilarier und Spintrier, nach der Einrichtung des Ortes zum laster- haften Gebrauch und den vielerlei Arten der Preisgebung." Spintrier sind also diejenigen, die wie die Ringe eines Armreifes aneinander 328 Digitized by Google hängen und miteinander den Dienst der Venus verrichten. Es können also drei eine Gruppe bilden, derart, daß der mittlere ein Fututor oder ein Päderast, der vordere ein Mädchen oder ein Kinäde, der hintere ein Päderast ist Solch eine Kette stellten jene drei dar, die Ausonius in seinem 59. Epigramm (S. 334 Peip.) schildert: 1 Dreie in einem Bett, davon zwei Schande erdulden, Zwei sie begehn. „Aber dann," sagst du, „sind es ja vier." Aber du täuschst dich. Die beiden am End' haben je eine Rolle; Doppelt zähl* den in der Mitf, weil er erduldet und tut. Eine spintrische Szene mit einem Kodierenden in der Mitte zeigt die Taf. XL in den Monumens de la vie prive"e d. d. C, eine solche mit einem Päderasten Taf. XXVII. Es ist aber nicht einmal nötig, daß der in der Mitte der Gruppe den Beischlaf ausübt oder Päderastie treibt Er kann nämlich so zwischen seine beiden Partner verteilt werden, daß er von hinten die Liebesbezeigungen eines Päderasten empfängt, von vorn aber als Irrumator, Fellator oder Cunnilingus tätig ist. Das alles versuchte und variierte durch neue Erfindungen jener Hostius, ein sonderbares Genie auf dem Gebiete der raffiniertesten Wollust, wie nur je eines dem Gedächtnis der Nachwelt auf- bewahrt worden ist, ein Mann, gegen'den Seneca fast heftiger, als es der Ruhe und Unparteilichkeit eines Philosophen zukommt, losdonnert, Nat Quaest I, 16. Er nimmt sich diesen Sünder so genau vor, daß seine Philippica den Eindruck erweckt, irgend ein heimliches Wollustgefühl habe dabei die Brust des strengen Tugendhelden durchschauert: „Hier will ich dir ein Geschichtchen erzählen, woraus du erkennen magst, wie die Genußsucht kein Mittel zur Reizung der Lust verachtet, und erfinderisch ist, ihren Wahnsinn noch mehr anzufachen. Ein gewisser Hostius war ein solcher Wüstling, daß man ihn sogar auf der Bühne bloßstellte. Diesen reichen Geizhals, den Sklaven von hundert Millionen Sestertien, als er von seinen Sklaven ermordet worden war, hielt 1 Dieses Epigramm des Ausonius ist eine Übersetzung aus dem Griechischen des Straton; Analecta Brunkii II, 380. 329 der vergötterte Augustus keiner Rache wert, und sprach es bei- nahe aus, es sei ihm eigentlich Recht geschehen. Dieser Mensch war nicht nur mit einem Geschlecht unzüchtig, sondern nach Männern ebenso lüstern als nach Weibern. Und er machte Spiegel von der Art, die ich soeben erwähnte, welche die Bilder bedeu- tend vergrößert wiedergeben, und in welchen ein Finger, sowohl der Länge als der Dicke nach, größer als ein Arm wurde. Diese stellte er so auf, daß, wenn er mit einem Manne zu tun hatte, er, denselben im Rücken habend, alle Bewegungen seines geilen Buhlen im Spiegel sah, und sodann an der vorgespiegelten Größe des Gliedes, als wäre es wirklich so, seine Lust hatte. In allen Bädem zwar hielt er seine Auswahl, und las sich Männer von gehörigem Maße aus, aber nichtsdestoweniger gab er dem un- ersättlichen Laster noch durch Täuschung höheren Reiz. Und nun sage man mir noch einmal, der Spiegel sei um der Reinlich- keit willen erfunden! Es ist ekelhaft zu erzählen, was jenes Scheusal, das sich nur mit eigenem Munde hätte zerfleischen sollen, gesagt und getan hat, da der Kerl von allen Seiten Spiegel aufstellte, um seinen eigenen Schändlichkeiten selbst zuzusehen, und was, auch geheimgehalten, auf dem Bewußtsein lastet, ja was jeder, wenn er dessen beschuldigt wird, wegleugnet, nicht nur in den Mund zu nehmen, sondern seinen eigenen Augen vor- zuhalten. Wahrlich, Schandtaten beben doch sonst vor ihrem eigenen Anblick zurück! Auch bei Verworfenen und zu jeder Schändlichkeit sich Hergebenden ist doch noch eine zarte Scheu vor dem Anblick vorhanden. Jener aber, als ob es nicht genug wäre, Unerhörtes und Unbemerktes mit sich anfangen zu lassen, hat auch noch seine Augen dabei haben wollen, und, nicht zu- frieden mit dem, was er von seinen Sünden sehen konnte, hat er sich noch mit Spiegeln umstellt, in denen seine Schandtaten ver- teilt und geordnet sein mußten; und weil er es nicht genau sehen konnte, weil er zusammengedrückt war und den Kopf gesenkt hatte, und an den Schamgliedern eines andern hing, so hielt er sich sein Tun durch Abbilder vor. Er studierte solch wollüstigen Anblick und beschaute sich die Männer, die er zu allem auf einmal zuließ. Bisweilen zwischen einem Manne und einem Weibe geteilt und den ganzen Körper preisgebend, schaute er 330 Digitized by Google auch diese Abscheulichkeiten mit an. Blieb denn für diesen un- flatigen Menschen noch etwas im Dunkeln zu tun übrig? Er scheute den Tag nicht, sondern hielt sich die unnatürlichen Be- gattungen selbst vor und machte sie sich zurecht Wie? sollte man glauben, er habe in diesem Zustande gemalt sein wollen! Auch die Verworfensten haben noch eine Art von Züchtigkeit, und Leute, die ihre Person der Entehrung für jedermann preis- geben, halten noch etwas vor, um die heillose Hingebung zu verdecken: so ist auch im Bordell noch einigermaßen Sittlichkeit zu Hause. Aber jenes Ungeheuer hatte sein wüstes Treiben zum Spektakel gemacht, und ließ sich selbst dasjenige sehen, was zu verbergen keine Nacht dunkel genug ist Mit einem Manne und mit einem Weibe sagte er, habe ich zugleich zu tun; nichtsdesto- weniger will ich mit dem Teile an mir, der noch nichts zu tun hat, noch auf andere Art die Schändlichkeit vergrößern. Alle Glieder sind im Dienste der Unzucht; auch die Augen sollen an der Wollust teilnehmen und ihre Zeugen und Förderer sein! Auch das, was vermöge des Baues unseres Körpers den Blicken entzogen ist, soll auf künstliche Art sichtbar werden, damit nie- mand meine, ich wisse nicht was ich tue. Die Natur hat es schlecht eingerichtet, daß sie der menschlichen Lust so geringen Vorschub geleistet, daß sie die Begattung anderer Tiere besser bedacht hat So will ich denn erfinderisch genug sein, wie ich meiner Leidenschaft zugleich abhelfe und genugtue. Wohin käme meine Verworfenheit, wenn ich naturgemäß sündige? Ich will mich mit einer Art von Spiegeln umstellen, die mir die Gestalten unglaublich vergrößert zurückwerfen. Wäre es mir möglich, so würde ich sie in der Wirklichkeit so machen; weil das nicht an- geht, so will ich meine Lust an der Täuschung haben. Meine Unzüchtigkeit soll mehr schauen, als sie tun kann und soll ihr eigenes Treiben bewundern. — O, des empörenden Greuels! Dieser Mensch ist vielleicht schnell, und ehe er es merkte, ge- tötet worden. Vor seinem Spiegel hätte er geschlachtet werden sollen." Ein Bild des Kaisers Tiberius, wie er auf eigentümliche, aber keineswegs abstoßende Art als Spintrier fungiert, zeigt die Tafel XXI in den Monumens de la vie privSe d. d. C. Der Kaiser ist dort 331 in halbliegender Stellung im Begriff, einem Madchen, das über ihm schwebt, den Cunnus zu lecken, während er einem anderen Mädchen den Penis zum Saugen darbietet. Es lassen sich indessen auch mehr als drei Personen zu einer längeren Kette verbinden. Wenn jemand ein Mädchen fickt, während zugleich er und das Mädchen päderastiert werden, so hat man die vier in dreifacher Reihe verbundenen Spintrier des Tiberius, nach Suetons eben angeführten Worten. Stellt man an jedes Ende dieser Kette wieder einen Päderasten, so hat man eine Gruppe, in welcher fünf in vierfacher Reihe aneinander ge- koppelt sind. Martial XII, 43: Neue Formen der Venus gibt es dorten, Wie sie wagen verlebte Rouös können, Was verschwiegen wohl Ausgediente bieten: Wo sich fünfe zu einer Gruppe fügen, Sich aus mehreren eine Kette bildet Eine höchst künstlich zusammengestellte Gruppe von fünf Teil- nehmern zeigt Tafel XXXVI in den Monumens de la vie prive"e d. d. C: Nero, nach vorn gewendet, fickt ein auf dem Rücken liegendes Mädchen und leckt eine andere, welche steht; er selbst wird päderastiert, ebenso hat das stehende Mädchen einen Päde- rasten hinter sich. Es versteht sich von selbst, daß man eine solche Kette bis ins Unendliche ausdehnen kann. 332 Digitized by Google AUTOREN-VERZEICHNIS Seite Seite Aelianus, varia historia XI, cap. 12 235 nco Aetius ... 221 OOfi Alanus ... 24 941 Eine Monographie hierüber wird in Kürze erscheinen. 356 Digitized by Google Lange vor der Pubertät regt sich im Knaben ein außergewöhn- liches Interesse an der Mädchenkleidung, das er in seiner Eigenart als Geheimnis vor dritten Personen hütet: ein Beweis für die originär erotische Qualität des Gefühls, das, wie es zu gehen pflegt, erst später als solches bewußt wird. In der Regel macht der Knabe, wenn er allein ist, mit den Kleidungsstücken der Schwester die ersten Kostümversuche: er probiert ihre Stiefeln an, zieht ihr Hemd über, bindet ihre Schürze um oder setzt ihren Hut auf. Nicht selten überrascht ihn bei diesen einsamen Ver- suchen zu seiner Bestürzung die erste Ejakulation, ohne daß immer eine Berührung des membrum dabei stattgefunden hätte. Weiterhin gesellt sich dann der Drang, ein schön gekleidetes Mädchen zu umarmen, zu dem Drang, selber in den Kleidern dieses Mädchens zu stecken. Die Entwicklung variiert nun un- gemein. Einige schwelgen in oft wiederholten Maskierungen und in der Beschaffung einer reich gewählten Damengarderobe; sie sind psychisch impotent, wenn sie beim coitus nicht kostümiert bleiben können, oder wenn sie nicht wenigstens die Ohrringe an- behalten oder nicht vorher in Modejoumalen blättern. Einige verfallen sekundär darauf, daß zu ihrer Eigenart ein viriles Weib oder gar ein Mann das gehörige Komplement abgeben müßte. Alle aber leiden an Niedergeschlagenheit, wenn das Leben ihrem Kostümdrang unüberwindliche Hindernisse entgegenstellt; glücklich oder geistig und sexuell befriedigt sind sie nur, wenn sie ihrem Drange, der verschiedene Stärke aufweist, nachleben können. In Frauenkleidern nehmen sich diese Männer meist linkisch aus, ja grotesk, besonders wenn ihr ausgesprochen männlicher Typus, ihr wilder Bartwuchs und eine formidable Baßstimme ihr Gewand Lügen strafen. Indessen machten sich einige so manierlich, daß ich mit ihnen, ohne Aufsehn zu erregen, auf der Straße spazieren konnte. Komplikationen der Homosexualität mit anderen Abarten. Bcccadelli vermöbelt S. 37 einen gewissen Mattia Lupi, der nicht bloß homosexuell und paedophil ist, sondern sich von dem Knaben auch schlagen läßt, der also, wie man heute sagen würde, passiver Flagellant oder Masochist ist. Derartige Komplikationen sind sehr 357 häufig; kürzlich habe ich hundert solcher Fälle (davon zwei aus- führlich) in einer Übersicht zusammengestellt 1 Es fiel mir dabei auf, daß die homosexuelle Paedophilie immer mit der Erscheinungs- gruppe Masochismus -Sadismus verschwistert auftritt Es ist viel Gemeinsames in beiden Sinnesrichtungen, was mir auch von den be- treffenden Korrespondenten, soweit sie sich selber gut beobachteten, bestätigt wurde. Doch verbietet mir hier der Raum, darauf näher einzugehn. Den einen Fall von Komplikation möchte ich aber hier ge- kürzt rekapitulieren, weil er sehr lehrreich ist und zu den selten beschriebenen gehört. Frau Y., steht in den Zwanzigern, schlank aber kräftig, puppenhaft fraulich, etwas nervös, launenhaft, willensschwach. Vita sexualis: Schon in frühster Jugend befand sie sich in einem Milieu, das infolge von mangelhafter Erziehung und Aufsicht zu erotischer Zügellosig- keit tendierte. Vom 8. Jahre an begannen sexuelle Reizhandlungen mit gleich- altrigen Knaben und Mädchen, sowie mit Erwachsenen. Wäre eine Disposition zur Heterosexualität bei ihr vorhanden gewesen, so hätte sie sich hier schon äußern können. Aber im Gegenteil; sie schaute als Zehnjährige heimlich durch ein Fenster zu, quomodo andllae pabis cauponis ab hospitlbus quibusdam futuerentur, und masturbierte hinterher in der Vorstellung, sie sei der be- treffende Mann. Auch hatte sie schon damals Orgasmus, wenn sie andere Mädchen lingua manuque befriedigte, ohne sich selber irgendwie zu be- rühren. Diese Anlage blieb nun weiterhin konstant. Sie zog mit der Familie als Kunstradfahrerin von Variete zu Variete und mußte sich mehrfach Männer aufdrängen lassen, deren artiones sie kalt und unbeteiligt über sich ergehen ließ. Weiber dagegen versetzten sie sofort in Exzitarjon. Der eben genossene Anblick der trikotbekleideten Kolleginnen hinter der Bühne bewirkte, daS sie selbst während ihrer Radfahrproduktion vor dem Publikum vollen Orgasmus bekam. Sie brauchte (und braucht jetzt noch) nur in der Straßenbahn einer schönen Frau gegenüber zu sitzen, um plötzlich .wegzuschwimmen*. Inzwischen hatte sich auch die masoch istische Färbung ihrer Libido völlig ausgebildet. Sie fand im Laufe der Zeit eine große Anzahl von Partnerinnen, fast lauter heterosexuelle Frauen, die teils auf Bitten, teils aus eigener Initiative die zwischen beiden Partnerinnen bewegten sich in dem bekannten Kreislauf. 1 Über Komplikationen der Homosexualität mit anderen sexuellen Anomalien, in: Jahrbuch f. sex. Zwischenstufen, 1908. 353 Digitized ■ Die Y. wurde mit verbalen Insulten gemeinster Art bedacht, wurde ge- schlagen, getreten, gekratzt, gestochen, debebat pedes, cunnum, anum amicae lingere atque os praebere ad ejus mictionem usw.; denique adesse et ad- juvare solebat, quando femina mentula fututoris delectabatur. 1 Szenen der letzten Art fahrten übrigens, bei Verkennung der subjektiven Grundlage dieser Handlungen, zu einer schweren Verurteilung der Y. aus § 180 des Strafgesetzbuchs. Hinzuzufügen ist, daß der maritus der Y., der sie vor drei Jahren heiratete, nur die sekundäre Rolle eines Surrogats in diesem festen erotischen System spielt. Die Y. bleibt in cohabitatione vollkommen frigid, sobald sie dabei nicht gerauft, gestochen, insultiert oder bespien wird; sie stellt sich dann als Urheber solcher algolagnistischen Aktivität geschwind ein Weib vor und erhält den gewünschten Orgasmus, wenn auch in minderer Höhe. 2 Die masochistische Tendenz der Y., ihre Unempfindlichkeit gegen Schmerz oder die Verkehrung der Schmerz- in Lustempfindung ist absolut nur auf gleichgeschlechtlichen Verkehr eingestellt. Wenn sie sich etwa unversehens an eine Tischkante stößt, schreit sie auf; Scheltworte und Schläge von selten eines Mannes bringen sie in Harnisch; ebenso wies sie einmal den Vorschlag eines Mannes, sie möge ihn aus ihrem Schuh Wein trinken lassen, mit Abscheu zurück. Dagegen findet sie es natürlich, daß sie das letztere bei ihrer Freundin tut, und blutunterlaufene Striemen nimmt sie von selten eines Weibes in regungslosem Entzücken hin. Vorliegenden Fall hatte ich, statt hier, auch in dem Abschnitt über amor lesbicus unterbringen können, oder in dem über Masochismus. Gerade die komplizierten psychischen Anlagen zeigen deutlich, wie mangelhafte Notbehelfe die bekannten Rubriken der sog. Psychopathia sexualis sind. Es gibt leider Autoren, die ihre Fälle lieber amputieren oder sonst zu rech tschieben, als daß sie zugäben, die betreffende Biographie passe nicht so recht in ihr vo'rausbestimmtes Schema hinein. Einen extrem raasochistisch - homosexuellen Zug (bei Forberg nicht zitiert) erzählt Athenäos (VI, 88/90): Drimakos, der Anführer 1 Vgl. Sacher-Masochs Veranlagung, besonders in: Schlichtegroll. Wanda ohne Maske und Pelz, 1906, S. 169 ff. Nach privater Mitteilung enthalten Sachers Tagebücher die stärksten obscoena in dieser Richtung. » Ein derartiges Umdenken ist in der Ehe von Homosexuellen typisch und meist das einzige Hilfsmittel zur Erfüllung der .ehelichen Pflichten'. Im vor- liegenden Fall hielt der ganz normale Gatte die Zumutungen der Y. nur für Aus- brüche eines lebhaften Temperaments und gab ihnen aus großer Liebe zu seiner Frau, wenn auch widerstrebend, nach. 359 Digitized by Google eines lange andauernden Sklavenaufstandes auf Chios, verlangte, da er alt geworden war und auf seinen Kopf ein hoher Preis stand, von seinem Geliebten, er solle ihm den Kopf abschneiden und sich das Geld damit verdienen; wie denn auch geschah. Unter den neueren Autoren findet man bei Sagitta 1 Züge von vergeistigtem Masochismus; dieser Dichter ist gleichzeitg dem Anarchismus nicht abgeneigt, also auch für sadistische Äußerungen zugänglich. Ein Federheld der Masochistenliga, der unter den Namen Schaumburg und Antonio schreibt, hat in einem Opus die paedi- catorische Schändung eines »Sklaven" recht eingehend geschildert 3 Anthropologische Verbreitung. Hierauf weist Forberg S. 241 und 242 hin. Da ich mich knapp fassen muß, nenne ich den Interessenten bloß das Spezialwerk des ausgezeichneten Forschers F. Karsch-Haack: Forschungen über gleichgeschlechtliche Liebe (Chinesen, Japaner, Koreer), München 1906. Vom gleichen Ver- fasser: Päderastie und Tribadie bei den Naturvölkern, im Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen, Bd. III. Karsch bemerkt in bezug auf das Ergebnis seiner Untersuchungen: .Alle Erscheinungen des gleichgeschlechtlichen Lebens der Völker werden ohne Schwierig- keit, wenigstens ebenso leicht wie die des verschiedengeschlecht- lichen, durch die Erwägung verständlich, daß sie, wie letztere, entweder aus innerlichem, der freien Entscheidung gänzlich ent- zogenem, mehr oder weniger unwiderstehlichem, eingeborenem Drange hervorgehn oder aber aus äußeren Ursachen, z. B. dem Mangel an andrer Gelegenheit, der Not, dem sozialen Elend, der Gewinnsucht, dem Reiz der Schönheit, der Verführung, der Gut- mütigkeit, der Neugier, der Abenteuerlust, dem Nachahmungstrieb, geschlechtlichem Leichtsinn oder Indifferentismus ihren Ursprung verdanken. Die Erscheinungen der ersteren Art dürften wohl immer und überall ungefähr dieselbe Verbreitung aufweisen, wenn schon ein Einfluß von Rasse, Klima und Lebensweise auf die physischen Bedingungen gleichgeschlechtlichen Dranges nicht 1 Sagittas Bacher der namenlosen Liebe. Bd. II: Wer sind wir? Berlin 1906. 2 Die Geheimnisse von San Atuanka. Ein Drama menschlicher Entartung, von Carlo Antonio (Preßburg 1907). 360 absolut als ausgeschlossen zu gelten braucht Die Erscheinungen der zweiten Art kämen hier, strenge genommen, gar nicht in Be- tracht; sie wurden mit Recht als .Selbstbefriedigung zu Zweien 4 gekennzeichnet und haben mit der gleichgeschlechtlichen Liebe nichts als die äußere Form gemein. Aber eben infolge dieser Obereinstimmung der äußeren Form läßt sich eine Trennung nicht durchführen, es müssen hier beide Arten gleichgeschlechtlichen Verkehrs unterschiedslos zusammen behandelt werden." 361 Digitized by Google III. BISEXUALITÄT. Folgende Stellen bei Forberg lassen sich auf das Problem beziehen: Marti al sagt (S. 273) es gäbe Männer, die von der Natur zwiefach geschaffen wären; ein Teil sei für Mädchen, einer für Manner bestimmt Martial meint dies natürlich im Sinne einer stark genießenden Libido. — Phaedrus erzählt (S. 307) eine hermaphroditische Schöpfungsfabel. Als Prometheus Menschen formte, soff er sich während der Arbeit beim Bacchus an. Im benebelten Zustande setzte er dann das männliche Schlußglied dem Weibe an und umgekehrt. — Nach Beccadelli (S. 5) besitzt dagegen der Hermaphrodit ein weibliches und ein männliches Glied. — Endlich wirft Ausonius (S. 222), ähnlich dem Martial, die Frage auf, ob ein gewisser Jemand vielleicht auf zweierlei Gefühle geeicht sei, am anus auf weibliche, an der mentula auf männliche. Unsere modernen Bisexualitätstheorien sehn ja nun freilich ein wenig anders aus; ob sie mehr wert sind, ist die Frage. Sie stellen zum Teil metaphysisches Geschwafel dar, alchymistische M + W- Rezepte, geeignet, den Stein der Weisen in der Zwischen- stufenretorte zu destillieren, wofern man nur selber erst heraus- gebracht hat, was denn M und was W ist Diesen Wiener Philosophastereien über eine Gleichung mit lauter Unbekannten steht der Versuch von Magnus Hirschfeld gegenüber, die Er- gebnisse der neueren Embryologie mit den Ulrichs'schen Urnings- hypothesen zusammenzuschweißen. Hirschfeld argumentiert etwa folgendermaßen: Auf den niedersten Stufen der Tierwelt erfolgt die Fortpflanzung ungeschlechtlich durch 362 Digitized by Google Zellteilung oder -knospung. Die Zellteilung verschwindet auf höheren Stufen nicht, ist vielmehr der elementare Vorgang jeden Wachstums. Dagegen differenziert sich die Fortpflanzung des Gesamtorganismus und wird geschlechtlich, indem entweder bei den wahren Zwittern (Schnecken, Regenwürmern) jedes Individuum männliche und weib- liche Keimdrüsen trägt, oder indem sich nur die eine Keimdrüse zur funktionellen Reife auswächst Beim Menschen ist bis zum dritten Monat des Fötallebens nicht zu entscheiden, welches von beiden Geschlechtern sich bilden wird. An Stelle der späteren Sexualorgane bestehen zunächst in beiden Fällen genau die gleichen Primitivorgane. Äußerlich betrachtet, bildet sich das Geschlecht so, daß bei jedem von beiden nur ein gradueller Unterschied des Wachstums verschiedener Teile ein und des- selben Primitivorgans stattfindet. Was etwa innerlich die Richtung zur einen oder andern Entwicklung bestimmt, wissen wir nicht. Der Zoologe Weismann nimmt die vererbte Anwesenheit beider Geschlechtsprinzipien an (Kontinuität des Keimplasmas), wonach also bei jedem Menschen das entgegengesetzte Geschlechtsprinzip latent vorhanden wäre. Hirschfeld bringt hiermit die hermaphrodi- tischen Mißbildungen der Genitalien in Zusammenhang, ferner jene nicht seltenen Fälle, wo sich die sekundären Geschlechts- merkmale (z. B. Behaarung, Brüste, Kehlkopf) dem Typus des andern Geschlechts nähern. 1 Nun macht er den Schluß, daß gleich den körperlichen auch psychisch variierte Mischungsverhält- nisse stattfänden, und er versucht letzten Endes die Homosexualität dahin zu erklären, daß sich bei ihr von den beiden gleichfalls angeborenen psychischen Faktoren eben nur derjenige besonders ausgebildet habe, der dem groben Augenschein nach als der kon- träre anspreche. Über den Wert dieses Hypothesengebäudes sind die Meinungen sehr geteilt; es fehlt jedenfalls noch sehr viel zur naturwissen- schaftlichen Erhärtung des Ganzen. Vgl. darüber v. Notthaffts und meine Bemerkungen in der Monatsschrift für Harnkrank- heiten IV, 11. Die hermaphroditischen Mißbildungen wurden aus- 1 Vgl. Magnus Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, Mischungen männ- licher und weiblicher Geschlechtscharaktere. Leipzig 1905. Mit 83 Abbildungen. 363 führlich behandelt von Cesare Taruffi: Hennaphroditismus und Zeugungsunfähigkeit, 2. Aufl., Berlin 1908, mit 40 Abbildungen; ferner von Neugebauer in verschiedenen Banden des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen und zusammenfassend in dem großen Kompendium .Hermaphroditismus beim Menschen", Leipzig 1908. 1 Fälle von Mißbildungen der Genitalien haben seit 1900 eine erhöhte privatrechtliche Bedeutung gewonnen, weil das Bürger- liche Gesetzbuch eine ältere Bestimmung hierüber ausgemerzt hat, derzufolge es Personen, die mit Mißbildungen zur Welt kamen, beim Eintritt ins majorenne Alter erlaubt war, ihre Geschlechts- zugehörigkeit nach eigener Wahl zu bestimmen. Aufsehn erregte in jüngster Zeit der Fall des N. O. Body, der in dem Buch „Aus eines Mannes Mädchenjahren', Berlin 1907, seine eigentümliche Entwicklung bis auf unbedeutende Nebenumstände wahrheitsgetreu geschildert hat. Die Hermaphroditen des Altertums, wie sie in den bekannten Statuen und den Wandgemälden Pompejis dargestellt sind, halte ich nicht für die Wiedergabe seltener Naturerscheinungen, sondern nur für ein laszives Künstlerideal. Höchstens könnte die starke Libido gewisser Frauen durch sie symbolisiert worden sein. Der Körper dieser Hermaphroditen ist immer ganz fraulich, bis auf das membrum virile, zu dem vielleicht die Sage von der riesen- haften Klitoris einiger Tribaden den Anlaß gegeben hat Eine solche „prodigiosa Venus" gehört aber, wenn sie vorkommt, ins Reich der speziellen Pathologie. Die größte Klitoris, die ich bei der normalen Lebenden sah, glich einer mittleren Kirsche. 1 Während der Drucklegung erschien noch: Chrobak und Rosthorn, Die Mißbildungen der weiblichen Geschlechtsorgane. Mit 90 Abbildungen und 2 Tafeln. Wien 1908. 364 Digitized IV. AMOR LESBICUS. Fahren wir gleich mit der .prodigiosa Venus" fort. Forberg zitiert S. 305 zwei Fälle aus Venette: De la g£n£ration de Thomme, wonach eine Klitoris von der Länge eines halben kleinen Fingers und eine von der Länge eines Gänsehalses vorgekommen sei. In beiden Fällen bleibt es unklar, ob es sich nicht vielleicht um eine Entwicklungsstörung, eine pathologische Hypertrophie, oder gar um eine regelrechte Geschwulst gehandelt hat. Eine gute Abbildung von einem scheinbaren weiblichen Penis findet man bei Hofmeier: Handbuch der Frauenkrankheiten, Leipzig 1908, S. 49. Es gibt auf diesem Gebiet eben sehr viel Scheinbares; manchmal kann erst nach der Operation durch mikroskopische Untersuchung festgestellt werden, was denn eigentlich vorlag. 1 Einmal wurde eine Fettgeschwulst (Lipom) exstirpiert, die vom Venusberg bis zu den Knien herabhing, und deren untere Hälfte die Kranke selbst bereits mit dem Rasiermesser ihres Mannes ab- geschnitten hatte. Hottentotten schürze. Bei PI o 8 -Bart eis (Das Weib in der Natur- und Völkerkunde, Leipzig) werden u. a. auch gewisse Ver- größerungen der kleinen Schamiippen erwähnt, die bei einigen aussterbenden Rassen Südafrikas ungemein häufig vorkommen. Die Ansicht der meisten Untersucher geht dahin, daB es sich dabei um ein masturbatorisches Kunstprodukt handle, wie man es auch in Ansätzen bei europäischen Frauen beobachten kann. 1 Vgl. auch v. Neugebauer: Chirurgische Überraschungen auf dem Gebiete des Scheiiuwittertums, Leipzig 1902. 365 Die Schamlippen werden durch Ausziehn unter Umstanden so verdünnt, daß sich runde Löcher an ihnen bilden. Ob die Steato- pygie, die voluminöse Fettablagerung am Gesäß der Hottentotten- weiber, hiermit in irgend einem Zusammenhang steht, ist schwer zu sagen. Robert Müller (Sexualbiologie, Berlin 1907) meint, sie werde hervorgerufen durch ein besonderes Hervorstehn des Steißbeins, durch das Tragen der Säuglinge auf den Hüften und durch Zuchtwahl, insofern die fettsten posteriora am begehrtesten seien. Klitoriskohabitation. Forberg nimmt S. 306/307 an, die Tribade sei fähig, den fututor oder paedicator nachzuahmen. Zur Stütze dieser Ansicht ließe sich allenfalls Rohleder anführen, der Bd. II S. 498 der „Vorlesungen* folgendes sagt: Die Klitoris- kohabitation sei diejenige Art, wo „una femina clitoridem in vaginam vel in anum alterius immittit". Er fährt indessen nach- her wörtlich fort: „Ich halte einen derartigen Verkehr für mehr theoretisch als in praxi wirklich ausführbar, wenn nicht ganz ab- norm verlängerte Klitoriden, wie sie uns französische Autoren aller- dings vielfach geschildert, vorhanden sind. Doch sind sie ganz abnorme Seltenheiten. Daß hin und wieder Versuche einer solchen Kohabitation von ganz gewiegten Tribaden vorgenommen werden, glaube ich gern. Daß sie aber eine derartige Größe erreiche, daß sie als Ersatz des Penis ad immissionem in vaginam resp. in os, oder gar in anum dienen kann, dürfte als für die Praxis zu belanglos hinfällig sein." Dem kann ich nur beipflichten. Aus den Kreisen der Berliner vornehmen Lesbierinnen weiß ich mit Bestimmtheit, daß eine Klitoriskohabitation nicht vorkommt. Sehen wir von den Varianten des bloßen Kusses und den subtileren oder masochistischen Liebesspielen ab, so sind nur folgende Methoden des zum Orgas- mus führenden Verkehrs üblich: erstens und hauptsächlich das cunnum lingere; zweitens: die irritatio ope digiti; drittens: die irritatio per machinamentum seu olisbum; viertens: die appressio corporum. Bei der letzten kommt es den Beteiligten darauf an, die montes Veneris bei geöffneten oder geschlossenen Schenkeln aneinander zu pressen oder mit der vulva auf einem Schenkel 366 Google des Partners zu reiten. Es ist klar, daß sich besonders hierbei in der Hitze des Gefechts die Phantasie von einer Klitoris- kohabitation aufdrängen kann. Ist nun Forberg wegen seines Fehlschlusses zu tadeln? Nein; denn er redet gar nicht aus eigener Erfahrung, was hierbei übrigens für einen Mann nicht leicht wäre, sondern, wie er S. 187 ausdrücklich betont, aus seinem Munde spricht bloß die Quintessenz der gelehrten Altertumskunde. In der Tat stellen die Satiriker die Klitoriskohabitation und -pädikation als möglich dar. Aber es sind eben Satiriker! Der Olisbos. Den ledernen Phallus erwähnt Forberg S. 322; Aristophanes, Suidas und Chorier werden zitiert, obwohl das nicht die einzigen Quellen sind. Der Gebrauch von Godmiches, Samt- hänsen, Bijoux oder wie sie sonst heißen mögen, ist universell. Bei Wilhelm Klein: Die griechischen Vasen mit Lieblings- inschriften, Leipzig 1898, findet man die Zeichnung einer Frau, die breitbeinig über einem „Tub" steht; mit der Linken ist sie im Begriff, sich den mäßig großen Olisbos horizontal von vorn ein- zuführen, in der Rechten hält sie das zur Salbung benutzte Öl- fläschchen. Ebenda ist eine rotfigurige Vase mit folgender Gruppe erwähnt: „Auf einer Kline. Symplegma eines bärtigen Mannes und einer Frau; sie schlägt mit dem Pantoffel nach seinem Hinter- teil. Daneben kauert ein Jüngling, der sich selbst befriedigt, im Abschnitt liegt auf einem Stuhl ein Mädchen in gleicher Tätigkeit. Hinter der Kline Lampenhalter, darauf Lampe mit zwei brennenden Dochten, daran zwei Weinkellen. - In Atjeh auf Sumatra werden Phalli aus Wachs bereitet Schon vor Ankunft der Europäer benutzten die Frauen der Philippiner künstliche Glieder. Stoll 1 meint, der Larrfo oder „Gebärvater" der Tagalen, ein großes, zungenförmiges Instrument, das zu ge- burtshilflichen Zwecken verwandt wird, sei ursprünglich nur ein Olisbos gewesen. Friedrich S. Krauß hat in: Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner, Leipzig 1907, eine Anzahl japa- 1 Vgl. aber diese und andere Angaben: Stoll, Das Geschlechtsleben in der Völkerpsychologie, Leipzig 1908. 367 nischer Olisben aus Papiermache, Bronze, Holz, rotem Siegel- wachs, Horn usw. abgebildet, teils Gebrauchsgegenstände, teils Votivgaben; interessant ist der Doppelphallus auf Tafel XII für ein Urnindenpaar. Von den eingeborenen Frauen Sansibars be- richtet Oskar Baumann in der Zeitschrift für Ethnologie 1899 u. a. folgendes: „Die ausgeführten Akte sind: kulambana = ein- ander lecken, kusagana = die Geschlechtsteile aneinanderreihen, und kujita mbo ya mpingo = sich den Ebenholzpenis beibringen. Letztere Art ist bemerkenswert, da dazu ein besonderes Gerät not- wendig ist Es ist dies ein Stab aus Ebenholz in der Form eines männlichen Gliedes von ansehnlicher Größe, der von schwarzen und indischen Handwerkern zu diesem Zwecke hergestellt und insgeheim verkauft wird. Manchmal soll er auch aus Elfenbein gefertigt werden. Es kommen zwei verschiedene Formen vor. Die eine hat an dem unteren Ende eine Kerbe, wo eine Schnur befestigt wird, die das eine der Weiber sich um den Leib bindet, um an der andern den männlichen Akt nachzuahmen. Der Stab ist meist durchbohrt und es wird dann zur Nachahmung der Ejakulation [oder der Körperwärme?] warmes Wasser eingegossen. Bei der andern Form ist der Stab an beiden Enden eicheiförmig zugeschnitzt, so daß er von beiden Weibern in die Vagina ein- geführt werden kann, wozu diese eine sitzende Stellung einnehmen. Auch hier ist der Stab durchbohrt. Beim Gebrauch werden die Stäbe eingeölt" 1 Mittelalterliche Pönitentialen erwähnen den Gebrauch gleich- falls, und die chirurgische Kasuistik gleicht in bezug auf die Gegenstände, die in die Vagina eingeführt und darin ver- gessen wurden, einem wahren Fundbureau. Das tollste ist viel- leicht, daß eine Frau zehn Jahre lang ein Trinkglas in der Scheide trug. Erwähnen möchte ich noch, daß mir eine Tribade aus den unteren Ständen, die nie etwas von einem lesbischen Instrumen- tarium hatte verlauten hören, einen selbstverfertigten Olisbos vor- wies, auf den sie nicht wenig stolz war. Seinen Kern bildete ein Holzpflock, der reichlich in Watte gebettet war; das Ganze war 1 Auch Forberg (S. 320) weiß von afrikanischen Tribaden zu erzählen. 368 mit einer Cambricbinde kunstgerecht umwickelt und mit einem Kondom überzogen. Sie pflegte das Instrument an ihrer Unwohl- seinsbandage zu befestigen, sobald ihre Freundin, eine ehe- verlassene Multipara, das tägliche Bedürfnis danach äußerte. Sie selber war gleichfalls Multipara und hatte die verwegensten Abenteuer hinter sich. Diese beiden Frauen verkehrten natürlich faute de mieux aus reinem Detumeszenztrieb miteinander, was nicht gehindert hat, daß sie in einer Kasuistik als originär homo- sexuell figurieren. Angebliche Seltenheit. Merkwürdig ist, daß Forberg S. 304 und 313 behauptet, das cunnum lingere zwischen Weibern sei selten; er stützt sich darauf, daß er nur die eine betreffende Stelle beim Marti al hat finden können. Ich glaube, aus der anthropo- logischen Verbreitung des amor lesbicus kann man getrost schließen, daß er bei Römern und bei Griechen in demselben Maße vorkam wie wo anders. Daß ihn die Satiriker nicht verspotten, beweist nur, daß sie ihn natürlich und von ihrem ethischen Standpunkt aus nicht tadelnswert fanden, wovon weiter unten noch die Rede sein wird. Tri baden kl ubs. Forberg sagt S. 321 vorsichtig, .wenn man dem Autor der Gynäologie Glauben schenken darf", so hätten in Paris und London Tribadenklubs bestanden. Diese Vorsicht scheint mir gut angebracht. Unsere populären Kulturhistoriker, denen bei dem Eiltempo ihrer Bücherfabrikation die Muße zum Nachdenken abhanden gekommen ist, nehmen dagegen unbesehen jeden Me- moirenklatsch als purste Wahrheit und stellen die öffentliche Sitt- lichkeit so dar, als habe die Menschheit nichts weiter zu tun ge- habt, als Bordelle, petites maisons und alexandrinische Geheimklubs zu errichten. So interessant z. B. auch die Schilderung ist, die Pidanzat de Mairobert im zehnten Bande des , Espion anglais" 1 von dem Lesbierinnenklub der Schauspielerin Raucourt entwirft, und so treffende psychologische Züge im einzelnen darin ent- 1 Erschien 1907 im Ausschnitt von Heinr. Conrad übersetzt als: Anandria, Bekenntnisse der Mademoiselle Sappho (400 Exemplare). 24 369 halten sind: für bare Münze und authentisch darf man derartige Pamphlete nicht halten. Auch im heutigen Berlin, wo doch alles anzutreffen ist, existieren meines Wissens derartige Organisationen nur in lüsternen Reportergehirnen. Was vorkommt, sind etwa kleinere lesbische Soupers oder Geburtstagsfeiern, die im Laufe des Abends in die Gattung der spintriae übergehen. Doch sind das Privatangelegenheiten, die keine Öffentlichkeit tangieren. Größere Assoziationen der Art entstehen immer erst, wenn sich die Menschen unter der Maske des sehr suggestiven religiösen Fanatismus zusammenfinden. Theoretisches. Forberg schließt (S. 308) aus Lukians Hetären- gesprächen, daß die Frauen der Insel Lesbos einem Naturtrieb gefolgt seien; in der Anmerkung erläutert er dies dahin, die Be- treffenden hätten wegen übergroßer Klitoris nicht mit dem Mann verkehren können und „sie hätten sich daher kaum anders helfen können, als indem sie sich alsTribaden Befriedigung verschafften". Man sieht, die .übergroße Klitoris" ist hier dem Theoretiker For- berg arg im Wege; offenbar fühlte er sich auch unsicher, denn er holt schnell noch den Venette zu Hilfe. Um die Kommentierung der berüchtigten Juvenal- Stelle VI, 309-334 ist Forberg eifrig bemüht (S. 313—317). Dabei ent- wischt ihm (S. 316) folgender Satz zur Theorie: „Schließlich aber siegt die Natur, die Tribade ist mit ihrer Kunst zu Ende und wird wieder zum Weibe sans phrase usw." Endlich wird S. 318 Chorier zitiert, bei dem die sehr erfahrene Tullia also redet: „Halte mich darum nicht für schlechter als die anderen; dieser Geschmack ist fast über die ganze Welt verbreitet. Die Italienerinnen, die Spanierinnen, die Französinnen lieben ihre Geschlechtsgenossinnen, und wenn die Scham sie nicht zurück- hielte, würfen sie sich am liebsten brünstig einander in die Arme." Es ist danach unschwer zu erkennen, daß Forberg der An- sicht war, die Neigung zur lesbischen Betätigung liege überhaupt in der weiblichen Natur, sie werde aber durch den Einfluß von Rasse und Klima, durch starke Sinnlichkeit und durch lokale Difformitäten begünstigt. 370 Digitized by CjO Wenn ich nun auf die Frage antworten soll: Was sagt die moderne Sexualwissenschaft hierzu? so ist zunächst zu sagen, daß gegenüber der stattlichen Bibliothek von Untersuchungen zur männlichen Homosexualität verschwindend wenig Original- arbeiten über den amor lesbicus existieren. Das rührt daher, daß der § 175 Frauen nicht berührt, und die Parteileute der Homo- sexualität haben begreiflicherweise zuerst des eigenen Heils wegen gearbeitet, und nicht das wissenschaftliche Objekt allein, d. h. die Homosexualität überhaupt, bei Männern und bei Frauen, im Auge gehabt So ist es gekommen, daß auch denjenigen Forschern, die innerlich an diesen Fragen unbeteiligt sind, vor- läufig ein minderes Material zu Gebote steht Im allgemeinen ist das Bestreben vorherrschend, die weibliche Homosexualität als anschließendes Analogon zur männlichen zu behandeln, die komplementären körperlichen und seelischen Er- scheinungen aufzudecken und das Angeborensein neben dem Er- worbensein zu bejahen. Ich halte es immerhin für notwendig, einige Grundverschieden- heiten zu betonen. Es ist schon auffällig, daß so außerordentlich wenig öffentliche Antipathie gegen „schwule" Weiber besteht, während doch die bloße Vorstellung von „mutuellen" oder gar irrumierenden oder pädizierenden Männern einen Tornado von öffentlichen Beschimpfungen heraufbeschwört. Sollte das Ding nicht tiefer wurzeln? Es ist nicht leicht, unsere eigene Psyche zu belauschen, und man darf nichts ununtersucht lassen. Wenn die besagte Antipathie wirklich einem „Kontrainstinkt" gegen die Urningerei entspräche, so würde das in unserm Fall doch be- deuten, daß der Instinkt gegen den amor lesbicus nichts ein- zuwenden hätte und daß die deutsche Fassung des § 175 durch- aus keiner Vergeßlichkeit entsprungen sei, als sie nur die paedicatio und die Bestialität mit Einsperrung bedachte. Ich habe öfters die Beobachtung gemacht, daß sich nichts leichter einleitet, als der sexuelle Verkehr zwischen sinnlich er- wachten Mädchen und Frauen. Eine Strohwitwenschaft genügt, um zwei Freundinnen im verwaisten Ehebett zu vereinigen, wäh- rend die Mehrzahl der Männer, die sog. Normalen, im gleichen 2A* 371 Fall zur Prostitution eilen oder zum gefälligen Dienstmadehen oder durch Masturbation und Pollution ihre Tumeszenz erledigen, beileibe aber nicht daran denken, einen guten Freund als erotischen Beirat heranzuziehn. Ich meine, das ist doch ein fundamentaler Unterschied, der uns zwingt, die sog. weibliche Homosexualität überhaupt mit ganz andern Augen anzusehn als die männliche. Ich will aber darauf nicht weiter eingehn, da hier nicht der Ort dazu ist Ganz fern liegt es mir, das Vorkommen echter eingeborener Homosexualität bei Weibern irgendwie bestreiten zu wollen. Ich kenne Mädchen und Frauen, die geradezu als Musterstücke für denjenigen Typus zu gelten haben, der von mancher Seite als der eine allgemeingültige hervorgehoben zu werden pflegt Frauen, die verkleidete Männer zu sein scheinen, mit männlichen Allüren, möglichst flegelhaft, biertrinkend, pfeiferauchend, burschikos, mit spottschlechtem Baß, hinter jeder Schürze her wie unsinnig, un- fähig einen Teller abzuwischen, dabei von Kindheit an unvernünftig wie je ein Galgenstrick von Bengel, denen niemals, auch im Traum nicht, ein Mann verlockend erschienen ist Aber diese Sorte bildet nur eine winzig kleine Gruppe, beinah möcht ich die einzelnen an den Fingern herzählen; und nur weil fast alle nach Berlin strömen, kann man sie hier leichter kennen lernen. In der Literatur hat sich, vom Studium des Prostitutionswesens her, die Meinung fortgeerbt, als bestehe bei Lesbierinnen immer eine harte Scheidung zwischen »aktiv" und »passiv" oder „Vater* und „Mutter". Das kommt wohl vor, zumal diese Bezeichnungen Mode geworden sind, aber die Verhältnisse sind in Wahrheit mit solchen Redensarten höchst ungenügend gekennzeichnet. Prosti- tuierte sind überhaupt ein ganz unklares und verdorbenes Material, sozusagen psychologisch verpfuscht; sie können uns nichts lehren. Und in der guten Gesellschaft liegen die Dinge erheblich anders. Richtig ist nur dies, daß die oben beschriebenen energischen Mannweiber auf sog. normale Frauen Jagd machen, trotz einem Don Juan, und daß sie sich dann selber die Rolle des „Vaters" oder besser des ungetreuen Gatten zudekretieren. Zur Ergründung dieses Verhältnisses ist es nötig, vor allem 372 DigitizedjD^jC^pogl die Psychologie der sog. normalen und (der Auskünfte wegen) möglichst gebildeten Frauen zu erforschen. Um den Leser ein wenig in diese Atmosphäre zu versetzen, bringe ich zum Schluß dieses Abschnittes noch ein bisher in solchem Zusammenhang nicht zitiertes Gedicht von Paul Verlaine, dem glänzendsten Inter- preten des amor lesbicus, in eigener und unveröffentlichter Ober- tragung: FRÜHLING UND SOMMER. Zum jungen Mädchen mit dem blonden Scheitel, das lassig daliegt, seiner unbewußt, spricht so die Rote, leis' und schönheitseitel, verführerisch mit halbentblößter Brust: Du Keim und Knospe, ahnst du wohl das Blühen, das nun die Reize deiner Schlankheit schwellt? laß meine Finger taumelnd sich bemühen, bis jäh zum Abgrund die Kaskade fällt. Wo in dem weichen Moos die Perlen blinken, der Liebestau entsickert ganz geheim, da laß mich die verzückte Inbrunst trinken. Damit ich staunen kann, wie schnell die Röte der süßen Lust die Stirn dir überfließt und wie der Bach so plötzlich brausend schießt. * * * Die Jugendschlanke spricht darauf mit Zittern, als sie der heiße Atem überweht: O! Herrin, du kommst wie mit Ungewittern so über mich, daß mir der Sinn vergeht. Ich liege da . . . und deine schweren Brüste . . . mein seltsam Zucken wird durch sie geschärft, und schwül enthauchen duftgetränkte Lüste von deinem Fleisch und machen mich entnervt 373 Digitized by Google Die Weichheit und dein Fleisch sind ohne gleichen, so reich und satt und voller Sommerglut, wie Juninächte durch das Mondlicht streichen. Und deine Stimme säuselt Melodien von Ungeahntem, und dein feurig Haar seh' ich wie Morgenbrand durch Wälder fliehen V. MASOCHISMUS. Um dem geschichtlichen Entwicklungslaufe der Sexualwissen- schaft auch weiterhin zu folgen, wenden wir uns nun der Be- trachtung des Masochismus zu. Des Masochismus? fragt vielleicht ein erstaunter Leser, was hat das Altertum mit dem Masochismus zu schaffen? Ich gebe zu, die Verwunderung ist nicht unberech- tigt, weil das Wort hier anachronistisch klingt. Das ist aber auch alles, und daran bin ich nicht schuld, sondern der ver- storbene Krafft- Ebing. Ovidismus. Wenn es sich darum handelte, in lateinisch- griechischer Nomenklatur eine Triebanlage zu bezeichnen, die be- hauptetermaßen, wenn auch nicht eine Geisteskrankheit, so doch eine »geistige Krankhaftigkeit" bedeuten sollte, so hätte es für mein Empfinden (oder Wissen) näher gelegen, einem Vertreter des griechisch -lateinischen Altertums diesen persönlichen Lack anzuhängen. Krafft -Ebing hat es vorgezogen, einen lebenden Mitbürger und gefeierten Romancier damit zu beehren. Er ver- teidigte das sogar: „Den Tadel," sagt er, 1 „den einzelne Verehrer des Dichters und gewisse Kritiker meines Buches mir dafür zuteil werden ließen, daß ich den Namen eines geachteten Schriftstellers mit einer Perversion des Sexuallebens verquickte, muß ich zurück- weisen." Warum? weil's stimmt, weil Sacher -Masoch „so" war. So ganz stimmte aber nun Sacher doch nicht zu dem klinischen Bilde, das Krafft -Ebing vom Masochisten entwarf. Aus Sachers l Psychopathia sexualis, 13. Aufl. 1907, S. 100. 375 erotischem Tagebuch 1 geht hervor, daß er ein leidenschaftlicher fututor war; während Krafft- Ebing meistens angibt, daß bei dem betreffenden „Patienten" der .nebensächliche" Koitus durch andere, ganz unähnliche Momente ersetzt werde. Hätte Forberg den schematischen Ausbau der neuen Mode- Erkrankung a Masochismus" mit erlebt, er hätte nicht gezögert, uns mit einem antiken Muster zu dienen; was ich jetzt an seiner Statt nachhole. Ovid gibt in den Amores und in der Ars amandi eine routinierte Anleitung zur Masochistik. Lassen wir ihm das Wort: Pförtner, du unverdient an die harte Kette gebundener, öffne die Tür nur ein ganz klein wenig, daß ich zu ihr hineinschlüpfe. Schau, das genügt, ich bin ja vor Liebessehnsucht schon ganz dünn geworden. Sieh, wie ich mit Tränen die Tür benetze. Wahrhaftig, ich legte oft für dich ein gutes Wort ein, wenn du zitternd und nackt vor der Herrin standst, dir Schläge zu holen. Ach, wieviel besser ist doch dein Los, als meines. Geht über auf mich, ihr lastenden Ketten [mit denen der Torsklave angeschlossen ist], dann könnt' ich doch wenigstens in ihrer Nähe weilen. Zaudere nicht, Qeliebte, sogleich mit den Nägeln mir ins Gesicht zu fahren. Schone weder Augen, noch Haare an mir. Mag der Zorn deinen Händen helfen, wenn sie auch noch so schwach. Wer liebt, gleicht dem Soldaten. Beide durchwachen die Nacht, auf harter Erde lagern sie beide. Jener vor der Schwelle der Herrin, dieser auf Posten vor des Führers Gezelt Wer es für schimpflich hält, Frauen zu dienen, der erkenne mich meinet- wegen schuldig solchen Schimpfs. Mag mich immerhin Schmach treffen, wenn mich nur Venus sachter quälte, wenn ich zur Beute einer milden Herrin geworden wäre, wie ich es einer schönen wurde. Von der Schönheit und dem Spiegel nimmt sie ihren Übermut. Doch darf sich das Winzige wohl an das Gewaltige klammern. Du, Hehre, nimm mich, auf welche Be- dingungen du willst. Die Bettgesetze diktiere dul O, laß mich oft vor deiner Schwelle liegen, in langer Nacht bei Reif und Frost. Spotte des Buhlen, und du wirst lange über ihn herrschen. Lange litt ich und viel; die Geduld erlag vor der Unbill. Jetzt hab ich mich befreit; was zu leiden mich nicht kränkte, mich kränkt es, dafi ich's litt. Für irgendwen, den du in den Armen hieltest, stand ich wie ein Sklave auf Wache vor dem verschlossenen Hause. Mit ansehn mußte ich, wie müde dein Geliebter aus der Tür trat, um die befriedigten Lenden matt heimwärts 1 Vorgefunden auf tausend heterogenen Zetteln in dem beispiellos unordent- lichen Nachlaß. Vorläufig ruht das gesichtete Manuskript unveröffentlicht im Tresor eines Leipziger Verlegers. 376 Digitized by Google zu tragen. Dies ginge noch an. Aber daß er mich noch sehen sollte, das ist bitter. 1 Jetzt ringt mein schwaches Herz zwischen Haß und Liebe. Auch der Stier haßt das Joch, aber er trägt, was er haßt. Flieh ich die Schlechtig- keit, so bringt mich die Schönheit wieder her. Stoßen mich die Sitten zurück, so bezaubert mich dein Körper. Ohne dich ist es so schwer zu leben, wie mit dir. O, wärst du nicht so schön oder nicht so schlecht, usw. Diese Proben lassen sich noch aus der .Ars amandi" leicht vervollständigen. Der erotische Grundzug in den Werken Ovids und Sacher-Masochs stimmt überein, wenn auch der Klassiker sich nicht so grob ausdrückt wie der moderne Autor, der auf jeder Seite in dem Ausdruck .Sklave" schwelgt Zur Theorie bemerke ich nur, daß Ovid einer der gelesensten Autoren der Weltliteratur ist, und daß das Urteil der Jahrhunderte über ihn lautet, er sei ein leidenschaftlicher Mensch gewesen. Auf die Idee einer pathologischen Geistesbeschaffenheit ist man nie gekommen, und ich möchte ihn auch hier nicht dafür reklamieren, vielmehr dem Sacher-Masoch nur die gleiche Fähigkeit zu starken Äußerungen der Leidenschaft zusprechen. Was bringt nun Forberg, der ja Krafft- Ebings Einfall nicht vorausahnen konnte, für Material zur Frage? Er erwähnt- S. 278 das Masseusenwesen der Alten, jedoch mehr in Zusammenhang mit Sport und Masturbation. Auf S. 203 zitiert er eine merk- würdige Situation aus dem Petronius, wo ein Sklave bei der Kohabitation der Herrschaft behilflich zu sein hat; derartiges ist dem masochistischen Gedankenkreis nicht fremd, doch wäre eine solche Deutung hier wohl gewaltsam. Auf S. 224/225 wird vom Heliogabal erzählt, er habe im Bade bei seinen Mädchen den Epilator gespielt und das Enthaarungsmittel, das soeben auf ihrer Pubes gelegen, sich selber auf den Bart gestrichen. Weiter werden S. 289—291 Fälle von pica aufgezählt, die in engster Be- ziehung zum Masochismus stehn und auf die ich weiter unten noch zurückkomme. Endlich scheint mir, daß Forberg daneben- haut, wenn er S. 201 die in Peitsche, Zügel und Sporen be- 1 Vgl. die Situation bei Schlichtegroll, Wanda ohne Pelz und Maske, S. 169 ff. Über den Reiz der Untreue vgl. auch Molls Artikel in: Senator und Kaminer, Krankheiten und Ehe, neue Ausgabe. Berlin 1908. 377 Digitized by Google stehenden Votivgaben gewisser Hetären nur mit der „Hektars Roß" benannten Koitusstellung in Verbindung bringt. „Sie ritten," sagt er, „sie wurden nicht geritten; etwas anderes kann es nicht bedeuten." Aristoteles und Phyllis. Bekannt ist der Holzschnitt des Hans Baidung Grien von 1513, der den Ritt der übermütigen Phyllis auf dem Aristoteles darstellt. Weniger bekannt ist, daß diese Situation schon im Pantschatantra und im Alt-Chinesischen vorkommt und daß sie zu den allerverschiedensten Zeiten als Symbol der Weiberherrschaft gedient hat Diese Geschichte spielt im Folklore eine Rolle, wie aus einigen Chansons de geste und deutschen Fastnachtsspielen des 15. Jahrhunderts hervorgeht Figürliche Darstellungen der Szene finden sich mehrfach an älteren französischen Kirchen des Südens, eine schöne Holz- skulptur am „Brusttuch" des Magister Thalligk in Goslar. Außer- dem sind mir eine Reihe von Zeichnungen, Gemälden, Stichen usw. bekannt geworden, die bis zum Jahre 1200 zurückreichen und das Thema nach Laune und Begabung variieren. Ich trage also kein Bedenken, die erwähnten Votivgaben der antiken Hetären auf eine besondere Geschmacksrichtung ihrer Klienten hin aus- zulegen. Ich vermute sogar, daß wir in den östlichen Literaturen, die uns leider siebenfach versiegelt sind, den aufgezäumten und gerittenen Masochisten als altbekannten Typus finden würden; um so eher, als diese Situation auf alle variationsbegierigen Erotiker einen gewissen Reiz auszuüben scheint Rousseau. Daß Forberg dennoch einen Zusammenhang aller dieser Dinge instinktiv gefühlt hat, beweist sein langes Zitat S. 213/214 aus Rousseaus „Confessions". Es ist dasselbe, Made- moiselle Lambercier betreffend, ohne dessen Anführung kein heutiger Sexualforscher eine allgemeine Darstellung der Erotik glaubt beschließen zu dürfen, und man ersieht hieraus wiederum, wie vorbildlich und in jeder Beziehung beachtenswert die Apophoreta sind. Rousseau sagt, selbst der Schmerz und die Scham sei mit einem Gefühl von Sinnlichkeit (d. h. Lust) ver- bunden gewesen. Man hat von einer Art Umwandlung des 378 Digitized by Schmerzgefühls in Lustgefühl bei der Flagellation gesprochen. Das ist wohl eine Verlegenheitsphrase. Denn, was einmal als Schmerz perzipiert wurde, ist und bleibt eben Schmerz. Ich habe aber selber beobachten können, wie einige passive Flagellanten platzende Striemen nur mit Lustempfindung hinnahmen, ohne jede bei anderen übliche Schmerzreaktion. Es wird also jeden- falls in einigen Fällen einzig Lust perzipiert, eine Erscheinung, die den Haut-Parästhesien in der Hypnose, wo gleichfalls ein fremder Wille die betroffene Psyche lenkt, auffällig ähnelt. Viel- leicht liegt in dieser Richtung ein Weg zur Erklärung einer der sonderbarsten Erscheinungen des Liebeslebens. Forberg zitiert ferner zur Frage der Flagellation auf S. 212 den Chorier, der in einem Fall von der aphrodisischen Wirksam- keit der Rute zu erzählen weiß. Interessant ist auch die An- merkung S. 141; sie findet sich nicht bei Pidanzat de Mairobert (Anecdotes sur Mme. la Comtesse du Barry, 1775), stimmt aber mit dessen Angaben überein, da er deutlich durchblicken läßt, Ludwig XV. sei ein masochistischer cunnilingus gewesen und habe zum erstenmal bei der frechen Dubarry die Erfüllung seiner uneingestandenen Sehnsucht gefunden. Se non e vero, e ben trovato. Die römische Domina. Sehen wir uns nach weiteren Be- weisen älteren Datums um, den Masochismus und verwandte Züge betreffend, damit es nicht scheine, als sei diese erotische Spezialität nur ein Kulturprodukt moderner Großstädte; wobei es gleichgültig ist, ob der aktive oder der passive Partner deutlicher in die Erscheinung tritt, da ja beide zur Situation nötig sind und der Sadismus nur die Kehrseite der Medaille bedeutet Ein zartes und ein grobes Beispiel mag für das klassische Altertum genügen. Das erste steht in der griechischen Anthologie und lautet in eigener Übertragung: Könnt' ich die Brise doch sein, und du ergingst dich am Strande: Um die hitzige Brust blies ich dir kühlende Lust! » 379 Könnt' ich die Rose doch sein, und du mit den weichesten Fingern Nestelst mich zärtlich und mild, wo der Busen dir quillt I * • Zierlicher Kelch, du saugst an dem honigsüfiesten Munde; Und ich wünsche nur das: wSr' ich statt deiner das Glas! • Das zweite Beispiel bei Juvenal kennzeichnet den Typus der römischen Domina, die aus purer Laune einen Sklaven ans Kreuz schlagen laßt und den mitleidigen Gatten mit der Bemerkung zu- rechtweist, ein Sklave sei kein Mensch und mangels eines Grundes zur Bestrafung genüge eben ihre Caprice: sit pro ratione voluntasl Ihr ungnädiges Lever schildert die Szene: Wenn nächtlich der Gatte Lag auf die Seite gewandt, schlecht geht's der Beschließerin; ausziehn Muß der Staffierer den Rock, und es heißt, daß spät die Liburner Heute gekommen: er muß das Vergehn, daß ein andrer geschlafen, Büßen. An einem zerschlägt man die Ruten; von Peitschen und Geißeln Bluten die andern. Es zahlt auch manche dem Büttel ein Jahrgeld. Schläge diktiert sie und schminkt sich dabei, hört Freundinnen plaudern Oder bewundert am Kleid, dem gesUckten, den mächtigen Goldstreif, Und läßt hauen. Sie liest in dem langen Journal die Kolumnen Und läßt hauen, bis daß, da ermüden die Hauenden: Pack dich! Grimmig sie donnert darein . . . (Übersetzung von Berg.) Solche Domina war auch Antonina, die Gattin Beiisars; über eine eigentümliche Szene zwischen den beiden vgl. Prokops Arcana (am besten die ungekürzte Ausgabe von Isambert, Paris 1856, mit griechischem und französischem Text). Masochlsmus im Mittelalter. Moscherosch spricht in den Wunderlichen und wahrhaftigen Gesichten Philanders von Sitte- wald auch von solchen Weibernarren, die da begehren, das Brett auf dem geheimen Kabinett zu sein, auf daß ihnen die „Tränen" aus der Liebsten Gesäß ins offene Maul fallen. In der „Wohlausgeführten Jungfern -Anatomie usw." meint 380 Digitized by Google Verfasser (wahrscheinlich Karl Seyffart, um 1660), man müsse die Frauen sehr mühselig courtoisieren, sie Göttin titulieren usw. Man muß sich wünschen offt zum schwartzen Floch zu werden, Zu hüpften in das Bett, sonst oder an der Erden. Ja mancher wünschet offt: Ach wäre ich die Sach, Darauff das Jungfervolck sich setzet im Gemach, Ach wär ich doch die Schürt*, das Hündgen und das Kätzgen usw. Abraham a Santa Clara entwirft folgendes Bild, das an Voll- ständigkeit nichts zu wünschen übrig läßt: 1 Ach meine angebetete Schönheit! sagt mancher zu seiner Haus -Trommel, du weißt, wie ich dich ästimire; nunmehro ist es schon das achte Jahr, daß wir miteinander hausen, und sind Gottlob niemals uneinig gewesen, es soll auch hinfüro mit meinem Willen nicht geschehen; der Himmel lasse mich die Zeit nicht erleben, daß ich dich nur im geringsten beleidige, drum schaffe, meine Gebieterin, hier sind die Schlüssel zum Kasten, mein Herz hast du schon längst geraubet, disponir mit dem Geld nach deinem Gefallen. Drinn in der Kammer hängen auch die Schlüssel zum Keller; die ganze Wirtschaft, Knecht, Mägd, Rinder, Schwein, sogar der alte Haushund stehet zu deinen Diensten: schaffe was du willst, befehle wie du willst, gehe aus so oft du willst, stehe auf wenn du willst; thut dir Jemand etwas zuwider, dort im Winkel ist der Ochsen -Senne, schlag zu, die Leute müssen im Hause eine Furcht haben. Dergleichen verllebte Sentenz redet der in Weiber- Lieb völlig ersoffene Mann, und verkaufet das Obenecht, welches allein dem Mann zu- stehet, seinem Weib, wie Esau seinem Bruder, die Erstgeburt gleichsam um ein Linsen -Mus. Mit wem aus euch, ihr Weiber- Narren, redet der weise Mann Proverb, am 9. Non des mulieri potestatem animae tuae, ne ingrediatur in virtute tua, et confundaris: Gieb dem Weib keinen Gewalt über dich, damit sie sich nicht deiner Tugend anmaße und du hernach zu Schanden werdest; denn M. Porcius Cato saget: Omnium rerum libertatem, immo licentiam, si vera dicere volumus, foeminae desiderant: Die Freiheit aller er- denklichsten Sachen, ja allen Mutwillen und Ueppigkeit, wenn man die Wahrheit sagen will, begehren die Weiber, und ihnen ist nichts angenehmers, als das Regiment über den Mann. Wie viel aber solche Weiber- Narren giebt es nicht, welche ihren Frauen gern den Regimentsstab überlassen, und den Besen in die Hand nehmen, womit sie sich zur äußersten Sclaverei ihrer Weiber- Füßen werfen. Ja, sie springen durch die Reif wie die hungrige Pudel-Hund, wenn es nur ihre lieben Frauen verlangten. Es hanget mancher Mann die ganze jährliche Besoldung an den Hintern, die Frau zieht auf wie * Auch bei Rudeck, Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit zitiert, aber nur als Beispiel einer drastischen Predigt gegen die .Unsittlichkeif. 381 Digitized by Goc^le eine vornehme Dame, und der Mann hingegen wie ein verächtlicher Thor- Wärtl, also, daß die Leut nil wissen, ob dieser seines Weibs Mann, oder aber setner Frauen ihr Haus -Knecht seie. Solche Narren vermeinen, sie begehen eine Sand der beleidigten Majestät, wenn sie ihren Weibern etwas ab- schlagen; sie sitzen ihnen Tag und Nacht in dem Schoofi und lecken ihnen die Lippen ab, wie die Polster- Händlern. Etliche Narren hocken gar vor ihren Weibem auf einem Knie nieder, als wollten sie Audienz begehren, küssen ihnen bei einem jeden Wort die Händ, und wenn das Weib bei Tags in dem Bett faulenzt, so ziehen sie die Schuh ab, bevor sie in die Kammer gehen, damit sie ja den angenehmen Engel nicht aufwecken. Sobald das Weib nur einen verliebten Augenwink thut, so lauft der Mann schon wie ein Land -Bot, damit der Wille seines Weibes auf das allereilfertigste vollzogen werde. Dann weilen durch die Augen seine süße Sclaverei entsprungen, so hält er auch solche vor rechte Befehls -Geber, denen er einzig und allein seine Dienste aufopfern kann, ja des Weibs Augen sind bei solchen Männern wie die Sonnen-Uhren, angeheftet auf die schöne Gesichts-Tafel, weisend mit Zeiger der Blicke denen veramorirten und vermasquerirten Weiber- Narren die glückselige oder aber unglückselige Stunden. Es trinken viele die Gesund- heiten ihrer Weiber nicht nur aus denen Stengelgläsern, sondern auch aus denen Pantoffeln; und hat der Herr Coridon neulich seine schöne Frau Amaryllis versichert, wie er sie dergestalten liebe, daß er nicht entblödete, ihre Gesundheit aus dem zinnernen Nachttopf zu trinken, welcher unter ihrem Bette stunde. Es ist mir unlängst von einer klugen und schlauen Magd vor gewiß erzählet worden, daß dieselbe bei einer solchen Frau gedient, deren Mann allzeit in das geheime Gemach dem Weib das Papier nachgetragen, und die Frau ihrer Müh überhebt, welches ich um desto ehender glauben können, indeme mir die Magd hochbetheuert, daß sie dieses schöne Spektakel mit Augen durch eine Klumsen der Thür gesehen. Paul Verlaine. Der Verfasser der Paraphrase von Abbe Boileaus Historia Flagellantium, ein Engländer, meint: 1 „Die- jenigen Schriftsteller, welche über die Art und Weise geschrieben haben, wie sich Mannspersonen im Umgang mit dem schönen Geschlecht zu betragen haben, sind so weit in ihrer Diskretion gegangen, daß sie es sogar den Damen zu einer Art von Pflicht gemacht haben, ihren Anbetern, Liebhabern, und auch ihren Männern bey gewissen Gelegenheiten Verweise zu geben, und sie zu geißeln, und diesen schärfen sie es im Gegentheil als einen Gewissenspunkt ein, die vorübergehenden Kasteyungen mit Ge- duld und Demuth zu ertragen, und nicht in der Meinung zu 1 Deutsche Ausgabe, Leipzig 1785. 382 stehen, als wenn ihnen eine solche Unterwürfigkeit Schande bringen könnte." Am stärksten von allen Vertretern der Literatur spricht sich diese Sinnesrichtung bei Verlaine aus, der schon im Kapitel über Amor lesbicus zitiert wurde. Obwohl Verlaine auch eine homo- sexuelle Episode in seinem Leben hatte (mit Arthur Rimbaud), so scheint mir doch der Masochismus bei ihm die deutlichste Grundnote seines zersplitterten Daseins gewesen zu sein. Die Verse, in denen sich das ausspricht, haben in der Sexualwissen- schaft bis jetzt so gut wie keine Beachtung gefunden; ich setze sie deshalb hierher, und zwar im Original, weil sie stellenweise die Lizenz überschreiten, die ich mir für den deutschen Ausdruck dieser Abhandlung glaubte stecken zu müssen. Zunächst ein ganzes Gedicht, um die fabelhafte Verve seiner Leidenschaft zu zeigen, und dann, der Raumbeschränkung halber, einige herausgerissene Stellen: Brune encore non eue Je te veux presque nue Sur un C3Ti3p£ noir Dans un jaune boudoir, Comme en mille huit cent trente. Presque nue et non nue A travers une nue De den toll es montrant Ta chair oü va courant Ma bouche delirante. Je te veux trop rieuse Et tres imperieuse, Mechante et mauvaise et Pire s'il te plaisait, Mais si luxurieuse! Ah, ton corps noir et rose Et clair de lune! Ah pose Ton coude sur mon cceur. Et tout ton corps vainqueur, Tout ton corps que j'adore! 383 Digitized by Google Ah, ton corps, qu'il repose Sur mon ämc morose Et l'ttouffe sü peut Si ton caprice veut! Splendides, glorieuses, leurs jeunes £bats, Fous mon orgueil en bas So us tes fesses joyeuses! Use de moi, je suis ta chose; Mon amour va, ton humble esclave, Prtt a tout ce que lui propose Ta volonte, dure ou suave, Prompt a jouir, prompt ä souffrir. Prompt vers tout hormis pour mourir Mourir dans mon corps et mon Je le veux si c'est ton caprice. Quand il faudra que je perisse Tout entier, fais un signe, femme etc. S'il arrive que tu me battes, Soufflettes, £gratignes, tu Es le mattre dans nos plnates, Et moi le cocu, le battu, Suis content et vois tout en rose. Sois-moi fidele si possible Et surtout si cela te plalt, A mon d&ir, humble valet, G>ntent d'un «viens!» ou d'un soufflet. Mais avant la cantate Que mes äme et prostate Et mon sang en artet Vont dire ä la louange De son eher Cul que Tange . . . O d£chu! saluerait, Puis il l'adorerait, Posons de lentes levres Sur les delices mievres Du dessous des genoux, Souple papier de Chine, Fins tendons, ligne fine, Des veines sans nul pouls Sensible, il est si doux! Et rnaintenant aux Fesses! De^sses des deesses, Chair de chair, beau de beau, Seul beau qui nous penetre Avec les seins, peut-fitre, D'emoi toujours nouveau, Pulpe dive, ahne peau! • Vos pieds sont merveilleux, qui ne vont qu'ä 1'amant, Ne reviennent qu'avec 1'amant, n'ont de repit Qu'au lit pendant l'amour, puis flattent gentiment Ceux de 1'amant qui las et soufflant se tapit. Presses, fleures, baises, leches depuis les plantes Jusqu'aux orteils suces les uns apres les autres, Jusqu'aux chevilles, jusqu'aux lacs de veines lentes, Pieds plus beaux que des pieds de heros et d'apötres! Mais quoi? Tout ce n'est rien, Putains, au prix de vos Culs et cons dont la vue et le goüt et l'odeur Et le toucher font des elus de vos devots, Tabernade et Saints des Saints de l'impudeur. C'est pourquoi, mes soeurs, vers vos cuisses et vos fesses Je veux m'abstraire tout, seules compagnes vraies, Beautes müres ou non, novices ou professes, Et ne vivre plus qu'en vos fentes et vos raies. Theoretisches. Das letzte Gedicht Verlaines, das nicht seiner offiziellen Literatur entstammt, würde in Verbindung mit seinem Alkoholismus und seinem sonstigen Lotterleben genügen, ihn nach dem Krafft-Ebingschen System als schwer belastet, degene- riert und mit unheilbarer Perversion behaftet zu klassifizieren. Ja, die meisten Gutachter würden dem Verlaine, als er das Attentat gegen seinen Freund verübte, mit dem § 51 des Strafgesetzbuchs schützend zur Seite getreten sein, d. h. sie hätten die Einsperrung in eine maison de sante" dringend befürwortet Der Kernpunkt der Krafft-Ebingschen Theorie mutet nun aller- dings etwas sonderbar an. Das Weib, sagt er, ist der duldende, unterworfene Teil schlechthin. Der Masochist will dulden und unterworfen sein. Ergo ist er ein verkapptes Weib und der Masochismus eine »rudimentäre Form der konträren Sexual- empfindung". Diese schnurrige Erklärung steht glücklicherweise recht vereinsamt da, indem andere Autoren sie ablehnen oder mit Stillschweigen Übergehn. Wenn das Weib die pars fututa ist, so ist sie deshalb noch nicht schlechthin passiv. Krafft-Ebing, dessen Psychopathia sexualis eigentlich eine „rudimentäre Form der Moraltheologie* ist, scheint als einzige Normalhandlung der ge- samten Erotik nur jene von den Jesuiten gnädigst „erlaubte" 1 Position angenommen zu haben, wo das Weib die duldende Succuba und der Mann jenen hastigen Incubus macht, den man im Volksmund „Fünfminutenbrenner" nennt. Alles andre ist „peccatum" mit einem entsprechenden epitheton ornans, sagen die Jesuiten; ist abnorm, Perversität, Perversion, pathologisch usw., sagt Krafft-Ebing. Die Rolle, die ein nicht frigides Weib bei der Kohabitation spielt, ist in Wirklichkeit doch ein wenig anders, wovon noch weiter unten einiges gesagt wird. Allerdings ist die Frau in ihrer Wesenheit in sich geschlossener als der Mann; sie ist ruhender, erwartender, mehr bewußte Anziehung ausstrahlend, gleicht mehr dem Ovulum, auf das die Spermatozoen hinwimmeln. Aber von Passivität schlechthin ist keine Rede, es sei denn bei einer erotisch verpfuschten, spießbürgerlichen Ehefrau. Anderer- seits ist der Schluß auf rudimentäre Homosexualität schon des- * Krafft-Ebing gebraucht sogar diesen jesuitischen Terminus. 386 Digitized by Google halb abstrus, weil es unter den echten, eingeborenen homo- sexuellen Männern gerade so viel Masochisten gibt, wie unter den heterosexuellen; da würden also zwei Homosexualitäten neben- einander bestehn, eine rudimentäre und eine ausgewachsene. Wichtiger ist das psychologische Verhältnis zwischen Masochis- mus (inkl. Fetischismus) und Sadismus. Die meisten Autoren sind sich über die Enge der Beziehungen einig. Ich sprach schon von der „Kehrseite der Medaille" und insofern sich jeder Masochist in die Gefühle des Partners hineinzudenken pflegt, ist die Doppel- heit der Gedankenrichtung in ein und demselben Individuum häufig. Meist wird also der heterosexuelle Masochist die Vor- stellungen des sadistischen Weibes nachtasten; dagegen wird ihm die Vorstellung von der Mißhandlung eines Weibes durch einen Mann unerträglich sein. Dies bestätigt ein Abonnent von »Geißel und Rute" 1 im Januarheft 1908, der eine Teilung des Blattes vor- schlägt, weil er nichts von Grausamkeiten lesen mag, außer wenn sie vom Weibe am Mann verübt werden. Dementsprechend ist der homosexuelle Masochist meiner Kasuistik (Fall Nr. 1 im Jahrb. f. sex. Zwischenstufen 1908) fähig, dem Gedanken an Knaben- mißhandlungen nachzuhängen. Machtbewußtsein gibt Spannung und Lustgefühle. Darum ist der Sadismus verhältnismäßig leicht zu begreifen, wenn auch nicht wissenschaftlich zu erklären. Vom Masochismus wird immer gesagt, er gipfle in der Demütigung und im Schmerz. Wenn aber Demütigung als Lust und Schmerz als Lust empfunden werden, so stimmt die Rechnung nicht ganz. Ich glaube be- obachtet zu haben, daß es dem Masochisten darauf ankommt, um jeden Preis der sadistischen Lust des Partners zu dienen, daß diese Lust seine Lust ist, und daß beim Mangel an Lust auf der Gegenseite auch bei ihm der Orgasmus ausbleibt und trotz allem In-Szene-Setzens dann nur das nüchterne Nachrechnen einer schalen Komödie bleibt Die influenzierende Lust des sadistischen Partners scheint mir die spannende Feder in dem ganzen Ge- 1 Diese kuriose Zeitschrift für Masochisten und Sadisten erscheint in Preß- burg; sie wird von einem bekannten Schriftsteller redigiert, ist aber trotz Auf- wendung einiger Obszönitäten herzlich unbedeutend. 25» 387 triebe darzustellen. Alles andere ist Beiwerk; bei den scheinbaren Ausnahmen kann ich hier nicht länger verweilen. Masochlstlsche Belletristik. Das ungeheure Anschwellen dieser Literaturgattung muß wenigstens erwähnt werden. Ich habe jüngst alle hierher gehörenden Bücher, mit Einschluß der bei uns kursierenden französischen und englischen, bibliographisch ziem- lich vollständig ermittelt. Es ergab sich daraus, daß innerhalb der zehn Jahre, die diese Mode nun grassiert, rund dreiviertel Million Bände produziert und an den Mann gebracht worden sind. Fast ausschließlich ist alles Hintertreppenschund; die obszönen Sachen haben einen gewissen psychologischen Konstatierungswert Bedeutend ist nur ein einziges, allerdings etwas älteres Werk, nämlich die „Gynecocracy, A narrative of the adventures and psychological experiences of Julian Robinson (afterwords Viscount Ladywood) under petticoat-rule, written by himself". Es sind drei Bände 8°, XI und 169, VI und 174, VI und 167 Seiten, datiert Paris and Rotterdam 1893. Diese Ausgabe, die mir vorliegt, wimmelt von Druckfehlern. Ob sie das erste Original ist, ver- mag ich nicht zu sagen; ein älterer Druck ist mir nicht zu Ge- sicht gekommen. Ein deutsches und ein französisches Buch, die unter ähnlicher Flagge segeln, sind dürftige und verballhornte Auszüge. Sexualforschern kann ich die Lektüre empfehlen; Ver- fasser entwickelt so verblüffende Kenntnis von den Varietäten des Masochismus und bleibt so nahe bei den psychologischen Mög- lichkeiten, daß das Werk mehr als manches andre Erotikum eine ganze Serie von „Fällen" aufwiegt 388 Digitized by Google VI. PICA. Der Pica (Urolagnie, Koprolagnie) wurde schon Erwähnung getan. Sie wird gewöhnlich zum Masochismus gerechnet; doch kommt sie auch isoliert vor, und je mehr man das starre System der Psychopathologie wieder auffasert, um so leichter wird man bei der individuellen Mannigfaltigkeit des erotischen Begehrens diagnostische Fehlschlüsse vermeiden. Jemand erklärt z. B., er wäre ein Masochist „pur sang" ; er berichtet von extremen Flagel- lationsgelüsten: fragt man ihn darauf nach der pica, so erklärt er dergleichen für unmögliche Widerwärtigkeiten. Der umgekehrte Fall ist nicht selten. Den Briefen eines Masochisten an eine Dame der Gesellschaft entnehme ich das Geständnis, dafi ihn „die Furcht vor sadistischen Grausamkeiten" bisher abgehalten habe, sich mit den bekannten Spezialistinnen unter den meretrices einzulassen; weiterhin schreibt er, er möchte totum corpus dominae lambere: „das Wasser meiner gnädigen Herrin will ich trinken und dabei vor Wonne vergehn; ein williger Sklave will ich sein und alle Befehle ausführen, ohne daß erst Strafen nötig sind." Diese recht verbreitete Nuance eines ein- geborenen Begehrens wurde bis jetzt von der Wissenschaft weniger beachtet Den Betreffenden fehlt jene Parästhesie des Hautgefühls, von der ich oben sprach, gänzlich; dagegen ist eine Parästhesie der Geschmacksempfindung vorhanden. Wie wollte man es sonst erklären, daß ein mir bekannter Jurist die faeces dominae als „himmlisches Manna" bezeichnet, daß er sie so an- dächtig verspeist wie die teuerste Südfrucht, ja, daß er bei der bloßen Lektüre eines Briefes, der ihm diese Gelegenheit in Aus- 389 Digitized by Google sieht stellt, von einer rapiden Ejakulation überrascht wurde? Ich weise nochmals darauf hin, daß man solche Parästhesien in der tiefen Hypnose experimentell erzeugen kann, bei jedem absolut normalen Menschen; was jedenfalls die strikte Einreihung der pica in die Pathologie nicht unbedenklich erscheinen läßt Forbergs Material zur pica ist ziemlich reichhaltig. Becca- dellis Epigramm auf Alda (S. 27) malt die allgemeine Verzückung des Liebhabers auch an den Exkretionen der Geliebten. Daß sich die sympathischen Gefühle auf alle Funktion des ge- liebten Partners erstrecken, ist nach meinen Beobachtungen ein alltäglicher Vorgang. Havelock Ellis, ein sorgfältiger Unter- sucher, bestätigt, daß „der gesunde Liebhaber keinerlei Wider- willen gegen die intimsten Kontakte trotz der Nähe der exkreto- rischen Orifizien oder trotz deren Existenz überhaupt empfindet" 1 Über den foetor omni et pedum spottet Beccadelli S. 31 und S. 81—85. In der Anmerkung S. 291 und auf S. 293/294 wird der Geruch des Cunnus mit der Heringslake (salgama) verglichen. Diese allermodernste Entdeckung kennt also schon Auso- nius! Zwaardemaker hat über die Angelegenheit ein Buch veröffentlicht (Die Physiologie des Geruchs, Leipzig 1895); er tritt darin den Beweis an, daß alle riechenden Substanzen, die erotisch reizen, chemische Affinität besitzen und einer bestimmten Gruppe angehören. Es war nun allerdings schon früher bekannt, daß das Trimethylamin der Heringslake, NH(CHs)8, auch in menschlichen Sekreten und z. B. im Kraut von Chenopodium vulvaria 2 vor- komme. Die menschliche Nase ist der chemischen Analyse in vielen Fällen auch heute noch überlegen. Bemerkenswert bleibt aber, wie ausgiebig die Apophoreta auf alle Fragen des modernen Forschers antworten. Das lingere cunnum gravidarum erwähnt Forberg S. 285 und 1 Die krankhaften Oeschlcchtscmpfindungen. Würzburg 1907. 2 Von dieser Pflanze zählt Aigremont im IV. Band der Anthropophyteia folgende Benennungen auf: Bocksmelde, Buhlkraut, Wuhlkraut (aus vulvaria), Fotzenkraut, stinkende Hure, Schamkraut, Mauzenkraut (mauze schlesisch vulva). In Nordfrankreich coniö (con = cunnus). In Italien erba connina, erba merda. Vgl. auch das in Kürze erscheinende Werk Aigremonts .Volkserotik und Pflanzenwelt', Halle 1908. 390 Digitized by Google S. 294/295, das lingere menstrua und das lingere cunnum post coitum alterius auf S. 289—201, die tatsächliche Koprophagie S. 249/250 und S. 286. Theodora. Eine bekannte Variöte" -Produktion des Altertums spielt ins Gebiet der pica hinein. Prokop von Caesarea hat die Stelle überliefert und sagt sie der Kaiserin Theodora aus ihrer Jugendzeit nach. Die Stelle ist in den meisten Ausgaben unter- drückt; ich gebe sie in der Übertragung Isamberts von 1856: Souvent en plein th&tre, quand tout un peuple etait präsent, eile se depouillait de ses vfitements et s'avancait nue au milieu de la scene, n'ayant qu'ttne ceinture autour de ses reins, non qu'elle rougit de m untrer le reste au public, mais parce que les reglements ne pennettaient pas d alier au delä. Quand eile etait dans cette aUitude, eile se couchalt sur le sol et se ren- versait en arriere; des garcons de theätre, auxquels la commission en £tait donnee, jetaient des grains d orge par-dessus sa ceinture; et des oles, dressees ä ce sujet, venaient les prendre un ä un dans cet endroit pour les mettre dans leur bec; celle-ci ne se relevait pas, en rougissant de sa position; eile s'y complaisait au contraire, et semblait s'en applaudir comme d'un amusement ordinaire. Die Sache findet sich vereinzelt in der Literatur erwähnt, und zwar so, als hätte es sich um Bestialität gehandelt. Wie man sieht, trug die Artistin eine „ceinture". Die Produktion war viel- mehr eine Art von outrierter Pose plastique zur erotischen Er- götzung der Zuschauer. Zur Kasuistik. Einen auffallenden Geschlechtsdimorphismus zeigt die im Meer lebende Bonellia viridis. Bei dieser Spezies sind die Männchen zwerghaft klein und verbringen ihr Leben parasitär im Genitalschlauch des Weibes. Der nachfolgende Fall (aus eigenem Material) betrifft einen Herrn, der die Männchen der Bonellia viridis zu beneiden pflegt: XY. , in den Dreißigern, begabter Kunsthistoriker, sehr feiner Ästhet, auch äußerlich in bezug auf Kleidung, Handpflege u. dgl. In seinem Fach jagt er mit Vorliebe erotischen Themen nach. Sein Ideal ist eine Art von Varieteweib, Schlangendame oder so etwas. In der Gesellschaft kann er bei allem Geist manchmal naiv- läppisch werden. Die Studentenzeit war ziemlich wüst; er hatte mit Kellnerinnen verschiedene Kinder. Wenn er sich produ- zieren soll, z. B. In einem öffentlichen Vortrag, bekommt er starkes Lampen- 391 fieber, bis zu ausgesprochen hysterischen Zuständen. Dies erklärt z. T. den Einfluß, den seine jetzige langjährige Domina auf ihn ausübt. Sie ist eine sadistische, rohe Natur ä la Canaille. Beide Anlagen ergänzen sich also. Der feine Ästhet ist ein leidenschaftlicher Podexverehrer, Fanatiker für natürliche Gerüche und Parfüms, liebt mictionem atque defaecationem in os suum, imprimis cunnum lingit post coitum alterius viri; einen guten Freund flehte er einmal an, die Rolle dieses andern zu spielen. Koitus sporadisch. Herr D.G. Merzbach war so freundlich, mir aus den Korrektur- bogen seines demnächst erscheinenden Werkes (Die krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinns, Wien 1908) die Entlehnung des folgenden merkwürdigen Dokuments zu gestatten. Es ist der Brief eines Kaufmanns: Meine Hebe Freundin! Hoffe Dich im Besitze der meinerseits ver- sprochenen Ansichtskarten und habe erst heute Zeit, die Ihnen ebenfalls ver- sprochenen Zeilen zu senden, worin mein Entzücken ausdrücke über Deinen süßen cunnulus, quem tarn libenter lambo. Ich kann Dir nur sagen, daß ich lebhaft bedaure, nicht permanent dort sein zu können, Deines so süßen, lieben cunni causa, ich würde ihn sicher täglich mehrmals, so oft Du willst funditus längere, imprimis postquam coitum fecistl, etiamsi plenus esset utriusque liquoris seminalis. Es gibt nichts Schöneres für mich, als cunnum lingere, quando multum inest in vagina, und denke ich, daß Du es nächstes Mal so einrichtest, daß Dein Freund, welcher neulich per Telephon mit Dir sprach, mit dabei ist, insofern, daß er a tergo te futuat, dum ego succumbo atque utrumque lambo. Dann braucht er und Du gar nicht direkt coitum facere, sed penem in vaginam solum immittere, ut, dum lambo, uterque ad orgasmum perveniat, und meine ich, te libidine permotam libenter in os meum mineturam esse, dum amicus tuus mihi permittere volet, ut an um suum Ungarn. Beides hätte gern, aber wir müßten beiderseits, respektive allerseits nackend sein; falls sich einer von uns vor Wollust faeeibus vestJmenta com- maculat, auch das wäre schön. Schreibe mir bitte, ob ich eventuell Sonnabend kommen soll, um über Sonntag da zu bleiben. Schön müßte es so sein; hättest Du es gern so, dann empfange mich Sonnabend; ich freue mich heute schon, jam palato pereipio ejaculatum vestrum quamquam absens. Wenn Du gerade den .roten König' haben solltest, macht nichts, gerade dann omnia tibi elingam, und Deinem Freund schadet es ja auch nichts, si penem im- mittit; o wie schön utrumque ejaculatum sanguine permixtum elingere, quasi unetum! bis vobis elingam anum, cunnum et penem. Um Bescheid bittend, sende Dir viele Grüße, atque cunno tuo ebensolche. Ich möchte gegenüber solchem Fall betonen, daß der leider übliche Ausdruck der ästhetisch -moralischen Entrüstung einem 392 naturwissenschaftlichen Untersucher schlecht ansteht Derartige Expektorationen beweisen nur, daß der Berichterstatter zu intensiv mitgedacht hat. Es kommt einzig darauf an, nachzuweisen, daß die pica in so extremem Umfang bei bürgerlich absolut an- ständigen und geistig gesunden Männern auftreten kann. Sades 120 journees. Mag dies neuerdings veröffentlichte Buch 1 nun von Sade stammen oder nicht, jedenfalls handelt es in den Teilen, die sexualpsychologisch verwertbar erscheinen, fast nur von der pica. Es sind da einige Fälle offenbar nach dem Leben skizziert, z. B. dieser: Un homme fort jeune et d'une tres jolie figure eut la fantaisie de me gamahucher Ie con avec mes regles, j'£tais couchee sur le dos, les cuisses ouvertes, il 6tait ä genoux devant moi, et sucait en soulevant mes reins de ses deux mains pour mieux placer le con a sa portee, il avala et le foutre et le sang, car il s'y prit si adroiternent, et 11 6tait si joli que je dechargeai. II se branlait, 11 ctait au 3« del, 11 paraissait que rien au monde ne pouvait lui faire autant de plaisir et la decharge la plus chaude et la plus ardente falte en operant toujours, vint bientöt m'en convaincre. Le lendemain il vit Aurore, peu apres ma sceur, et en un mois, il nous passa toutes en revue, au bout duquel il fut faire sans doute ä toutes les autres bordels de Paris. Weiteres und wertvolles Material zu dieser Frage findet man allenthalben zerstreut in den folkloristischen Sammlungen der Anthropophyteia. Zur Theorie. Der Grund, weshalb ich mit einer verhältnis- mäßigen Ausführlichkeit bei dem Gegenstande verweile, ist der: Es ist auffällig, aber wenig aufgefallen, daß die pica fast aus- schließlich dem männlichen Sexualcharakter angehört. Beobachtung des Lebens und erotische Weltliteratur stimmen darin überein, daß beim Mann derartige Extravaganzen, zum mindesten in der Phantasie, häufig sind, beim Weibe aber außerordent- lich selten. Der eine, hier unter Amor lesbicus erwähnte Fall 1 Les 120 journees de Sodome ou l'Ecole [sie!] du Libertinage par le Marquis de Sade. Publ. p. la prem. f. d'apres le manuscr. orig., avec des annotations scientif. p. le Dr. Eugen Dühren, Paris, Club des Bibliophiles 1904. 393 betrifft eine homosexuelle Masochistin! Es scheint mir an- gebracht, daß man den virilen Faktor, den v. Ehrenfels 1 neuer- dings rassenbiologisch konstruierte, weiter verfolge, um die funda- mentalen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Potenzen aufzudecken. 1 Vgl. seine . Sexualethik \ Wiesbaden 1907. Ferner .Die konstitutive Ver- derblichkeit der Monogamie usw.' im Archiv für Rassenbiologie, 1907, Heft 5 u. 6. 394 VII. HERRENMORAL DER ALTEN Die Diskussion über Sexualethik steht heute auf der Tages- ordnung nicht bloß der gelehrten Forscher, sondern auch weiter Kreise, die mit Eifer für eine sexuelle Aufklärung eintreten. Im Mai 1907 fand in Mannheim ein ganzer Kongreß einzig über diese Frage statt und alle Zeitungen brachten spaltenlange Be- richte über die Verhandlungen. 1 Was die moralische und ästhetische Bewertung bestimmter Lusthandlungen betrifft, so bekommt man in den meisten Büchern, die dies Thema streifen, zu lesen, daß außer dem Kuß und dem coitus in seiner üblichsten Form alles unsittlich oder ekelhaft sei. Diese Behauptung steht nun allerdings in schroffem Gegensatz zur Praxis, und da ich keinen Anlaß finden kann, die Liebes- betätigung von heute für unsittlicher oder ekelhafter zu halten als die früherer Epochen: so möchte ich den Schluß auf die be- sondere Sündhaftigkeit unserer Zeit nicht mitmachen, vielmehr annehmen, daß die betreffenden Autoren ein gut Teil heucheln oder im sexuell unfreien Christianismus befangen sind. Einige abweichende Stimmen seien zitiert. Christian v. Ehren- fels sagt in seiner „Sexualethik" (Wiesbaden 1907): „Die Ideale der alten monogamischen Ehemoral haben ihre befeuernde Macht auf die Gemüter eingebüßt; sie sind morsch und zerfressen von 1 Gedruckt unter dem Titel: Sexualpädagogik, Verhandlungen des 3. Kongresses der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten, Leipzig 1907, gr. 8°, XIV und 321 S. 395 der Skepsis der Aufklärung und der Kritik des Enthüllungs- verfahrens." Spezieller drückt sich Kötscher aus in der Abhandlung „Das Erwachen des Geschlechtsbewußtseins" (Wiesbaden 1907): ,Ab- gesehn von einer ästhetischen Wertung, die bekanntlich sehr subjektiv ist, und sich sogar bei manchen Leuten als Abscheu auf die eigentlichen Genitalien erstreckt, wird man in der Fellatio und im cunnum lingere kaum etwas besonders Perverses 1 sehen können; erreicht doch auch der normale Geschlechtsverkehr häufig seinen Zweck nicht, oder wird in seinem Zweck illusorisch ge- macht durch coitus interruptus oder Pessare und Kondome." Ähnlich sagt Merzbach in den .Krankhaften Erscheinungen des Geschlechtssinns" (Wien 1908): .Die Vorliebe mancher Männer für gravide Frauen, sowie das cunnum lingere ohne Ekelfinessen, auch post coitum alterius, können wir dem Masochismus, wie es andere Autoren tun, nicht ohne weiteres zurechnen. Wir wissen von einer überaus großen Anzahl von Männern, daß sie lccheurs sind, ohne daß sie sonst die geringste masochistische Anlage zeigen." Man hört nun öfter die Ansicht aussprechen, das Christentum habe überhaupt erst eine Geschlechtsmoral geschaffen, während in der heidnischen Antike völlige Freiheit bestanden habe, zu tun und zu lassen, was man wollte. Das ist grundfalsch. Man werfe einen Blick in die Satiriker, und man wird sehn, daß sie eine Anzahl von geschlechtlichen Handlungen mit dem bösesten Makel behängen. Sie verurteilen indessen nicht, wie Kultur- historiker gewöhnlichen Schlages immer behaupten, raffiniertere Lusthandlungen schlechthin, sondern ihre Mißbilligung fällt unter einen ganz andern, gewissermaßen außererotischen Zusammen- hang. Mich wundert, daß dies noch niemand gesehn hat, und ich benutze um so lieber die günstige Gelegenheit, an der Hand des vortrefflichen Forberg die Einzelzüge dieser robusten Welt- anschauung nachzuweisen. Zunächst lasse ich das Material Revue passieren; die Schlußfolgerung ist dann sehr einfach. 1 Der Begriff des .Perversen" ist hier und im folgenden Zitat wohl mehr populär aufgefaßt, d. h. medizinisch -krankhaft plus moralisch -verwerflich. 396 * Digitized by Google Herrenstandpunkt Forberg sagt S. 265: „Es war indessen nicht der Fall, daß sich die alten Römer schämten, irrumatores zu sein, wie man z. B. aus dem Gebrauch des Wortes als Schimpf- wort bei Catull schließen kann, aber es galt für eine Schande, fellator zu sein. Es steckt nämlich noch etwas Mannheit in der Dreistigkeit des irrumators, dagegen gar keine in der passiven Rolle des andern, besonders dessen, der den edelsten Teil des menschlichen Körpers zu so schmutziger Verrichtung hergibt." Auch S. 227 wird irrumatio als Beschimpfung erwähnt Fügen wir hinzu, daß Martial, der satirische Sittenrichter, den Gargilius coram publico mit der irrumatio bedroht (S. 257 Anm.): „si te prendero, Gargili, tacebis". Forberg zitiert S. 302 die beiden vorangehenden Verse, die seinen Herrenstandpunkt dem Gargilius gegenüber gleichfalls markieren: „lingis, non futuis meam puel- lam, et garris quasi moechus et fututor". Das bedeutet: der moechus-fututor wäre ihm ein ebenbürtiger Rivale; der cunni- lingus dagegen steht ihm auf der Stufe des Sklaven, den er be- liebig zu irrumieren ankündigt Auf S. 230 sagt Forberg, man wollte lieber paedicator sein als pathicus. Sklavenstandpunkt Die Fellatoren wurden, wie es der Sache entspricht, erkauft, sagt Forberg S. 268; es sei schimpf- lich gewesen, sich zum Pädiziert- und Irrumiertwerden herzugeben, S. 259. Sueton findet es unerhört, daß Domitian einem Weibe intime Toilettendienste leistete, S. 224. Lampridius kann es .ohne Erröten" nicht berichten, daß Heliogabal einem Mann das mem- brum küßte, S. 234 Anmerkung. Endlich vergleiche man die Schmach, die dem Chrestus zugemutet wird, S. 256 Anmerkung. Zu diesen beiden Gruppen lassen sich beliebig viele Zitate beibringen. Betrachtet man nach der bisherigen Methode nur jede satirische Äußerung für sich allein, so kommt man immer zu dem gleichen Fehlschluß: es habe in der Blütezeit Roms eine Majorität von Wollüstlingen gegeben und einige wenige sitten- reine Abstinenten, die den anderen „den Spiegel vorhielten", z. B. Tacitus in der Germania, oder irgend ein Epigrammatiker. Die Tatsache, daß der publizistische Zensor Martial einen Mit- bürger mit derselben Gelassenheit zu irrumieren droht, wie heute 397 jemand schreiben würde: betrachten Sie sich gefälligst als ge- ohrfeigt! diese unbequeme Tatsache wird von den Erklärem mit haltlosen Phrasen abgetan. In einer Gesellschaft, die ganz und gar auf rücksichtslose Sklaverei aufgebaut ist, wird alles Handeln und Dulden danach gewertet, ob es dem Herrn oder dem Sklaven zukommt Die gesamte Lebensführung ist hiervon durchdrungen, auch die sexuelle. Der servus ist absolut rechtlos, ist eine res, ein sächliches manci- pium, über das der Eigentümer allein verfügt. Bei Seneca heißt es: Impudicitia in ingenuo crimen est, in servo necessitas. Ein adulterium oder stuprum findet nach der lex Julia nur bei freien Personen statt. Nec turpe est, quod dominus jubet, sagt Petron, auch wenn es sich um das Unterhalten der matella handelt Ferner läßt sich mehrfach belegen, daß männliche und weibliche Sklaven zur geschickten fellatio abgerichtet wurden und daß es auch vornehmen Damen an entsprechend geübter Bedienung nicht mangelte. So erklärt es sich, daß ein und dieselbe sexuelle Handlung, die überhaupt erst durch das Zusammenwirken zweier Personen entsteht, verschieden bewertet wird, je nach der Rolle, die der einzelne dabei übernimmt. Martial tritt offen als irrumator auf: also ist der coitus in os, sogar in os viri, als Lusthandlung nicht im geringsten anstößig. Fungiert aber ein freier Mann als fellator: so ist er verächtlich. Warum? nicht wegen der Lusthandlung als solcher, sondern weil er das Geschäft eines Sklaven übernahm. Der gleiche Vorwurf trifft den pathicus, den cunnilingus usw. So begreift sich auch die ungeheure Entrüstung darüber, daß ein Kaiser bei einer Kurtisane den Epilator spielt, oder daß ein hoher General den Stiefel der Messalina bei sich führt und von Zeit zu Zeit küßt. Ins moderne System übertragen, könnte man sagen, der Sadis- mus galt als standesgemäß, der Masochismus aber als Infamie. Deshalb ist es eine starke Zumutung, wenn Ovid, wie wir oben sahen, dem girrenden Liebhaber rät, er solle sich von der Dame seines Herzens ruhig backpfeifen lassen, ohne dies als Schimpf anzusehen. In diesem Zusammenhang läßt sich auch die öfters aufgestellte 398 Digitized by Google Behauptung rektifizieren, die Alten hätten den Sadismus-Masochis- mus nicht gekannt. Die Lust an Grausamkeiten ist eine primäre menschliche Instinktwurzel und allenthalben auf der weiten Erde und in der Geschichte der Vorzeiten zu konstatieren. In einer Gesellschaft aber, wo sich ein standesgemäßer Sadismus nach Belieben an einem Überschuß von Sklaven austoben darf, wird diese Erscheinung den Zeitgenossen nicht auffällig sein, und die Chronisten werden keinen Anlaß haben, davon weitschweifig zu handeln. Wenn der König Mtesa von Uganda ab und zu zum Vergnügen den Weibern seines Harems einen Speer in den Leib jagt, so notiert zwar der englische Reisende dies Faktum als absonderlich, den heimischen Legendensängern aber ist das höchstens ein dekorativer Zug in der Ausmalung fürstlicher Machtfülle. In allen Ländern mit Sklaverei bilden sich übrigens gleiche oder ähnliche Verhältnisse sexueller Ethik heraus. Wie man auf pompejanischen Gemälden 1 den Cubicular-Sklaven bei der Koha- bitation des Paares assistieren sieht, so hatte auch die Russin dem Leibeigenen gegenüber kein Gefühl der Scham. Bernhard Stern sagt in seinem vortrefflichen Quellenwerk „Geschichte der öffentlichen Sittlichkeit in Rußland- (Berlin 1907/08, 2 Bände): .Die Edelfrauen lassen sich von ihren Sklaven die heikelsten Dienste leisten; denn der Sklave, der Niedrige, ist in den Augen des Höhern kein Mensch, man braucht sich also vor ihm ebenso- wenig zu schämen wie vor einem Tier. Man muß, nach Ansicht der Russin, ihres Ranges sein, um sie erröten zu machen." Eine Illustration hierzu ist der Fall, den Major Masson de Blamont 2 erzählt: Eine Russin geht mit einer Französin spazieren. Als sie ein Bedürfnis ankommt, ruft sie ihre beiden nachfolgenden Lakaien heran, läßt sich ein wenig abseits vom Wege von ihnen die Röcke aufheben und während des Geschäftes stützen. Auf die 1 Vgl. Mus co Royal de Naples, Peintures, Bronzes et Statu es 6rotiques du Ca hm et Secret, avec leur explications par M. C. F. (Farn in), contenant 60 gravures coloriees. Paris, Abel Ledoux, 1836. Die beste und vollständigste Ausgabe. Die Erklärungen sind indessen jetzt mehrfach veraltet. 2 Memoires secrets sur la Russie et particulierement sur la fin du Regne de Catherine II etc. Amsterdam et Paris 1802/04, 4 vols. 399 Verwunderung der Französin ist sie höchst erstaunt und erwidert, das wären doch keine Männer, sondern nur ihre Sklaven. Ein Beispiel aus Mittelamerika mag folgen. C. C. Robin 1 erzählt von den Negersklaven auf den Antillen: Des qu'ils sont arriv& dans la colonie, on les met en vente; ceux qui se trouvent malades sont achetes ä vil prix par des chirurgiens qui speculent sur leur guerison. Les autres negres achetes par les habitants sont visites scrupuleusement. Id on ne soupconne pas qu'il existe entre les hommes des lois de la pudeur; une creole [= Europäerin, die dort geboren ist] mime porte ses regards attentifs sur toutes les parties de la conformation du negre homme qu'elle marchande; et s'il lui donne quelque signe de sa Virilit^, eile s'en ri'jomt comme d'une garantie de sa bonne Constitution. Les femmes sont visitees successivement avec une 6gale attention par tous les acquereurs qui se presentent. De tels examens deviennent si familiers ä ces malheureuses que la honte leur devient etrangere. 1 Voyages dans l 'Interieur de la Louisiane, de la Floride, et dans les Isles de la Martinique et de Saint -Domingue, pendant les annees 1802—1806 etc. Paris 1807, 3 vols. 400 Digitized by Google VIII. MASTURBATION Aus dem Forbergschen Material erhellt ein sehr merkwürdiger Umstand, für den ich keine Erklärung weiß: anscheinend ge- brauchten nämlich die Alten vorzugsweise die linke Hand zur Masturbation. Auf S. 270 wird ausdrücklich zusammenfassend gesagt: „Diese Handlung (masturbatio) kann mit der eigenen oder einer fremden Hand ausgeführt werden; geschieht es mit eigener Hand, so pflegt meistens die Linke gebraucht zu werden." Belegstellen dazu aus Martial findet man S. 270—272. Ebenda wird von Ramusio da Rimini einmal die Linke und ein- mal die Rechte angegeben; von Pacifico Massimi die Rechte. Ob außer bei Martial noch andere Stellen deutlich von der Sache reden, habe ich nicht eruieren können. Die Vermutung, Martial sei Linkshänder gewesen, ist wenig wahrscheinlich, da der Dichter nicht nur von sich, sondern auch von dritten Personen Die Angaben der Spätlateiner über den Gebrauch der Rechten bestätigen sich für heute aus einer kleinen Umfrage, die ich ver- anstaltete. Befragt wurden elf Männer und fünf Frauen, unter denen sich kein Linkshänder befand; sie bezeichneten überein- stimmend die rechte Hand als masturbatrix. Friedrich S. Krauß in Wien war so liebenswürdig, mir folgende Auskunft zu geben: er sah südslawische Frauen und Mädchen immer mit der linken Hand masturbieren ; Knaben hielten sich mit der Linken das Scrotum und arbeiteten mit der Rechten. 26 401 Krauß vermittelte mir ferner hierüber eine spezielle Angabe des Professor Joh. Kostiäl in Capodistria. Sie lautet übersetzt: „Über Selbstbefriedigung habe ich nicht viel in Erfahrung ge- bracht; das meiste dürfte auch im Norden bekannt und landläufig sein. Was den Gebrauch der Linken betrifft, so weiß ich nur, daß die Italienerinnen im Küstenlande, wenn sie keinen Mann zur Verfügung haben oder nicht empfangen wollen oder sonst einen Grund haben, vom coitus Abstand zu nehmen, daß sie sich dann auf einen Stuhl setzen, das rechte Knie bis zur Brusthöhe empor- ziehn und den Mittelfinger der linken Hand zwischen rechte Opanke (zavatta) und rechten Strumpf stecken, ev. auch in eine Öse hinten am Hausschuh, worauf sie mit dem linken Daumen Stöße in die vulva ausführen. Durch den rechten Fuß wird hierbei die Kraft der Stöße verstärkt und das Wollustgefühl ge- steigert, wie sie behaupten." Diese komplizierte Methode scheint also dort Landesbrauch zu sein. Eine ethnologische Unter- suchung der Angelegenheit dürfte über die behauptete Dys- pareunie der Frauen und über die Physiologie der erotogenen Zonen manche Aufklärung bringen; Bd. V der Anthropophyteia wird eine Umfrage nebst weiterem Material hierüber enthalten. In der medizinischen Literatur findet sich nur eine detail- lierte Beschreibung eines Masturbationsaktes, und zwar bei Otto Adler (Die mangelhafte Geschlechtsempfindung des Weibes, Berlin 1904. Neuauflage in Vorbereitung). Ich gebe sie auszugs- weise wieder: Die betreffende dreißigjährige Frau unterscheidet deutlich Vor- luststadium und vollendeten Orgasmus. Sie liegt auf dem Rücken und beugt den rechten Fuß gegen das Knie des aus- gestreckten linken Beins. Dann legt sie den gekrümmten Zeige- und Mittelfinger der Rechten unten auf das linke labium minus, drückt fest auf und schiebt die beweglichen Flächen der darunter liegenden Teile hin und her. Das hierdurch hervorgerufene Ge- fühl genügt bisweilen zur Befriedigung, und die Bewegung wird eingestellt. Bei Fortsetzung schwillt das Gefühl zum Gipfel an; der Mittelfinger wird dabei in die vagina gesenkt, während der Zeigefinger auf dem labium minus liegen bleibt und die übrige Hand die vulva derart umfaßt, daß der Daumen nach oben bis 402 Digitized by Google zur Symphyse, der vierte und fünfte Finger auf dem perineum bis zum anus reichen. In dieser Lage drängt die Hand alles nach oben und bewegt das Ganze hin und her, häufig unterstützt durch die bisher untätige aufgelegte linke Hand. Auf dem Gipfel- punkt kommen dazu noch korrespondierende Beckenbewegungen. Forbergs mechanische Einteilung, die den Vorteil der Über- sichtlichkeit hat, bespricht im gleichen Zusammenhang auch die Masturbation zu zweien. Auf S. 276 findet man dasjenige er- wähnt, was die Franzosen »parte d'araign£e" nennen. Diese Lust- handlungen sind so wenig „pervers", daß sie selbst von den Moraltheologen um des »guten Zweckes* willen gestattet wurden. Theoretisches. Die .Selbstbefleckung" ist jahrhundertelang ein Tummelplatz von Theorien gewesen, die manchmal gemein- gefährlichen Charakter annahmen. Wieviel Lebensüberdruß und Neurasthenie die Broschüren ä la Retau hervorgerufen haben, wird sich nie feststellen lassen. An dieser Krankenzüchtung haben sich aber nicht nur jämmerliche Federfuchser beteiligt, sondern auch erstklassige Autoritäten der Arzneizunft Man höre, was der alte, ehrliche Hufeland in seiner Makrobiotik für ein Gemälde vom Onanisten zusammenpinselt: »Schrecklich ist das Gepräge, was die Natur einem solchen Sünder aufdrückt I Es ist eine ver- welkte Rose, ein in der Blüte verdorrter Baum, eine wandelnde Leiche. Alles Feuer und Leben wird durch dieses stumme Laster getötet, und es bleibt nichts als Kraftlosigkeit, Untätigkeit, Toten- blässe, Verwelken des Körpers und Niedergeschlagenheit der Seele zurück. Das Auge verliert seinen Glanz und seine Stärke, der Augapfel fällt ein", usw. usw. noch einige Seiten lang in dieser Tonart. Wäre es nicht höchst traurig, so könnte man wirklich drüber lachen. Es steht heute fest, daß die Masturbation meist eine physiologische Notwendigkeit ist Seereisen, Einzelhaft, Furcht vor Syphilis, soziale Verhältnisse sind ein paar der Ursachen, die sie normalerweise bedingen. Im Übermaß betrieben strengt sie Körper, Intellekt und Stimmung genau so an wie übermäßige Kohabitation, fellatio oder irgend welche Lusthandlungen. Wo für den einzelnen das Übermaß beginnt, ist generell so wenig voraus- 26» 403 zusagen, wie beim Trinken und Rauchen. Nach meinen Be- obachtungen variiert die normale Breite fortgesetzter Masturbation bei vollkommener Unschädlichkeit für Geist und Körper zwischen einmal im Vierteljahr (bei schwachem Trieb) und dreimal täglich (bei starkem Trieb). Ganz das gleiche gilt für den coitus. Wenn im selben Zeitraum hier eine und dort dreihundert Ejakulationen stattfinden, so ist dies allein schon der eklatanteste Beweis für die individuelle Verschiedenheit der Anlagen. Man darf die Sexualitäten nicht über einen Kamm scheren, und Casanova ist deshalb auch mit einem andern ethischen Maß zu messen, als irgend ein Sittlichkeitsbündler, den seine Testikel nur sporadisch wie der fällige Quartalszins .belästigen". 404 'S Digitized by Google IX. SODOMIE. Der sexuelle Verkehr mit Tieren ist für die meisten Kultur- menschen ein ebenso seltsames Rätsel wie die leidenschaftliche paedicatio geborener Homosexueller. Viele finden es schon gräß- lich, daß man einen Hund in der guten Stube hält oder gar bei Tisch mitessen läßt; denn man könnte die Taenia echinococcus bekommen, was allerdings nicht ausgeschlossen ist Der primi- tive Mensch aber lebt in einer so durchaus andern Gemeinschaft mit allem möglichen Hausgetier, steht mit ihnen als den unent- behrlichen Genossen der Mühsal sozusagen auf Du und Du, daß wir uns dies nicht lebhaft genug vor Augen halten können, wenn wir ein anscheinend grobes Delikt auf diesem Gebiete überhaupt psychologisch begreifen wollen. Wie ich schon im Kapitel über „coitus in anum" ausführte, steht der Primitive Europas und anderer Erdteile zunächst auf dem Standpunkt: Loch ist Loch! Ist kein Weib da, so wird er vor dem Astloch einer Zaunplanke bei weitem irgend eine Öffnung des ihm vertrauten und warmen Tierkörpers vorziehn, vor dem er sich ja nicht im geringsten ekelt, mit dem ihn im Gegenteil innere Sympathien verbinden. Wer aus bloßer Verblüfftheit die Sodomie für eine .Perversion" erklärt, zeigt damit nur seinen eigenen Geistesbankrott an; und wer sie für ein .Laster" erklärt, gibt damit eine Ansicht zum besten, die sich zwar nicht widerlegen, aber auch nicht beweisen läßt, und jedenfalls in eine abstrakte Betrachtungsweise gehört, die uns hier nicht im mindesten angeht. 405 Dem unglücklichen § 175 fallen leider auch (wegen Sodomie) aus der primitiv-dummen Bevölkerung Deutschlands Opfer genug zur Last, nach denen kein wissenschaftlich -humanitäres Komitee kräht, obwohl diese Ärmsten sich meist noch weniger der .Straf* barkeit" ihrer Handlungen „bewußt" sind als die Homosexuellen. Forel bringt in seiner „Sexuellen Frage" hierüber einen guten Passus; er sagt, daß der Richter der eigentliche Verbrecher ist, wenn er den blöden Bauerntölpel in den Kerker steckt, wegen einer Handlung, die dem Vieh nicht mal weh, geschweige denn Schaden getan hat Jeder, dessen Horizont nicht von den Wänden des groß- städtischen Salons beschränkt ist, wird sich vollinhaltlich der Äußerung anschließen müssen, die Friedrich S. Krauß im m. Bande der Anthropophyteia über dies Thema präzisiert hat: „Die Sodomie soll also ein Anzeichen geistiger Krankheiten sein! Ja, warum denn?! Hier ist nur ein ästhetischer Koeffizient maßgebend, weiter nichts. Ich behaupte, nur eine Geschmacks- verschiedenheit, nicht etwa eine Geschmacksverirrung. Mir z. B., der ich von Begeisterung für vollendete Frauenschönheit hingerissen, zwei Bücher über den Reiz und die Anmut des Frauenleibes geschrieben, ist die Vorstellung einer geschlecht- lichen Intimität mit einem weiblichen Tier unbeschreiblich wider- wärtig, nicht aber jenem, dem alle Frauenholdseligkeit schnuppe ist, und der seine ästhetische Befriedigung vollauf bei einer Stute oder Eselin erzielt Ich darf nur sagen, daß ich einen edleren, einen feineren Geschmack als er besitze, mich jedoch noch lange nicht auf den besseren Menschen hinausspielen. Ich gelte bloß in unserer Gesellschaft, namentlich vor dem Richterstuhl der Frauen als der gescheitere und als der vorsichtigere in der Wahl des Gegenstandes meiner Neigung." Das Material, das Forberg über die Sodomie zusammenstellt, ist religiöser und satirischer Natur. Kennt man weiter nichts und höchstens noch einige Fälle angeblicher Geisteskrankheit, so ist man geneigt, die Sodomie überhaupt als Legende anzusehn. Daß dem nicht so ist, daß die Sodomie faktisch in erheblichem Um- fange in Europa vorkommt, hat Krauß Bd. III S. 265—322 der Anthropophyteia durch eine vorläufige Auswahl seines Materials 406 Digitized by Google hierüber nachgewiesen; nicht nur durch Folklore, sondern auch durch Augenschein. Er beobachtete u. a. eine Chrowotin, die sich nachts vollkommen entkleidet vor einer brennenden Lampe stehend mit einem Kater abgab. Sie geriet dabei in so furchtbaren Orgasmus, daß sie den Lauscher nicht bemerkte, obwohl er kaum zwei Schritte vom Fenster entfernt stand. Daß auch kulturverwöhnte Damen an Schoßhunden Gefallen finden können, ist gleichfalls nicht bloße Redensart Wie tief derartige Sympathien wurzeln können, beweist der Kopenhagener Hundefriedhof. 1 Die Grabstellen kosten dort zehn bis zwanzig Kronen, die jährliche Erhaltung ein bis zwei Kronen. Die Be- erdigung findet in geschmackvollen Särgen statt. Ein Gitter, Rasen und Blumen, ein Sandstein- oder Marmordenkmal zieren den Hügel. Man kann dort Inschriften lesen wie: Geliebter Schatz I oder Einziger Freund! oder Süßer, kleiner Liebling! » An der Öster-Allee. 407 Digitized by Google 1 X. COITUS. Nachdem die Sexualwissenschaft anfangs vorzugsweise die sog. Perversionen des Geschlechtstriebes studiert hatte, wandte sie sich neuerdings auch den mannigfachen Problemen zu, die mit der menschlichen und tierischen Kohabitation verknüpft sind. Besonders eifrig interessiert sich die Rassenbiologie für alle Fak- toren, die die Befruchtung beeinflussen; die Kall ipä die oder Kunst, treffliche Nachkommenschaft zu zeugen, von der schon Quillet 1655 einen Traktat schrieb, ist ein beliebtes Thema populär- wissenschaftlicher Zeitschriften geworden. Diese und viele andere Fragen kann ich aber hier nicht berühren, wenn ich meinen Raum nicht ungebührlich überschreiten und die Geduld der Leser auf die Probe stellen will. Ich beschränke mich deshalb auf Be- merkungen, zu denen das reichhaltige Material Forbergs unmittel- baren Anlaß gibt Inhalt des Sexualinstinktes. Moll 1 hat den Geschlechtstrieb in zwei Komponenten zerlegt; eine der allgemein sehnsüchtigen Annäherung, genannt Kontrektations trieb, und eine der Erektionsabschwellung, genannt D e tu mesz enztrieb. Beide sieht er als ererbte Funktionen an. Es bleibt indessen zweifel- haft, ob dies Maß des Ererbten schon genügt, um in jedem Fall ohne Anlernen oder Ausprobieren zum coitus zu führen. Bei Tieren scheint dies zuzutreffen. Beim Menschen liegt die Sache 1 Untersuchungen über Libido sexualis, Berlin 1897, das geistvollste theore- tische Werk der gesamten neueren Spezialliteratur. 408 4 Digitized by Google meistens so, daß durch Mitteilungen von Altersgenossen oder Er- wachsenen oder durch den Anblick von Tieren usw. zum ersten Male das Vorstellungsbild von der Kohabitationsmechanik erzeugt wird. Es wächst also dies Bild oder der Drang zu dieser speziellen Handlung nicht von selbst aus dem Untergrunde aprioristischer Kenntnis herauf. Da nun das .Kinderzeugen" als solches auf keinen Fall einen bewußten Vorstellungsbestandteil der Libido bildet, kann ich den coitus nur als eine von vielen gleichwertigen, die Detumeszenz herbeiführenden Lusthandlungen ansehn. Von diesem Stand- punkt aus fällt es mir schwer, zuzugeben, daß der coitus als einzige physiologische und moralische Norm zu gelten habe, neben der alle anderen Lusthandlungen der Pathologie und dem Laster anheimfallen. 1 Wenn man ermitteln könnte, auf welchen Modus die größte Anzahl aller erfolgten Detumeszenzen ent- fällt, so glaube ich, würde man als solchen die Masturbation (im weitesten Sinne) feststellen. Es ist auch zu berücksichtigen, daß im gesamten Reich des Organischen die Zeugung nicht mit den Mitteln menschlicher Ökonomie arbeitet, sondern eher mit einer Verschwendung, die uns beim näheren Zuschaun allenthalben un- geheuerlich vorkommt. Eine Revision der offiziellen Bewertung menschlicher Sexualakte ist jedenfalls dringend nötig. Figurae Veneris. Der Jesuitismus (und seine Jüngerschaft in der Medizin) hat sich nicht damit begnügt, einzig den coitus im allgemeinen als erlaubte Norm hinzustellen; vielmehr hat man, ohne daß andere als willkürliche Gründe ersichtlich wären, nur die Form der „ Venus obversa" mit obrigkeitlichem Privileg belehnt. Die besten Männer und Frauen aller Zeiten haben über diese Beschränktheit mitleidig gelächelt. Die Praxis, d. h. das freudige Leben, geht auch über klapperdürre Thesen stets zur Tagesordnung über. Tun wir hier das gleiche, und hören wir nur einen Neueren an, der die „Venus a versa" wissenschaftlich zu begründen sucht. Zuvor werfen wir einen Blick auf Forbergs Liste der neunzig Stellungen; sie sind das statistische Ergebnis seines Materials 1 Vgl. hierzu meine Umfrage in Bd. IV der Anthropophy teia. 409 und als Konstatierung antiker Möglichkeiten gewiß interessant. Dennoch machen sie den Eindruck, als seien Gliederpuppen in beliebiger Variation miteinander verschränkt worden. Viele Figuren stellen fließende Übergänge dar, und es wäre leicht, bei subtiler Unterscheidung ihre Anzahl um ein Mehrfaches zu erweitern. Gewisse buddhistische Götterbilder, die unter der äußeren Form der Kohabitation die Verschmelzung von Geist und Materie be- deuten, sind hierin unerreicht Alle diese Nuancen haben aber höchstens für einen Künstler Wert, der sich an der Größe menschlicher Kleinigkeiten begeistern wollte; die Sexualwissen- schaft hat hier nur die grobe Tatsache aufs neue zu betonen, daß die Variierung der positio cohabitationis zu jeder Zeit und an jedem Orte vorkommt Warum? Ist es nur die Lust am Wechsel? Ich meine, der Hauptgrund liegt in der merk- würdigen Unbequemlichkeit dieser erlernbaren und erlernten Lust- handlung. Die Schwierigkeit, die Zeugungsglieder bequem und erfolgreich zu vereinigen, ist aus mancherlei Ursachen häufig so groß, daß sich ein Ausprobieren anderer Methoden ganz von selbst macht. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Weib begatten! Diese eigentümliche Maxime der Natur wird von den Sexualpathologen so gut wie gar nicht berücksichtigt. Die Lehrbücher über die tausendfachen Arten der Impotenz, d. h. des Nicht-Erfolges, sind zwar voll davon. Aber der bewußte Circulus vitiosus der Stubengelehrten will, daß die Schwierigkeit dieser einen Lusthandlung (schwierig im Vergleich zu anderen) gerade wieder eine pathologische Ausnahme bedeuten soll; während doch jeder Dörfler weiß, daß der Stier die Kuh oft nur dann ohne Zeitverlust und Beschädigung trifft, wenn ihn hilfreiche Hände bei dem Geschäft unterstützen. Hancarville ließ 1780 Reproduktionen nach antiken Gemmen drucken, auf denen figurae Veneris geschnitten waren. Derartige Gemmen kommen vor; doch sind gerade die Hancarvilleschen, soviel ich weiß, eine gelungene Mystifikation. Unserer Betrachtung tut das indessen keinen Abbruch, da wir die menschliche Erotik überhaupt im Auge haben, und da sich Forberg außerdem auf diese Tafeln bezieht Folgende Nummern ent- sprechen sich ungefähr: 410 Digitized by Google Forbergs Liste Hancarvilles Tafeln Nr 4 Nr I 15 TT 1 1 24 III III 25 IV 1 V 30 v 31 VI V 1 41 VIII VIII 43 vn V u 45 IX 47 x 48 XI 49 XII 50/51 XIII „ 61 . . . . XVI a „ 63 . . . . XVI b „ 65 . . . . XIV „ 66 . . . . XV „73 ... . XVII XVIII/XIX „90 ... . XX Die Tafeln I bis XI beziehn sich speziell auf die Kohabitation; hierzu wären die sekretierten Bilder des Neapler Museums nach dem schon zitierten Werke Famins oder der angekündigten Neu- ausgabe von Dulaures Phallus -Kultus (revidiert und erweitert von Fr. S. Krauß) zu vergleichen. Erwähnenswert sind auch die (angeblichen) Zeichnungen von Giulio Romano zu den sonetti lussuriosi des Aretin und die japanischen Grotesken bei Friedrich S. Krauß, Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner, Leipzig 1907. Alle diese hier aufgeführten Darstellungen haben außer ihrem ethnologischen, kultur- und sexual wissenschaftlichen auch noch einen künstlerischen Wert Von der Masse der populären Pro- duktion, besonders der photographischen, kann man das leider nicht sagen. Dennoch will mir die herrschende Auffassung der Juristen nicht einleuchten, daß eine res obscoena, weil ihr die 411 Künstlerschaft ermangelt, strafbar sei. Denn auf diese Weise be- straft man nicht das Obszöne, sondern einzig die schuldlose Un- fähigkeit zur Künstlerschaft. Wollte man aber alles und jedes Obszöne bestrafen, so geriete man sofort in ein Dilemma stärkster Widersinnigkeiten, aus dem selbst ein deus ex machina keinen Ausgang mehr wüßte. Vgl. hierzu meine Übersetzung von Pierre Bayles „Obszönitäten" (Berlin 1908), wo dies Problem in voller Ausführlichkeit aufgerollt wird. Einzelheiten der Mechanik. Da8 die Größe des Membrums bei den verschiedenen Rassen wechselt, sagt Forberg S. 15 An- merkung. Im allgemeinen ist hierauf von Reisenden weniger ge- achtet worden. Gute Angaben findet man bei dem anonymen Verfasser der „Untrodden fields of anthropology" (französische Ausgabe ohne Anmerkungen als: L'amour aux Colonies). Richard F. Burton, der bekannte Mekka-Pilger, weiß hiervon in den Noten zu seiner Übersetzung der Alf- Layiah -Wa- Layiah 1 folgendes zu erzählen: Debauched women prefer negroes on account of the size of their parts. I measured one man in Somali -land who, when quiescent, numbered nearly six inches [= 15 cm]. This is a characteristic of the negro race and of African animals; e. g. the horse; whereas the pure Arab, man and beast, is below the average of Europe; one of the best proofs by the by, that the Egyptian is not an Asiatic, but a negro partially white-washed. Moreover, these imposing parts do not increase proportionally during erection; conse- quently, the «deed of kind» takes a much longer time and adds greatly to the woman's enjoyment. In my time no honest Hindi Moslem would take his women-folk to Zanzibar on account of the huge attractions and enormous temptations there and thereby offered to them. In dem Epigramm auf Ursa, S. 13, vergleicht Beccadelli vulva und Nase in bezug auf ihre Größe. Dieser Vergleich ist selten; dagegen werden im Volksmund Mund und vulva und noch öfter Nase und penis verglichen. Von der garrulitas vulvae ist in den Anmerkungen zu S. 49 und S. 105 die Rede. Das Symptom ist selten und wohl durch Lufteintritt bedingt Folkloristische Parallelen hierzu findet man in der „Anthropophyteia". 1 .Nights' und .Supplementary Nights", Benares 1886, 16 vots. 412 Digitized by Google Das crissare oder Rotieren der Hüften, dem das cevere der pathici entspricht, wird S. 9 Anmerkung, S. 226 und S. 274 er- wähnt Obwohl Adler bei Gelegenheit des oben zitierten Falles von Masturbation angibt, Hüftrotationen hätten sich bei der Be- treffenden erst nach erlangter Kenntnis vom coitus eingestellt, glaube ich aus anderen Beobachtungen doch schließen zu dürfen, daß diese Bewegungen schon frühzeitig reflektorisch oder instinktiv auftreten. Ihre volle Ausbildung erfahren sie allerdings erst durch Einüben. Wir wissen von Naturvölkern, bei denen diese Kunst schon den kleinen Mädchen systematisch beigebracht wird, als wichtigste Vorbereitung zur Ehe. Die Tänze der Primitiven nehmen hiervon sozusagen ihren Ausgang. Auf S. 206 heißt es, die Erektion könne durch Anhalten des Atems verstärkt werden. Gemeint ist natürlich, durch Anhalten des Atems in Inspirationsstellung. Hierbei wird der Abfluß des Blutes in der vena cava und damit aus den corpora cavernosa penis gehemmt und jedenfalls die Detumeszenz verzögert Auf dem gleichen System beruhen die unsichem Erfindungen des Reklame -Ingenieurs oder ingeniösen Reklamikers Gassen. An derselben Stelle wird eine Bemerkung gemacht, die sich wie der bekannte rote Faden durch die gesamte erotische Literatur Europas hindurchzieht, nämlich die Behauptung, das Weib fühle die Ejakulation des Mannes. Das ist pure Einbildung. Das Weib kann in der nur sehr grob empfindlichen Vagina höchstens die Kontraktionen des musculus bulbo- cavernosus, resp. ihre Fortleitung durch die Harnröhre wahrnehmen. Aber auch diese Wahrnehmung halte ich für eine Ausnahme. Meist wird das Weib das Eintreten des physiologischen Moments aus den be- gleitenden Symptomen erkennen, z. B. aus dem Stocken der schnellen Inspiration, dem leichten Streckkrampf des ganzen Körpers usw. Die Vorstellung von einer »herausgeschleuderten Flüssigkeit« des Mannes, die ja neben der vom Weibe sezernierten an Menge meist belanglos ist, tritt nur auf, weil sie er wartet wird; sie ist nichts als ein Substitut für den Gesamtbegriff der Begleitsymptome. Venus aversa. Die Stellung der „bete ä quatre partes" wird S. 194, 195, 207, 209 besprochen. Ernst Klotz hat hierüber 413 eine originelle Abhandlung verfaßt unter dem Titel .Der Mensch ein Vierfüßler, eine anatomische Entdeckung samt neuer Erklärung der bisher falsch gesehenen menschlichen Fortpflanzungsorgane " (Leipzig 1908). Er meint, beim coitus more bestiarum stimme die aufrecht herzförmige Figur der Hymenöffnung mit dem gleich- geformten Querschnitt des membrum virile überein. Die Richtung der vagina bilde denselben Winkel mit der Vertikalen, wie die Richtung des erigierten penis. Bei diesem Modus sei die knöcherne Symphyse dem Eindringen des Gliedes nicht im Wege, vielmehr berühre die untere nervenreiche „Reibefläche" der Eichel (Gegend des frenulum) nur in dieser Stellung zuerst die sonst ausgeschaltete Klitoris, sodann intensiv die „ Reibefläche " der plica columnarum anterior, und endlich werde nur so das Sperma regelrecht auf die .Fangfläche" der vorderen großen Uteruslippe deponiert Klotz unterstützt diese Darstellung durch sehr instruktive Zeich- nungen, begibt sich aber weiterhin auf ein Gebiet recht zweifel- hafter biologischer Spekulation. Von den neueren Fachgelehrten behandelt das Thema dieses Abschnittes am ausführlichsten Hermann Rohleder; der ganze erste Band seiner „Vorlesungen über Geschlechtstrieb usw." (2. ver- mehrte Aufl. Berlin 1907) im Umfange von 600 Seiten. Lex.- 8° ist diesen Fragen gewidmet, weshalb ich speziell auf das Werk verweise. 414 4 Digitized by Google XL VERSCHIEDENES Voyeurs. Auf S. 265 verrät uns der Kenner Martial, daß man auch in die Wände antiker Lupanare schon Löcher zum Zu- schaun zu bohren pflegte. Die Wirkung auf die Voyeurs ersehen wir auf S. 273, wo die domina „Hektars Roß" besteigt. Zwei Parallelen hierzu, vom Aufpasser, der selber in Feuer gerät, findet man in der Anthropophyteia. Moll ist der Ansicht, 1 daß das Zu- schaun bei Geschlechtsakten als besondere Perversion (Mixoskopie) vorkomme; doch fehlt es bisher an hinreichenden Beweisen dafür, daß in den betreffenden Fällen dauernd und einzig auf diesem Wege Befriedigung gesucht und gefunden wurde. Träume. Der Traum Caesars, der in der Anmerkung zu S. 255 erwähnt wird, kann nach neuester Nomenklatur als „sexueller Kontrast-Traum" bezeichnet werden. Ein bekannter Schriftsteller, der geborener Homosexueller ist, erzählte mir einen fast identischen; ein einziges Mal in seinem Leben träumte er vom Verkehr mit einem weiblichen Wesen, und dies war seine Schwester. Kontrast- Träume gelten als Ausnahme von der Regel, während im all- gemeinen der Traum als „feinstes Reagens" der erotischen Ver- anlagung betrachtet wird. Vgl. hierzu die Aufsätze von P. Näcke in H. Groß* Archiv, Bd. 28/29, ferner die größere Arbeit von S. Freud „Die Traumdeutung 4 * (Wien 1900). GerontophlUe. Die ausgesprochene Neigung zu älteren Per- sonen ist ziemlich selten und wenig studiert. Der schöne Name, 1 Konträre Sexualempfindung, 2. Aufl., S. 185. 415 den man dafür erfunden hat, ist sozusagen das Wesentlichste an der Sache. Bei Forberg, S. 31 Anmerkung, verhöhnt Martial einen gewissen Bassus wegen dieses „furor". Die giftige Pointe: cum possis Hecubam, non potes Andromachen! erklärt den Fall aus mangelnder Mechanik. Ein Gedicht der griechischen Anthologie, das Forberg nicht zitiert, paßt psychologisch besser hierher. Es lautet (in eigener Übertragung) : Ach! Philinna, ich lieb« das lachende Fältchen am Auge, das nicht Jugend und Saft, das Erfahrung erschafft. Wenn die begehrlichen Hände dein volles Gewoge umspielen, lockt mich nimmer zur Lust deines Töchterleins Brust. Also schlürf ich den reifenden Herbst und lasse den Frühling — komm! ich wiege dich ein, bis die Trauben verschnein. Nekrophilie. Forberg zitiert S. 283 die bekannte Stelle bei Herodot, aus der ersichtlich ist, daß man den Leichenbalsamierern allerhand Unfug zutraute. Auch diese Seltsamkeit wurzelt durch- aus in der physiologischen Natur des Menschen. Die Anthropo- phagie, Schadeljägerei, das feierliche Töten und Verzehren von alten Angehörigen fallen unter denselben Gesichtspunkt 1 Oft geschildert sind die Katafalkzeremonien, die für gewisse Liebhaber in Bordells arrangiert werden. Ein befreundeter Dichter erzählte mir, daß er sich öfters einem schönen, toten Weibe gegenüber- denke; dies versetzt ihn in eine Art von Vorlust -Stimmung, die durch unklare Hemmungen mit Bitterkeit gewürzt ist; an die Kälte des Leichnams bei Berührungen oder an coitus denkt er dabei nicht Literarisch hat Hanns Heinz Ewers dies Thema soeben in dem Novellenband „Das Grauen" (München 1908) ausgeführt. Vgl. besonders die beiden Erzählungen „John Hamilton Llewellyns Ende" und „Die Topharbraut". Foetor orls. Zu den Kuriositäten gehören verschiedene Be- hauptungen der Alten über die gesundheitlichen Folgen mancher 1 Vgl. hierzu auch die vortrefflichen .Slawischen Volksforschungen' von Friedrich S. Krauß (Leipzig 1908). 416 Digitized by Google Arten des Geschlechtsverkehrs. Vor allem soll den fellator ein übler Geruch aus dem Munde verraten (Forberg S. 266); der cunnilingus wird aus eben dem Grunde mit dem Ziegenbock ver- glichen (S. 300/301), oder es wird ihm blasser Teint (Bleichsucht?) zudiktiert (S. 303/304); endlich will der höhnende Satiriker (S. 285), daß Zoilus gerade in actione eine Lähmung der Zunge davon- tragt. Diese und ähnliche Behauptungen rangieren wohl auf einer Stufe mit der Legion erfinderischer Aussagen des sog. Volks- mundes und Aberglaubens, 1 die zwar oft eine verkannte Wahrheit oder ein Körnchen Weisheit bergen, noch öfter aber kolportierte Phantastik sind. Im Jahre 1838 hat der Hallesche Arzt Rosenbaum, ein Bücherwurm ersten Ranges und wahrscheinlich angeregt durch Forbergs Apophoreta, aus solchen Bemerkungen der Alten den Schluß gezogen, daß die Syphilis durch .Perversitäten" entstehe. Seine .Geschichte der Lustseuche im Altertume" ist neuerdings wieder oft aufgelegt worden, nicht wegen der albernen Grundidee des Werks, sondern weil hier ein Quellenmaterial zur Sexualität des Altertums vereinigt ist, das freilich an den Umfang des For- bergschen nicht heranreicht. Die Frage nach dem .Ursprung der Syphilis" hat Bloch in seinem gleichnamigen Werk dahin entschieden, daß die Krankheit erst nach Entdeckung der neuen Welt von den verseuchten amerika- nischen Rassen herübergeholt worden sei. Blochs Beweismaterial ist sehr gediegen, und jedenfalls ist das plötzliche und unheimlich gewaltsame Hereinbrechen der Krankheit in Europa nach dem Jahre 1492 aufs gründlichste konstatiert Will man ganz vor- sichtig sein, so kann man immerhin mit der gleichen Sicherheit sagen: im Altertum muß die Krankheit, wenn sie vorhanden war, zum mindesten eine ganz unbedeutende Rolle gespielt haben. Dieser Umstand lehrt uns die freiere sexuelle Beweglichkeit der Alten besser versteh n; heute stiftet leider die Syphilidophobie, im Verein mit sozialer Zwangslage, in der großstädtischen Be- 1 Vgl. hierüber das soeben erscheinende Sammelwerk von Hovorka und Kronfeld .Vergleichende Volksmedizin* (Stuttgart 1908). 27 417 völkerung ein rasendes Unheil. Die Abstinenz vom Weibe, mit ihren schwer verkannten Folgen, besonders denen der geistigen Stimmung, steht kummervoll und steril auf der einen Seite; auf der andern das widerwärtige Gezücht dummdreister Heuchler, die die grauenhafte und hinterlistige Infektion als eine schadenfrohe Strafe ihres erbärmlichen Inquisitor- Gottes ausposaunen. Wenn irgendwo Ekel und Empörung im Sexualleben angebracht erscheint, so diesen schamlosen Lügnern gegenüber. Corvus fellator. Aus der Begrüßungsszene nach der Schlacht bei Adium und der Notiz bei Plinius (Forberg S. 269) geht hervor, daß das Volk felsenfest davon überzeugt war, die Raben koitierten mit dem Schnabel und legten auf eben dem Wege Eier. Es ist mir nicht gelungen, bei Fachgelehrten irgend eine Parallele hiervon zu ermitteln. Noch viel weniger weiß ich eine Erklärung dieser Kuriosität Erotische Grabreden. Das Epigramm auf Nichina aus Flan- dern (S. 113/119), die nach den bewegten Fahrten einer echten „Landstörtzerin" schließlich im Bordell zu Siena landet und hier zur Meisterin der hohen Schule wird, ist meines Erachtens viel- leicht das kulturhistorisch wertvollste Gedicht Beccadellis. Im erotischen Folklore bildet der Nachruf eine bekannte Gruppe; man vergleiche die Parallelen im II. Bande derAnthropophyteia S. 67 ff., wo man die Redensart vom „movere nates" wieder- finden wird. Erotische Metaphern. Forberg erwähnt S. 253/256 und S. 296, daß die Alten sich verschiedener Umschreibungen bei der Bezeichnung geschlechtlicher Handlungen bedienten. Es gibt kein Volk, das solche Umschreibungen nicht hätte. Einmal ist die reichste Sprache viel zu arm, als daß sie alle Nuancen des Ge- schehens unbildlich ausdrücken könnte; dann aber ist gerade das bildlich Malende wahrscheinlich die primitive Wurzel alles Denkens, was Stephan soeben erst an der Kunst der Eingeborenen des Bismarck-Archipels nachgewiesen hat 1 Hinzukommt das Moment • SUdseefcunst (Berlin 1907). 418 Digitized by Google des Witzigen. Im Kreise der plaudernden Stammesgenossen wird die Erfindung einer unerwarteten metaphorischen Gegensätzlich- keit mit fröhlichem Gelächter begrüßt werden. Die Zahl dieser täglich neuen Erfindungen ist Legion. Einzelne Schlager werden längere Zeit kursieren und den durchschnittlichen Sprachschatz ver- mehren helfen, der scheinbar konstant ist, aber im Ablauf größerer Perioden doch sein Antlitz wandelt Vergleicht man z. B. die erotischen Metaphern des lustigen „Schnepperers" Hans Rosen- blut aus Nürnberg 1 mit denen, die sich der Wiener Verfasser der „Mutzenbecher" jetzt geleistet hat, so dürfte die Verschieden- artigkeit des Bildlichen verblüffen. Einige Beispiele erotischer Metaphern gibt Stoll (Geschlechtsleben in der Völkerpsychologie), die größte Ausbeute findet sich natürlich in der „Anthropophyteia". Eine kleine Auswahl mag hier folgen: Der Kaiser hat aufig'schricb'n, Ganz kurios, D'Buben müssen Reiter werd'n, D'Menscher d'Roß. Sob&ld d'Buben Reiter werd'n Und d'Menscher d'Roß, Nächer is's Sold&tenleb'n Gänz kurios* Das Gärtlein still vom Busch umhegt, Das jeden Monat Rosen trägt, Das gern den Gärtner in sich schließt, Der es besamt, der es begießt, Es lebe hoch! Der Bergmann, stark und wohlgenährt, Der ohne Licht zur Grube fährt, Der immer wirkt und immer schafft, Bis er erlahmt, bis er erschlafft, Er lebe hoch!» 1 Fastnachtsspiele des XV. Jahrhunderts. Privatdrucke des Literarischen Vereins in Stuttgart. Bd. 28, 29, 30, 46. 2 E. K. Blümml, Erotische Volkslieder aus Deutsch ■ Österreich (Wien 1906). 8 Damentoast und Herrentoast, bei Stoll. 27« 419 Ein elsässisches Sprichwort lautet: Es het e Lins'l uf em Brettel, 1 d. h. das Mädchen hat ganz flache Brüste. Wiener Redensarten sind: den Bauch lakiern i. e. coitus interruptus cum ejaculatione; Quartiermacher i. e. digitus viri vulvam titillans; braunes Zimmer i. e. an us. In Berlin hört man: Hängematte i. e. schlaffes scrotum; Hinterpommer i. e. Pä de rast; Milchbureau i. e. volle mammae; Pflaume i. e. vulva. Ein niederösterreichisches Rätsel, das die Metapher umkehrt, fragt: Wie heifit das Ding, wohinein alle Abend ein männliches Glied gesteckt wird? Antwort: Stiefelknecht Im Bergischen nennt man die vulva Moderschruf, d. h. Schrauben- mutter; ein Abtritt ist, wo „der Kaiser te Fote he geit" (zu Fuß hin geht). Epilation. Die antike Epilation der weiblichen Pubes lebt noch heute in den Statuen fort Die Künstler führen ästhetische Gründe für den Usus ins Feld; andere sprechen von Kanon und Tradition; wieder andere behaupten, die Darstellung der natür- lichen Schamhaare würde obszön wirken. Daß bei den Griechen gerade umgekehrt die rasierte oder epilierte Pubes obszön wirkte, geht aus der Lysistrata des Aristophanes (Forberg S. 223 Anm.) drastisch genug hervor. Das Weib des Altertums ließ sich epilieren, solange es begehrenswert erscheinen wollte, weshalb alte oder häßliche Weiber verspottet wurden, wenn sie gleichfalls auf diesen Punkt der Körperpflege Wert legten. Da die Epilation nur ver- einzelt in der Geschichte der Menschheit auftritt, kann ihr ein prinzipieller obszöner Reiz nicht innewohnen; man muß sie viel- mehr unter dem Gesichtspunkt erotischer Moden betrachten. Stoll sieht in der Epilation zunächst die Absicht der Reinlichkeit und weiterhin das Symbol der Reinheit überhaupt Circumcislon. Die Frage der Beschneidung, besonders beim weiblichen Geschlecht, streift Forberg in den Anmerkungen zu S. 306/307. Griechen und Römer hatten diesen Brauch nicht; er fiel ihnen nur bei fremden Nationen auf. Interessant ist, was Celsus von der Schaffung eines künstlichen Präputiums sagt (Forberg S. 273 Anm.). 1 Dies und alle folgenden Beispiele bei Krauß, Anthropophyteia. Von den dort verzeichneten au Serdeutschen sehe ich ab. 420 Digitized by Google Kastration. Über Eunuchen vgl. Forberg S. 299/300 und S. 306/307. Man unterschied die radikal amputierten castrati, die nur der Hoden beraubten spadones, und endlich die thlibiae, deren Testikel man durch fortgesetzte Quetschung zur Verödung gebracht hatte. 1 * * * Schlußwort Betonen möchte ich nochmals, daß vorliegende Abhandlung zur menschlichen Sexualität mit Bewußtsein unvoll- ständig ist Es war einzig meine Aufgabe, innerhalb eines kurz zubemessenen Raums durch Stichproben zu erläutern, daß die Forbergschen Apophoreta ein eminentes Quellenwerk von un- vergänglichem Wert darstellen. Dies ist geschehn. Mögen nun die Benutzer das Material für ihre besonderen Zwecke reichlich ausschöpfen! Ich bitte ferner die geschätzten Leser, sich mit Be- obachtungen und Mitteilungen auch anscheinend geringfügiger Art an meine Adresse (Berlin W. 50) wenden zu wollen; der weitere Fortschritt der Sexualwissenschaft kann nur durch intensive Kleinarbeit gewährleistet werden. 1 Cf. Glossarium eroticum linguac latinac, auctore P. Pierrugucs 1826 (anastat. Neudruck, Berlin 1908). 421 INHALTSÜBERSICHT DES KOMMENTARS. Seite I. Einleitendes 345 Seltenheit des Werkes (345). Bedeutung für die Sexualwissenschaft (346). Bösartiges Denunziantentum (346). II. Homosexualität 348 Geschichtliches (348). Nomenklatur (349). Theoretisches: Er- werbung (350), Variationslüsternheit, Fall (351), Beispiele bei den Südslawen (352), vom Haberfeld treiben (353), eingeborene Anlage (353). Analnerven (354). Berühmte Homosexuelle (354). Erpresser (355). Hüftbewegungen und Charakter der Femininen (355). Männer- trauung (356). Kostümtrieb bei Homosexuellen (356), bei Normalen, eine bisher unbeachtete Erscheinung (356). Komplikationen der Homosexualität mit anderen Abarten (357), Fall einer homosexuell- masochistischen Frau (358), Literarisches (360). Anthropologische Verbreitung (360). III. Bisexualität 362 Antike Ideen (362). Hirschfelds Hypothese (362). Privatrechtliche Be- deutung von Mißbildungen (364). Hermaphroditen der Kunst (364). IV. Amor lesbicus 365 Hypertrophische Klitoris bei Forberg (365). Hottentottenschürze und Steatopygie (365). Klitoriskohabitation (366). Der Olisbos und seine universelle Verbreitung (367). Behauptete Seltenheit antiker cunni- lingae (369). Tribadenklubs (369). Theoretisches: Forbergs An- sicht (370), Mangelhaftigkeit des modernen Materials (371), Grund- verschiedenheiten zwischen männlicher und weiblicher Homo- sexualität (371), viriler Typus (372), .Vater* und .Mutter" (372). Verlaines Interpretation (373). 422 Digitized by Google Seite V. Masochismus 375 Ovidismus (375), ovidische ars amandi (376). Aristoteles und Phyllis (378). Rousseau (378). Die römische Domina (379). Mittelalter- liches (380). Paul Verlaine (382). Theoretisches (386). Masochi- stische Belletristik (388). VI. Pica 389 Beziehung zum Masochismus (389). Zwaardemakers Chemismus der erotischen Duftstoffe (390). Theodora (391). Kasuistik (391). Sades 120 journees (393). Theoretisches (393). VII. HerTenmoral der Alten 395 Moderne Bewertung der Lusthandlungen (395). Antiker Stand- punkt der allgemeinen Herrenmoral (396). Standesgemäßer Sadis- (398). Beispiel aus Rußland (399), von den Antillen (400). VIII. Masturbation 401 Die laeva manus bei Martial (401), in Istrien (402). Beschreibung bei O. Adler (402). Theoretisches (403). IX. Sodomie 405 Psychologischer Standpunkt der Primitiven (405). § 175 (406). An- sicht von Friedrich S. Krauß (406). Kopenhagener Hundefriedhof (407). X. Coitus 408 Inhalt des Sexualinstinktes (408). Figurae Vencris (409), Forbergs Liste (409), Ursache der Variation (410), Hancarvilles Tafeln (411). Einzelheiten der Mechanik: Größe des Membrums (412), Garrulitas (412), HUftrotationen (413), Verstärkung der Erektion (413), Fuhlen der Ejakulation (413). Venus aversa (413). XI. Verschiedenes 415 Voyeurs (415). Träume (415). Gerontophilie (415). Nekrophilie (416). Foetor oris und Syphilis (416). Corvus fellator (418). Ero- tische Grabreden (418). Erotische Metaphern (418). Epilation (420). Circumcision (420). Kastration (421). Schlußwort (421). 423 igitized by Google Digitized by Google •l i Digitized by Google